Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 23. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3583 19. Wahlperiode 24.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Luise Amtsberg, Filiz Polat, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/3347 – Instrument der Ermächtigung für die psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, leiden infolge der Erlebnisse im Herkunftsland und auf der Flucht häufig unter schwerwiegenden körperlichen und vor allem psychischen Belastungen (Gäbel, Ruf, Schauer, Odenwald & Neuner, 2006), die oft von Depressionen und Angststörungen begleitet werden (Heeren, Wittmann, Ehlert, Schnyder, Meier & Müller, 2014). Asylsuchende und Geflüchtete benötigen deshalb häufig medizinische wie psychotherapeutische Versorgung, damit sie das Erlebte verarbeiten und sich ein neues Leben aufbauen können. Die dringend benötigte Behandlung erhalten traumatisierte oder psychisch erkrankte Asylsuchende und Geflüchtete in Deutschland jedoch nur im Einzelfall. Grund hierfür ist zunächst die Minimalversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), das Asylsuchende und Geflüchtete in der Regel von einer psychotherapeutischen Versorgung ausschließt. In den ersten 15 Monaten des Aufenthaltes übernehmen die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (PSZ) aufgrund der massiven Versorgungslücken im Regelsystem im Wesentlichen allein die Beratung und psychotherapeutische Behandlung traumatisierter Asylsuchender und Geflüchteter, und das obwohl sie noch immer unzureichend und instabil finanziert werden. Die Versorgung bei psychischen Erkrankungen verbessert sich jedoch kaum mit dem Zugang zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung . Zum einen erschweren die langen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz den Zugang zu einer Behandlung. Hinzu kommt, dass nach geltender Rechtslage die Krankenkassen keine Dolmetschereinsätze finanzieren können, die jedoch für eine angemessene Aufklärung, Diagnose und Behandlung unabdingbar sind. Mit der Neuregelung gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 der Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV), die im Oktober 2015 in Kraft trat, sollte ermöglicht werden, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ohne Kassensitz , Ärztinnen und Ärzte mit einer für die Behandlung erforderlichen Weiterbildung sowie psychosoziale Einrichtungen mit einer ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leitung bedarfsunabhängig Ermächtigungen für die Versorgung von Schutzbedürftigen, die Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten, beantragen und die Abrechnung über die Krankenkassen durchführen können. Ziel der Maßnahme war es, das Versorgungssystem für behandlungsbedürftige und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3583 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode psychisch erkrankte Asylsuchende und Geflüchtete zu stärken, eine sichere und zeitnahe sowie kontinuierliche Behandlung zu gewährleisten und Versorgungsabbrüche zu vermeiden. Eine aktuelle Erhebung der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) zeigt jedoch, dass nur wenige geflüchtete Patientinnen und Patienten von einer Psychotherapie durch die Neuregelung profitieren, obwohl der Bedarf und die Nachfrage enorm sind. Die restriktive Auslegung der Neuregelung sorge dafür, dass viele Asylsuchende und Geflüchtete von der Ermächtigungsregelung weiterhin ausgeschlossen bleiben und damit unterversorgt sind. Die BAfF identifiziert dabei drei Behandlungsbarrieren : Die häufige Einschränkung des Geltungsbereiches der Ermächtigung auf die sogenannte Weiterbehandlung, aufgrund der ermächtigte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Patientinnen und Patienten nur dann aufnehmen und behandeln können, wenn diese bereits innerhalb der ersten 15 Monate ihres Aufenthaltes in Deutschland eine Therapie begonnen haben; der für die Behandlung vorgegebene Zeitrahmen, indem Asylsuchende und Geflüchtete nur dann von ermächtigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten behandelt werden können, solange sie Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehen und somit nicht geklärt ist, ob nach Statusänderung eine bewilligte Therapie beendet werden kann sowie die fehlende Lösung zur Finanzierung der Sprachmittlungsleistungen . Auch insgesamt wirkt sich die restriktive Auslegung auf die Anzahl der Ermächtigungen aus: Seit Inkrafttreten der Neuregelung sind 125 Ermächtigungen erteilt worden, von denen sich 74 Prozent auf Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verteilen. Hinzu kommt, dass 20 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Sonderermächtigung inzwischen wieder zurückgegeben haben. Die BAfF kommt zu dem Fazit, dass das „wichtige Instrument zu scheitern droht“ (vgl. Stellungnahme der BAfF von 24. Mai 2018 www.baff-zentren.org/wp-content/uploads/2008/05/Die-Erm%C3%A4chtigungzur -psychotherapeutischen-Behandlung-von-Gefl%C3%BCchteten-Ein- Instrument-droht-zu-scheitern.pdf). