Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 31. August 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4150 19. Wahlperiode 04.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/3728 – Paralleljustiz in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bereits in einem Medienartikel aus dem Jahre 2012 heißt es, für deutsche Gerichte sei die Scharia kein Fremdwort. In Erbrechtsfällen, aber auch bei Scheidungen werde auch in Deutschland mitunter islamisches Recht angewandt. So ist in dem Artikel die Rede von einem Fall, in dem von einem deutschen Gericht eine Ehe anerkannt wurde, die in Tunesien durch zwei Stellvertreter per Handschlag geschlossen worden war (www.welt.de/politik/deutschland/article13845 521/Scharia-haelt-Einzug-in-deutsche-Gerichtssaele.html). In einem aktuellen Gespräch mit „FOCUS Online“ erklärt Mathias Rohe, Rechts- und Islamwissenschaftler an Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen , dass die sogenannte Paralleljustiz eine Bedrohung des Rechtsstaates darstelle und man die Szene aufbrechen müsse (www.focus.de/politik/deutschland/ rechtsstaat-wird-auf-nase-herumgetrampelt-experte-erklaert-was-friedensrichtersind -und-warum-sie-fuer-deutschland-ein-problem-darstellen_id_9225649.html). Auch bei der in Eisenach im Juni dieses Jahres abgehaltenen Justizministerkonferenz wurde das Thema Paralleljustiz diskutiert. Die Justizminister haben dort ihre Ansicht bekräftigt, dass private Streitbeilegungsmechanismen mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und dem Wertesystem des Grundgesetzes in Einklang stehen müssen. Eine außerhalb des Rechtsstaats stehende „Paralleljustiz“ werde nicht geduldet. Die Justizminister verdeutlichten weiterhin, dass eine fundierte wissenschaftliche und empirische Erforschung des Phänomens der Paralleljustiz unter kultur-, sozial- und rechtwissenschaftlichen Aspekten als hilfreich zu erachten sei (www.jm.nrw.de/JM/jumiko/ beschluesse/2018/Fruehjahrskonferenz_2018/I-8-HB---Paralleljustiz.pdf). Anfang Juli 2018 hatte der Fall des Taxifahrers Ali A. von sich Reden gemacht, der vor dem Amtsgericht Karlsruhe verhandelt wurde. Fraglich war, inwieweit A. die Morgengabe in Höhe von 219 persischen Goldmünzen an seine ehemalige Gattin zahlen müsse, die er nach islamischem Recht geheiratet hatte (www. focus.de/finanzen/recht/morgengabe-nach-islamischem-recht-geheiratet-frauverlangt -84-000-euro-von-ihrem-ex-mann_id_9200552.html). Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD heißt es diesbezüglich: „Illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden“ (www.cdu.de/system/tdf/media/ dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1; Rn. 6280). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4150 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Was versteht die Bundesregierung unter „illegaler Paralleljustiz“? 2. Wie grenzt die Bundesregierung die „illegale Paralleljustiz“ von einer legalen Paralleljustiz ab? Die Fragen 1 und 2 werden im Zusammenhang beantwortet. Bei dem Begriff „illegale Paralleljustiz“ handelt es sich nicht um einen rechtlichen Begriff. Mit dem Begriff werden außergerichtliche Streitbeilegungen in Bereichen bezeichnet, die in Deutschland gerichtlichen Entscheidungen vorbehalten sind. Eine legale Paralleljustiz gibt es nicht 3. Wie erklärt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen „Gleichberechtigung und Vielfalt“ und „illegaler Paralleljustiz“, der sich aus dem Koalitionsvertrag ergibt? Die Gleichberechtigung und Vielfalt stellen wichtige Bereiche gesellschaftlichen Lebens dar, in denen unsere Werteordnung einerseits stark zum Ausdruck kommt und die andererseits auch teilweise Ablehnung erfahren. Streitigkeiten, die sich in Bezug auf diese gesellschaftspolitischen Komponenten ergeben, sind in erster Linie vor den staatlichen Gerichten auszutragen oder, wo dies zugelassen ist, im Weg der außergerichtlichen Streitbeilegung. 4. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen deutsche Gerichte (insbesondere Bundesgerichte) ihre Urteile auf a) islamisches Recht oder b) das Recht anderer Staaten c) stützten (bitte einzeln auflisten)? 5. Welche Erkenntnisse zum Ausmaß der Anwendung eines ausländischen und insbesondere des Rechts der Scharia liegen der Bundesregierung vor? 6. Welche Maßnahmen zur Erforschung des Phänomens „Paralleljustiz“ hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2010 a) selbst ergriffen oder b) finanziell unterstützt (bitte einzeln und nach Jahresscheiben auflisten)? Die Fragen 4 bis 6 werden im Zusammenhang beantwortet. Deutsche Gerichte wenden das Recht anderer Staaten an, wenn in einem Fall mit Auslandsbezug das deutsche Internationale Privatrecht auf das Recht eines anderen Staates verweist. Dabei wird staatliches Recht berufen, so dass Rechtssätze nichtstaatlichen Rechts nur dann anzuwenden sind, wenn die staatliche Rechtsordnung, auf die das Kollisionsrecht der lex fori verweist, auf das nichtstaatliche Recht weiterverweist. Die Anwendung ausländischen Rechts steht in Deutschland zudem unter dem Vorbehalt, dass ihr Ergebnis nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist (s. Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Entscheidungen, in denen deutsche Gerichte ausländisches Recht anwenden, sind anhand öffentlich zugänglicher Quellen, wie dem Internet, Entscheidungssammlungen und Fachzeitschriften zu ermitteln. Statistiken, wie häufig deutsche Gerichte das Recht anderer Staaten anwenden, liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4150 Das Bundesministerium der Justiz hat in der 17. Legislaturperiode einen Bericht zum Thema „Gibt es eine Paralleljustiz in Deutschland? Streitbeilegung im Rechtsstaat und muslimische Traditionen“ angefertigt, der unter www.bmjv.de/ SharedDocs/Archiv/Downloads/Studie-Paralleljustiz.pdf?__blob=publication- File&v=4 (zuletzt abgerufen am 9. August 2018) im Internet verfügbar ist. Die wesentlichen Ergebnisse des Berichtes sind auf S. 51 f. thesenartig zusammengefasst . Die Bundesregierung hat keine Maßnahmen zur Erforschung des Phänomens „Paralleljustiz“ finanziell unterstützt. 7. Welche Kenntnisse über Maßnahmen zur Erforschung des Phänomens „Paralleljustiz “ durch die Bundesländer liegen der Bundesregierung vor (bitte analog Frage 1 auflisten)? Der Bundesregierung ist eine Studie bekannt, die im Auftrag des Landes Berlin erstellt wurde und die ebenfalls im Internet verfügbar ist (vgl. www.berlin.de/ sen/justv/_assets/gesamtstudie-paralleljustiz.pdf, zu-letzt abgerufen am 9. August 2018). Das Thema „Paralleljustiz“ stand im Juni 2018 auf der Tagesordnung der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder. 8. Welche Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung von „Paralleljustiz “ hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2010 getroffen, und welche Maßnahmen plant sie in der aktuellen Legislaturperiode zu treffen? 9. Welche Bereiche des Phänomens „Paralleljustiz“ sind der Bundesregierung bekannt, und worauf stützt sie ihre Erkenntnisse? 10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit des Vorgehens gegen das Phänomen der Paralleljustiz? Die Fragen 8 bis 10 werden im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung verweist auf den in der Antwort zu den Fragen 4 bis 6 genannten Bericht. Danach geht es um ein tatsächliches Phänomen, für dessen Bewältigung hinreichende Regelungen vorliegen und bei dem das Problem im Einzelfall darin liegt, die Überschreitung rechtlicher Grenzen zu erkennen, sie aufzuklären und in Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols zu sanktionieren (vgl. Bericht S. 52). Dabei ist die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu beachten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333