Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 7. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4234 19. Wahlperiode 11.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Margarete Bause, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/3972 – Aktueller Stand zu der Einsetzung einer Expertenkommission Antiziganismus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Koalitionsvertrag vom 14. März 2018 zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages wurde die Einsetzung einer Expertenkommission zum Thema Antiziganismus vereinbart. Bereits seit langer Zeit fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Bundesregierung auf, einen unabhängigen Expertenkreis „Antiziganismus“ aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen sowie Praktikern und Praktikerinnen ins Leben zu rufen (Bundestagsdrucksache 18/1967) sowie die Institutionalisierung eines eigenständigen Instituts oder Zentrums an mindestens einem deutschen Hochschulstandort zur Forschung über gegenwärtige Erscheinungsformen des Antiziganismus umzusetzen. Der Expertenkreis bzw. eine Expertenkommission „Antiziganismus“ soll nach Ansicht der Fragesteller mit der Erstellung eines Antiziganismusberichts über die Situation autochthoner und allochthoner Sinti und Roma in Deutschland beauftragt werden, der insbesondere auf folgende Schwerpunkte eingeht: - Erfassung und Dokumentation der Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen des Antiziganismus in Deutschland - Erfassung und Dokumentation der Folgen des Antiziganismus insbesondere in den Kernbereichen Wohnen, Bildung, Arbeit und Gesundheit - Formulierung von Empfehlungen zur (Weiter-)Entwicklung von Programmen zur Bekämpfung von Antiziganismus. Bislang wird Antiziganismus nicht als gesellschaftliches Problem erkannt. Eine unabhängige Bestandsaufnahme durch einen Expertenkreis bzw. eine Expertenkommission ist ein erster wichtiger Schritt, um Antiziganismus in der Gesellschaft und in Institutionen entschieden entgegentreten zu können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4234 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte Expertenkommission Antiziganismus im Jahr 2018 eingesetzt? a) Wenn ja, wann genau ist die Einsetzung geplant? b) Wenn nein, warum nicht, und in welchem Jahr soll das geschehen? 2. Welche Schritte bzw. Aktivitäten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bisher im Hinblick auf die Einsetzung der Expertenkommission bereits unternommen? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einsetzung einer Expertenkommission zum Thema Antiziganismus soll spätestens zum Ende des ersten Quartals 2019 vollzogen sein. Mit Blick auf inhaltliche und strukturelle Gestaltung einer Expertenkommission hat ein erstes Gespräch auf Staatssekretärsebene mit dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Ende August 2018 im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat stattgefunden. Weitere Konsultationen auf Arbeitsebene mit dem Ziel entsprechender Konkretisierungen werden sich im Laufe dieses Jahres noch anschließen. 3. Welche Bundesministerien sind nach Kenntnis der Bundesregierung an der Einsetzung der Expertenkommission Antiziganismus beteiligt? a) Wie wird die Abstimmung der beteiligten Bundesministerien sichergestellt und koordiniert? Die Fragen 3 und 3a werden gemeinsam beantwortet. Die Federführung zur Einsetzung einer Expertenkommission hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat inne. Im Rahmen dieser Aufgabe wird die zukünftige Beteiligung relevanter Ressorts sichergestellt. 4. Welche zivilgesellschaftlichen Akteure wurden bzw. werden nach Kenntnis der Bundesregierung vor der Einsetzung der Expertenkommission konsultiert und einbezogen (bitte auflisten)? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. Darüber hinaus greift die Bundesregierung einer autarken Einbeziehung und Konsultation zivilgesellschaftlicher Initiativen oder wissenschaftlicher Expertise durch die dann eingesetzte unabhängige Expertenkommission nicht vor. 5. Nach welchen Kriterien, Prinzipien und nach welchem Schlüssel wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Expertenkommission Antiziganismus besetzt ? a) In welcher Stärke soll die Expertenkommission Antiziganismus nach Kenntnis der Bundesregierung personell ausgestattet werden? Die Fragen 5 und 5a werden gemeinsam beantwortet. Es ist vorgesehen, die Expertenkommission nach dem Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremG) unter Berücksichtigung spezifischer fachlicher und wissenschaftlicher Expertise zusammenzustellen. Aus Gründen der Arbeitsfähigkeit soll die Personenanzahl bei maximal 8 bis 10 Personen liegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4234 6. Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung geplant, Vertreterinnen und Vertreter der Selbstorganisationen der Sinti und Roma an der Kommission zu beteiligen? a) Wenn ja, welche (bitte auflisten)? b) Welche anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sollen in der Kommission vertreten sein (bitte auflisten)? c) Sollen Wohlfahrtsverbände ebenfalls vertreten sein? Wenn ja, welche Wohlfahrtsverbände (bitte auflisten)? Die Fragen 6 bis 6c werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Im Übrigen wird seitens der Bundesregierung davon ausgegangen, dass die Expertenkommission ihre Agenda unabhängig und selbständig bestimmt und abarbeitet; diesbezüglich könnten – analog zur Arbeitsweise des in der 18. Legislaturperiode tätigen unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus – die Expertinnen und Experten eigenständig fachliche Expertise aus der Betroffenenperspektive sowie aus weiteren unterschiedlichen Richtungen zu relevanten gesellschaftspolitischen Themen in Gestalt von Anhörungen u. ä. einholen. 7. Welche Aufgaben bzw. Arbeitsaufträge soll die Expertenkommission Antiziganismus nach Auffassung der Bundesregierung übernehmen? Nach Ansicht der Bundesregierung sollen die unabhängigen Sachverständigen einen Bericht hinsichtlich Erscheinungsformen und Bestandsaufnahme zum Themenkomplex Antiziganismus in Deutschland als einer Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit erstellen. Der Bericht soll zudem konkrete Vorschläge für weitere Maßnahmen der Bekämpfung des Antiziganismus machen. Ein besonderer Schwerpunkt soll dabei auf Maßnahmen liegen, die auf Bundesebene umgesetzt werden können. Die Ausformulierungen konkreter (wissenschaftlicher) Fragestellungen und Arbeitsaufträge obliegen der unmittelbaren Entscheidung der dann tätigen unabhängigen Expertenkommission. Die Bundesregierung greift diesen Diskussionen nicht vor. Ferner wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. Welche finanziellen Mittel werden nach Kenntnis der Bundesregierung der Expertenkommission pro Jahr zur Verfügung stehen? a) In welchen Haushaltsmitteln werden diese verankert? Es stehen jährlich Haushaltsmittel in Höhe von 550 T€ bei Titel 0612 532 02 zur Verfügung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4234 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Kommissionen und Arbeitsgruppen sich in den Bundesländern und/oder der Europäischen Union dem Thema Antiziganismus widmen (bitte auflisten)? 10. Welche weiteren Schritte wird die Bundesregierung neben der Einsetzung der Expertenkommission unternehmen, um Antiziganismus entgegenzuwirken und die Situation der Sinti und Roma in Deutschland und Europa zu verbessern? a) Inwiefern stimmt sich die Bundesregierung diesbezüglich mit den Bundesländern ab? b) Inwiefern stimmt sich die Bundesregierung diesbezüglich mit der Europäischen Union ab? Die Antwort zu den Fragen 9, 10 bis 10b erfolgt zusammen. Kommissionen und Arbeitsgruppen in den Ländern liegen in der dortigen Zuständigkeit und können daher von der Bundesregierung nicht abschließend aufgezählt werden. Eine vollumfängliche Aufzählung aller relevanten Kommissionen und Arbeitsgruppen der Europäischen Union ist ebenfalls nicht möglich. Als wichtige Arbeitsgruppen können beispielhaft das „Netzwerk der Nationalen Roma-Kontaktstellen “ sowie die „EU High Level Group on combating racism, xenophobia and other forms of intolerance” benannt werden. Seit dem Jahr 2015 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ verschiedene Maßnahmen auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene, die sich auf der Basis präventiv-pädagogischer Ansätze mit dem Themenfeld Antiziganismus auseinandersetzen. Die Prävention von Antiziganismus wird auch zukünftig eine wichtige Rolle im Rahmen der Maßnahmen der Bundesregierung zur Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention spielen. Dazu werden entsprechende Bund-Länder-Gremien, EU-Gremien oder Arbeitsgruppen zur Abstimmung der Arbeit genutzt, die das Themenfeld Antiziganismus originär bearbeiten werden. Der Einsatz gegen