Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 6. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4204 19. Wahlperiode 10.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Buschmann, Johannes Vogel (Olpe), Michael Theurer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/3947 – Behinderung der Aufnahme einer Nebentätigkeit von Referendaren durch eine ausbleibende bundeseinheitliche Regelung im Sozialrecht V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der juristische Vorbereitungsdienst in den Ländern ist als öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis ausgestaltet, in dem den Referendaren und Referendarinnen eine Unterhaltsbeihilfe gewährt wird. Diese stellt kein Arbeitsentgelt dar, sondern hat den Charakter einer Sozialleistung. Sozialversicherungs- und steuerrechtlich wird die Unterhaltsbeihilfe aber als Arbeitsentgelt behandelt. Sie beträgt zwischen 1 027,80 Euro brutto monatlich in Hamburg und 1 358,89 Euro monatlich in Brandenburg; netto verbleiben in der Steuerklasse I etwa zwischen 930 Euro und 1 150 Euro. Den Referendaren verbleibt damit aus der Unterhaltsbeihilfe ein Betrag unter der Pfändungsfreigrenze oder nur sehr knapp darüber. Es war deshalb Usus, dass Anwaltskanzleien für die im Rahmen der Ausbildung geleistete Tätigkeit von Referendaren diesen abgesehen von der Unterhaltsbeihilfe ein Arbeitsentgelt gezahlt haben, das teilweise auch auf die Unterhaltsbeihilfe angerechnet wurde und diese entsprechend gekürzt wurde. Der vom Arbeitgeber zu leistende Anteil an den Sozialbeiträgen für dieses Entgelt war von den Kanzleien zu leisten. Durch die Zahlung eines Arbeitsentgelts war es den Kanzleien möglich, ihre Attraktivität bei den Referendaren zu steigern und sie zu motivieren, Referendariatsstationen bei ihnen zu absolvieren. Die Arbeitsleistung von Referendaren als bereits examinierte Juristen ist für Kanzleien wertvoll und wird den Mandanten in Rechnung gestellt, weswegen das Interesse an – vor allem besonders qualifizierten – Referendaren bei Kanzleien hoch ist. Auch das Interesse der Referendare an einer solchen Tätigkeit ist sehr hoch. Neben monetären Aspekten ergeben sich Einblicke in spezielle Rechtsgebiete und gegebenenfalls besondere Förderung durch internationale Kontakte oder interne Weiterbildungen. Darüber hinaus steigern sich damit die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach Beendigung des Referendariats, denn Absolventen sind aufgrund ihrer Berufserfahrung in renommierten Kanzleien nicht nur attraktiv, häufig ergibt sich direkt eine Übernahme in den beschäftigenden Kanzleien, die gern Referendare als Nachwuchs rekrutieren. Allerdings hat das Bundessozialgericht durch sein Urteil vom 31. März 2015 (Az.: B12 R 1/13 R) die Zahlung eines zusätzlichen Entgelts durch die Kanzlei erschwert. Das von der Kanzlei ohne Rechtsgrund gezahlte Entgelt ist demnach, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4204 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sofern es nicht für eine selbständige abgrenzbare Tätigkeit in der Kanzlei erbracht wird, als Arbeitsentgelt des Vorbereitungsdienstes zu behandeln, wodurch die Länder für den hierauf vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen aufkommen müssen. Als Konsequenz lässt beispielsweise Hessen seitdem eine solche zusätzliche Entgeltzahlung für Tätigkeiten des Vorbereitungsdienstes nicht mehr zu. Voraussetzung ist eine ausreichende , inhaltliche und zeitliche Abgrenzung der Nebentätigkeit von der Ausbildung. Wo dieser organisatorische Aufwand vermieden werden soll, werden Regelungen zur Umgehung des geltenden Rechts geschaffen, indem die Verwaltungen sich eine Möglichkeit zum bewussten Wegschauen kreieren. So die Justizbehörde in Hamburg: „An die vertragliche Formulierung der ,abgegrenzten Tätigkeit‘ werden laut der Personalstelle keine hohen Anforderungen gestellt. Der pauschale Passus im Nebentätigkeitsvertrag, dass der/die Referendar /in einer von der Ausbildungstätigkeit abgegrenzten Tätigkeit nachgehe, soll genügen. Die Nebentätigkeit muss im Vertrag somit nicht näher inhaltlich beschrieben werden.“ Dieser Zustand ist untragbar. Es sollte Ziel sein, Referendare auf ihrem Weg zu unterstützen und einen marktorientierten Wettbewerb der Anwaltskanzleien um Referendare zu ermöglichen und nicht zu behindern. Da das Sozialversicherungsrecht nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 des Grundgesetzes Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist, von der der Bund bereits Gebrauch gemacht hat, wollen wir erfahren, inwieweit die Bundesregierung bereit ist, das Problem zu lösen. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Fragesteller erwecken mit der Überschrift der Kleinen Anfrage – „Behinderung der Aufnahme einer Nebentätigkeit von Referendaren durch eine ausbleibende bundeseinheitliche Regelung im Sozialrecht“ – den Eindruck, es gebe im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Zusatzzahlungen für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare keine bundeseinheitliche Regelung . Dies ist unzutreffend. Vielmehr hat das Bundessozialgericht in dem von den Fragestellern zitierten Urteil die – bundeseinheitlich geltenden – Grundsätze für die Einstufung solcher Zusatzzahlungen unterstrichen: Zusätzliche Stationsvergütungen, die Anwaltskanzleien an die im Rahmen der Stationsausbildung ihnen zugewiesenen Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare zahlen, sind der Unterhaltsbeihilfe zuzuordnen. Ohne gesonderte Verabredung zur Erfüllung zusätzlicher, über reine Ausbildungszwecke hinausgehender Aufgaben im Rahmen einer Nebentätigkeit zwischen der Anwaltskanzlei und der Referendarin bzw. dem Referendar liegt ein einziges Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsverhältnis zwischen dem jeweiligen Bundesland und der Referendarin bzw. dem Referendar vor. Die von der Anwaltskanzlei erbrachten Zusatzzahlungen erfolgen aus Anlass und im Rahmen dieses alleinigen Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsverhältnisses. Dabei handelt es sich um Arbeitsentgelt – auch wenn dieses nicht unmittelbar vom Arbeitgeber, sondern einem Dritten erbracht wird. Die auf die Unterhaltsbeihilfe (samt Zusatzzahlung) entfallenden Sozialversicherungsbeiträge hat das jeweilige Bundesland als Arbeitgeber zu tragen. Eine solche Konstellation konnte vor der Umwandlung des juristischen Vorbereitungsdienstes von einem Beamtenverhältnis in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis nicht eintreten. Diese Umgestaltung des juristischen Vorbereitungsdienstes haben – entsprechend der ihnen zustehenden Gesetzgebungskompetenz – sukzessive alle Bundesländer vorgenommen. Nunmehr haben sie aufgrund der damit verbundenen beitragsrechtlichen Wirkungen Handlungsbedarf erkannt. In der Folge haben sie den weiten Gestaltungsspielraum, der ihnen bei Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4204 der Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens für das Referendariat zur Verfügung steht, bei der Regelung von (Neben-)Tätigkeiten in der Anwaltsstation sehr unterschiedlich genutzt. Die Schlussfolgerung, dieser uneinheitlichen Länderpraxis müsse mit einer bundesgesetzlichen sozialversicherungsrechtlichen Sonderregelung für eine sehr begrenzte Personengruppe begegnet werden, vermag die Bundesregierung nicht nachzuvollziehen. Dies gilt umso mehr, als die Forderung auf systemfremde Ausnahmen in zentralen Begrifflichkeiten des Sozialversicherungsrechts, wie dem Beschäftigungs- und dem Entgeltbegriff, hinausliefe. 1. Sind der Bundesregierung die geschilderte Problematik und die daraus resultierenden landesgesetzlichen Regelungen bekannt? Der angesprochene Themenkomplex war unter anderem Gegenstand der 89. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder am 6. und 7. Juni 2018 in Eisenach. Zudem gab es einen fachlichen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Anwaltvereins, im Zuge dessen auch verschiedene landesgesetzliche Regelungen angesprochen wurden. 2. Hat sich die Bundesregierung eine Meinung zur geschilderten Problematik gebildet? Wenn ja, welche? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Rechtsreferendaren im Rahmen ihrer Ausbildungstätigkeit bei einer Anwaltskanzlei ein zusätzliches Entgelt gezahlt werden können soll? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Durchführung des Vorbereitungsdienstes ist Sache der Länder. Das Bundesrecht gibt in §§ 5 ff. des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) orientiert an der stark föderal geprägten Aufgabenverteilung für die Juristenausbildung lediglich einen durch Landesrecht auszufüllenden Gestaltungsrahmen vor, der durch die Frage der Zusatzentgelte nicht betroffen ist. Soweit die Länder eine Zusatzvergütung in Erwartung eines besonderen Engagements von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren in einzelnen Stationen zulassen, bestehen hiergegen aus Sicht der Bundesregierung keine Bedenken. 