Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 20. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4533 19. Wahlperiode 24.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Lisa Badum, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/4160 – Atomkraftwerk Gundremmingen – Fragen zu Nichtleistungsbetrieb, Vermaschung und Störfallbeherrschung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in den vergangenen Jahren mehrere Kleine Anfragen zu den Atomkraftwerken (AKW) Gundremmingen B und C gestellt. Beispielhaft seien die Bundestagsdrucksachen 17/14340, 18/741 und 18/7284 genannt. Dabei ging es im Wesentlichen um die Frage, ob die Auslegung der beiden Reaktoren im Bereich der Not- und Nachkühlung im Falle des sogenannten Bemessungserdbebens (BEB) dem kerntechnischen Regelwerk, also den deutschen AKW-Sicherheitsanforderungen, genügt oder nicht. Dass dies nicht der Fall ist, war im Jahr 2013 offizielle Feststellung der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), vgl. Abschnitt 4.3 in der Dokumentation zur GRS-Stellungnahme zum AKW Gundremmingen für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vom 14. November 2013. Die Bundes- und Landesatomaufsicht vereinbarten daraufhin , diesem Komplex weiter nachzugehen. Im Jahr 2014 beauftragte das BMU (damals Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit , kurz BMUB) die GRS und das Physikerbüro Bremen (PhB) mit einer gemeinsamen Stellungnahme zu dem Komplex. Die Endfassung dieser Stellungnahme vom 22. Februar 2016 machte das BMUB der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf ihren Antrag hin im April 2016 zugänglich, wobei einige Passagen geschwärzt waren, insbesondere den Nichtleistungsbetrieb betreffende Passagen. Diese vom BMU zur Verfügung gestellte Stellungnahme enthält eine Aussage zu dem bei der Beurteilung des Sachverhalts eine Rolle spielenden Zusätzliche Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystems (ZUNA) und seiner Anbindung an den Reaktordruckbehälter (RDB) bzw. seiner Trennung von oder Vermaschung mit dem Not- und Nachkühlstrang TH2: Demnach besitzt das ZUNA „keinen eigenen Einspeisestutzen am RDB, sondern bindet innerhalb des Sicherheitseinschlusses zwischen RDB und den beiden Durchdringungsarmaturen in die Saugleitung der modifizierten Abfahrkühlleitung des Stranges TH2 ein“ (vgl. GRS-PhB-Stellungnahme vom 22. Februar 2016, Seite 100). Die Aussage kann Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4533 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode aus Sicht der Fragestellenden mindestens in scheinbarem Widerspruch zu Aussagen der Bayerischen Landesatomaufsicht gegenüber der Landtagsabgeordneten Rosi Steinberger gesehen werden, wonach das ZUNA unabhängig von den drei Not- und Nachkühlredundanzen in den Reaktordruckbehälter einspeise (vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 4. Januar 2018). Die Antworten der Bundesregierung vom 5. und 19. Februar 2018 auf die Schriftlichen Fragen 120 bzw. 75 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf den Bundestagsdrucksachen 19/695 bzw. 19/887 brachten hierzu für die Fragestellenden keine abschließende Klärung. Unter anderem scheint noch unklar, inwiefern für sämtliche Betriebsphasen keine Beeinträchtigungen zu erkennen bzw. ausschließlich passive Komponenten wirksam und nicht aktive Maßnahmen notwendig sind. Die vorliegende Kleine Anfrage dient dem Zweck, die Anbindung des ZUNA an den Reaktordruckbehälter bzw. in diesem Kontext seine Redundanz weiter zu klären. Ferner soll sie Aspekte des Nichtleistungsbetriebs und die Rolle von Handmaßnahmen bei der Störfallbeherrschung etwas mehr beleuchten – dies geschieht aus Sicherungsgründen jedoch nicht im Detail. Dass Handmaßnahmen zur Störfallbeherrschung notwendig sein können, ist der vom BMU zur Verfügung gestellten GRS-PhB-Stellungnahme zum Beispiel auf Seite 74 unten sowie auf Seite 186 zu entnehmen. Im Übrigen war dieser GRS-PhB-Stellungnahme vom 22. Februar 2016 auf Seite 185 auch die folgende Abweichung des AKW Gundremmingen von den deutschen AKW-Sicherheitsanforderungen zu entnehmen: „Die Kreditierung von Notfallmaßnahmen bzw. von nicht im BHB beschriebenen Handmaßnahmen im Rahmen der Beherrschung von Folgeereignissen eines BEB entspricht nicht den Anforderungen des Regelwerks [...]“. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Zwei der drei Stränge des nuklearen Nachkühlsystems wurden bei der Errichtung des Atomkraftwerks Gundremmingen in den 1970er Jahren gegen das Bemessungserdbeben ausgelegt. Der dritte Strang des nuklearen Nachkühlsystems ist nicht gegen das Bemessungserdbeben ausgelegt, allerdings gegen das Auslegungserdbeben . Am Atomkraftwerk Gundremmingen wurden im Laufe der Betriebszeit Nachrüstungen durchgeführt, beispielsweise in den 1990er Jahren durch den Bau des Zusätzlichen Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystems (ZUNA). Das ZUNA-System wurde errichtet, nachdem die Sicherheitsanalyse SWR-72 gezeigt hatte, dass ein solches System wesentlich zur Verbesserung der Beherrschung von transienten Störungen und Störfällen mit einem Ausfall der Nachkühlketten beitragen kann. Es weist einen zu den bestehenden Nachkühlketten unterschiedlichen, in weiten Teilen diversitären Aufbau auf und ist gegen das Bemessungserdbeben ausgelegt. Bei der Genehmigung des Atomkraftwerks Gundremmingen wurde festgestellt, dass auch im Hinblick auf die Erdbebenbeherrschung die erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist. Das aktuelle kerntechnische Regelwerk, insbesondere die „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“, sehen andere Regelungen für die Nachweisführung bei der Beherrschung des Bemessungserdbebens vor, als sie an das Atomkraftwerk Gundremmingen bei seiner Errichtung gestellt wurden. Thematisch befasste sich die Prüfung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) mit der Beherrschung eines Erdbebens im Atomkraftwerk Gundremmingen durch die dort vorhandenen Systeme zur Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4533 Nachkühlung des Reaktors, zu dem neben den drei Strängen des nuklearen Nachkühlsystems auch das ZUNA zählt (siehe auch Bundestagsdrucksache 18/7284 zum damaligen Stand und Inhalt der inzwischen abgeschlossenen Prüfung). Am 16. Juni 2014 wurde die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) vom BMU im Rahmen seiner Prüfung beauftragt, gemeinsam mit dem Physikerbüro Bremen (PhB) eine Stellungnahme abzugeben. In Übereinstimmung mit den „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“ ist zur Beherrschung der Folgeereignisse eines Bemessungserdbebens das Einzelfehlerkonzept anzuwenden. Ebenso ist das Versagen von nicht gegen das Bemessungserdbeben ausgelegten Systemen zu unterstellen. Als Randbedingung für die Nachweise zur Beherrschung der Folgeereignisse des Bemessungserdbebens folgt hieraus für das Atomkraftwerk Gundremmingen der zu untersuchende Referenzfall, dass von den drei Nachkühlketten eine Redundante aufgrund eines Einzelfehlers ausfällt, sich eine Redundante in der Instandhaltung befindet und die dritte, die als einzige nicht gegen das Bemessungserdbeben ausgelegt ist, aufgrund der Erdbebeneinwirkungen ausfällt. Als Folge stellte sich die Frage, ob mit dem ZUNA für die zu unterstellenden Folgeereignisse eines Bemessungserdbebens eine äquivalente Einrichtung zu den drei nuklearen Nachkühlsträngen des Sicherheitssystems vorhanden ist, die die Nachwärmeabfuhr übernehmen kann. In ihrer Stellungnahme vom Februar 2016 kommen GRS und PhB zu dem Ergebnis, dass das ZUNA die Funktion der Nachwärmeabfuhr in ausreichender Wirksamkeit übernehmen kann. Randbedingungen hierfür sind, dass die dauerhafte Druckentlastung und die Verfügbarkeit der Kondensationskammer sichergestellt sind. Damit diese Randbedingungen aus Sicht von GRS und PhB eingehalten werden können, wurden Empfehlungen ausgesprochen. Das BMU hat sich den Empfehlungen angeschlossen, diese dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz als der für das Atomkraftwerk Gundremmingen atomrechtlich zuständigen Landesaufsichtsbehörde mitgeteilt und um Klärung der Sachverhalte gebeten. Nach Klärung kommt das Bayerische Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zu dem Ergebnis, dass diese Empfehlungen inzwischen umgesetzt sind. Zusammengefasst kommt das BMU im Rahmen seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass das ZUNA die Funktion der Nachwärmeabfuhr nach einem Bemessungserdbeben in ausreichender Wirksamkeit übernehmen kann. 1. Gibt es Betriebsphasen, für die zur Störfallbeherrschung im AKW Gundremmingen C vor einem bzw. für einen