Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. August 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4105 19. Wahlperiode 31.08.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Doris Achelwilm, Martina Renner, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/3810 – Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten durch Neonazis und sogenannte Rechtspopulisten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am Rande rechter Aufmärsche und bei Rechtsrock-Veranstaltungen, aber auch bei Versammlungen der AfD kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten. Das Medienmagazin „journalist“ formulierte es im März 2018 wie folgt: „Die Pressefreiheit wird derzeit auf den Straßen in einer Weise angegriffen, wie es in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik lange undenkbar war“ (www.journalist-magazin.de/hintergrund/ zur-jagd-freigegeben, www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/ Downloads/Ranglisten/Rangliste_2018/Nahaufnahme_Deutschland_2018_-_ Reporter_ohne_Grenzen.pdf). Allein folgende Übergriffe aus den letzten drei Monaten belegen die Gefahr, die von rechten Gewalttätern für Journalistinnen und Journalisten ausgeht: Im April griffen polizeibekannte Neonazis im Eichsfeld mit Schlagwerkzeugen und einem Messer bewaffnet zwei Pressevertreter an und verletzten diese (www. tagesspiegel.de/politik/brutaler-angriff-in-thueringen-mit-baseballschlaegerund -schraubenschluessel-neonazis-attackieren-journalisten/21229666.html). Bei der neonazistischen Konzertveranstaltung in Themar wurde ein Fotograf angegriffen und verletzt (www.spiegel.de/politik/deutschland/themar-journalistbei -neonazi-festival-angegriffen-a-1212091.html). Am Rande eines AfD-Landesparteitags in Bremen wurden Journalistinnen und Journalisten an ihrer Arbeit gehindert, genötigt und körperlich bedrängt (www.taz.de/!5511529). Teilnehmer der AfD-Versammlung „Kyffhäusertreffen“ in Burgscheidungen beleidigten Pressevertreterinnen und Pressevertreter und beschädigten eine Kamera (https://uebermedien.de/29322/afd-kyffhaeusertreffen-teilnehmerbedrohen -und-attackieren-journalisten). Das European Center for Press & Media Freedom (ECPMF) veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Studie über Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten . Demnach gab es in Deutschland allein 2015 und 2016 dokumentierte 70 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4105 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode rechte Gewalttaten gegen Vertreterinnen und Vertreter der Presse, fast alle am Rande von rassistischen Aufmärschen und Versammlungen. Verbale Bedrohungen , Beleidigungen und ähnlich gelagerte Straftaten sind darin nicht erfasst (https://ecpmf.eu/files/feindbild_presse_en-web.pdf). Journalistinnen und Journalisten kritisieren erst jüngst, dass sie sich bei extrem rechten Aufmärschen nicht auf die Polizei verlassen können und mitunter Schikanen ausgesetzt seien (www.djv.de/startseite/service/blogs-und-intranet/djvblog /detail/article/von-presserecht-keine-ahnung.html). Journalistenverbände fordern schon länger einen wirksamen Schutz vor tätlichen Angriffen, etwa indem die Sensibilität bei am Rande von Versammlungen eingesetzten Polizeibediensteten für die freie Presseberichterstattung gestärkt wird. Schließlich müssen Journalistinnen und Journalisten ohne Gefahr für Leib und Leben ihrer unabhängigen Aufgabe nachkommen können, über Ereignisse von öffentlichem Interesse zu berichten. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung politisch -rechts motivierter Angriffe auf Pressevertreterinnen und Pressevertreter in den vergangenen drei Jahren? 