Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz vom 13. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4365 19. Wahlperiode 18.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Heike Hänsel, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/3825 – Nutzung von Interpol-Fahndungen zur politischen Verfolgung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Polizeiorganisation Interpol hat seit Anfang 2014 bei 130 von ihr verbreiteten Fahndungsersuchen nachträglich einen Verstoß gegen Artikel 3 der Statuten (Missbrauch zur politischen Verfolgung) festgestellt (Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 37 des Abgeordneten Andrej Hunko, Plenarprotokoll 19/41). Trotz der Mitteilung von Interpol haben das Bundesamt für Justiz und das Auswärtige Amt demnach entschieden, fünf dieser 130 Fahndungen weiterhin als nationale Haftbefehle in das deutsche INPOL-System zu übernehmen . Die Staaten, aus denen die laut Interpol politisch motivierten Fahndungsersuchen stammen, hatte die Bundesregierung nicht genannt. Diese sollen auch weiterhin geheim bleiben, schreibt der Staatssekretär Christian Lange auf eine weitere Nachfrage (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 107 des Abgeordneten Andrej Hunko, Bundestagsdrucksache 19/3384). Zur Begründung der Geheimhaltung schreibt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), gesuchte Personen könnten durch die Preisgabe der Herkunft politisch motivierter Fahndungsersuchen Länder identifizieren , in welche sie sich als „sichere Häfen“ zurückziehen könnten. Die Offenlegung gefährde außerdem die „Vertraulichkeit des Fahndungsverkehrs“ und führe zu einem „Vertrauensverlust“ in den an gemeinsamen Fahndungen teilnehmenden Staaten. Dies könne die Bearbeitung deutscher Ersuchen durch ausländische Behörden „erheblich erschweren“. Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller kann deshalb nicht überprüft werden, zu welchen Staaten die Bundesregierung hinsichtlich einer politischen Verfolgung eine andere Haltung als Interpol vertritt. Durch die Geheimhaltung ist es auch unmöglich, die von deutschen Behörden aufrecht erhaltenen politisch motivierten Fahndungen zu überprüfen. Dies ist vor allem für aktuelle Fälle von Bedeutung, in denen deutsche Staatsangehörige (ein Busfahrer und ein Geschäftsmann ) nach Interpol-Fahndungen der türkischen Behörden in Spanien und Italien festsitzen (http://gleft.de/2my und http://gleft.de/2mz). Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller kann davon ausgegangen werden , dass zahlreiche Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund ihren Wohnsitz in Deutschland aufgrund des Risikos einer politisch motivierten Ver- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4365 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode haftung im Rahmen eines Interpol-Haftbefehls nicht für geschäftliche oder touristische Zwecke verlassen können. Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen will deshalb alle seit dem Fall Doğan Akhanlı neu eingehenden Interpol- Fahndungsersuchen auf eine Gefahr für dort lebende Personen bei Auslandsaufenthalten prüfen (http://gleft.de/2mB). Zur Bestimmung möglicherweise nachträglich zu benachrichtigender Personen hat das Landeskriminalamt Nordrhein- Westfalen „aufwändige händische retrograde Auswertungen“ durchgeführt. Der Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) wollte die Thematik außerdem auf Ebene der Innenministerkonferenz thematisieren (www.landtag.nrw.de/ Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-113. pdf;jsessionid=4982D20B85B30BD1C620D7D1FE2A0B0C.ifxworker). Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller müsste auch das Bundesamt für Justiz eine solche Prüfung vornehmen. 