Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 26. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3614 19. Wahlperiode 30.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Reinhard Houben, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/3304 – Konkurrenzfähigkeit der europäischen Raumfahrt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 12. August 2015 beauftragte die europäische Weltraumagentur ESA die ArianeGroup als Hauptvertragspartner mit der Neuentwicklung der „Ariane 6“- Rakete. Laut der ArianeGroup gab es zu Anfang des Projekts die Zusage der EU, dass pro Jahr mindestens fünf Raketenstarts bestellt werden. Eine vertragliche Einigung gab es dabei aber nicht. In der Erklärung von Meseberg haben der französische Präsident Emmanuel Macron und die Bundeskanzlerin ihre uneingeschränkte Unterstützung für das „Ariane 6“-Programm bekräftigt. In einem Interview mit „SPIEGEL ONLINE“ hat der Chef der ArianeGroup, Alain Charmeau, davor gewarnt, dass, wenn bis Ende Juni nicht sieben Bestellungen für die „Ariane 6“-Rakete eingehen, das Projekt womöglich gestoppt werden muss. Laut Alain Charmeau ist erst eine Bestellung für zwei Starts von der Europäischen Kommission eingegangen. Währenddessen plant die Bundeswehr zur Schaffung eines Radar-Aufklärungssystems zwei ihrer SARah-Satelliten mittels „Falcon 9“-Raketen des amerikanischen Unternehmens SpaceX in den Jahren 2018 und 2019 in eine sonnensynchrone Umlaufbahn zu schießen. Das Unternehmen SpaceX kann sich, laut Alain Charmeau, niedrigere Raketenpreise leisten, da die NASA für diese doppelt so viel zahlt wie Organisationen in europäischen Staaten. Damit solle Europa aus dem Weltraummarkt gedrängt werden. 1. Wie wichtig schätzt die Bundesregierung einen Erfolg des „Ariane 6“-Projektes für die europäische Raumfahrt ein? Der Erfolg der Ariane 6 ist aus Sicht der Bundesregierung überaus wichtig für die europäische Raumfahrt. Die Ariane 6 wird für einen langen Zeitraum die Hauptsäule des unabhängigen, souveränen europäischen Zugangs zum All bilden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3614 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie wahrscheinlich ist ein Aus des „Ariane 6“-Projektes? Eine Beendigung des Ariane-6-Programmes ist aus Sicht der Bundesregierung nicht zu erwarten. 3. Welchen wirtschaftlichen Schaden hätte nach Kenntnis der Bundesregierung ein Aus des „Ariane 6“-Projektes für die EU? Wie viele Arbeitsplätze wären direkt und indirekt davon betroffen? Mit Entwicklung und Produktion sowohl von Ariane 5 als auch Ariane 6 sind in Europa etwa 10 000 Personen beschäftigt. 4. Welche finanziellen Auswirkungen hätten unausreichende Bestellungen und die dadurch entstehende finanzielle Schieflage bei der ArianeGroup für den Bund? Die ArianeGroup und deren Tochterfirmen ArianeGroup SAS in Frankreich und die ArianeGroup GmbH in Deutschland sind privatrechtliche Unternehmen, die derzeit im Rahmen eines mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA geschlossenen verbindlichen Vertrages die Ariane 6 entwickeln. Ob Bestellungen im wirtschaftlichen Sinne „unzureichend“ oder „zureichend“ sind, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung. Die Aktivitäten des Unternehmens auf dem kommerziellen Markt unterliegen vereinbarungsgemäß allein der Verantwortung des Unternehmens selbst. Direkte finanzielle Auswirkungen auf den Bund sind deshalb aus dieser Sachlage heraus nicht bekannt oder zu erwarten. 5. Was unternimmt die Bundesregierung, um den drohenden Produktionsstopp der „Ariane 6“-Rakete zu verhindern? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über einen „drohenden Produktionsstopp “ der Ariane 6. Die Serienproduktion der Ariane 6 hat noch nicht begonnen. Bekannt sind jedoch Äußerungen aus der Industrie, dass die Zahl der bislang vorliegenden Bestellungen hinter den Erwartungen der Anbieter zurückbleibt. 