Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4238 19. Wahlperiode 11.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Keuter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/3987 – Ermittlung der Richtsatzsammlung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundesministerium der Finanzen gibt jährlich die Richtsatzsammlung heraus . Diese enthält für verschiedene Branchen bzw. Wirtschaftszweige Angaben zu durchschnittlichen Rohgewinnen bzw. Reingewinnen. Grundlage hierfür sind sog. Richtsatzprüfungen, die von den Betriebsprüfungsdiensten der Länderfinanzverwaltungen durchgeführt werden. Die Richtsatzsammlungen werden von der Finanzverwaltung bei der Verprobung von Umsätzen und Gewinnen herangezogen. Sie sind zudem häufiger Ausgangs- und Anhaltspunkt für Schätzungen. Auch von Finanzgerichten werden die Werte der Richtsatzsammlung in Entscheidungen einbezogen. Ferner enthalten die Richtsatzsammlungen Pauschbeträge für Sachentnahmen (unentgeltliche Wertabgaben), die der Unternehmer für sich und seine Familie tätigt, sofern er mit Lebensmitteln handelt oder im gastronomischen Bereich tätig ist. Diese sind in den Betrieben der entsprechenden Branche aus Sicht der Finanzverwaltung zwingend anzusetzen. Ein Unterschreiten der Werte wird nur in seltenen Ausnahmefällen akzeptiert. In jedem Fall trägt der Steuerpflichtige die Beweislast. Sowohl die eigentlichen Richtsätze als auch die Pauschbeträge für Entnahmen sind somit für Behörden und Gerichte Grundlage ihrer Entscheidung und haben eine hohe Beweiskraft. Für betroffene Steuerzahler ist es jedoch völlig intransparent , wie die in die Richtsatzsammlung eingegangenen Werte ermittelt wurden . Auch ist nicht ersichtlich, wann die maßgeblichen Daten erhoben wurden und wie aktuell die Richtsatzsammlung somit ist, zumal durch die jährliche Erscheinungsweise der Eindruck vermittelt wird, dass sämtliche Daten der Richtsatzsammlung auf aktuellen Prüfungen bzw. der Beurteilung aktueller Wirtschaftsjahre beruhen. 1. Wie werden die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Eigenverbrauch ) ermittelt? Die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben beruhen auf Erfahrungswerten . Grundlage bilden die Aufwendungen privater Haushalte für Nahrungsmittel und Getränke, die vom Statistischen Bundesamt regelmäßig alle fünf Jahre im Rahmen einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erhoben werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4238 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Aus den Erhebungen zum Warenverbrauch werden bei der Festsetzung der Pauschbeträge sogenannte Warenkörbe für die einzelnen Gewerbezweige gebildet , die auf Prüfungserfahrungen beruhen und sich am jeweils branchentypischen Waren- und Leistungsangebot orientieren. Innerhalb des fünfjährigen Turnus werden die Pauschbeträge jährlich an die allgemeine Preisentwicklung angepasst. Auch hierfür dienen die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes als Grundlage. 2. Wie viele Richtsatzprüfungen wurden zur Ermittlung der veröffentlichten Daten insgesamt pro Kalenderjahr durchgeführt? Der nachfolgenden Tabelle sind die Zahlen der mit den Richtsatzsammlungen 2014 bis 2017 neu festgesetzten Gewerbeklassen sowie die Zahlen der hierfür ausgewerteten Betriebsprüfungen zu entnehmen: Richtsatzsammlung Zahl der neu festgesetzten Gewerbeklassen Zahl der ausgewerteten Betriebsprüfungen 2014 16 3.848 2015 18 4.331 2016 16 4.042 2017 19 4.779 Grundlage für die Ermittlung der Richtsätze sind statistische Daten, die von der Gewerbeklasse angehörenden Betrieben im Rahmen von Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltungen der Länder erhoben werden. Die statistischen Daten bilden die Grundlage für die Festlegung der Richtsätze, die aus einem unteren und oberen Rahmensatz sowie einem Mittelsatz bestehen. Die Auswahl der in die Richtsatzsammlung aufzunehmenden Gewerbeklassen erfolgt insbesondere nach der Zahl der im Bundesgebiet vorhandenen Betriebe. Nur bei einer ausreichenden Betriebszahl kann sichergestellt werden, dass sie bei jeder Überprüfung anderer Betriebe herangezogen werden können und die gewonnenen statistischen Daten auch einen repräsentativen Querschnitt dieser Branche darstellen. Die Anzahl von ca. 10 000 Betrieben ist der wesentliche Anhaltspunkt für die Entscheidung über die Aufnahme einer Gewerbeklasse in die Richtsatzsammlung. Die Ermittlung der Richtsätze je Gewerbeklasse erfolgt in regelmäßigen Zeitabständen von grundsätzlich 4 Jahren. Eine Verkürzung oder Verlängerung des Zeitabstandes ist allerdings möglich, wenn z. B. rechtliche Änderungen erhebliche Auswirkungen auf Umsatz bzw. Gewinn einzelner Gewerbeklassen erwarten lassen. 