1. Welche Mitgliedstaaten der Europäischen Union (etwa Spanien) oder des Europarates (etwa die Türkei und die Ukraine) haben aus Sicht der Bundesregierung über Interpol verteilte Haftbefehle in Einzelfällen zur politischen Verfolgung von Oppositionellen oder von Angehörigen von Unabhängigkeitsbestrebungen genutzt? Die internationale Fahndung durch Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt innerhalb der Europäischen Union aufgrund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI-RB EUHb) im Schengener Informationssystem (SIS II). Eine Befassung von Interpol ist insoweit im Regelfall ausgeschlossen (vgl. Artikel 9, 10 RB-EUHb). Internationale Fahndungsersuchen erreichen Deutschland damit entweder über das Schengener Informationssystem oder, soweit es um Nicht-EU-Staaten geht, über Interpol. Ein Fahndungsersuchen wird in Deutschland nicht umgesetzt, wenn eine spätere Auslieferung von vornherein ausgeschlossen erscheint. Das wäre u. a. der Fall, wenn eine politische Verfolgung droht. Eine Statistik über die Anzahl der nicht bewilligten Fahndungsersuchen wird ebenso wenig geführt wie über etwaige Gründe für die Nichtbewilligung. Ebenso wenig werden die Staaten, bei denen die Nichtbewilligung der Fahndung wegen der Gefahr einer politischen Verfolgung erfolgt ist, erfasst. 2. Wie viele über Interpol verteilte Ausschreibungen der türkischen Behörden erreichten das deutsche nationale Interpolbüro beim Bundeskriminalamt seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016, bzw. welche Änderungen haben sich zur Bundestagsdrucksache 19/180 (Antwort zu Frage 7) ergeben (bitte nach den einzelnen „Buntecken“ darstellen)? Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in diesem Zeitraum 848 Fahndungsersuchen der türkischen Behörden erhalten, davon 791 zur Festnahme (sogenannte Red Notices /Diffusions) und 57 zur Aufenthaltsermittlung (sogenannte Blue Notices/ Diffusions). a) Wie wurde mit diesen Ersuchen verfahren, und wo wurden diese bei der Bundesregierung geprüft? Das BKA ist Nationales Zentralbüro für Interpol (§ 3 Absatz 1 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten – Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) und damit Eingangsstelle für Interpol-Fahndungen. Das BKA überprüft in dieser Funktion jedes einzelne Fahndungsersuchen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4365 Fälle von besonderer Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung werden gemäß § 33 Absatz 3 BKAG dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bzw. dem Bundesamt für Justiz (BfJ) zur Bewilligung vorgelegt, das im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt (AA) über die nationale Umsetzung der Fahndung entscheidet. b) Wie vielen durch Interpol verteilten Fahndungsersuchen der türkischen Behörden wurde stattgegeben? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. c) In wie vielen Fällen hat die Türkei justizielle Auslieferungsunterlagen vorab übermittelt bzw. die Übermittlung auf dem diplomatischen Geschäftsweg angekündigt, bzw. welche Änderungen haben sich zur Bundestagsdrucksache 19/180 (Antwort zu Frage 7) ergeben? Die Entwicklung der Fallzahlen wird statistisch nicht erfasst. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 7a der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/180 wird verwiesen. 3. In wie vielen Fällen betreffend die Türkei konnten das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und das Auswärtige Amt (AA) eine politische Verfolgung und somit einen Missbrauch Interpols feststellen? In wie vielen bzw. welchen Fällen wurden die Betroffenen darüber unterrichtet ? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. Eingehende Ersuchen werden stets auch im Hinblick auf eine möglicherweise vorliegende politische Verfolgung geprüft. 4. Zu wie vielen der Ersuchen seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 hatte Interpol selbst die Gefahr der politischen Verfolgung gemeldet und um Rücknahme der Fahndung gebeten, bzw. welche Änderungen haben sich zur Bundestagsdrucksache 19/180 (Antwort zu Frage 5) ergeben, wonach das Interpol-Generalsekretariat zu acht Fahndungsersuchen der türkischen Behörden einen Verstoß gegen Artikel 3 mitgeteilt hat? Die Beantwortung der Frage kann aus Gründen des Staatswohls nicht in offener Form erfolgen. Eine offene Beantwortung könnte die auswärtigen Beziehungen und den internationalen Fahndungsverkehr beeinträchtigen. Aus der Entwicklung der Fallzahlen könnten sich Rückschlüsse auf den Fahndungsverkehr mit einzelnen Staaten und einzelne Fahndungsersuchen ergeben. Zudem ist bei einer offenen