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Geflüchtete und Asylsuchende, die in Deutschland Schutz suchen, fallen grundsätzlich in den personellen Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Nach den §§ 4 und 6 AsylbLG haben sie in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes Zugang zu einer angemessenen gesundheitlichen Versorgung . Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen haben sie insbesondere einen Anspruch auf eine notwendige weitergehende fachärztliche und psychotherapeutische Versorgung. Im Regelfall nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland haben die Leistungsberechtigten gemäß § 2 Absatz 1 AsylbLG in Verbindung mit dem Zwölfen Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und § 264 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf die gleichen Leistungen wie gesetzlich Versicherte. Ergänzend hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/9009 verwiesen. Die Bundesregierung hat mit der Änderung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes anerkannt, dass für besonders schutzbedürftige Asylsuchende und Flüchtlinge, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben und die Empfänger laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG sind, eine Stärkung der Versorgungsangebote in der ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung erforderlich ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3583 Deshalb wurden die Ermächtigungstatbestände in § 31 Ärzte-ZV erweitert. Die Zulassungsausschüsse wurden verpflichtet, geeignete Ärzte, Psychotherapeuten sowie psycho-soziale Einrichtungen auf Antrag für die ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung des genannten Personenkreises zu ermächtigen . Die Erweiterung der Ermächtigungstatbestände des § 31 Absatz 1 Ärzte-ZV trägt der besonderen Versorgungssituation eines als besonders schutzbedürftig angesehenen Personenkreises Rechnung. Ziel der Regelung ist es, sogenannte Versorgungsbrüche zu vermeiden, die entstehen können, wenn in den ersten 15 Monaten eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung der betreffenden Personen durch Therapeuten erfolgt, die über keine Berechtigung zur Erbringung von Leistungen in der GKV verfügen (z. B. Psychotherapeuten in Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer). Hier soll gewährleistet werden, dass diese Therapeuten die Behandlung nach Ablauf von 15 Monaten, wenn die Versorgung gemäß § 264 Absatz 2 SGB V in Verbindung mit § 2 AsylbLG von der Krankenkasse übernommen wird, fortsetzen können und begonnene Therapien nicht abgebrochen werden müssen. Die Bundesregierung hat 2017 mit der Förderung des Projektes „Versorgungswege verbessern – Behandlung schaffen“ der „Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e. V.)“ einen Beitrag dazu geleistet, öffentlichkeitswirksam über die Erweiterung der Ermächtigungstatbestände zu informieren. Im Rahmen des geförderten Projektes wurden zwei Videos produziert (abrufbar auf der Homepage der BafF (www.baffzentren .org/ermaechtigung/) und 20 000 Postkarten zum Thema „Ermächtigungsregelung “ erstellt und an relevante Akteure versendet. Instrument der Ermächtigung nach § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-Zulassungsverordnung 1. a) Wie viele Anträge auf Ermächtigungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit der Neureglung gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Ärztinnen und Ärzten mit einer für die Behandlung erforderlichen Weiterbildung sowie von psychosozialen Einrichtungen mit einer ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leitung gestellt, bewilligt und abgelehnt worden? b) Wie viele Patientinnen und Patienten werden aktuell im Rahmen der Ermächtigungen gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV behandelt? c) Bei wie vielen bewilligten Anträgen auf Ermächtigung gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV wurde von den ermächtigten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein Antrag bzw. kein Antrag auf Verlängerung gestellt? d) Welche Gründe sind der Bundesregierung bekannt, wieso die Anzahl an gestellten Anträgen auf Ermächtigung in den meisten Bundesländern gering bleibt? e) Welche Gründe sind der Bundesregierung