3. Wie viel Prozent der Betriebe der jeweiligen Branche bzw. Gewerbeklasse werden zur Ermittlung dieser Daten geprüft? Die Anzahl der je Gewerbezweig im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Neufestsetzung vorhandenen Betriebe ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die erfragten Prozentzahlen können daher nicht ermittelt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4238 4. Wie werden die zur Durchführung einer Richtsatzprüfung vorgesehenen Betriebe ausgewählt? 5. Erfolgt die Auswahl nach einem echten (welchen) Zufallsprinzip, oder wählen die Prüfer bewusst Betriebe mit guter Ertragslage aus, bei denen mit einem entsprechenden Mehrergebnis zu rechnen ist? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Die Auswahl von Betrieben zur Betriebsprüfung beruht auf den Vorschriften zur Außenprüfung nach §§ 193 ff. der Abgabenordnung. Die Außenprüfung stellt in jedem Fall ein Mittel zur Verifikation des Sachverhalts dar und ist kein frei verfügbares Prüfungsinstrument. Eine besondere Auswahl von Betrieben z. B. nach Gesichtspunkten der Ertragslage mit der Zielstellung, die Festsetzung der Richtsätze in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, erfolgt nicht und würde auch dem Gesetzesauftrag widersprechen , dass Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben. Damit sind zum Beispiel Betriebsprüfungen zum ausschließlichen Zweck von Richtsatzermittlungen nicht vereinbar. 6. Wie wird sichergestellt, dass auch die Ergebnisse solcher Betriebe in die Richtsatzsammlung eingehen, die negative Betriebsergebnisse erzielen und daher wegen kaum zu realisierender Mehrergebnisse nicht zur Betriebsprüfung ausgewählt werden? Betriebe, bei denen im Ergebnis der Betriebsprüfungen ein negatives Betriebsergebnis festgestellt wurde (Gewinn < 0), werden in die Richtsatzermittlungen nicht einbezogen. Die Richtsätze dienen der Finanzverwaltung als Hilfsmittel (Anhaltspunkt), um Umsätze und Gewinne der Betriebe zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung ). Für Betriebe mit negativem Betriebsergebnis ist eine Verprobung des Gewinns nicht möglich. Bei einer Neufestsetzung der Richtsätze müssen die Ergebnisse derartiger Betriebe außer Ansatz bleiben, um eine Verfälschung der Richtsätze zu vermeiden. 7. Bleiben bei der Ermittlung von Aufschlagsätzen sog. Ausreißer ohne Berücksichtigung , oder haben tatsächlich alle Feststellungen Eingang in die Richtsatzsammlung gefunden? 8. Wie rechtfertigt es die Bundesregierung, dass Betriebe mit besonders hohen oder besonders niedrigen Gewinnsätzen unberücksichtigt bleiben, so dass hierdurch nicht nur die „Spitzenreiter“ sondern auch die „Schlusslichter“ einer bestimmten Branche in der Richtsatzsammlung nicht berücksichtigt werden ? Die Fragen 7 und 8 werden zusammen beantwortet. In die Ermittlung der Richtsätze einer Gewerbeklasse finden die Ergebnisse aller geprüften Betriebe mit festgestelltem Gewinn Eingang. Die Festlegung der Richtsätze erfolgt sodann nach einem gesicherten mathematisch-statistischen Verfahren . Danach muss bei der Festlegung der Richtsätze besonders auf die hohe Wahrscheinlichkeit geachtet werden, dass ein beliebiges, also auch ein noch nicht geprüftes Betriebsergebnis im Richtsatzrahmen, das heißt zwischen dem unteren und dem oberen Rahmensatz der Gewerbeklasse, liegt. Deshalb sind bei der Ermittlung der Richtsätze jeweils ca. 10 Prozent der Betriebe mit den im Vergleich zum Durchschnitt höchsten und niedrigsten Gewinnsätzen herauszufiltern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4238 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Nach diesem gesicherten mathematisch-statistischen