Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 15. August 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3859 19. Wahlperiode 16.08.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Simone Barrientos, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/3476 – Konversion der Rüstungsindustrie V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wurden im Jahr 2017 Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von rund 6,24 Mrd. Euro erteilt. Auch wenn das minimal weniger Rüstungsexporte als 2016 waren, ist es trotzdem die bisher drittgrößte Gesamtmenge an Rüstungsgütern in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt. Die Details zeigen deutlich, dass die Genehmigungspolitik der Bundesregierung zunehmend Länder mit Waffen und Militärgerät ausstattet, die sich als Nicht-EU- und Nicht- NATO-Staaten einer politischen Kontrolle weitgehend entziehen und/oder sich aufgrund ökonomischer, ökologischer, sozialer, geostrategischer oder ethnischer Problemlagen am Rande von – oder schon mitten in – gewaltvollen Konflikten bewegen: So genehmigte die Bundesregierung 2017, dass der größte Anteil von Rüstungsexporten für insgesamt 3,795 Mrd. Euro an Drittstaaten außerhalb von NATO und EU ging; eine Steigerung von 53 auf 61 Prozent. Das Ausfuhrvolumen von Rüstungsgütern an Entwicklungsländer hat sich dabei von 2016 auf 2017 fast verdoppelt, von 581,1 Mio. Euro im Jahr 2016 auf 1,048 Mrd. Euro im letzten Jahr. Die Genehmigungswerte für die Gruppe der ärmsten Entwicklungsländer beliefen sich 2017 auf 39,1 Mio. Euro (2016 7,2 Mio. Euro) und stiegen damit innerhalb nur eines Jahres auf mehr als das Fünffache. Neben außenpolitischen Argumenten wird diese Politik insbesondere mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen gerechtfertigt. Dass eine friedlichere Welt nicht durch den Export von immer mehr Waffen erreicht werden kann, liegt für die Fragestellerinnen und Fragesteller auf der Hand. Die Konversion der Rüstungsindustrie in der Bundesrepublik ist daher von herausragender Bedeutung. Nach Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e. V. (BDSV) gibt es je nach Definition zwischen 17 260 und 320 000 (http://gleft.de/2kE) Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, in einer Studie für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) werden 65 700 Beschäftigte genannt (http://gleft.de/2kS). In die Forschung, Entwicklung und natürlich den Absatz von Rüstungsgütern fließen Jahr für Jahr Milliarden an Steuermitteln. Diese Arbeitsplätze hängen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3859 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode also ohnehin in beträchtlichem Maß von Ausgaben des Bundes ab. Die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie sind überwiegend hochqualifizierte Fachkräfte, die auch in der zivilen Industrie Beschäftigung finden könnten. Zudem sind viele Rüstungsbetriebe Mischkonzerne, die Beschäftigte in zivilen Bereichen weiterbeschäftigen könnten. Die nachhaltige Umstellung der Produktionsanlagen auf die Produktion ziviler Güter nach einem Verbot aller Rüstungsexporte ließe sich mit einem Bruchteil der Mittel bewerkstelligen, die bis jetzt in den Rüstungsbereich fließen. Die Bundesregierung setzt stattdessen auf eine „Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland“. So lautet auch der Titel eines entsprechenden Strategiepapiers (http://gleft.de/2kG). Es gelte, so heißt es dort, „die erforderlichen militärischen Fähigkeiten und die Versorgungssicherheit der Bundeswehr sowie die Rolle Deutschlands als zuverlässigem Kooperations- und Bündnispartner technologisch und wirtschaftlich sicherzustellen“. Entsprechende Schlüsseltechnologien leiteten „sich aus dem militärischen Bedarf der Bundeswehr, den außen-, sicherheits- und europapolitischen Interessen, unseren Bündnisverpflichtungen sowie der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland ab“. Einer der zehn Punkte des Strategiepapiers empfiehlt, die sich nach Auffassung der Bundesregierung den Unternehmen der Verteidigungsindustrie bietenden Chancen auf den weltweit stark wachsenden Märkten für Sicherheitstechnologien und -dienstleistungen durch Diversifizierung zu nutzen. Dem dient ein 2016 von der Bundesregierung aufgelegtes „Innovationsprogramm zur Unterstützung von Diversifizierungsstrategien von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in zivile Sicherheitstechnologien“. (http://gleft.de/2kH) 1. Von welchen Beschäftigtenzahlen im Kernbereich der Rüstungsindustrie geht die Bundesregierung aus? Die Bundesregierung geht derzeit laut einer Studie aus dem Jahr 2015 im Auftrag des BMWi zur Lage und Struktur der Verteidigungsindustrie in Deutschland von etwa 110 000 direkt und indirekt (65 000/45 000) Beschäftigten in der Branche aus. 2. Mit welchen Mitteln ist der vom Bundeswirtschaftsministerium eingerichtete Innovationsfonds für Diversifikationsprojekte in der Verteidigungsindustrie ausgestattet? Für das Innovationsprogramm zur „Unterstützung von Diversifizierungsstrategien von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in zivile Sicherheitstechnologien (DIVERS)“ sind seit 2015 im Titel 0901 68303 des Bundeshaushalts Haushaltsmittel in folgender Höhe vorgesehen: Jahr Euro 2015 5.000.000 2016 9.109.000 2017 7.463.000 2018 3.813.000 ab 2019 (Planung) 3.813.000 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3859 a) Wer ist antragsberechtigt? Gemäß der im Bundesanzeiger veröffentlichten Förderrichtlinie vom 26. November 2016 sind „bei Einzelprojekten antragsberechtigt bzw. bei Verbundprojekten hauptantragsberechtigt (…) Verteidigungsunternehmen, die über eine Betriebsstätte oder Niederlassung in Deutschland verfügen.