Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 25. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3627 19. Wahlperiode 27.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/3309 – Einführung der elektronischen Patientenakte V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Einrichtungs- und fallübergreifende elektronische Patientenakten (ePA) sind ein zentraler Baustein der digitalen Gesundheitsversorgung und Herzstück der Telematikinfrastruktur (TI). Die Vorteile einer solchen Akte liegen klar auf der Hand. Zum einen ermöglicht sie eine patientenzentrierte Versorgung und zum anderen stärkt sie die Souveränität der Bürger, da diese selbst Zugriff und Einsicht auf ihre Gesundheits- und Krankheitsdaten haben und entscheiden, wer wann Zugriff auf ihre Daten erhält. Das E-Health-Gesetz von 2015 legte den Grundstein zur Einführung einer elektronischen Patientenakte und eines elektronischen Patientenfachs (ePF). Ziel sollte es sein, dass Versicherte einen ständigen Zugriff auf ihre Behandlungsdaten haben und diese auch entsprechend den Leistungserbringern einrichtungsübergreifend zur Verfügung stellen können. So soll den Versicherten ein einfacher Zugriff auf ihre medizinischen Daten, den elektronischen Arztbrief, Behandlungsberichte und den Medikationsplan ermöglicht werden. Unnötige Doppeluntersuchungen, Behandlungs- und Diagnosefehler können in Zukunft so reduziert werden. Seit Inkrafttreten im Dezember 2015 ist jedoch nicht viel passiert. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) ist nach § 291a Absatz 5c verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 die erforderlichen technischen und organisatorischen Verfahren für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation zu erarbeiten. Es gilt, Insel- und Parallellösungen außerhalb der TI zu vermeiden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3627 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Einführung der ePA stockt derzeit. Zwar gibt es ein Bekenntnis der Regierungsfraktionen , bis 2021 eine ePA einzuführen, jedoch fehlt ein klarer Fahrplan zur verbindlichen Spezifikation, zur flächendeckenden Einführung und zur Finanzierung . Eine dauerhafte Finanzierung zur Nutzung, zur Befüllung und zum Betrieb der Akte ist einer der erfolgskritischen Faktoren, die für die Anwendung und Akzeptanz durch die Versicherten und Ärzte wesentlich sind. Zusätzlich sind haftungsrechtliche Fragen bei der Nutzung der ePA für Ärzte weiterhin nicht geklärt. Aufgrund fehlender bundesweit einheitlicher Vorgaben entwickeln sich im Markt mittlerweile ohne Bezug zueinander vielfältige proprietäre Aktenstrukturen . Wie die über ein Dutzend im Markt erkennbaren, konkurrierenden Aktenmodelle in Zukunft die Versicherten und Leistungserbringer übergreifend einheitlich vernetzen sollen und im welchen Verhältnis sie zu den Spezifikationen der gematik und den technischen Rahmenbedingungen der TI stehen, ist unklar. Zwar belegen etliche Studien die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, eine digitale Akte zu nutzen, jedoch nutzen derzeit wenige der über 70 Millionen gesetzlich Versicherten tatsächlich eine derartige Akte. Dies ist unter anderem dadurch bedingt, dass derzeit keine der am Markt verfügbaren Aktenlösungen über eine flächendeckende und sektorübergreifende direkte Primärsystem-Einbindung in die Arztpraxen und Kliniken verfügt. Zusätzlich unterstützen nur wenige Leistungserbringer die derzeit im Markt befindlichen Aktenlösungen und sehen die Nutzung als Doppelbelastung an, da Ärzte weiterhin an ihre Dokumentationspflichten in den Primär- und Sekundärsystemen gebunden sind und nur vereinzelt finanzielle Anreize zur Nutzung haben. Bereits im ersten E-Health-Gesetz 2015 wurde eine eindeutige Reduktion des Zugriffrechts auf Befunde, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichte in der Akte nach § 291a Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auf Ärzte, Zahnärzte, Apotheken und Psychotherapeuten definiert . Dies schließt den Zugriff und die Nutzung von Gesundheitsdaten von Gesundheits-, Kranken- und Altenpflegern sowie das im Behandlungskontext eingebundene nichtakademische Fachpersonal in Praxen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Rehabilitationseinrichtungen aus. Eine wirkliche Vernetzung aller Leistungserbringer ist somit nicht gegeben. Die Einführung einer elektronischen Patientenakte eilt. Während in Deutschland seit Jahren über die Einführung einer ePA diskutiert wird, haben bereits mehrere europäische Nachbarländer wie z. B. die ELGA in Österreich oder die Sundhed in Dänemark eine digitale Gesundheitsakte eingeführt, die bereits eine breite Akzeptanz und Nutzung aller Beteiligten in der Versorgung erfährt und die Gesundheitsversorgung erheblich verbessert. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die einrichtungs- und fallübergreifende Bereitstellung von Daten in einer elektronischen Patientenakte soll es Versicherten ermöglichen, den sie behandelnden Ärztinnen und Ärzten und weiteren Leistungserbringern im Gesundheitswesen wichtige medizinische Daten sektorenübergreifend umfassend verfügbar zu machen und damit zur Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität und zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Transparenz im Gesundheitswesen beitragen . Zum einen sollen elektronische Patientenakten Leistungserbringer besser bei der Auswahl der für die Versicherten geeigneten medizinischen Behandlung unterstützen . Zum anderen sollen auch die Versicherten besser über ihre Gesundheitsdaten informiert werden und dadurch ihre medizinische Behandlung besser Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3627 begleiten können. Hierfür soll für Versicherte die Möglichkeit geschaffen werden , mit modernen und praktikablen Verfahren, selbständig auf ihre Daten zugreifen zu können. Die elektronischen Patientenakten sollen unabhängig von der Mitgliedschaft in einer bestimmten Krankenkasse bundesweit sektorenübergreifend bei allen Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, den Krankenhäusern und in weiteren medizinischen Einrichtungen genutzt werden können. Bei der Einführung der elektronischen Patientenakte nach § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) wird dies durch Spezifikationen, Interoperabilitätsvorgaben und Zulassungsverfahren der Gesellschaft für Telematikanwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (gematik) sichergestellt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die gematik die ihr obliegenden Vorbereitungsarbeiten entsprechend der gesetzlichen Frist bis Ende 2018 abschließen wird. Auf dieser Grundlage können Anbieter elektronischer Aktensysteme herstellerspezifische Produkte entwickeln und im freien Wettbewerb am Markt anbieten. 1. Wie definiert die Bundesregierung eine ePA und wieso wurde sich nicht bereits am etablierten europäischen Modell einer „digitalen Gesundheitsakte“ orientiert, die eine lebenslange Akte für alle Krankheits- und Gesundheitsdaten der Bürger ist und nicht nur gesetzlich Versicherten zur Verfügung steht? Gemäß § 291a Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 SGB V ist die elektronische Patientenakte ein Instrument zur einrichtungs- und fallübergreifenden Bereitstellung von medizinischen Daten der Versicherten. Dies sind beispielsweise Daten über Befunde , Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte oder Impfungen. Der Bundesregierung liegen keine Informationen über ein europäisches Modell einer elektronischen Gesundheitsakte vor. Vorhandende europäische und internationale Standards beschreiben grundsätzlich allein technische Festlegungen. Der englische und europäisch verwendete Begriff Electronic Health Record (EHR) wird als ein Sammelbegriff für elektronische Aktensysteme verwendet, die sich in der Regelung des Aufbaus, des Zugangs, der Finanzierung sowie des Datenschutzes abhängig von dem jeweiligen Gesundheitssystem unterscheiden können. 2. Wie viele, am Markt befindliche ePA gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland? Belastbare Angaben zur Anzahl der in Deutschland am Markt befindlichen elektronischen Patientenakten liegen der Bundesregierung nicht vor. 3. Wie wird sichergestellt, dass auch kassenunabhängige Aktenangebote genutzt und sicher finanziert werden, bzw. wie wird hier der freie Wettbewerb gesichert? 7. Wie wird eine innovationsoffene Gestaltung der Akte ermöglicht? Die Fragen 3 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf der Grundlage der von der gematik zu entwickelnden Interoperabilitätsvorgaben für die elektronische Patientenakte sowie des Zulassungsverfahrens können Anbieter von elektronischen Patientenakten innovative Lösungen entwickeln und im freien Wettbewerb in den Markt bringen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3627 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung zur Einführung einer ePA in dieser Legislaturperiode aus, und welche konkreten Meilensteine, Fristen ggf. Sanktionierung sind im Rahmen einer solchen Strategie zur Einführung geplant ? 8. Welcher Nutzen hat die Entwicklung eines ePF gegenüber einer ePA, wenn die Versicherten nach jetziger Gesetzeslage sowieso nach § 291a Absatz 3 SGB V Anspruch auf die Bereitstellung versorgungsbezogener Daten im ePF haben? Die Fragen 4 und 8 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Koalitionsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten in dieser Legislaturperiode einzuführen. Die Bundesregierung beabsichtigt, hierzu die weiteren Rahmenbedingungen zur Bereitstellung von elektronischen Patientenakten in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Einzelheiten zu deren konkreter Nutzung in der Versorgung gesetzlich zu regeln. Darüber hinaus plant die Bundesregierung, den Zugang für Versicherte zu ihren elektronischen Patientenakten zu erleichtern und für Versicherte die zusätzliche Möglichkeit zu schaffen, für einen Zugriff auf ihre medizinischen Daten auf eigenen Wunsch auch alternative Authentifizierungsverfahren ohne den Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte nutzen zu können. Damit soll Versicherten ein selbständiger Zugriff auf ihre Patientenakte z. B. auch mit Smartphones oder Tablets ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang soll auch das elektronische Patientenfach technisch, organisatorisch und begrifflich mit der elektronischen Patientenakte zu einer umfassenden Anwendung zusammengeführt werden. 