bekannt, wieso Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihre Ermächtigung wieder zurückgegeben haben oder keinen Antrag auf Verlängerung stellen? f) Welche Gründe sind der Bundesregierung bekannt, dass sich die meisten Ermächtigungen vor allem auf drei Bundesländer (Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) verteilen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3583 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode g) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Gründen ? Die Fragen 1a bis 1g werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zuletzt im Mai 2018 um einen aktuellen Stand bezüglich der Ermächtigungen nach § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV gebeten. Auf der Grundlage einer Abfrage der KBV bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hat die KBV mitgeteilt, dass bisher 169 Anträge auf persönliche Ermächtigungen und 12 Anträge auf Institutsermächtigungen gestellt wurden. Von den Anträgen auf persönliche Ermächtigungen wurden bisher 130 positiv und 12 negativ beschieden , von den Anträgen auf Institutsermächtigungen wurden bisher 10 positiv und kein Antrag negativ beschieden. Alle übrigen Anträge befinden sich noch in Bearbeitung (Stand Juni 2018). 15 Anträge auf persönliche Ermächtigung wurden zurückgenommen. Die folgende Übersicht der KBV schlüsselt die Anträge nach KVen und dem Status der Anträge (genehmigt, abgelehnt, laufend, zurückgenommen) auf: Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3583 Erkenntnisse darüber, wie viele Patientinnen und Patienten aktuell im Rahmen der Ermächtigung gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV behandelt werden, liegen der Bundesregierung nicht vor. Der Bundesregierung liegen zudem keine Informationen darüber vor, wie viele Anträge auf Verlängerung erteilter Ermächtigungen gestellt wurden. Nach Auskunft der KVen an die KBV ist eine Begründung dafür, dass Ermächtigungen wieder zurückgegeben werden, nicht erforderlich . Teilweise wurde als Grund für eine Rückgabe hier fehlende Patientenzahlen genannt. Insgesamt ist festzuhalten, dass Ermächtigungen nach § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte- ZV ohne Begründung eines Versorgungsbedarfs und ohne einen Ermessensspielraum der Zulassungsausschüsse im Genehmigungsverfahren zu erteilen sind. Die Zulassungsausschüsse sind verpflichtet, Ermächtigungen nach § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV auf Antrag zu erteilen. Dabei kann sowohl der Bedarf als auch das Interesse der Leistungserbringer an einer Ermächtigung in den unterschiedlichen Regionen der Bundesrepublik insgesamt variieren, wodurch entsprechend auch die Zahl der Anträge auf Ermächtigungen bzw. deren Verteilung variieren kann. 2. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung und Wirkung der Neuregelung der Ermächtigung gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV für die Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Asylsuchenden und Geflüchteten? b) Werden nach Ansicht der Bundesregierung die Ziele der Maßnahme, das Versorgungssystem für behandlungsbedürftige und psychisch erkrankte Asylsuchende und Geflüchtete zu stärken, eine sichere und zeitnahe sowie kontinuierliche Behandlung zu gewährleisten sowie Versorgungsabbrüche zu vermeiden, durch die Neuregelung erreicht (bitte begründen)? Die Fragen 2a und 2b werden gemeinsam beantwortet. Wie in der Vorbemerkung der Bundesregierung ausgeführt, trägt die Erweiterung der Ermächtigungstatbestände des § 31 Absatz 1 Ärzte-ZV der besonderen Versorgungssituation eines als besonders schutzbedürftig angesehenen Personenkreises Rechnung. Ziel der Regelung ist es, sogenannte Versorgungsbrüche zu vermeiden , die entstehen können, wenn in den ersten 15 Monaten eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung der betreffenden Personen durch Therapeuten erfolgt, die über keine Berechtigung zur Erbringung von Leistungen in der GKV verfügen (z. B. Psychotherapeuten in Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer). Hier soll gewährleistet werden, dass diese Therapeuten die Behandlung nach Ablauf von 15 Monaten, wenn die Versorgung gemäß § 264 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Krankenkasse übernommen wird, fortsetzen können und begonnene Therapien nicht abgebrochen werden müssen. Für weitere Erkrankungen und Personenkreise wird die Behandlung durch sonstige zugelassene oder ermächtigte Leistungserbringer sichergestellt. Insoweit wird ein gleiches Versorgungsniveau zu GKV-Versicherten gewährleistet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3583 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage der BAfF in ihrer Stellungnahme von 24. Mai 2018, dass das „wichtige Instrument [der Ermächtigung] zu scheitern droht“ (vgl. Stellungnahme der BAfF vom 24. Mai 2018: www.baff-zentren.org/news/psychotherapie-fuer-traumatisierte-gefluechteteein -instrument-droht-zu-scheitern/)? Die Bundesregierung teilt die Einschätzung des BAfF nicht. 