Benennung einzelner Staaten damit zu rechnen, dass dies nicht nur mit einem Vertrauensverlust in diesen Staaten verbunden ist und die Bearbeitung deutscher Ersuchen durch Behörden dieser Staaten erheblich erschwert würde. Bei einer Beantwortung besteht zudem die Gefahr, dass auch in allen anderen am Fahndungsverkehr teilnehmenden Staaten ein Vertrauensverlust eintreten und sich Deutschland im internationalen Fahndungsverkehr isolieren wird. Zudem würde eine offene Beantwortung die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Interpol beschädigen. Nach Artikel 3 der Statuten der IKPO-Interpol (Interpol-Statuten) ist Interpol jede Betätigung oder Mitwirkung in Fragen oder Angelegenheiten politischen, militärischen, religiösen oder rassischen Charakters strengstens untersagt. Diese Zielsetzung wird auch durch Vorgaben von Interpol Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4365 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode zur Vertraulichkeit von Nachrichten zu Fahndungsersuchen verfolgt, die eine offene Weitergabe entsprechender Informationen durch die Bundesregierung untersagen . Diese Information wird daher als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem Grad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.* a) Wie viele Fahndungsersuchen wurden deshalb nicht in deutsche Fahndungssysteme übernommen? b) Wie viele durch Interpol verteilte Fahndungsersuchen der türkischen Behörden wurden trotz Gefahr der politischen Verfolgung als nationale Fahndung aufrecht erhalten? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4a und 4b gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. Bei der Prüfung, ob eine politische Verfolgung vorliegt, kommt einer Mitteilung von Interpol, dass das Fahndungsersuchen gegen die Interpol-Statuten verstößt, eine wichtige Indizwirkung zu. Im Falle der Gefahr einer politischen Verfolgung findet eine nationale Fahndung nicht statt. 5. Wie viele Fälle von deutschen bzw. deutsch-türkischen Staatsangehörigen sind der Bundesregierung bekannt, die seit dem Putschversuch am 15. Juni 2016 aufgrund von Fahndungsersuchen der Türkei nach einem Interpol- Haftbefehl in EU-Ländern festgenommen worden waren oder mit einem Ausreiseverbot belegt waren (bitte die Anzahl der Personen den jeweiligen Ländern zuordnen)? a) Wie viele deutsche bzw. deutsch-türkische Staatsangehörige sind aktuell in welchen Ländern davon betroffen? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 und 5a werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat grundsätzlich keine Kenntnis, ob Festnahmen im Ausland in Umsetzung eines über Interpol übermittelten Fahndungsersuchens erfolgt sind. b) Auf welche Weise hat sich die Bundesregierung gegenüber den betreffenden Ländern für die Freilassung der Betroffenen eingesetzt, und wie viele betroffene deutsche bzw. deutsch-türkische Staatsangehörige werden derzeit konsularisch betreut? Mit Blick auf die Unabhängigkeit der Gerichte kann die Bundesregierung bei Festnahmen deutscher Staatsangehöriger im Ausland keinen Einfluss auf justizielle Entscheidungen nehmen. Relevante Informationen zu betroffenen Personen, die der Bundesregierung bzw. anderen Bundesbehörden vorliegen, z. B. ein ehemaliger oder aktueller Asylstatus des Betroffenen oder einschlägige Gerichtsentscheidungen , werden je nach Einzelfall dem Interpol-Generalsekretariat und den jeweiligen nationalen Ermittlungsbehörden mitgeteilt. Alle inhaftierten deutschen Staatsangehörigen haben Anspruch auf konsularische Betreuung, soweit sie dies wünschen. * Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4365 c) Inwiefern führten diese Bemühungen bereits zu einer raschen Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland? Der Bundesregierung erhält nicht in jedem Einzelfall Kenntnis, ob deutsche Staatsangehörige, die aus der Haft entlassen werden, anschließend in die Bundesrepublik Deutschland reisen. 6. Wie viele Fälle von deutschen bzw. deutsch-türkischen Staatsangehörigen sind der Bundesregierung bekannt, die seit dem Putschversuch am 15. Juni 2016 bei einer Reise in die Türkei festgenommen worden sind? Der Bundesregierung sind 35 Fälle von Inhaftierungen deutscher Staatsangehöriger seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 bekannt, die im Zusammenhang mit politischen Tatvorwürfen stehen. 