“ b) Welche Mittel wurden verausgabt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Seit 2015 sind Haushaltsmittel in folgender Höhe abgeflossen: Jahr Euro 2015 126.000 2016 178.000 2017 106.000 c) Welche Projekte wurden im Einzelnen gefördert? Bislang wird ein Projekt gefördert. Dabei handelt es sich um die Adaption einer militärischen Trainingsplattform zum Umgang mit psychischen Belastungen im Einsatz in den zivilen Markt (Feuerwehr, Polizei, sonstige Einsatzkräfte). d) Was waren aus Sicht der Regierung besonders bedeutsame Projekte, die aus dem Fonds finanziert wurden? Hierzu können derzeit mit Verweis auf die Antwort zu Frage 2c noch keine Angaben gemacht werden. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Weitere Projekte kommen 2018 hinzu. e) Welche Stelle entscheidet nach welchen Kriterien über die Vergabe der Fördermittel? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie entscheidet über die Förderwürdigkeit von Projekten. Die Kriterien ergeben sich aus der Förderrichtlinie Punkt 7. „Verfahren“ (vgl. Richtlinie zum Innovationsprogramm „Unterstützung von Diversifizierungsstrategien von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in zivile Sicherheitstechnologien“ – BAnz AT 20. Dezember 2016 B2). f) Ist eine tatsächlich ausschließlich zivile Nutzbarkeit der geförderten Produkte Ziel des Fonds? g) Wenn ja, wie wird die ausschließlich zivile Nutzbarkeit der geförderten Produkte sichergestellt? h) Wird die ausschließlich zivile Nutzbarkeit im Antragsprozess überprüft? i) Gibt es hinsichtlich dieses Aspekts Überprüfungen im Nachgang der Förderung ? Die Fragen 2f bis 2i werden zusammen beantwortet. Eine ausschließlich zivile Nutzbarkeit ist kein Kriterium für die Vergabe einer Projektförderung im Förderprogramm „DIVERS“. Aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl an eingegangenen Projektanträgen wird das Programm zum 1. Januar 2019 eingestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3859 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Vorhaben, für die Projektskizzen bis zum 15. Mai 2018 eingereicht wurden, werden noch nach Maßgabe der Förderrichtlinie abschließend bearbeitet. Neue Projektskizzen bzw. -anträge können aufgrund fehlender Haushaltsmittel grundsätzlich nicht mehr entgegengenommen werden (vgl. BAnz AT 26. Juni 2018 B1). 3. Gibt es in der Bundesregierung über den o. a. Innovationsfonds hinausgehende Überlegungen, wie eine Konversion der Rüstungsindustrie, wenn sie infolge einer restriktiveren Auslegung der Rüstungsexportrichtlinien erforderlich würde, zu gestalten wäre? a) Welche ministeriellen Abteilungen arbeiten zu diesem Thema? b) Existieren entsprechende Planungspapiere? Wenn ja, welche? c) Hat die Bundesregierung Mittel zurückgestellt, um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können? Die Fragen 3 bis 3c werden gemeinsam beantwortet. In der Bundesregierung gibt es derzeit keine über das Programm „DIVERS“ hinausgehenden Überlegungen, Planungspapiere oder Mittelrückstellungen hinsichtlich einer Konversion der Rüstungsindustrie. Für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie das Programm „DIVERS“ ist die Abteilung IV (Industriepolitik) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie federführend zuständig. 4. In welcher Höhe unterstützt die Bundesregierung die Forschung zur Rüstungskonversion , also zur Umstellung von militärischer auf zivile Produktion (bitte für die letzten fünf Jahre einzeln angeben)? Die Bundesregierung unterstützt über das Förderprogramm „DIVERS“ hinaus keine Forschung zur Rüstungskonversion. 5. In welcher Weise werden die Gewerkschaften in entsprechende Überlegungen der Bundesregierung einbezogen? Die Bundesregierung steht im ständigen Dialog mit den Gewerkschaften auch zu Fragen der Verteidigungsindustrie. Hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 6. Sind der Bundesregierung erfolgreiche industrielle Konversionsprojekte bekannt ? Wenn ja, welche? 7. Was sind aus Sicht der Bundesregierung Kriterien für erfolgreiche Konversionsprojekte ? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Ziel des Programms DIVERS ist die Diversifizierung von Unternehmen der Verteidigungsindustrie in den Markt der zivilen Sicherheitstechnologien. Über vollständige industrielle Konversionsprojekte hat die Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse. Sie hat darüber hinaus entsprechend keine allgemeingültigen Kriterien für erfolgreiche Konversionsprojekte festgelegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3859 8. Wie bewertet die Bundesregierung den 2014 vom Bundeswirtschaftsministerium gestarteten industriepolitischen Dialog zur Entwicklung der wehrund sicherheitstechnischen Industrie? a) Was soll mit dem Dialog erreicht werden? b) Wer ist daran beteiligt? c) Was sind die wesentlichen Ergebnisse oder Zwischenergebnisse? Die Fragen 8 bis 8c werden gemeinsam beantwortet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat mit drei Branchendialogen 2014 und 2015 einen umfassenden Meinungsaustausch mit der Verteidigungswirtschaft , Betriebsräten und der IG Metall durchgeführt. Ziel und Ergebnis waren die frühzeitige Diskussion über Planungen des BMWi im Bereich der Verteidigungswirtschaft sowie die Erörterung von Themen mit grundsätzlicher Bedeutung aus Sicht der Unternehmen und der Arbeitnehmerschaft. Das BMWi plant, in Kürze wieder einen Branchendialog durchzuführen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333