4. a) Sieht die Bundesregierung angesichts der bundesweit nur geringen Anzahl von beantragten Ermächtigungen sowie dem eingeschränkten Patientinnenkreis und Patientenkreis, der den formalen Vorgaben der Behandlung durch ermächtige Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten entspricht , Nachsteuerungsbedarf? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? b) Plant die Bundesregierung, die derzeitigen Rahmenbedingungen zu verbessern , damit Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bundesweit künftig mehr Ermächtigungen beantragen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 4a und 4b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung sieht aus den in den Antworten zu den Fragen Nummer 1 und Nummer 2 dargelegten Gründen keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf in Zusammenhang mit der Ermächtigungsmöglichkeit nach § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV. 5. a) Wie bewertet die Bundesregierung die drei identifizierten Behandlungsbarrieren (Einschränkung auf die Weiterbehandlung, Behandlungsabbrüche durch Statusänderung aufgrund der Aufnahme von Arbeit, einem Ausbildungsplatz oder sicheren Aufenthalt, fehlende Finanzierung der Sprachmittlung)? b) Inwiefern sieht die Bundesregierung weitere Barrieren und Schwierigkeiten sowie einen damit verbundenen Nachsteuerungsbedarf beim Zugang von Asylsuchenden und Geflüchteten zur psychotherapeutischen Versorgung ? Die Fragen 5a und 5b werden gemeinsam beantwortet. Bezüglich der Finanzierung der Sprachmittlung wird darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Verständigung aller in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherten mit den an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Leistungserbringern auch in ihrer jeweiligen Muttersprache nicht zum Leistungsumfang einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung gehört. Im Rahmen einer Krankenbehandlung ggf. erforderliche Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers dürfen daher nicht von den Krankenkassen übernommen werden (Urteil des BSG vom 19. Juli 2006, Az. B 6 KA 33/05 B, bekräftigt in BSG SozR 4-2500 § 32 Nr. 1 RdNr. 6). Eine generelle Übernahme von Dolmetscherkosten würde nicht mehr der Aufgabenstellung der GKV entsprechen und wäre auch im Hinblick auf die grundsätzlich begrenzten finanziellen Mittel der GKV nicht vertretbar. Be- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3583 rufsverbände und KVen bieten Suchportale an, die bei der Arztsuche nach vorhandenen Sprachkenntnissen von Ärztinnen und Ärzten bzw. Therapeuten differenzieren . Besondere Sprachkenntnisse einer Bewerberin oder eines Bewerbers können auch bei der Zulassung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes bzw. bei der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen berücksichtigt werden. Um das spezifische bereits bestehende Angebot von medizinischen Leistungen für Menschen mit Migrationshintergrund besser nutzbar zu machen, etablieren sich zudem nach Kenntnis der Bundesregierung immer mehr Dienstleistungen. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG können nach § 6 Absatz 1 AsylbLG einen Anspruch auf Dolmetscherkosten haben, wenn die Hinzuziehung im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern oder Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht geboten ist. Ergänzend wird auf die Antworten zu den Fragen 6 und 9 verwiesen. Beschränkung auf Weiterbehandlung 6. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Ermächtigungen nicht auf die Weiterbehandlung reduziert und damit eine Verbesserung beim Zugang zu einer sicheren und zeitnahen Behandlung erschwert wird? 7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Ziele, wie sie in der Gesetzesbegründung formuliert sind a) eine sichere und zeitnahe Behandlung b) eine Weiterbehandlung erreicht werden? 