16 der Betroffenen hielten sich nach Kenntnis der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Inhaftierung nur vorübergehend in der Türkei auf. a) Wie viele betroffene deutsche bzw. deutsch-türkische Staatsangehörige sind der Bundesregierung aktuell bekannt (etwa http://gleft.de/2na), und wie viele werden derzeit konsularisch betreut? Von den 35 in der Antwort zu Frage 6 genannten Personen befinden sich noch sieben Personen in Haft. Alle Betroffenen werden konsularisch betreut. b) Inwiefern führten die Bemühungen der Bundesregierung bereits zu einer raschen Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wie viele der aus der Haft entlassenen und keiner Ausreisesperre unterliegenden deutschen Staatsangehörigen aus der Türkei ausgereist sind. 7. Wie viele „Diffusions“ und „Notices“ aus der Ukraine hat das Interpol-Generalsekretariat nach Kenntnis der Bundesregierung wegen eines Artikel-3- Verstoßes ausgesondert (bitte die Veränderungen seit der Antwort auf Bundestagsdrucksache 19/180 darstellen, wonach seit 2014 zu 16 Fahndungsersuchen ukrainischer Behörden ein Verstoß mitgeteilt wurde)? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen.* Hat die Bundesregierung jemals ukrainische Fahndungsersuchen nach einer deutschen Prüfung wegen eines Artikel-3-Verstoßes ausgesondert? Auf die Antwort zu den Fragen 4a und 4b wird verwiesen. 8. Auf welche Weise könnten aus Sicht der Bundesregierung gesuchte Personen durch die Preisgabe der Herkunft politisch motivierter Fahndungsersuchen Länder identifizieren, in welche sie sich als „sichere Häfen“ zurückziehen könnten (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 107 des Abgeordneten Andrej Hunko, Bundestagsdrucksache 19/3384)? Die Nennung von Staaten, deren Fahndungsersuchen häufig nicht umgesetzt werden , erlaubt der verfolgten Person den Rückschluss, dass eine Inhaftnahme in Deutschland wenig wahrscheinlich ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass Deutschland als „sicherer Hafen“ gilt. * Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4365 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Ist die Antwort auf die Schriftliche Frage 107 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 19/3384 so zu verstehen, dass die Bundesregierung die „Vertraulichkeit des Fahndungsverkehrs“ höher gewichtet als die Gefahr einer politischen Verfolgung im Rahmen eines Interpol-Fahndungsersuchens , das für die Betroffenen auch im Falle einer Ablehnung des Ersuchens monatelange Haft bedeuten kann? Nein. Der Bundesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, dass der internationale Fahndungsverkehr nicht zur Verfolgung aus politischen Gründen instrumentalisiert wird. Die Bundesregierung prüft eingehende Ersuchen auch unter Berücksichtigung der vorgeworfenen Taten sowie des Personenkreises, dem der Verfolgte angehört. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5b verwiesen. a) Hat es in der Vergangenheit tatsächliche Fälle gegeben, in denen die Offenlegung des Umgangs mit politisch motivierten Haftbefehlen zu einem „Vertrauensverlust“ in den an gemeinsamen Fahndungen teilnehmenden Staaten geführt hat? b) Inwiefern wurde dadurch die Bearbeitung deutscher Ersuchen durch ausländische Behörden „erheblich erschwert“? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 9a und 9b gemeinsam beantwortet . Nein. Es ist keine Offenlegung erfolgt. 10. Wie sollen die von deutschen Behörden aufrecht erhaltenen politisch motivierten Fahndungen angesichts der Geheimhaltung der ausstellenden Länder durch das BMJV aus Sicht der Bundesregierung parlamentarisch überprüft werden können? Im Falle der Gefahr einer politischen Verfolgung setzt die Bundesregierung Fahndungsersuchen nicht um. Auf die Antworten zu den Frage 4b und 9 wird verwiesen . 