Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4429 19. Wahlperiode 21.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bruno Hollnagel, Kay Gottschalk, Stefan Keuter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/4142 – Mögliche türkische Risiken für die Europäische Währungsunion V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei ist kritisch. So titelt die „FAZ“ am 19. Juli 2018: „Die Türkei ist dabei, ein hoffnungsloser Fall zu werden“ (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-ausnahmezustand-in-der-tuerkei-endetaber -die-wirtschaft-schwaechelt-weiter-15697475.html) und am 20. Juli 2018: „Türkei ist der drittschlechteste Zahler der Welt“ (www.faz.net/aktuell/finanzen/ finanzmarkt/die-tuerkei-ist-der-drittschlechteste-zahler-der-welt-15699391.html). Die Entwicklung bahnt sich bereits lange an. Schon letzten Herbst gab es entsprechende Presseberichte, beispielhaft sei „Erdoğan fährt die Lira an den Rand des Abgrunds“ erwähnt (www.welt.de/finanzen/article170826237/Erdoganfaehrt -die-Lira-an-den-Rand-des-Abgrunds.html). Aktuell: „Türkei-Krise schlägt nicht nur Dax auf den Magen – Staatspleite wird durchgespielt“ (www.onvista. de/news/tuerkei-krise-schlaegt-nicht-nur-dax-auf-den-magen-staatspleite-wirddurchgespielt -109807651 10. August 2018, 12:29 Uhr). Die Entwicklung der türkischen Lira und der türkischen Zinsen geben den wirtschaftlichen Verfall komprimiert wieder. Aktuell hat ein Euro einen Gegenwert von ca. 7,2 türkischen Lira, vor einem Jahr ca. 4,1 türkische Lira (www.finanzen. net/waehrungsrechner/euro_neue-tuerkische-lira). Der Kurs der türkischen Staatsanleihe (US900123CG37) ist innerhalb von 12 Monaten von ca. 113 Prozent auf aktuell ca. 82 Prozent gefallen (www.onvista. de/anleihen/TURKEY-14-45-Anleihe-US900123CG37). Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beziffert die Forderungen der spanischen Banken gegen den türkischen Staat in Höhe von 82,8 Mrd. Euro, der französischen in Höhe von 34,4 Mrd. Euro und der deutschen Banken auf 12,7 Mrd. Euro. Hinzu kommen Risiken aus Kapitalbeteiligungen der BBVA (Banco Bilbao Vizcaya Argentaria) und der Unicredit S.p.A. (www. welt.de/wirtschaft/article176765162/Drohende-Kreditausfaelle-Europas-Bankenfuerchten -tuerkischen-Kollaps.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4429 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche Forderungen haben die Banken der EU nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber dem türkischen Staat, Unternehmen, Banken und Privatpersonen (bitte nach Staaten gegliedert darstellen)? Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlicht auf Quartalsbasis öffentlich zugängliche Daten zu den Forderungen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten. Die Daten werden von der BIZ unter folgendem Link für die Türkei veröffentlicht: www.bis.org/statistics/b4-TR.pdf. In ihrem aktuellen Bericht halten die europäischen Aufsichtsagenturen (ESAs) das direkte Engagement der europäischen Banken in der Türkei im Durchschnitt für überschaubar , wenngleich es für einzelne Banken nicht zu vernachlässigen sei (vgl. https://esas-joint-committee.europa.eu/Publications/Reports/Joint%20Committee% 20Risk%20Report%20-%20Autumn%202018%20%28JC%202018%2034%29. pdf). Seit dem 4. November 2014 obliegt der Europäischen Zentralbank (EZB) die Aufsicht über signifikante Institute. Die folgenden Zahlen umfassen weder Informationen über Banken anderer EU-Staaten, bei denen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht die zuständige Aufsichtsbehörde ist, noch Informationen über signifikante Institute, bei denen die Europäische Zentralbank die zuständige Behörde im Sinne des Kreditwesengesetz (KWG) ist. Die unter der Aufsicht der BaFin stehenden Institute weisen per Stichtag 30. Juni 2018 Kreditforderungen gegenüber der Türkei i. H. v. 9,84 Mrd. Euro aus. Davon entfallen 75 Prozent [7,38 Mrd. Euro] auf Unternehmen, 20 Prozent auf Banken [1,98 Mrd. Euro], 4 Prozent auf den türkischen Staat [0,36 Mrd. Euro], sowie 1 Prozent auf Sonstiges [0,10 Mrd. Euro]; (Privatpersonen 0 Prozent [0,02 Mrd. Euro]). Die Kreditforderungen sind zum großen Teil auf wenige Institute (vor allem deutsche Töchterinstitute türkischer Banken) konzentriert. 2. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Verhältnis dieser Forderungen zum bilanziellen und haftenden Eigenkapital der Banken? Das Verhältnis der Kreditforderungen zum bilanziellen Eigenkapital (inkl. des Fonds für allgemeine Bankrisiken) der deutschen weniger bedeutenden Institute liegt bei 18 Prozent. Bezogen auf das aufsichtsrechtliche harte Kernkapital (CET1 Kapital) liegt das Verhältnis bei 18,9 Prozent. Ohne Berücksichtigung der deutschen Tochterinstitute türkischer Banken liegt die Quote für die übrigen weniger bedeutenden deutschen Institute im mittleren einstelligen Prozentbereich. 