Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 7. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4232 19. Wahlperiode 11.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tobias Matthias Peterka, Johannes Huber, Dr. Rainer Kraft, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/3934 – Parallele Justizstrukturen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Migranten aus vorwiegend muslimischen Ländern ist nach Auffassung der Fragesteller davon auszugehen, dass im Rahmen der sog. Scharia-Gerichte eine Ausweitung paralleler Justizstrukturen erfolgt. Dies ist eine ernstzunehmende Bedrohung unseres Rechtsstaates und somit von öffentlichem Interesse. Weiterhin wird bereits an ordentlichen Gerichten auf die Scharia Bezug genommen. So verweigerte das Amtsgericht Frankfurt am Main bereits 2007 einer Frau, die Opfer von häuslicher Gewalt wurde, die Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres (www.spiegel.de/politik/ deutschland/justiz-skandal-deutsche-richterin-rechtfertigt-eheliche-gewalt-mitkoran -a-472849.html). Weitere Fälle im Familien- (www.welt.de/politik/deutschland/ article13845521/Scharia-haelt-Einzug-in-deutsche-Gerichtssaele.html) und Erbrecht (BSG B 5 RJ 4/00) sind bekannt. So wurden beispielsweise erst kürzlich noch Scheidungen nach Recht der Scharia vor deutschen Gerichten anerkannt (OLG München Gz. 3465 a E 1049/2013; OLG Hamm 3 UF 106/16). Lediglich der Europäische Gerichtshof stoppte diese Praxis (C‑372/16). 1. Ist der Bundesregierung die Anzahl der Verfahren, die durch Paralleljustizsysteme in Deutschland durchgeführt wurden, in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 bekannt? Falls nicht, sind der Bundesregierung Untersuchungen oder Schätzungen über die Anzahl bekannt? 2. Beobachtet die Bundesregierung eine Zunahme von Scharia-Gerichten seit 2015? Wenn ja, ist diese numerisch zu erfassen? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Zuständig für die Durchführung von Straf- und Zivilverfahren sind im Übrigen die Länder. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4232 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Sieht die Bundesregierung eine Gefahr für den Rechtsstaat in der Existenz von Scharia-Gerichten? 4. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um gegen Paralleljustiz vorzugehen? 5. Hält die Bundesregierung die Bezugnahme auf die Scharia in Verfahren an ordentlichen Gerichten und in deutschen Gerichtsentscheidungen für zulässig ? 6. Welche Programme betreibt oder fördert die Bundesregierung, um über das Entstehen von Paralleljustiz aufzuklären? In welcher Höhe erhalten solche Programme Gelder? 7. Was plant die Bundesregierung, um den Einfluss der Scharia auf das deutsche Rechtssystem zu unterbinden? 8. Welchen Einfluss darf der „Kulturkreis“ der Betroffenen in der Rechtsprechung aus Sicht der Bundesregierung haben? Die Fragen 3 bis 8 werden zusammen beantwortet. Deutsche Gerichte wenden das Recht anderer Staaten an, wenn in einem Fall mit Auslandsbezug das deutsche Internationale Privatrecht auf das Recht eines anderen Staates verweist. Dies ist so im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) aus dem Jahr 1896 geregelt. Die Anwendung ausländischen Rechts steht unter dem Vorbehalt, dass ihr Ergebnis nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist (s. Artikel 6 des EGBGB). Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf den Bericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Gibt es eine Paralleljustiz in Deutschland ? – Streitbeilegung im Rechtsstaat und muslimische Traditionen“ aus dem Jahr 2014. Danach geht es um ein tatsächliches Phänomen, für dessen Bewältigung hinreichende Regelungen vorliegen und bei dem das Problem im Einzelfall darin liegt, die Überschreitung rechtlicher Grenzen zu erkennen, sie aufzuklären und in Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols zu sanktionieren (vgl. Bericht S. 52). Dabei ist die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu beachten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333