8. Plant die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, die Behandlungsbarriere aufzulösen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 6, 7 und 8 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Erteilung der Ermächtigung nach § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV ist Aufgabe der Zulassungsausschüsse. Diese bestehen aus Vertretern der Ärztinnen und Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl. Die Mitglieder der Zulassungsausschüsse führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Das Bundesministerium für Gesundheit hat keine Möglichkeit, auf die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse einzuwirken. Grundsätzlich können die am Verfahren beteiligten Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten , Einrichtungen, KVen und Landesverbände der Krankenkassen gegen die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse den jeweils zuständigen Berufungsausschuss anrufen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3583 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Behandlungsabbrüche bei Statusänderung 9. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass es nicht zum Behandlungsabbruch kommt bei förderungswürdigen Zielen, wie die Erlangung einer Arbeit oder Ausbildung bzw. einem sicheren Aufenthalt? Mit der Schaffung des Ermächtigungstatbestandes des § 31 Absatz 1 Satz 2 in der Ärzte-ZV sollte bewusst keine „Generalermächtigung“ zur Behandlung Geflüchteter und Asylsuchender unabhängig von ihrer psychischen Erkrankung oder ihrem Status geschaffen werden. Die Beschränkung der Ermächtigung auf die Behandlung besonders schutzbedürftiger Asylsuchender und Flüchtlinge, die Empfängerinnen bzw. Empfänger laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG sind und die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer oder physischer Gewalt erlitten haben, wurde in den politischen Beratungen als sachgerecht angesehen , um der besonderen Versorgungssituation dieses speziellen Personenkreises beim Übergang von der Akutversorgung zur Krankenbehandlung im Umfang der GKV Rechnung zu tragen. Die Behandlung von weiteren Personenkreisen beziehungsweise auch von Patientinnen oder Patienten mit einem geänderten Aufenthaltsstatus erfolgt grundsätzlich durch sonstige im System der GKV zugelassene und ermächtigte Leistungserbringer. Dadurch wird ein gleiches Versorgungsniveau gewährleistet wie für sonstige GKV-Versicherte. 10. Welche Vereinbarungen oder Vorgaben wurden geschaffen, um derartige Versorgungsbrüche zu vermeiden, die dem erklärten Ziel der Bundesregierung , wie sie in der Begründung zur Einführung der Ermächtigungsregelung (Bundesratsdrucksache 447/15, S. 14.) formuliert sind, entgegenstehen? 11. Plant die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, die Behandlungsbarriere aufzulösen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 10 und 11 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass laufende psychotherapeutische Behandlungen auf der Grundlage des § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV durch eine sich möglicherweise ergebende Versicherungspflicht der Patienten in der GKV während der Therapie abgebrochen werden müssen. Gegebenenfalls besteht hier jedoch die Möglichkeit, für den konkreten Einzelfall mit dem Instrument der Kostenerstattung eine sachgerechte Lösung zu finden, um bereits begonnene Therapien fortzuführen. Nach § 13 Absatz 2 SGB V können Versicherte in der GKV Kostenerstattung (auch beschränkt auf die psychotherapeutischen Versorgungsbereich ) wählen. Dies ist bei der Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung anzuzeigen. In diesem Rahmen können – mit Zustimmung der Krankenkasse – auch nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch genommen werden . Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe dies rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Kostenerstattung ist allerdings beschränkt auf die Höhe der Vergütung , die die Krankenkasse bei zugelassenen Leistungserbringern zu tragen hätte (abzüglich gesetzliche Zuzahlungen und Verwaltungskostenpauschale). Darüber hinaus besteht ein unbeschränkter Kostenerstattungsanspruch über tatsächlich angefallene Kosten selbstbeschaffter Leistungen nach § 13 Absatz 3 SGB V, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare notwendige Leistung nicht rechtszeitig erbringen kann oder zu Unrecht abgelehnt hat (z. B. bei sog. „Systemversagen“, wenn kein zugelassener Leistungserbringer rechtzeitig zur Verfügung steht). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/3583 Fehlende Finanzierung der Sprachmittlung 12. In wie vielen Fällen wurde seit Inkrafttreten der Neuregelung der Ermächtigung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gemäß § 31 Absatz 1 Satz 2 Ärzte-ZV Anträge auf Übernahme notwendiger Sprachmittlungskosten für die psychotherapeutische Behandlung nach dem Zwölften Buch und nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch gestellt, bewilligt und abgelehnt (bitte getrennt nach den entsprechenden Leistungsträgern und Rechtsgrundlagen auflisten)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 13. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass notwendige Kosten für professionelle Sprachmittlerinnen und Sprachmittler finanziert werden? 14. Plant die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, die Behandlungsbarriere aufzulösen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 13 und 14 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Die Bundesregierung ist der Auffassung , dass die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Sprachmittlung ausreichend sind. Situation der Asylsuchenden und Geflüchteten 15. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der psychosozialen Begleitung von Asylsuchenden und Geflüchteten insgesamt bei? Der psychosozialen Begleitung von Asylsuchenden und Geflüchteten misst die Bundesregierung einen hohen Stellenwert bei. Die Verantwortung für die Strukturen der psychosozialen Versorgung, fällt allerdings, ebenso wie die Ausführung des AsylbLG in die Zuständigkeit der Länder. 16. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Ergänzung des bestehenden Angebots durch niedrigschwellige psychosoziale Begleitung durch sogenannte Peer-Beraterinnen und Peer-Berater als sinnvoll an, wie sie beispielsweise in der Stellungnahme „Traumatisierte Flüchtlinge – schnelle Hilfe ist jetzt nötig “ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vorgeschlagen wird, solange sichergestellt wird, dass es sich bei diesem Angebot nicht um eine Substitution von Fachleistungen, sondern um eine Ergänzungsleistung handelt, die besonders schnell und niedrigschwellig den Zugang zu Asylsuchenden und Geflüchteten ermöglicht? Nach Auffassung der Bundesregierung kann die niedrigschwellige psychosoziale Begleitung durch sogenannte „Peer-Beraterinnen“ und „Peer-Berater“ eine sinnvolle Ergänzung insbesondere der ärztlichen Behandlung darstellen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Ausführung des AsylbLG und die Verantwortung für die Strukturen der psychosozialen Versorgung in die Zuständigkeit der Länder fallen. Um die Länder in ihrer Aufgabenwahrnehmung zu unterstützen, werden in Modellprojekten Einzelfragestellungen und alternative Ansätze auf ihre Wirksamkeit und Anwendbarkeit hin überprüft. So fördert z. B. das Bundesministerium für Gesundheit in diesem Bereich die Durchführung und Auswertung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3583 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode einer Vergleichsstudie, mit der die Effektivität eines muttersprachlichen Counselings im „peer-to-peer-Ansatz“ für Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland untersucht wird. Der in der Studie gewählte Ansatz ist ausdrücklich nicht als Ersatz für oder Konkurrenz zu ggfs. erforderlichen therapeutischen Behandlungen gedacht, sondern als niedrigschwelliges Angebot einer ersten qualifizierten Hilfe, mit dem insbesondere Menschen mit belastenden Fluchterfahrungen frühzeitig erreicht und stabilisiert werden können. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich Ende 2019 vorliegen. 17. Aufgrund des Vorliegens welcher Kriterien definiert die Bundesregierung eine psychische Krise sowie die Behandlung dieser als akut und unaufschiebbar i. S. v. § 4 AsybLG bzw. § 6 AsylbLG? Für die Ausführung der Vorschriften des AsylbLG sind die Länder zuständig. Der Begriff „psychische Krise“ ist keine Formulierung des Gesetzes. Ob dieser Zustand im konkreten Einzelfall eine „akute“ Erkrankung im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 AsylbLG darstellt, hat die nach dem AsylbLG zuständige Behörde zu beurteilen . Soweit dies erforderlich ist, hat sie dabei ärztliche Einschätzungen zu berücksichtigen. Das Wort „unaufschiebbar“ wird in § 4 Absatz 1 AsylbLG nur im Zusammenhang mit einer Versorgung mit Zahnersatz genannt. 18. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustellen, dass Asylsuchende und Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen von den bestehenden Angeboten erfahren , und sieht die Bundesregierung die bisher ergriffenen Maßnahmen als ausreichend an, damit alle Asylsuchenden und Geflüchtete von den Angeboten erfahren? Aufgrund der bestehenden Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern liegt die Zuständigkeit für die Aufnahme und Unterbringung der Asylbewerber bei den Ländern. Die Länder sind sowohl für die Einhaltung der Mindeststandards zum Schutz geflüchteter Menschen in Flüchtlingsunterkünften als auch für die erforderliche Betreuung und Versorgung der Asylbewerber innerhalb des Bundeslandes zuständig. Dasselbe gilt für die Organisation und Information über ergänzende Angebote in Erstaufnahmeeinrichtungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333