2. Werden solche Angriffe auf Pressevertreterinnen und Pressevertreter in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) oder im kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) separat erfasst? a) Wenn ja, wie viele und welche politisch-rechts motivierten Straf- und Gewalttaten gegen Pressevertreterinnen und Pressevertreter wurden seit 2013 erfasst (bitte nach Jahr und Bundesland aufschlüsseln)? b) Wenn nein, aus welchen konkreten Gründen wird bisher auf solch eine Erfassung verzichtet, und wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) für die Einführung einer entsprechenden zusätzlichen Kategorie in den Polizeistatistiken einsetzen? Die Fragen 1 bis 2b werden zusammen beantwortet. Das Bundeskriminalamt (BKA) beauskunftet statistische Anfragen zu Straftaten der „Politisch motivierten Kriminalität“ auf der Grundlage der Ländermeldungen zum „Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK). Zum 1. Januar 2016 wurde unter dem Oberbegriff „Konfrontation /Politische Einstellung“ das Unterthema „Gegen Medien“ eingeführt. Zwar wurden auch vor dem 1. Januar 2016 Straftaten aus einer politischen Motivation gegen Medien/Medienvertreter gemeldet und registriert, die automatisierte trennscharfe Abbildung von politisch motivierten Straftaten „gegen Medien“ ist jedoch erst seit diesem Zeitpunkt möglich. Eine entsprechende Aufstellung der Fallzahlen ist für die Jahre 2013, 2014 und 2015 demnach nicht möglich. Nachfolgend werden die Zahlen politisch rechts motivierter Straf- und Gewalttaten für die Jahre 2016 – 2018 aufgeschlüsselt nach Ländern dargestellt: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4105 Land 2016 2017 2018* Straftaten davon Gewalttaten Straftaten davon Gewalttaten Straftaten davon Gewalttaten Sachsen-Anhalt 10 3 4 0 1 0 Brandenburg 1 0 0 0 4 1 Berlin 11 1 13 1 1 0 Baden-Württemberg 15 0 8 0 5 1 Bayern 18 2 19 0 3 0 Hamburg 5 0 8 0 1 0 Mecklenburg-Vorpommern 5 1 2 0 0 0 Niedersachsen 8 0 3 2 0 0 Nordrhein-Westfalen 114 7 21 4 0 0 Rheinland-Pfalz 2 0 0 0 0 0 Sachsen 4 2 3 2 5 2 Hessen 0 0 0 0 0 0 Thüringen 0 0 4 2 9 2 Bremen 0 0 0 0 0 0 Schleswig-Holstein 0 0 0 0 0 0 Saarland 0 0 0 0 0 0 Summe 193 16 85 11 29 6 *Stand LAPOS vom 17. August 2018. Es wird darauf hingewiesen, dass die bisherigen Deliktszahlen für 2018 nicht abschließend sind und durch die laufende Erfassung Änderungen unterliegen. Eine gesonderte Erfassung von politisch motivierten Angriffen auf Pressevertreter /-innen in der PKS erfolgt nicht, da in dieser grundsätzlich keine Staatsschutzdelikte dargestellt werden. Zudem erfasst die PKS nicht die Motivation für eine Straftat. 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Ausgang entsprechender Strafverfahren? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor, da die einschlägigen Justizstatistiken ein entsprechendes Opferattribut nicht erfassen. 4. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Studie des ECPMF erläuterte hohe Dunkelziffer durch nicht angezeigte Gewalttaten gegen Pressevertreterinnen und Pressevertreter (https://ecpmf.eu/files/feindbild_presse_en-web. pdf, S. 15 f.)? Die in der Studie benannten hohen Dunkelziffern und deren Hintergründe bedürfen einer weiteren Bewertung und Analyse. Insofern kann seitens der Bundesregierung hierzu keine Stellung genommen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4105 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Inwiefern gibt es für von Gewalttaten betroffene Journalistinnen und Journalisten eine spezielle Ansprechpartnerin bzw. einen speziellen Ansprechpartner in der Bundesregierung? Die Hilfe für Opfer von Straftaten ist nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich Aufgabe der Länder. Eine spezielle Anlaufstelle in der Bundesregierung für von Gewalttaten betroffene Journalistinnen und Journalisten gibt es daher nicht. Grundsätzlich gibt es für Opfer von Gewalttaten – auch für von Gewalttaten betroffene Journalistinnen und Journalisten – zahlreiche Opferhilfeeinrichtungen, die viele Unterstützungsmöglichkeiten anbieten. Die meisten Opferhilfeeinrichtungen stehen dabei allen Opfern von Gewalttaten ohne Einschränkung auf einen bestimmten Hintergrund der Tat offen. Einen bundesweiten Überblick über passende und ortsnahe Angebote der Opferhilfe bietet die Onlinedatenbank für Betroffene von Straftaten, welche im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von der Kriminologischen Zentralstelle