5. Welche Funktionen bzw. Mindestanforderungen an eine ePA sollen gesetzlich verbindlich geregelt werden? Mit den in § 291a Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 SGB V aufgeführten Inhalten und der gesetzlichen Beauftragung der gematik zur Festlegung von Interoperabilitätsvorgaben wird der Rahmen der elektronischen Patientenakte vorgegeben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen Nummer 4 und 8 verwiesen. 6. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die verschiedenen Stakeholder aus Herstellern, Leistungserbringern, Standardisierungsorganisationen, Selbstverwaltung etc. in die Bestimmung und Umsetzung der Mindestanforderungen einzubinden? Die durch die gematik bis zum 31. Dezember 2018 zu schaffenden Voraussetzungen für die Einführung von elektronischen Patientenakten gehören zu den Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, zu denen gemäß § 291b Absatz 2a SGB V der Beirat der gematik vor der Beschlussfassung anzuhören ist. Zum Beirat der gematik gehören Vertreter der Länder, der Patienten- und Verbraucherschutzorganisationen , der Industrieverbände, der Wissenschaft, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der Bevollmächtigte der Bundesregierung für die Pflege und der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. Sowohl die bisherigen Konzepte als auch das im Juni 2018 von der Gesellschafterversammlung der gematik beschlossene Lastenheft für die elektronische Patientenakte wurden im Beirat der gematik mit den Beteiligten erörtert. Darüber hinaus wurden die Konzepte der gematik auch in weiteren Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3627 Veranstaltungen und Foren mit verschiedenen Interessengruppen diskutiert. Zusätzlich ist eine Einbindung der Interessengruppen auch über das mit dem E- Health-Gesetz eingeführte Interoperabilitätsverzeichnis der gematik vorgesehen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die gematik diese transparente Vorgehensweise auch in den weiteren Schritten und Umsetzungsstufen fortsetzt. 9. Wie will die Bundesregierung den Zugriff und die damit verbundene Kommunikation sowie Nutzung im Behandlungskontext eingebundener Pflegeeinrichtungen , Krankenhäuser und Heil- und Hilfsmittelerbringer sicherstellen ? Mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur verfolgt die Bundesregierung das Ziel, perspektivisch alle Akteure im Gesundheitswesen sicher miteinander zu vernetzen . Bereits mit dem E-Health-Gesetz wurden erste rechtliche Grundlagen für die Öffnung der Telematikinfrastruktur für weitere Anwendungen im Gesundheitswesen und für weitere Leistungserbringer geschaffen. Die Zielsetzung wird auch von der gematik in ihren Konzepten berücksichtigt. Über die Telematikinfrastruktur und die Anwendung elektronische Patientenakte werden die Versicherten in der Lage sein, ihre medizinischen Daten allen an der Behandlung beteiligten Einrichtungen und Leistungserbringern zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Rahmenbedingungen zur Bereitstellung von elektronischen Patientenakten sowie Einzelheiten zu deren konkreter Nutzung in der Versorgung gesetzlich zu regeln. Hierzu gehören auch Regelungen über den Zugriff auf die Daten der elektronischen Patientenakte. 10. Wie werden der Betrieb, die Befüllung und Nutzung einer ePA dauerhaft finanziert? Ist eine besondere Vergütung für Leistungserbringer geplant? Die Bundesregierung prüft, im Rahmen eines Digitalisierungsgesetzes auch Regelungen zur Finanzierung der elektronischen Patientenakte und zur Vergütung der Leistungserbringer zu schaffen. 11. Plant die Bundesregierung eine Informations- und Aufklärungskampagne in Richtung der Bürger, die den Rollout der ePA begleiten soll, um die Vorteile der Nutzung darzustellen und somit die Akzeptanz der Akte in der Bevölkerung zu steigern? Die Bundesregierung beabsichtigt, Informationspflichten der Krankenkassen über die elektronische Patientenakte gesetzlich zu regeln, damit die Versicherten befähigt werden, mit den Zugriffswegen und der Datenverwaltung der elektronischen Patientenakte umzugehen. Ob darüber hinausgehende Aufklärungsschritte notwendig sind, wird gegebenenfalls geprüft werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3627 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. In welchem Rahmen will die Bundesregierung einheitliche, verbindliche Standards festschreiben, wie ist die Kompatibilität der unterschiedlichen Lösungen sichergestellt, und wie wird die Bereitstellung der Datenexport- und Datenimport-Funktionen in den Systemen der Leistungserbringer sichergestellt ? Wie in der Vorbemerkung der Bundesregierung dargestellt, sollen die elektronischen Patientenakten unabhängig von der Mitgliedschaft der Versicherten in einer bestimmten Krankenkasse bundesweit sektorenübergreifend bei allen Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, den Krankenhäusern und in weiteren medizinischen Einrichtungen genutzt werden können. Die dabei zu erfüllenden Anforderungen an die Funktionalität, Interoperabilität und Sicherheit sind gemäß den gesetzlichen Regelungen durch die gematik festzulegen und von den Anbietern im Rahmen von Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren nachzuweisen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333