6. Wie plant die Bundesregierung, die Zusage der EU zu fünf Starts pro Jahr mit zu unterstützen und durchzusetzen? Es liegt nach Kenntnis der Bundesregierung keine „Zusage der EU“ zum Ankauf von jährlich fünf Ariane-6-Startaufträgen vor. In einer Resolution des ESA-Rates vom 2. Dezember 2014 wurde von den ESA- Mitgliedsstaaten lediglich das Einvernehmen bekundet, dass „verschiedene institutionelle Akteure in Europa … eine bestimmte jährliche Zahl an Starts in Auftrag geben werden“. Da die EU – vor allem auf Basis des laufenden Galileo-Programms und daran anschließender Folgeprogramme – der größte institutionelle Bedarfsträger in Europa ist, wird der EU hierbei eine herausragende Rolle als „Ankerkunde“ zugeschrieben . Dass fünf Starts pro Jahr in Auftrag gegeben würden, ist eine Erwartung der Industrie , die sich auf ihre Analyse stützt, dass der gesamte europäische institutionelle Bedarf an Ariane-6-Startdienstleistungen im Schnitt bei fünf pro Jahr liegen würde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3614 7. Welche Gespräche führt die Bundesregierung mit anderen EU-Mitgliedstaaten , um mehr Bestellungen für die „Ariane 6“-Rakete zu ermöglichen? Im Rahmen der EU-Weltraumprogramme und -aktivitäten ist die EU-Kommission Verhandlungsführer für die Abnahme von Ariane-6-Trägerrakten. Auf dem Ministertreffen von Meseberg am 19. Juli 2018 haben Deutschland und Frankreich ihre Unterstützung für das „Ariane 6“-Programm der ESA erklärt. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 6 verwiesen. 8. Plant die Bundesregierung, in Zukunft vor allem die „Ariane 6“-Rakete bei Ausschreibungen zu berücksichtigen, oder plant sie, alternative Raketen (z. B. die Falcon 9) zu benutzen? Die Bundesregierung führt bislang im Regelfall keine separaten Ausschreibungen für Startdienstleistungen durch, sondern schreibt komplette Dienstleistungen als Paket aus. Dabei sind die Starts Bestandteil der Gesamtleistung, die vom jeweiligen Auftragnehmer erbracht werden muss. Die Optionen für Startsysteme liegen damit in der Verantwortung des Auftragnehmers. Aus Sicht des Auftraggebers ist dies derzeit der wirtschaftlichste und risikoärmste Weg. Allerdings wird dieser Sachverhalt vor jedem neuen Vergabeverfahren neu bewertet. Auf Grundlage eines Beschlusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 2018 prüft die Bundesregierung derzeit, „ob bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Startdienstleistungen in Deutschland und Europa von weltweiten Ausschreibungen abgesehen werden kann, ohne gegen WTO-Regeln oder andere internationale Vereinbarungen zu verstoßen und welche Voraussetzungen dafür ggf. im nationalen oder europäischen Vergaberecht geschaffen werden müssen.“ 9. Inwiefern werden bei Raumfahrtausschreibungen der Bundesregierung, der Bundeswehr oder anderen staatlichen Organen die Wertschöpfungskette und die Kosten von Forschung und Entwicklung im Raumfahrtbereich berücksichtigt ? In regulären Vergabeverfahren können nach den allgemeinen Vergaberechtsgrundsätzen – hier besonders dem der Chancengleichheit – keine Wertschöpfungsketten isoliert positiv oder negativ bewertet werden. Im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes sind jedoch Kosten und Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung in Vergabeverfahren zu berücksichtigen. 10. Welche Überlegungen gibt es in der Bundesregierung, die SARah-Satelliten der Bundeswehr später in Betrieb zu nehmen, sodass sie mit der „Ariane 6“- Rakete in die Umlaufbahn gebracht werden können? Es gibt keine Überlegungen, die Inbetriebnahme zu verzögern. Die Beschaffung des Systems SARah ist unter Vertrag. Zu den vereinbarten Leistungen gehört auch der Start der Satelliten, so dass eine nachträgliche Änderung des Startsystems nicht möglich ist. 11. Inwieweit wird die Bundeswehr in Zukunft auf die „Ariane 6“- anstatt auf die „Falcon 9“-Raketen zurückgreifen, sobald diese auslieferungsbereit ist? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3614 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Können die Kosten nach Auffassung der Bundesregierung längerfristig durch Risikoverteilung auf Raumfahrtindustrie und staatliche Organisationen verlässlich gesenkt werden? Wenn ja, bedeutet diese Verteilung der Risiken dann nicht auch, dass die Bundesregierung bei einem drohenden Produktionsstopp der „Ariane 6“-Rakete unkalkulierbare Kosten tragen muss? Wie kann dieser Produktionsstopp verhindert werden? Allein durch eine – zumindest teilweise – Risikoübernahme der Raumfahrtindustrie vor allem im kommerziellen Bereich wird es nach Auffassung der Bundesregierung möglich sein, die Kosten des europäischen Zugangs zum Weltall zu senken. Nur so gibt es eine Rückkopplung des Verkaufserfolges der Ariane mit der Produktivität und den industriellen Kosten zur Fertigung der Ariane 6. Die europäische Trägerraketenindustrie muss sich dem Wettbewerbsdruck auf dem kommerziellen Markt aussetzen, um wettbewerbsfähig zu werden bzw. zu bleiben , auch und gerade weil die US-amerikanischen Anbieter – heute im Wesentlichen die Falcon 9 – durch staatliche US-Aufträge, zivil wie militärisch, quersubventioniert werden. 13. Welche Auswirkungen würde ein Aus der „Ariane 6“-Rakete nach Ansicht der Bundesregierung auf den Anschluss der Europäischen Union zur internationalen Raumfahrt haben? Welche Pläne gibt es für alternative Raketen um Satelliten zu starten, sollte die Produktion der „Ariane 6“-Rakete tatsächlich gestoppt werden? Würde die Entwicklung der Ariane 6 beendet und würde zusätzlich auch die Fertigung der bewährten Ariane 5 gestoppt, so verlöre Europa zunächst auf dem Gebiet der Groß-Raketen für den Transport von geostationären Satelliten in den Orbit – aber bald darauf auch für alle Satelliten – seinen unabhängigen Zugang zum Weltall. Auch die kleine europäische Trägerrakete „Vega“ für Starts in niedrige Erdumlaufbahnen beruht auf der Existenz der Fertigungsanlagen für Ariane und kann nicht alleine überleben. 14. Welche Pläne hat die Bundesregierung, damit die deutsche und europäische Raumfahrt international wettbewerbsfähig bleiben kann? Die Bundesregierung plant, auf Grundlage ihrer Raumfahrtstrategie sowohl im Rahmen des deutschen Engagements in der Europäischen Weltraumorganisation ESA wie auch im Nationalen Programm für Weltraum und Innovation die Raumfahrtindustrie einerseits in relevanten Technologiebereichen – z. B. Digitalisierung und Big Data – weiter gezielt zu fördern, andererseits aber verstärkte Verantwortungsübernahme der Industrie zu fordern. Dafür will die Bundesregierung Forschungsprogramme auf nationaler Ebene nutzen , um so die Entwicklung neuer, innovativer Produkte am Standort Deutschland weiter zu unterstützen. Industriepolitisch möchte die Bundesregierung die Beteiligung innovativer mittelständischer Unternehmen an Raumfahrtprojekten erhöhen , um die Wettbewerbsfähigkeit auf globalem Niveau zu stärken. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3614 15. Welche Anstrengungen werden von der Bundesregierung unternommen, um eine unabhängige europäische Raumfahrt sicherzustellen? Welche Art der Unterstützung braucht die europäische Raumfahrt von den EU-Mitgliedstaaten, um unabhängig zu bleiben? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die Europäische Weltraumorganisation (ESA) als eigenständige internationale Organisation zu erhalten und sie weiter zu stärken. Eine starke ESA ist die Voraussetzung der für die Unabhängigkeit der europäischen Raumfahrt unabdingbaren starken europäischen Technologiebasis. Das deutsche Engagement im Rahmen der ESA flankiert die Bundesregierung mit dem Nationalen Programm für Weltraum und Innovation. Ergänzend spielen Nutzung und Anwendung der großen Programme der EU, vor allem des Galileo- Navigationssystems und des Copernicus-Erdbeobachtungsprogramms, durch Forschung und Industrie eine wichtige Rolle. 16. Welche Art von Leistungen und Bemühungen sind mit der Bekräftigung der Bundeskanzlerin der „uneingeschränkten Unterstützung für das Ariane-6- Programm“ von Seiten der Bundesregierung gemeint? Die Bundesregierung steht weiterhin zum Ariane 6 Programm und hält die auf der ESA-Ministerkonferenz 2014 eingegangenen Verpflichtungen zur Beteiligung am Ariane-6-Programm der ESA ein, um es wie geplant zum Erfolg zu führen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333