Verfahren ist die Wahrscheinlichkeit , dass ein zukünftig zu schätzendes Betriebsergebnis innerhalb des Richtsatzrahmens der betreffenden Gewerbeklasse liegt, sehr hoch. 9. Wie aktuell sind die in der Richtsatzsammlung zusammengefassten Daten tatsächlich? Aus der nachfolgenden Tabelle ist ersichtlich, mit welcher Richtsatzsammlung die in der Richtsatzsammlung 2017 enthaltenen Gewerbezweige zuletzt neu festgesetzt wurden und damit wie aktuell die Daten sind: Richtsatzsammlung neu festgesetzte Gewerbezweige 2012 Brennstoffe, Eh.1 (Anmerkung: Für den Gewerbezweig erfolgt eine Neufestsetzung der Richtsätze zur Richtsatzsammlung 2018. Zunächst war die Betriebszahl zu prüfen.) 2013 Lederwaren und Reisegepäck, Eh. (Anmerkung: Wegen zu geringer Betriebszahlen wird die Branche in der Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2020 erstmals nicht mehr enthalten sein). 2014 Bestattungsunternehmen, Bücher, Eh., Cafés, Drogerien und Parfümerien, Gast-, Speise- und Schankwirtschaften, Pizzerien, Gerüstbau, Glasergewerbe, Glas- und Gebäudereinigung, Imbissbetriebe, Kunstgewerbliche Erzeugnisse, Geschenkartikel, Eh., Optiker, Säge- und Hobelwerke, Schuhe und Schuhwaren, Eh., Spielwaren, Eh., Sport- und Campingartikel, Eh. 1 Die Abkürzung „Eh.“ steht für „Einzelhandel“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4238 Richtsatzsammlung neu festgesetzte Gewerbezweige 2015 Apotheken, Bäckerei, Konditorei, Bau- und Heimwerkerbedarf, Anstrichmittel, Eh., Dachdeckerei und Bauspenglerei, Eisdielen, Elektroinstallation, Elektrotechnische Erzeugnisse, Eh., Fahrschulen, Frisörgewerbe, Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, Taxigewerbe und Mietwagen mit Fahrer, Busunternehmen, Möbel und sonstige Einrichtungsgegenstände, Eh., Schreib- und Papierwaren, Eh., Spielhallen und Betrieb von Spielautomaten, Steinbildhauerei und Steinmetzerei, Unterhaltungselektronik, Eh., Versicherungsmakler 2016 Ambulante soziale Dienste, Bauunternehmen, Hotels, Gasthöfe und Pensionen mit Halb- und Vollpension, Hotels garnis, Gasthöfe und Pensionen mit Frühstück, Blumen und Pflanzen, Eh., Chemische Reinigung und Wäscherei, Fische, Fischerzeugnisse, Eh., Fitnesszentren, Fußboden-, Fliesen- und Plattenlegerei, Haushaltsgegenstände, Eh., Heizungs-, Gas und Wasserinstallation, Kosmetiksalons, Maler- und Lackierergewerbe, Schreinerei, Tischlerei, Solarien, Zimmerei Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4238 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Richtsatzsammlung neu festgesetzte Gewerbezweige 2017 Computer und Software, Eh., Druckereien, Fahrräder, Eh., Fleischerei, Metzgerei, Schlachterei, Fotografen (Portrait- und Werbefotografen), Garten- und Landschaftsbau, Getränke, Eh., Kfz-Einzelhandel, Kfz-Lackiererei, Kfz-Reparatur, Kfz-Zubehörhandel, Nahrungs- und Genussmittel versch. Art einschl. Reformwaren (Naturkost), Eh., Obst, Gemüse, Südfrüchte und Kartoffeln, Eh., Raumausstatter, Schlosserei, Tabakwaren und Zeitschriften, Eh., Telekommunikationsgeräte und Mobiltelefone, Eh., Textilwaren verschiedener Art und Oberbekleidung, Eh., Uhren, Edelmetall- und Schmuckwaren, Eh. 10. Aus welchen Veranlagungszeiträumen stammen die ältesten Daten, die in der aktuellen Richtsatzsammlung (2018) Berücksichtigung gefunden haben? Im Jahr 2018 wurde die Richtsatzsammlung 2017 erarbeitet und veröffentlicht. Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 11. Warum wird in der Richtsatzsammlung nicht darauf hingewiesen, aus welchen Kalenderjahren bzw. Wirtschaftsjahren die erhobenen Daten stammen? Grundlage für die Neufestlegung der Richtsätze bilden die durch die Finanzverwaltungen der Länder im Rahmen von Betriebsprüfungen erhobenen Betriebsergebnisse des Vorjahres der Richtsatzsammlung. Nur ausnahmsweise werden in die Ermittlung auch die Betriebsergebnisse des 2. Vorjahres einbezogen. Informationen, aus welchen Kalenderjahren/Wirtschaftsjahren die erhobenen Daten zur Festlegung der Richtsätze für die einzelnen Gewerbeklassen stammen, haben für die Anwendung der Richtsätze keine Bedeutung und werden daher in die Richtsatzsammlung nicht aufgenommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333