11. Wie kommt die Bundesregierung zu der Einschätzung, zunehmende Kontrollen an Flughäfen der Interpol-Mitgliedstaaten führten zu einer Verdoppelung von polizeilichen Abfragen der Interpol-Datenbank „ASF Nominals “, und welche Art von Kontrollen sind hiermit gemeint (Bundestagsdrucksache 19/3487, Antwort zu Frage 18)? Die Antwort der Bundesregierung zu Frage 18 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3487 ist so zu verstehen, dass nicht zunehmende Kontrollen an Flughäfen zu einer Verdoppelung von polizeilichen Abfragen der Interpol-Datenbank „ASF Nominals“ geführt haben, sondern Prozessoptimierungen im Rahmen der Grenzabfertigung (automatisierte Abfrage auch in ASF-Nominals) für die Verdoppelung der Abfragen verantwortlich sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/4365 12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch die Abfragen der ASF-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente (SLTD) mehr Abfragen verzeichnet, nachdem die Ausweitung des Schengener Grenzkodex beschlossen wurde, der seit März 2017 für Angehörige von Drittstaaten „systematische Kontrollen“ beim Übertritt einer Außengrenze vorschreibt, wozu auch die Abfrage der SLTD-Datei gehört (http://data. consilium.europa.eu/doc/document/PE-55-2016-INIT/de/pdf)? Nach Kenntnis der Bundesregierung haben die in der Antwort zu Frage 11 genannten Prozessoptimierungen im Rahmen der Grenzabfertigung auch zu einem Anstieg der SLTD-Abfragen geführt. 13. Mit welchen „Partnern in der Europäischen Union“ steht die Bundesregierung nach einem „Expertentreffen“ am 22. September 2017 „im Gespräch, um eine bessere Kommunikation von satzungswidrigen Fahndungsersuchen untereinander und im Verhältnis zum Interpol-Generalsekretariat sicherzustellen “, und welche konkreten Erfolge kann sie hierzu mitteilen (Bundestagsdrucksache 19/180, Antwort zu Frage 3)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 4b der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/180 wird verwiesen. Zudem unterstützt die Bundesregierung die Aktivitäten von Interpol zur Verbesserung der Kommunikation bei statutenwidrigen Fahndungsersuchen. Auf die Antwort zu Frage 13 a wird verwiesen. a) Wo wurde der Austausch über die „Verbesserung bereits existierender Interpol -Schutzmechanismen“ wie von Interpol zugesichert fortgesetzt (Bundestagsdrucksache 19/180, Antwort zu Frage 4b)? Die Möglichkeiten der weiteren Optimierung der bestehenden Schutz- und Prüfmechanismen im Interpol-Generalsekretariat (IPSG) bezüglich der Interpol- Fahndungsnotierungen wurde seit Veröffentlichung der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/180 u. a. im Rahmen folgender Interpol- Gremien erörtert: - 78. Sitzung des Interpol European Committee am 30. und 31. Januar 2018 in Lyon (Frankreich) - 14. Sitzung der Leiter der Nationalen Zentralbüros (NZB) vom 10. bis 12. April 2018 in Lyon (Frankreich) - 46. Europäische Regionalkonferenz der IKPO-Interpol vom 16. bis 18. Mai 2018 in Dublin (Irland) Im Rahmen der Gremienbefassungen wurde z. B. auf die Anwendung des Artikels 80 Absatz 1 Buchstabe c) der Interpol-Regeln über die Datenverarbeitung hingewiesen, der eine Benachrichtigung der nationalen Interpol-Büros an das IPSG bei Zweifeln an der Einhaltung der Interpol-Statuten vorsieht. Ferner wurde die Notwendigkeit der weiteren personellen oder finanziellen Unterstützung der für die Prüfung der Interpol-Fahndungsinstrumente zuständigen Einheit im IPSG erörtert. Das BKA hat bereits einen Mitarbeiter in diese Organisationseinheit entsandt. Ergänzend wurde auf die Erforderlichkeit zur Übermittlung ausführlicher Informationen (z. B. umfassendere Sachverhaltsschilderungen) an das IPSG bei der Beantragung von Interpol-Fahndungsersuchen hingewiesen und daran erinnert, dem IPSG im Einzelfall rechtzeitig relevante Informationen zur Bewertung von Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4365 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode entsprechenden Fahndungsersuchen (z. B. bei der Gewährung von politischem Asyl zu Personen, die mit Interpol-Festnahmeersuchen gesucht werden) zu übermitteln . Die Umsetzung dieser Empfehlungen durch die Interpol-Mitgliedsländer könnte aus Sicht der Bundesregierung zu einer weiteren Verbesserung der Schutz- und Prüfmechanismen im IPSG führen. b) Inwiefern konnte sich die Bundesregierung mit dem Vorschlag durchsetzen , das Thema in den darauf folgenden Wochen „aktiv weiterzuverfolgen “? Auf die Antwort zu den Fragen 13 und 13a wird verwiesen. 