4. Wie bewertet die Bundesregierung den Nutzen, den Rechtsreferendare durch eine zusätzlich vergütete Anwalts- und Wahlstation erzielen können? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass ein besonderes Engagement von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren in der Anwalts- und Wahlstation den Ausbildungserfolg insgesamt steigern kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4204 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Hat sich die Bundesregierung eine Meinung gebildet zu den landesgesetzlichen Regelungen, die wie beispielsweise in Hamburg die Entscheidung des Bundessozialgerichts bewusst umgehen, indem sie einen formalen Passus im Arbeitsvertrag für eine Trennung der zusätzlich vergüteten Tätigkeit von der Ausbildung genügen lassen? Wenn ja, welche? Der Bundesregierung steht es nicht an, Gesetzgebung und Rechtspraxis der Bundesländer in deren originärem Zuständigkeitsbereich zu beurteilen. Hinzuweisen ist aber darauf, dass es den Betriebsprüfdiensten der Rentenversicherungsträger obliegt, die ordnungsgemäße sozialversicherungsrechtliche Abwicklung von Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnissen zu überwachen. Für die sozialversicherungsrechtliche Bewertung ist dabei nicht allein die (formelle) vertragliche Ausgestaltung maßgeblich, sondern vielmehr auch, wie das Rechtsverhältnis tatsächlich gelebt wird. 6. Erkennt die Bundesregierung einen Eingriff in den freien Wettbewerb der Anwaltskanzleien durch die geschilderte Problematik? Wenn nein, warum nicht? Die Ausbildung findet in dem durch Landesrecht geprägten Rahmen landesweit einheitlich statt. Ein Eingriff in den freien Wettbewerb der Anwaltskanzleien wird darin nicht gesehen, weil die jeweiligen Regelungen zur Begrenzung der Zusatzvergütung für alle Anwaltskanzleien gleichermaßen gelten. 7. Zieht die Bundesregierung eine Regelung in § 22 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Betracht, wonach Zusatzvergütungen als ausschließliche Leistung des jeweiligen Ausbilders, der die Tätigkeit anbietet, unabhängig von den Bezügen des Vorbereitungsdienstes beitragspflichtig sind und die Beiträge von diesem Arbeitgeber abgeführt werden müssen (so auch die Forderung von Sabine Gries-Redecker in einem Kommentar zum Thema im AnwBl 6/2018)? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? 8. Plant die Bundesregierung eine andere Regelung im Sozialversicherungsrecht hinsichtlich der Einordnung von Zusatzvergütungen im Rechtsreferendariat ? Wenn ja, wann und welche? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet. Sozialversicherungsrechtliche Regelungen sind nicht geplant. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4204 9. Legt die Bundesregierung Wert darauf, dass Referendare marktorientiert Referendarsstationen wählen, um ihren Fähigkeiten entsprechend optimal gefördert zu werden? Wenn ja, warum wurde bisher mit den dem Bund zur Verfügung stehenden wirksamen Mitteln nicht dafür gesorgt, dass Referendaren in jedem Bundesland die gleichen Möglichkeiten zur Aufnahme einer zusätzlich vergüteten Anwalts- und Wahlstation offenstehen? Die Bundesregierung legt Wert auf die optimale Förderung der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare. Die Frage der Zulässigkeit von Zusatzentgelten betrifft aber die Durchführung des Vorbereitungsdienstes und damit die Zuständigkeit der Länder. Divergenzen zwischen den Bundesländern werden regelmäßig erfolgreich durch Koordination und Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften zur Juristenausbildung beseitigt. Hierzu existieren eingespielte Strukturen wie z. B. die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister sowie der Koordinierungsausschuss zur Juristenausbildung. 10. Erkennt die Bundesregierung, dass eine solche Regelung keinerlei Belastungen für den Bundeshaushalt und gegebenenfalls (je nach landesgesetzlicher Ausgestaltung) eine finanzielle Entlastung für die Länder bedeuten kann, die für Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr aufkommen müssten? Im Bereich der Juristenausbildung besteht kein bundesrechtlicher Regelungsbedarf . Die Frage möglicher Auswirkungen auf die Haushalte von Bund und Ländern stellt sich daher nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333