Antiziganismus ist ein zentrales Anliegen der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Dieses verfolgt die BpB durch Angebote wie Printund Online-Publikationen sowie Veranstaltungen ebenso wie durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Kräfte. Mit dem Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ (ZdT) fördert das BMI phänomenübergreifend das Engagement für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus. Neben Angeboten, die sich explizit mit Antiziganismus beschäftigen, wird in zahlreichen weiteren Print- und Onlineangeboten der BpB sowie in Projekten Antiziganismus als eine Facette von „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ aufgegriffen. Wichtige Grundlage für den Schutz der deutschen Sinti und Roma ist ihre Anerkennung als nationale Minderheit im Sinne des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten. Auch die Sprache Romanes genießt durch ihre Anerkennung als Minderheitensprache den besonderen Schutz der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen . Die Situation der nationalen Minderheit der deutschen Sinti und Roma wird durch regelmäßige Staatenberichte der Bundesrepublik Deutschland sowie durch Monitoringberichte von Gremien beim Europarat analysiert. Der EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis zum Jahr 2020 wird in Deutschland durch integrierte Pakete mit politischen Maßnahmen im Rahmen einer breiter angelegten Politik der sozialen Einbeziehung umgesetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4234 Hierzu werden jährliche Fortschrittsberichte erstellt, die aktuelle Maßnahmen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene darstellen. Für eine detaillierte Beschreibung wird auf den aktuellen Berichtsstand verwiesen, der auf der Seite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat abrufbar ist (www.bmi.bund.de/ SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/gesellschaft-integration/ minderheiten/umsetzung-2011-strategie-integration-roma.html). Auf europäischer Ebene wirkt die Bundesregierung im Netzwerk der Nationalen Roma-Kontaktstellen der Europäischen Union (EU) sowie im „Ad Hoc Committee of Roma and Traveller Issues“ (CAHROM) beim Europarat an regelmäßigen Arbeitssitzungen mit. Die Bundesregierung bringt sich in die Gestaltung einer Post-2020-Strategie der EU zur Inklusion der Roma mit ein und hat sich hierbei ausdrücklich für eine Aufnahme des Themenfelds Antiziganismus eingesetzt. Die Bundesregierung unterstützt ferner das im Dezember 2017 in Berlin eröffnete Europäische Roma-Institut für Kunst und Kultur (ERIAC). ERIAC setzt sich für eine stärkere Sichtbarkeit und Anerkennung der Kunst und Kultur der Roma in ganz Europa ein und will damit auch zu der Bekämpfung des Antiziganismus beitragen. Der regelmäßige Austausch der Bundesregierung mit den Ländern und den Verbänden der nationalen Minderheiten ist durch den im Jahr 2015 beim BMI angesiedelten Beratenden Ausschuss für Fragen der deutschen Sinti und Roma institutionalisiert worden. Im Beratenden Ausschuss sitzen Vertreter und Vertreterinnen der Minderheitenverbände , der Bundesregierung und aller Länder. Außerdem nehmen Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen an den Sitzungen teil. Die nationale Minderheit der deutschen Sinti und Roma hat damit ein eigenes Forum, in dem sie ihre Belange gegenüber Vertretern der Bundesregierung, der Landesregierungen und des Deutschen Bundestags vorbringen kann und in dem gemeinsam Lösungen für ihre Anliegen erörtert und initiiert werden können. Das Engagement der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit dem Westbalkan zur Förderung von Minderheiten (u. a. Roma) hat sich in den vergangenen 1,5 Jahren wesentlich verstärkt. So sind beispielsweise Beschäftigungsförderung sowie die Unterstützung vulnerabler Gruppen (insbesondere Roma) Querschnittsthemen des deutschen Engagements in Serbien. Jedes Vorhaben der bilateralen Zusammenarbeit in Serbien leistet zukünftig einen Beitrag zur Zielerreichung. Daraus ergibt sich, dass eine Vielzahl der laufenden Vorhaben in Serbien Aktivitäten zur Förderung von Minderheiten (Roma) unternehmen. Hinzu kommen Maßnahmen, die gezielt auf Roma oder andere vulnerable Gruppen wie Rückkehrer ausgerichtet sind, wie beispielsweise die Inclusion Initiative oder die Unterstützung für den Roma Education Fund. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333