14. Inwiefern hat ein Workshop, den die EU-Kommission zur Erarbeitung eines gemeinsamen Vorgehens der Mitgliedstaaten zu „politisch motivierten Fahndungsersuchen“ angekündigt hat, mittlerweile stattgefunden (Bundestagsdrucksache 19/180, Antwort zu Frage 4)? a) Was wurde dort behandelt und vereinbart? b) Wer nahm an dem Workshop teil? c) Sofern der Workshop weiterhin nicht stattfand, welche Gründe sind der Bundesregierung hierzu bekannt? Der von der EU-Kommission angekündigte Workshop hat bislang nicht stattgefunden . Die Gründe dafür sind der Bundesregierung nicht bekannt. 15. Wie viele Ersuchen im Rahmen eines europäischen Haftbefehls hat die Bundesregierung in den Jahren 2016 auf eine Nichtübereinstimmung mit dem Straftatenkatalog prüfen lassen, und wie verhält sich diese Zahl zu den gesamten Ersuchen? Wie viele Ersuchen wurden nach einer Prüfung abgelehnt, und welche Länder betraf dies vorwiegend? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 17 und 18 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/180 wird verwiesen . 16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich eines Grundsatzurteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur polnischen Justizreform , wonach Behörden anderer EU-Länder Europäische Haftbefehle aus Polen künftig nicht vollstrecken müssen (http://gleft.de/2mJ), und auf welche Weise werden die polnischen Haftbefehle fortan überprüft? Auswirkungen im Einzelfall prüft die jeweils zuständige Justizbehörde. Das BMJV hat für Mitte September 2018 zu einem deutsch-polnischen Workshop eingeladen , der Auswirkungen aus dem genannten Urteil analysieren und einen Austausch zwischen deutschen und polnischen Praktikern über den Auslieferungsverkehr ermöglichen soll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/4365 17. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen seit dem Fall Doğan Akhanlı alle neu eingehenden Interpol -Fahndungsersuchen auf eine Gefahr für dort lebende Personen bei Auslandsaufenthalten prüfen (http://gleft.de/2mB)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 18. Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Bundesregierung zur Bestimmung möglicherweise nachträglich zu benachrichtigender Personen „aufwändige händische retrograde Auswertungen“ durchgeführt (http:// gleft.de/2mB)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 19. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern bei Interpol wie angekündigt alle 40 000 Fahndungsersuchen zur Festnahme auf eine mögliche politische Verfolgung überprüft worden sind, und über welche Zahlen verfügt sie hierzu (http://gleft.de/2mA)? Das IPSG teilte zuletzt am 25. Mai 2018 mit, dass insgesamt ca. 80 000 vor dem Jahr 2016 initiierte Fahndungsersuchen zum Zwecke der Festnahme und Auslieferung (Red Notices und Wanted Persons Diffusions) auf Grundlage der aktuellen strengeren IPSG-Kriterien bzw. Vorgaben intensiv geprüft werden müssen. Das IPSG hatte Anfang des Jahres 2018 sukzessive mit der Überprüfung dieses sogenannten Fahndungsaltbestands begonnen. Aufgrund der hohen Anzahl der zu überprüfenden Fahndungsersuchen und der engen Personalressourcen beschloss das IPSG im weiteren Verlauf, zum 1. August 2018 eine Task Force innerhalb der für diese Prüfung zuständigen Organisationseinheit einzurichten. In diesem Kontext ersuchte das IPSG die Interpol-Mitgliedsländer auch u. a. um eine personelle bzw. finanzielle Unterstützung. 20. Welche Verbesserungen der Interpol-Schutzmechanismen gegen den Missbrauch zur politischen Verfolgung wurden zuletzt in den „verschiedenen Interpol -Gremien“ diskutiert, und welche Verbesserungen wurden zuletzt umgesetzt (Bundestagsdrucksache 19/180, Antwort zu Frage 1)? Auf die Antwort zu Frage 13a wird verwiesen. Die Umsetzung der dort genannten Maßnahmen liegt hauptsächlich in der Verantwortung der Interpol-Mitgliedstaaten . Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, inwiefern die genannten Maßnahmen dort umgesetzt werden. In Bezug auf die bereits durch Interpol erfolgten Maßnahmen wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333