Einsatz des ZUNA Handmaßnahmen nötig sind, um am Blindstutzen J eine Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit der Störfallbeherrschung auszuschließen? Falls ja, konkret welche Betriebsphasen (hilfsweise wie viele, sofern eine konkrete qualitative, öffentliche Angabe aus Sicherungsgründen zwingend unmöglich sein sollte)? Entsprechende Handmaßnahmen sind nicht erforderlich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4533 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Insgesamt wie viele Handmaßnahmen gibt es verteilt über alle betreffenden Szenarien für insgesamt wie viele Betriebsphasen, die vor einem bzw. für einen Einsatz des ZUNA zur Störfallbeherrschung nötig sind (die Frage zielt aus Sicherungsgründen nicht auf eine detaillierte Aufschlüsselung)? Nach dem Störfallbeherrschungskonzept sind kurzfristig erforderliche Funktionen zu automatisieren, d. h. die Ansteuerung erfolgt über zuverlässige und vorrangig wirkende Sicherheitsleittechnik. Dies gilt grundsätzlich für alle Funktionen , deren Auslösung innerhalb der ersten 30 Störfallminuten erforderlich ist. Längerfristig, d. h. nicht innerhalb der ersten 30 Störfallminuten, können unter Umständen zur Störfallbeherrschung Handmaßnahmen notwendig werden. Art und Anzahl der Handmaßnahmen hängen von den konkreten Ereignisabläufen ab und können hier ohne konkrete Ereignisabläufe zu spezifizieren nicht vollumfänglich aus den betrieblichen Unterlagen abgeleitet und wiedergegeben werden. 3. Sind beim AKW Gundremmingen C im Falle eines Bemessungserdbebens bei Nichtverfügbarkeit seiner Not- und Nachkühlstränge TH2 und TH3 aufgrund von Reparaturfall und Einzelfehler beim Einsatz von ZUNA zur Störfallbeherrschung Handmaßnahmen auch in den ersten 30 Störfallminuten notwendig? Falls ja, sind sie es in allen Szenarien, in denen das ZUNA zur Störfallbeherrschung eingesetzt wird, oder nur in bestimmten? Falls nein, ist dies praktisch ausgeschlossen? Das heißt, ist absolut sichergestellt, dass für alle Szenarien, in denen das ZUNA zur Störfallbeherrschung eingesetzt wird, keine Handmaßnahme in den ersten 30 Störfallminuten notwendig ist? 4. Sind beim AKW Gundremmingen C im Falle eines Bemessungserdbebens bei Nichtverfügbarkeit seiner Not- und Nachkühlstränge TH2 und TH3 aufgrund von Reparaturfall und Einzelfehler zur Störfallbeherrschung in bestimmten Szenarien weiterhin auch Notfallschutzmaßnahmen notwendig (vgl. GRS-PhB-Stellungnahme vom 22. Februar 2018, Seite 185)? Falls nein, seit wann nicht mehr? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . In ihrer gemeinsamen Stellungnahme haben die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und das Physikerbüro Bremen eine Empfehlung zur Öffnung der Diversitären Druckbegrenzungsventile im Referenzfall ausgesprochen (siehe Vorbemerkung der Bundesregierung). Um bei einer im Referenzfall zu unterstellenden Unverfügbarkeit der Drehstromversorgung der Redundanten 2 und 3 rechtzeitig vor Erschöpfung der Batteriekapazitäten eine Öffnung der Diversitären Druckbegrenzungsventile vorzunehmen, wurden die entsprechenden zur Störfallbehandlung erforderlichen Handmaßnahmen in das Betriebshandbuch des Atomkraftwerks übernommen. Für die minimale Kapazität der Batterien besteht eine Regelwerksanforderung von zwei Stunden, so dass hier keine Einschränkung hinsichtlich der geforderten Automatisierung innerhalb der ersten 30 Störfallminuten vorliegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4533 5. Wurde im Rahmen der von der Bundesatomaufsicht beauftragten GRS-PhB- Stellungnahme vom 22. Februar 2016 der Nichtleistungsbetrieb von Gundremmingen vollständig analysiert oder gab es Analyseeinschränkungen (falls möglich, bitte ggf. mit angeben, welche Einschränkung aus welchen Gründen)? Für die Phasen des Nichtleistungsbetriebs wurden in der gemeinsamen Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und des Physikerbüros Bremen Empfehlungen und Hinweise ausgesprochen. Die diesbezügliche Klärung wurde durch das Bayerische Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz abgeschlossen (siehe auch Vorbemerkung der Bundesregierung). Aus der gemeinsamen Stellungnahme haben sich keine weiteren offenen Punkte ergeben . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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