3. Sieht die Bundesregierung für europäische Banken Gefährdungspotential, und wenn das der Fall sein sollte, wie soll dem begegnet werden? Das direkte Engagement der europäischen Banken in der Türkei ist laut ESAs im Durchschnitt überschaubar, wenngleich es für einzelne Banken nicht zu vernachlässigen ist und somit ein Risiko darstellen kann (vgl. Antwort zu Frage 1). Möglichen künftigen Risiken auf Ebene einzelner Institute begegnet die BaFin durch bankaufsichtliche Maßnahmen, über welche im Einzelfall entschieden wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4429 4. Gibt es ein Frühwarnsystem für solche Fälle, und wenn ja, wie funktioniert das? Mögliche Implikationen für die Finanzstabilität aufgrund von Länderrisiken werden regelmäßig durch die Deutsche Bundesbank und den Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) überwacht. Die Überwachung stützt sich dabei unter anderem auf ein Frühwarnsystem für systemische Finanzkrisen, das auf zahlreichen makroökonomischen Indikatoren basiert (vgl. Fünfter Bericht des AFS an den Deutschen Bundestag, S. 43 f.; verfügbar unter www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Standardartikel/Themen/Internationales_Finanzmarkt/Finanzmarkt stabilitaet/AFS/AFS_Bericht_2018.pdf;jsessionid=BBB1E86152C95B0ABC AED8A94EB93D08?__blob=publicationFile&v=2). Sollten einzelne Finanzmarktakteure von adversen Entwicklungen im Ausland betroffen sein, werden im Bedarfsfall aufsichtliche Maßnahmen durch die BaFin implementiert. 5. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den letzten Monaten ergriffen , um drohenden Schaden aus der Entwicklung der Türkei für Deutschland abzuwenden? Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung in der Türkei sehr aufmerksam. Es ist Aufgabe der türkischen Regierung, finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen, die zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Türkei beitragen. 6. Welches Bundesministerium verantwortet das Risikomanagement? Die einzelnen Bundesministerien stehen stets in engem Kontakt und tauschen sich regelmäßig über aktuelle Entwicklungen in ihren Geschäftsbereichen aus. 7. Verfügt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang über Risikoanalysen aus der europäischen Bankenaufsicht, und welchen Inhalts sind diese? Die Bundesregierung verfügt in diesem Zusammenhang über keine Risikoanalysen von dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus bzw. der Europäische Zentralbank . Ein aktueller Bericht der ESAs beurteilt das direkte Engagement der europäischen Banken in der Türkei im Durchschnitt als überschaubar, wenngleich es für einzelne Banken nicht zu vernachlässigen ist (vgl. https://esas-joint-committee. europa.eu/Publications/Reports/Joint%20Committee%20Risk%20Report%20-% 20Autumn%202018%20%28JC%202018%2034%29.pdf). 8. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung verhindern, dass Deutschland für die Risiken französischer und spanischer Banken einstehen muss? Mit der Bankenunion besteht in Europa ein regulatorischer und institutioneller Rahmen, der auf die Reduzierung von Risiken und Abschirmung des Steuerzahlers von Bankrisiken abzielt. Hier sind insbesondere der einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) und der europäische Abwicklungsmechanismus (SRM) zu nennen. Während der SSM die Einhaltung der aufsichtlichen Anforderungen entsprechend dem gemeinsamen Regelwerk überwacht, ist wesentliches Ziel des SRM die Aufrechterhaltung der Finanzstabilität und der Schutz der Steuerzahler im Falle von Bankschieflagen, im Einklang mit der Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4429 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wurde das Thema auf dem letzten ECOFIN- (Rat für Wirtschaft und Finanzen ) und Eurogruppen-Treffen behandelt? Die Lage in der Türkei stand nicht auf der Agenda der Eurogruppe und des informellen ECOFIN am 7. und 8. September 2018. Im Rahmen der Diskussion zur Finanzstabilität während des informellen ECOFIN wurde allgemein auf Entwicklungen in einigen Schwellenländern hingewiesen. 10. Hat die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel das NATO-Treffen in Brüssel am 11. Juli 2018 genutzt, um das Thema mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu besprechen? 11. Wenn nein, für wann ist dies geplant? Die Fragen 10 und 11 werden zusammen beantwortet. Mit Blick auf die beim Nato-Treffen in Brüssel am 11. Juli 2018 von der Bundeskanzlerin geführten Gespräche mit Amtsträgern anderer Staaten wird darauf hingewiesen , dass solche Gespräche vertraulich sind. Derartige Gespräche dienen der internen Willensbildung der Bundesregierung. Sie unterliegen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge und umfasst nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 124, 78 [121]). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333