erstellt worden ist: www.odabs.org/index.html. 6. Inwiefern ist der Schutz von Pressevertreterinnen und Pressevertretern am Rande von politisch-rechts motivierten Versammlungen seit 2015 expliziter Gegenstand von Aus- und Fortbildungsmodulen an der Bundespolizeiakademie gewesen? Die Thematik „Schutz von Pressevertretern/-innen“ wird an der Bundespolizeiakademie im Zusammenhang mit Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zum Themen-feld der Pressefreiheit bearbeitet. Im Masterstudiengang „Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement“ in der Bundespolizei wird die polizeiliche Bewältigung von herausragenden nationalen und internationalen Veranstaltungen und Versammlungen explizit unterrichtet. Hierbei steht unter anderem die Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Versammlung wie auch der Teilnehmer, unabhängig von deren politischer Ausrichtung, im Mittelpunkt. Dabei werden Situationen reflektiert, bei denen von der Versammlung aus in Rechte Dritter eingegriffen wird (zum Beispiel auch Pressevertreter). 7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über entsprechende Lehrinhalte an den Polizeihochschulen der Länder? Der Bundesregierung liegen aufgrund der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hierzu keine Informationen vor. 8. Inwiefern sind Presserecht und insbesondere Kunsturhebergesetz und Bundesdatenschutzgesetz expliziter Gegenstand von Aus- und Fortbildungsmodulen an der Bundespolizeiakademie? Die Themen „Datenschutz“ und „Kunsturheberrecht“ sind Gegenstand der Ausbildungen der Bundespolizeiakademie in allen Laufbahngruppen des Polizeivollzugsdienstes . Im Rahmen der Fortbildung bietet die Bundespolizei-akademie ergänzend Lehrgänge zum Dateneingriffsrecht, für Datenschutz-beauftragte und für die Öffentlichkeitsarbeit in der Bundespolizei an. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4105 9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über entsprechende Lehrinhalte an den Polizeihochschulen der Länder? Der Bundesregierung liegen aufgrund der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hierzu keine Informationen vor. 10. Inwiefern haben sich die Bundesregierung oder nachgeordnete Stellen zusammen mit Journalistenverbänden und -gewerkschaften über die Problematik zunehmender gewalttätiger Angriffe auf Pressevertreterinnen und Pressevertreter ausgetauscht, und welche weiteren Schritte sind in diesem Zusammenhang seitens der Bundesregierung geplant? Die Medien- und Pressefreiheit und ihre ungehinderte Ausübung sind unverzichtbare und vom Grundgesetz geschützte Grundlagen der demokratischen Gesellschaft . Für die Bundesregierung ist deren Schutz daher von großer Bedeutung und es findet hierzu ein regelmäßiger Austausch statt. Die Bundesregierung sieht für weitergehende Maßnahmen in erster Linie die nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes zuständigen Länder in der Verantwortung. 11. Sieht die Bundesregierung Veränderungsbedarf an den 1993 zwischen Innenministerkonferenz , Presserat, öffentlich-rechtlichen Sendern und Branchenverbänden vereinbarten „Verhaltensgrundsätze[n] für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung“ (www. presserat.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Verhaltensgrundsaetze_ Presse_Polizei.pdf) hinsichtlich neuer technologischer Entwicklungen in der Berichterstattung und neuen einsatztaktischen Herausforderungen einerseits und einer gestiegenen Gewaltbereitschaft von Neonazis und sogenannten Rechtspopulisten andererseits? Die „Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung“ betreffen Bereiche, die nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder liegen. Die Bundesregierung positioniert sich nicht zu einem eventuellen Veränderungsbedarf der Verhaltensgrundsätze. 12. Plant die Bundesregierung, wegen der angesprochenen Problematik Gesetzesinitiativen vorzulegen oder das Thema im Rahmen der IMK zu beraten? Aktuell sind keine derartigen Initiativen geplant. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333