Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 31. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3701 19. Wahlperiode 06.08.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christian Wirth, Dr. Gottfried Curio, Beatrix von Storch und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/3482 – Rehabilitation von islamistischen Gefährdern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete im März dieses Jahres von einem Anstieg der Zahl der islamistischen Gefährder in Deutschland auf etwa 760 (www.faz.net/aktuell/politik/inland/deutschland-zahl-islamistischer-gefaehrderleicht -gestiegen-15520547.html). Die Bedrohung, die von diesen Personen für die öffentliche Sicherheit ausgeht, ist nach Auffassung der Fragesteller enorm. Die Abschiebung von islamistischen Gefährdern gestaltet sich allerdings sehr schwierig (www.focus.de/politik/deutschland/kriminelle-energie-ausleben-760- islamistische-gefaehrder-in-deutschland-experte-erklaert-deren-motivation_id_ 8700369.html), und ist natürlich auch kein Mittel gegen Gefährder mit deutscher Staatsbürgerschaft. Dementsprechend ist es von Relevanz zu wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift um das von islamistischen Gefährdern ausgehende Risiko zu reduzieren und ggf. diese sogar zu rehabilitieren. 1. Wie viele Personen werden derzeit von der Bundesregierung als islamistische Gefährder eingestuft (bitte, soweit möglich, nach Herkunft aufschlüsseln )? Die Entscheidung zur Einstufung einer Person als Gefährder liegt in der sachlichen Zuständigkeit der jeweils örtlich zuständigen Länderdienststellen. Eine Einstufung durch die Bundesregierung erfolgt nicht. Mit Stand 20. Juli 2018 sind in Deutschland von den zuständigen Länderdienststellen 774 Personen als Gefährder des islamistischen Spektrums eingestuft. Weitere Einzelheiten können nicht offen erfolgen. Die weitere Beantwortung der Frage ist mit dem Verschlussgrad VS-NfD eingestuft. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der Antworten auf die vorliegenden Fragen als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist aber im vorliegenden Fall aus Gründen des Staatswohls erforderlich. Nach § 3 Nummer 4 der VS-Anweisung (VSA) sind Informationen , deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3701 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode einzustufen. Die Beantwortung enthält Einzelangaben zur Herkunft von Gefährdern und lässt damit eine Individualisierbarkeit zu. Ein Bekanntwerden von Einzelinformationen kann für die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik oder einzelner Bundesländern nachteilig sein, so dass eine Einstufung als VS-Nur für den Dienstgebrauch erforderlich ist.* 2. Wie hat sich die Zahl der islamistischen Gefährder seit 2010 verändert (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Jeweils zu Jahresbeginn betrug die Anzahl islamistischer Gefährder: 2010: 127 2011: 130 2012: 123 2013: 139 2014: 165 2015: 257 2016: 446 2017: 548 2018: 732 3. Wie viele islamistische Gefährder sind seit 2010 jeweils pro Jahr nicht mehr als islamistische Gefährder eingestuft worden, unabhängig von der Entwicklung der Gesamtzahl? Die Fragestellung wird dahingehend interpretiert, dass hier nach Ausstufungen islamistischer Gefährder gefragt wird, d. h. die betroffene Person ist nach Ausstufung weder Gefährder noch Relevante Person. Ausgehend davon ergeben sich folgende Angaben: 2010: 0 2011: 0 2012: 0 2013: 5 2014: 15 2015: 28 2016: 38 2017: 72 2018 (bislang) 47 * Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3701 4. Welche Kriterien muss eine als islamistischer Gefährder eingestufte Person erfüllen, damit sie nicht mehr als islamistischer Gefährder eingestuft wird? Gemäß der bundeseinheitlichen polizeifachlichen Definition ist ein Gefährder eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, begehen wird. Die Entscheidung zur Einstufung einer Person als Gefährder liegt in der sachlichen Zuständigkeit der jeweils örtlich zuständigen Länderdienststellen. Diese entscheiden folglich auch über eine Ausstufung. Eine solche kann grundsätzlich dann erfolgen, wenn polizeiliche Erkenntnisse zur Person aus der Gegenwart oder Vergangenheit vorliegen, die im Rahmen einer Bewertung des Einzelfalls die Prognose zulassen, dass die Begehung einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung nicht mehr als hinreichend wahrscheinlich gegeben anzusehen ist. Im Rahmen einer Einzelfallentscheidung wird die Person dann auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse entweder ganz ausgestuft, oder aber zu einer Relevanten Person herabgestuft. 