Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 20. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4496 19. Wahlperiode 25.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Lisa Badum, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/4159 – Aktueller Kenntnisstand über den ernsten Atomunfall mit Ruthenium-106- Freisetzung vom September 2017 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ende September 2017 wurden vielerorts in Europa erhöhte Ruthenium-106- Werte gemessen. Die Freisetzung war so erheblich, dass es sich nach Einschätzung der Bundesregierung um einen Atomunfall der dritthöchsten Kategorie auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare und radiologische Ereignisse (INES) gehandelt haben muss, Kategorie 5, das heißt um einen ernsten Atomunfall , vgl. Antwort der Bundesregierung vom 14. März 2018 auf die Schriftliche Frage 117 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf Bundestagsdrucksache 19/1241. Infolge der Messungen angestellte Berechnungen und Analysen des hiesigen Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und des staatlichen französischen Instituts für Strahlenschutz und Nuklearsicherheit IRSN deuteten relativ zeitnah auf die Region Süd-Ural als wahrscheinlichsten Ursprung der Freisetzung hin. Gewissheit konnten diese Berechnungen und Analysen aufgrund der nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Informationen jedoch nicht liefern. Im Dezember 2017 wurde vom Institut für Nuklearsicherheit der Russischen Akademie der Wissenschaften (IBRAE) für diesen Ruthenium-106-Atomunfall eine Internationale Unabhängige Wissenschaftliche Untersuchungskommission (im Weiteren kurz Untersuchungskommission) ins Leben gerufen, an der sich zwei BfS-Mitarbeiter beteiligten, vgl. BfS-Pressemitteilung vom 22. Januar 2018. Während die Fragestellenden die IBRAE-Initiative zwar durchaus begrüßen , verweisen sie darauf, dass es sich beim IBRAE nicht um eine Atomaufsicht handelt. Es bleibt also festzustellen, dass diese Initiative nicht von den für die Atomaufsicht und den Strahlenschutz zuständigen dortigen staatlichen Stellen ausgeht. Die Untersuchungskommission tagte zweimal, am 31. Januar und 11. April 2018. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4496 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im April 2018 richtete die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgrund der gut ein halbes Jahr nach dem Ruthenium-106-Atomunfall noch bestehenden großen Unklarheit die Kleine Anfrage „Ernster Atomunfall mit Ruthenium-106- Freisetzung vom September 2017“ auf Bundestagsdrucksache 19/1465 an die Bundesregierung (Antwort auf Bundestagsdrucksache 19/1645). Mittlerweile verging seit dem Atomunfall fast ein Jahr, und nach Kenntnis der Fragestellenden sind der genaue Ursprung und die Ursachen der Freisetzung weiterhin unklar. Die IBRAE-Untersuchungskommission kam mit den ihr zur Verfügung gestellten Messdaten zu keinen klaren Ergebnissen, wie sie nach der zweiten Sitzung online festhielt (vgl. http://en.ibrae.ac.ru/newstext/911/). Derzeit ist ferner unklar, welche Aufklärungsbemühungen und welches bislang ungenutzte Potenzial zur Aufklärung noch existieren. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob der IBRAE-Untersuchungskommission alle einschlägig relevanten, existierenden Messdaten vorlagen oder ob nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere, für die Eruierung des Freisetzungsursprungs relevanten Messdaten russischer Stellen existieren, aber der Kommission nicht vorlagen? Den Mitgliedern der IBRAE-Untersuchungskommission lagen sämtliche der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) gemeldeten Beobachtungsdaten zum Ruthenium-Fall vor. Ebenso wurden zusätzliche relevante Messdaten von russischer Seite bereitgestellt. Diese Messdaten wurden durch die russischen Teilnehmer der Kommission (von IBRAE, Rosatom, Roshydromet und der Mayak Produktionsgesellschaft) bereitgestellt. Den deutschen Mitgliedern in der Untersuchungskommission liegen keine Hinweise vor, dass der Untersuchungskommission relevante Messdaten vorenthalten wurden. Ausgeschlossen werden kann dies naturgemäß nicht. 2. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Aussagen der infrage kommenden staatlichen Stellen in Russland dazu, ob der Untersuchungskommission alle vorhandenen, in diesem Kontext potenziell relevanten Messdaten zur Verfügung gestellt wurden, oder ist dies nicht restlos klar? Nach Aussage der staatlichen Stellen in Russland im Rahmen der beiden Kommissionsitzungen wurden den Kommissionsmitgliedern alle vorhandenen und relevanten Messdaten durch die Stellen IBRAE, Rosatom, Roshydromet und Mayak Produktionsgesellschaft zur Verfügung gestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4496 3. Hat die Bundesregierung sich nach der Existenz etwaiger weiterer, der Untersuchungskommission bislang nicht zur Verfügung gestellter, aber potenziell zur Aufklärung des Ruthenium-106-Atomunfalls geeigneter Messdaten russischer Messstellen bei den infrage kommenden russischen Institutionen erkundigt? Falls nein, warum nicht? Falls ja, bei welchen Institutionen, jeweils wann, und mit jeweils welchem Ergebnis (bitte vollständig angeben)? 4. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung andere Mitglieder der IBRAE- Untersuchungskommission, andere Staaten oder Dritte wie zum Beispiel die EU-Kommission oder die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) sich nach der Existenz etwaiger weiterer, der IBRAE-Untersuchungskommission bislang nicht zur Verfügung gestellter, aber potenziell zur Aufklärung des Atomunfalls geeigneter Messdaten russischer Messstellen bei den infrage kommenden russischen Institutionen erkundigt? Falls ja, wer hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei welchen Institutionen jeweils wann und mit welchen Ergebnissen erkundigt (bitte vollständig angeben)? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die deutschen Mitglieder der Untersuchungskommission haben sich im Zuge der Kommissionsarbeit, in Sitzungen und schriftlich – gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Kommission von IRSN (Frankreich), NRPA (Norwegen) und STUK (Finnland) – bei den an der Kommission beteiligten russischen Partnern (IBRAE, Rosatom, Roshydromet und Mayak Produktionsgesellschaft) nach weiteren Messdaten erkundigt. Die Antwort von IBRAE im Namen der beteiligten russischen Organisationen war, dass keine weiteren Messdaten existieren als die, die im Rahmen der Kommissionsarbeit bereits bereitgestellt wurden. Über weitere Anfragen anderer Staaten oder Dritter bezüglich der Existenz etwaiger weiterer Messdaten ist der Bundesregierung nichts bekannt. 5. Für welche russischen Institutionen ist klar, dass zumindest sie jeweils alle ihrerseits existierenden, potenziell für die Aufklärung der Freisetzung relevanten Messdaten zur Verfügung gestellt haben? Für welche russischen Institutionen ist nicht klar, ob sie alle ihrerseits existierenden , potenziell für die Aufklärung der Freisetzung relevanten Messdaten zur Verfügung gestellt haben? Für die folgenden Institutionen ist – nach eigener Aussage in der Untersuchungskommission – klar, dass alle ihrerseits existierenden Messdaten zur Verfügung gestellt wurden: IBRAE, Rosatom, Roshydromet und Mayak Produktionsgesellschaft . Inwieweit dies den Tatsachen entspricht, kann nicht überprüft werden. Über die Existenz relevanter Messdaten bei anderen russischen Institutionen liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4496 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass die IBRAE-Untersuchungskommission bislang mit den ihr verfügbaren Messdaten einerseits nicht den Ursprung der Freisetzung lokalisieren konnte, aber andererseits bislang auch keine im Süd-Ural gelegene Atomanlage abschließend als Ursprung ausschließen konnte? Falls nein, welche zuvor als etwaige Ursprünge im Gespräch befindlichen Atomanlagen im Süd-Ural konnten von der Kommission mit welcher Begründung abschließend als Ursprung ausgeschlossen werden? Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragestellenden, dass die IBRAE- Untersuchungskommission bislang mit den ihr verfügbaren Messdaten einerseits nicht den Ursprung der Freisetzung lokalisieren konnte, aber andererseits bislang auch keine im Süd-Ural gelegene Atomanlage abschließend als Ursprung ausschließen konnte. 7. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass a) es national wie international ein Standard in der Atomaufsicht ist, nukleare Zwischenfälle einer Ursachenanalyse zu unterziehen, und b) dies unter anderem deshalb getan wird, um für die Zukunft Wiederholungen bzw. vergleichbare Zwischenfälle ausschließen zu können? Die Bundesregierung kann bestätigen, dass es national wie international ein Standard in der Atomaufsicht ist, nukleare Zwischenfälle einer Ursachenanalyse zu unterziehen, und dass dies unter anderem deshalb getan wird, um für die Zukunft Wiederholungen bzw. vergleichbare Zwischenfälle ausschließen zu können. 8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass es unmöglich ist, angemessene Maßnahmen zur Vermeidung vergleichbarer Zwischenfälle zu ziehen, solange Ursprung und Ursachen des Unfalls vom September 2017 unklar sind (falls nein, bitte begründen)? Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragestellenden, dass es unmöglich ist, angemessene Maßnahmen zur Vermeidung vergleichbarer Zwischenfälle zu ziehen, solange Ursprung und Ursachen des Unfalls vom September 2017 unklar sind. 9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass es unbefriedigend ist, dass nach rund einem Jahr ein Atomunfall der Kategorie INES 5 noch weitgehend im Unklaren liegt? Falls nein, warum nicht? Falls ja, welche Konsequenzen will sie daraus ziehen, und welche Initiativen will sie auf welcher Ebene ergreifen? 10. Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund des aktuellen Sachstands und der weiteren Entwicklungen seit ihrer Antwort zu Frage 6 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/1645 der Auffassung, dass das IAEO- Frühwarnsystem für Atomunfälle ausreichend robust ist? Falls ja, aus welchen Gründen? Falls nein, welche Reforminitiativen will sie bis wann ergreifen, und mit welchen Ländern steht sie hierzu bereits im Austausch? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4496 11. Welche Konsequenzen will die Bundesregierung ziehen, falls sich die Faktenlage zu dem Vorfall nicht ausreichend klären lassen sollte (vgl. bisherige, Ursprung und Ursachen nicht geklärt habende Ergebnisse der IBRAE-Untersuchungskommission )? 12. Teilt die Bundesregierung die in ihrer Antwort zu Frage 5 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/1645 wiedergegebene Auffassung der IAEO, die Frühwarnkonvention gebe der IEAO nicht das Mandat, Nachforschungen anzustellen? Falls nein, warum nicht? Falls ja, sollte die IEAO aus Sicht der Bundesregierung ein solches Mandat erhalten – ggf. durch eine Reform der Frühwarnkonvention? Die Fragen 9 bis 12 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nachdem die Bundesregierung am 6. Oktober 2017 einen „EMERCON Request for Information“ in Bezug auf die in verschiedenen europäischen Ländern gefundenen Spuren von Ru-106 in der Luft an die Internationale Atomenergieorganisation IAEO gerichtet hatte, hat das IEC (Incident and Emergency Centre) der IAEO alle Mitgliedstaaten um die Übermittlung von Informationen und entsprechenden Messdaten über die USIE Plattform (Unified System for Information Exchange in Incidents and Emergencies) gebeten. Die gemeldeten Daten wurden gesammelt und verfügbar gemacht. In der Folge hat auf Initiative von Deutschland das für die Frühwarnkonvention zuständige Gremium der IAEO alle Mitgliedstaaten aufgefordert, auch Verfahren für eine schnelle Meldung von erkannter erhöhter Radioaktivität in der Umwelt an das IEC einzurichten. Die Bundesregierung setzt sich weiterhin international, bilateral wie multilateral und insbesondere auch im Rahmen der IAEO, in jeweils geeigneter Art und Weise mit Nachdruck dafür ein, weitere Erkenntnisse über Ursprung und Ursache des Ereignisses zu gewinnen sowie entsprechende Konsequenzen zu ziehen, und wird dies auch weiterhin tun. So war und ist Deutschland treibende Kraft in der Weiterverfolgung dieses Themas, sowohl bezüglich der IBRAE-Untersuchungskommission als auch im Rahmen der IAEO. Darüber hinaus wirbt die Bundesregierung international für ein gemeinsames Verständnis, dass zu für Nachbarstaaten relevanten Ereignissen gegebenenfalls auch über die Informationspflichten der Frühwarnkonvention hinaus entsprechende Notifizierungen durch das Ursprungsland erfolgen sollten. 13. Welche Bemühungen, Initiativen, Fragen etc. hinsichtlich einer weiteren Aufklärung des Atomunfalls oder daraus zu ziehender Konsequenzen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung seitens anderer Staaten oder Dritter wie zum Beispiel der EU-Kommission oder der IAEO seit der zweiten und bisher letzten Sitzung der IBRAE-Untersuchungskommission? Die European Nuclear Safety Regulators Group (ENSREG) hat in ihrer Sitzung am 2. Juli 2018 beschlossen, eine gemeinsame Stellungnahme zu der Freisetzung von Ruthenium-106 auf ihrer Homepage zu veröffentlichen sowie eine Übersicht zu den Messungen, die von den ENSREG-Mitgliedern online bereitgestellt worden sind, zu erstellen. Sowohl die Stellungnahme als auch die Übersicht mit entsprechenden Links zu den nationalen Homepages können unter http://www.ensreg .eu/events-0 eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4496 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Auf ihrer Sitzung am 17./18. Mai 2018 kam HERCA (Heads of the European Radiological Protection Competent Authorities) zu dem Schluss, dass sie in dieser Angelegenheit nicht das zentrale Forum sei. Auf ihrer Internetseite hat HERCA hervorgehoben, dass in derartigen Fällen die schnelle Weitergabe von Erkenntnissen über Messungen über USIE und ECURIE wichtig sei. Das Vereinigte Königreich beabsichtigt die Durchführung eines internationalen Workshops zum Ruthenium-Ereignis, um auf informeller Ebene Standpunkte auszutauschen und Verbesserungspotenzial bei der Behandlung solcher Ereignisse zu diskutieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333