Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 31. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3695 19. Wahlperiode 02.08.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kerstin Kassner, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/3475 – Blockade des jemenitischen Hafens Hodeidah mit Booten aus Wolgast V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit mehreren Jahren führt eine vom Königreich Saudi-Arabien angeführte Militärallianz Krieg im Jemen gegen die Huthi-Rebellen. Dabei werden mehrere Häfen blockiert. Unter diesen befindet sich auch der Hafen der Stadt Hodeidah. Dieser ist von zentraler Bedeutung für die Lebensmittelversorgung des Landes. Auch Medikamente und Treibstoff wurden vor Beginn der Blockade vor allem über diesen Hafen importiert. In der Folge haben sich die Lebensmittelpreise dramatisch erhöht. So stieg zwischen Januar 2015 und Januar 2018 der Preis für ein Kilo Reis um 130 Prozent (www.aktiongegendenhunger.de/jemen-hafenvon -hodeidah-muss-sofort-wieder-geoeffnet-werden). Zusätzlich zu der kriegsbedingten Zerstörung der Infrastruktur, führt das Fehlen von Treibstoff dazu, dass die Wasseraufbereitung in Jemen weitestgehend eingestellt werden musste. Nach UNICEF-Angaben (www.unicef.de/informieren/projekte/asien-4300/jemen- 19406/jemen-krieg-kinderleben-bedroht/158664) hat die Hälfte der Kinder keinen Zugang mehr zu frischem Wasser oder sanitären Einrichtungen. Dies begünstigt wiederum den Ausbruch und die Verbreitung von Krankheiten. Im letzten Jahr fand im Jemen mit über einer Million Cholera-Verdachtsfällen einer der schlimmsten Cholera-Ausbrüche der Welt statt. Rund 22 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Bereits jetzt sind mehr als 1,8 Millionen Kinder unter 5 Jahren im Jemen schwer mangelernährt. Die vereinten Nationen forderten wiederholt die vollständige Aufhebung der Blockade (www.reuters.com/article/usyemen -security-blockade/u-n-aid-chief-appeals-for-full-lifting-of-yemenblockade -idUSKBN1DV4AI). Diese stellt nach Ansicht des ehemaligen Vizegeneralsekretärs für Humanitäre Angelegenheiten und Koordinator für Nothilfe der Vereinten Nationen, Jan Egeland, eine völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung dar (ebd.). Da weder Saudi-Arabien noch die anderen Golfstaaten, die Teil der Angriffs- Koalition auf den Jemen sind, über eine hinreichende rüstungsindustrielle Basis verfügen, wäre weder die direkte Kriegsführung gegen den Jemen noch die Blockade möglich, ohne die Lieferung von Waffensystemen, Komponenten, Munition und Know-How aus anderen Staaten, zu denen auch Deutschland gehört. Amnesty International (www.amnesty.org/en/press-releases/2018/06/yemen- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3695 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode restrictions-to-life-saving-supplies-putting-millions-of-civilians-at-risk/) forderte deshalb in seiner Stellungnahme vom 22. Juni 2018 alle Staaten, die Saudi- Arabien und seine Alliierten bisher unterstützt haben, dazu auf, diese Unterstützung einzustellen und Druck in Richtung einer vollständigen Aufhebung der Blockaden aufzubauen. Zusammenfassend muss konstatiert werden, dass die Hafenblockaden wesentlich zu der katastrophalen humanitären Situation in dem Land beitragen. Die Bundesregierung genehmigte trotz dieser Umstände den Export von 33 Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien, die auf der Wolgaster Lürssen-Werft gefertigt wurden. Bei diesen handelt es sich um Kriegsgerät. Wie auf Fotos zu erkennen ist, sind sie eindeutig bewaffnet (www.svz.de/regionales/mecklenburgvorpommern /wozu-dann-die-kanonen-id18984231.html). 1. Wie viele der in Wolgast gefertigten Patrouillenboote wurden nach Exportgenehmigungen der Bundesregierung seit 1990 bereits an Saudi-Arabien ausgeliefert, und wann soll die Auslieferung der Patrouillenboote abgeschlossen sein (bitte jeweils für die Jahre seit Vertragsunterzeichnung einzeln aufschlüsseln)? 2. Wurden die Patrouillenboote mit Geschützen oder mit Vorrichtungen zur Installation von Geschützen ausgeliefert? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Belastbare Daten zur tatsächlichen Ausfuhr von Kriegswaffen werden durch das Statistische Bundesamt erhoben. Die Daten sind Grundlage der jährlichen Berichterstattung im Rüstungsexportbericht. Dazu verwertet das Statistische Bundesamt Meldungen von Unternehmen, die Kriegswaffen exportieren. Angaben zu dem Herstellungsort der Kriegswaffen werden vom Statistischen Bundesamt nicht erhoben. Die Bundesregierung kann daher lediglich Auskunft zur tatsächlichen Ausfuhr von Patrouillenbooten allgemein nach Saudi-Arabien erteilen. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass im Hinblick auf die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen eine Beantwortung der Frage nicht in offener Form erfolgen kann. Bei den hier erbetenen Angaben kann nicht ausgeschlossen werden, dass anhand der hier wiederzugebenden Einzelangaben eine mit den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie dem Statistikgeheimnis unvereinbare Re-Identifizierung der betroffenen Unternehmen erfolgen kann und Aufschluss auf bestehende Lieferbeziehungen gezogen werden können. Die entsprechenden Informationen sind daher als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und in der Anlage zu dieser Antwort enthalten.* 3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Einsatz der in Wolgast gefertigten Patrouillenboote bei der Blockade des Hafens Hodeidah vor? Die zur Endverwendung durch die saudi-arabische Küstenwache bestimmten Patrouillenboote sollen im Rahmen der maritimen Komponente des saudi-arabischen Programms zur Grenzsicherung eingesetzt werden. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse, die Anlass zum Zweifel am angegebenen Verwendungszweck geben. * Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3695 4. Ist eine See- bzw. eine Hafenblockade nach Meinung der Bundesregierung eine kriegerische Handlung (wenn nein, warum nicht)? Eine Blockade ist eine Methode der Kriegsführung im internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt. Mit ihr werden See- und Luftfahrzeuge gehindert , gegnerische Küstenstriche oder Häfen anzusteuern oder zu verlassen. 5. Hält die Bundesregierung eine Hafenblockade, die nach Jan Egeland, ehemaliger Vizegeneralsekretär für Humanitäre Angelegenheiten und Koordinator für Nothilfe der UN, de facto eine Kollektivbestrafung der jemenitischen Bevölkerung darstellt, für vereinbar mit dem Völkerrecht (wenn nein, warum nicht)? Die Bundesregierung fordert in politischen Gesprächen regelmäßig die Parteien im Jemen-Konflikt zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf. Dies beinhaltet auch, dass alle Parteien dauerhaft ungehinderten und sicheren humanitären Zugang ermöglichen und Schutz für Zivilisten und zivile Infrastruktur garantieren . Die sogenannte „Arabische Koalition“ hat am 22. November 2017 die Blockade von Häfen an der Westküste Jemens teilweise aufgehoben. Die Häfen von Hodeidah und Salif sind nach Angaben der Vereinten Nationen weiterhin für die Einfuhr von humanitären und kommerziellen Gütern geöffnet. Die Offenhaltung der Häfen bleibt elementar, um die Menschen im bevölkerungsreichen Norden des Landes zu versorgen. Hierfür wird sich die Bundesregierung weiterhin einsetzen. 6. Wurden seitens der Bundesregierung Bemühungen unternommen, den Verbleib und die Einsatzgebiete der Patrouillenboote in Erfahrung zu bringen? a) Falls nein, beabsichtigt die Bundesregierung zukünftig zu kontrollieren, wie die Patrouillenboote von Saudi-Arabien weiterhin eingesetzt werden (wenn ja, in welchem Turnus)? b) Wenn keine Kontrolle des Einsatzes der Patrouillenboote vorgesehen ist, warum hält die Bundesregierung dies für unnötig? 7. Hat die Bundesregierung vor Erteilung der Exportgenehmigung Zusicherungen von der Regierung des Königreiches Saudi-Arabien verlangt, die Boote nicht zu Hafenblockaden und für andere Kriegshandlungen im Jemen einzusetzen (wenn nein, warum nicht)? 8. Hat die Bundesregierung vor Erteilung der Exportgenehmigung die Einsatzmöglichkeiten der Patrouillenboote überprüft (wenn nein, warum nicht)? Die Fragen 6 bis 8 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik . Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG), des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) sowie die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung“ aus dem Jahr 2000, der „Gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3695 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ und der Vertrag über den Waffenhandel („Arms Trade Treaty“). Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen. Allgemein gilt: Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern werden nur erteilt, wenn zuvor der Endverbleib dieser Güter im Endempfängerland hinreichend sichergestellt ist. Die Bundesregierung führt bezüglich zu exportierender Rüstungsgüter eine Ex-ante-Prüfung zum Endverbleib durch. Diese Vorgehensweise entspricht der international geübten und bewährten Praxis. Vor Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Rüstungsgütern werden stets alle vorhandenen Informationen über den Endverbleib umfassend geprüft und bewertet. Zu den im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorzulegenden und zu prüfenden Unterlagen zählen auch die sogenannten Endverbleibserklärungen, die von den Antragstellern vorzulegen sind. Wenn Zweifel am gesicherten Endverbleib beim Empfänger bestehen, werden Ausfuhranträge abgelehnt. Im Rahmen Ihrer Genehmigungspraxis berücksichtigt die Bundesregierung stets auch die grundsätzliche Eignung der Güter für den in den Antragsunterlagen angegebenen Zweck. Die in Frage stehenden Boote sind auf Grund ihrer Konfiguration auf den angegebenen Zweck der Grenzsicherung ausgerichtet; für einen Einsatz im Rahmen längerer Missionen, insbesondere in einem feindlichen Umfeld, sind die Boote nicht geeignet. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 9. Steht die Exportgenehmigung der Patrouillenboote an ein im Krieg im Jemen beteiligtes Land nach Auffassung der Bundesregierung in Einklang mit der Aussage des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ (S. 149 Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode) (wenn ja, inwiefern)? Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklungen in Jemen und in der Region genau und berücksichtigt diese im Rahmen ihrer Genehmigungspraxis. Die Bundesregierung entscheidet über die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen weiterhin stets im Einzelfall. Dabei berücksichtigt sie u. a. sowohl die vorliegenden Erkenntnisse zur Beteiligung des Endempfängerlandes am Jemen-Konflikt als auch die Qualität der zur Ausfuhr beantragten Güter sowie alle verfügbaren Informationen zum gesicherten Endverbleib dieser Güter beim Empfänger. Auf die Antwort zu den Fragen 6 bis 8 wird verwiesen. 10. Kann die Bundesregierung, angesichts der anhaltenden Kampfhandlungen und Hafenblockaden im Jemen, ausschließen, weitere Exportgenehmigungen für Patrouillenboote an Saudi-Arabien zu erteilen (wenn nein, warum nicht)? Die Bundesregierung folgt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Oktober 2014 (BVerfGE 137, 185) und unterrichtet über abschließende positive Genehmigungsentscheidungen sowie die Eckdaten eines Ausfuhrgeschäftes, d. h. Art und Anzahl der Rüstungsgüter, das Empfangsland und das Gesamtvolumen . Die Bundesregierung sieht gemäß dem Urteil von weiteren Angaben, insbesondere zu dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallenden Willensbildungsprozessen , ab. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3695 11. Welche Auswirkungen sieht die Bundesregierung für den Fall, dass die Patrouillenboote doch zu See- bzw. Hafenblockaden gegen den Jemen eingesetzt werden, a) auf die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für weitere, aufgrund bestehender Vertragsverhältnisse zwischen der Wolgaster Lürssen-Werft und Saudi-Arabien zu liefernde Patrouillenboote (wenn ja welche, wenn nein, warum nicht)? b) auf weitere Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter für Saudi-Arabien (wenn ja welche, wenn nein, warum nicht)? c) auf die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu Saudi-Arabien (wenn ja welche, wenn nein, warum nicht)? Hypothetische Fragen beantwortet die Bundesregierung grundsätzlich nicht. Darüber hinaus gilt: die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung in Saudi-Arabien genau und berücksichtigt diese im Rahmen ihrer Genehmigungspraxis. Auf die Antwort zu den Fragen 6 bis 8 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333