5. In wie vielen Fällen haben Gefährder ihre Einstufung wieder verloren, und was waren jeweils die Gründe dafür? Hinsichtlich des ersten Teils der Frage wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen . Die Gründe für eine Ausstufung werden statistisch nicht nachgehalten, zumal kriminalpolizeiliche Vorgänge zu ausgestuften Personen aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben bereits nach einer kurzen Frist zu löschen sind. Über Ausstufungen entscheiden die örtlich zuständigen Länderdienststellen entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles. 6. Welche Rechtsmittel kann ein islamistischer Gefährder gegen seine Einstufung einlegen? a) In wie vielen Fällen haben islamistische Gefährder dies bereits erfolgreich getan? b) In wie vielen Fällen hatte dies für die islamistischen Gefährder keinen Erfolg? Da die Einstufung einer Person als Gefährder in der sachlichen Zuständigkeit der jeweils örtlich zuständigen Landesdienststellen liegt, richtet sich der Rechtsschutz nach dem jeweiligen Landesrecht in Verbindung mit den allgemeinen verwaltungsprozessualen Vorschriften. Zur Anzahl der Fälle, in denen Rechtsmittel eingelegt wurden, liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 7. Welche Maßnahmen führt die Bundesregierung durch (z. B. Aussteigerprogramme ), um die Zahl von nicht abschiebbaren islamistischen Gefährdern zu senken? Im Rahmen einer ganzheitlichen Terrorismusbekämpfung ist es notwendig, neben repressiven Maßnahmen auch individuelle und lokal verankerte Deradikalisierungsangebote in die Bearbeitung einzubinden. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes sind dafür in erster Linie die Länder zuständig. Auf Bundesebene existiert mit der Beratungsstelle „Radikalisierung“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit dem Jahr 2012 eine bundesweite Erstanlaufstelle im Bereich islamistisch motivierter Extremismus. Diese hält durch ein Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3701 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode bundesweites Netzwerk an zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen konkrete Angebote vor Ort vor. Ein wichtiger Aspekt des Ansatzes der Deradikalisierung in Deutschland ist es, das soziale Umfeld sich (potenziell) radikalisierender Personen im Umgang mit der Situation zu unterstützen. Die zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen im Netzwerk der Beratungsstelle „Radikalisierung“ arbeiten z. T. zusätzlich zur Umfeldberatung auch in der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit direkt mit potenziellen Aussteigern. Diese Tätigkeit im Bereich der sogenannten Intervention bzw. Deradikalisierung der Beratungsstelle „Radikalisierung“ und ihres Beratungsnetzwerks geschieht jeweils anlass- und einzelfallbezogen bei individuellen Radikalisierungsanlässen. Die Fallkonstellationen reichen von Fällen mit ersten Anzeichen einer Radikalisierung bis hin zu Einzelfällen mit als Gefährdern eingestuften Personen, in denen eine Einbindung der zuständigen Sicherheitsbehörden erfolgt. 8. Welchen konkret quantifizierbaren Erfolg hatten diese Maßnahmen bisher? Ein konkret quantifizierbarer Erfolg lässt sich aktuell nicht darstellen. Derzeit finden auf unterschiedlichen Ebenen Evaluationen der verschiedenen Deradikalisierungsangebote statt. Deradikalisierung ist als Prozess zu sehen, der sich über einen langen Zeitraum erstrecken kann – dementsprechend sind auch entsprechende Einzelfallmaßnahmen häufig erst nach Jahren evaluierbar. Darüber hinaus ist es dem Bundesamt aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich, alle Fälle der Kooperationspartner im Netzwerk bis zum Abschluss zu begleiten. Im Ergebnis lässt sich der Erfolg der Maßnahmen derzeit noch nicht nach strengen wissenschaftlichen Kriterien messen – der Bundesregierung liegen allerdings eine Reihe von Evidenzen vor, die belegen, dass die Beratungsstelle Radikalisierung den richtigen Ansatz verfolgt – etwa Fälle, in denen eine umfassende Distanzierung zur salafistischen, bzw. jihadistischen Szene erreicht wurde. Einen Erfolg im Kontext der Deradikalisierungsarbeit messbar zu machen, wird derzeit u. a. durch die Entwicklung entsprechender Standards und Kriterien im Rahmen verschiedener Evaluationen und Forschungsprojekte vorangetrieben, auf Bundesebene etwa durch das BAMF oder das Nationale Zentrum Kriminalprävention (NZK) (vgl. den Abschlussbericht der Evaluation der Beratungsstelle „Radikalisierung“ und die Evaluation der „Beratungsstelle Hessen – Religiöse Toleranz statt Extremismus“). Die Instrumente und notwendigen Grundlagen für eine umfassende Wirkungsanalyse der Arbeit der Träger befinden sich in der Entwicklung . 9. Mit welchen Mitteln wird überprüft, ob eine nicht mehr als islamistischer Gefährder eingestufte Person weiterhin die notwendigen Kriterien entsprechend Frage 4 erfüllt? Ebenso wie die Einstufung als Gefährder und Relevante Person liegt auch die Ausstufung im Zuständigkeitsbereich der Länder. Diese entscheiden über die erforderlichen Maßnahmen im Umgang mit einem vormaligen Gefährder nach Maßgabe der für die Sicherheitsbehörden geltenden landesrechtlichen Vorschriften . Bund und Länder stehen in allen rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen unter Beachtung der durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes vorgegebenen Verantwortlichkeiten in einem ständigen intensiven Informationsaustausch . Liegen den zuständigen Behörden Erkenntnisse vor, die eine erneute Einstufung rechtfertigen, wird die Person erneut eingestuft. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3701 10. Wie viele Fälle von rückfälligen islamistischen Gefährdern sind der Bundesregierung seit 2010 bekannt geworden? Die Fragestellung wird dahingehend interpretiert, dass nach der Wiedereinstufung ausgestufter Gefährder gefragt ist, Der Bundesregierung sind keine Zahlen zu Fällen rückfälliger Gefährder bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333