Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 24. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4666 19. Wahlperiode 28.09.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Jörg Cezanne, Fabio De Masi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/4043 – JEFTA als EU-only-Abkommen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem Gutachten zum EU-Freihandelsabkommen mit Singapur (EUSFTA) (Gutachten 2/15 des Gerichtshofs vom 16. Mai 2017) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass alle Bereiche dieses Abkommens in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen, abgesehen von anderen ausländischen Investitionen als Direktinvestitionen („Portfolioinvestitionen“) und von der Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten. Diese fallen in „die in die zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit“ (s. Gutachten). Entgegen des Willens der EU-Kommission und vor dem Hintergrund der Proteste gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wurde damit durch den EuGH klargestellt, dass das Abkommen mit Singapur in der aktuellen Form auch von den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss – gleiches galt dann auch für CETA, das Abkommen zwischen der EU und Kanada. Die Bundesregierung hatte damals in ihrer Stellungnahme richtigerweise vermerkt: „die hierin aufgeworfenen Fragen zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Union und Mitgliedstaaten sind auch mit Blick auf weitere Freihandelsabkommen […] sowohl von rechtlicher als auch von politischer Relevanz.“ Im Abkommen mit Japan wurden nun explizit der Investitionsschutz und die Streitbeilegung in diesem Bereich ausgelassen, um das Abkommen allein auf EU-Ebene abschließen zu können. Am 17. Juli 2018 wurde JEFTA (Japan-EU Free Trade Agreement) unterzeichnet. Nun stehen insbesondere noch die Abstimmung im Europäischen Parlament sowie der Beschluss zum Abschluss des Abkommens im Rat aus. Da jedoch die Bereiche nicht deckungsgleich mit denen des Abkommens mit Singapur sind, stellt sich die Frage, ob tatsächlich alle in JEFTA geregelten Bereiche in die ausschließliche EU-Zuständigkeit fallen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4666 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die EU für alle in JEFTA geregelten Bereiche ausschließlich zuständig ist? a) Welche zusätzlichen Materien sind in JEFTA geregelt, die in EUSFTA nicht geregelt sind, und worauf stützt sich in diesen Bereichen die ausschließliche Zuständigkeit der EU nach Auffassung der Bundesregierung ? b) Sieht die Bundesregierung ein Kompetenzproblem darin, dass im Nachhaltigkeitskapitel (Kapitel 16) sich in Artikel 16.18 ein Sachverständigenverfahren findet, das nach Artikel 16.19 durch den Gemischten Ausschuss ggf. nachträglich modifiziert werden kann – vor dem Hintergrund dass im EUSFTA-Gutachten einer der zentralen Gesichtspunkte im Hinblick auf die Erstreckung der Unionskompetenz auf das Nachhaltigkeitskapitel die Tatsache war, dass die völkerrechtlichen Streitbeilegungsmechanismen in diesem Teil über den vertragsinternen Mechanismen angesiedelt waren (EuGH, Rn. 154: „Zudem unterliegt die Tragweite der Verpflichtungen aus den internationalen Übereinkünften, auf die das geplante Abkommen verweist, den Auslegungs-, Vermittlungs- und Streitbeilegungsmechanismen , die für diese Übereinkünfte gelten. Im geplanten Abkommen wird die Anwendung dieser externen Mechanismen vorbehalten, indem nach Artikel 13.16 die eigene Streitbeilegungsregelung (Kapitel 15) und der eigene Vermittlungsmechanismus (Kapitel 16) nicht für Kapitel 13 gelten .“) und dieses Verhältnis in JEFTA nun umgekehrt ist? c) Was ist die Kompetenzgrundlage für den Transfer der Vertragsänderungskompetenz in institutionellen Fragen in diesem Punkt an den Gemischten Ausschuss? d) Warum meint die Bundesregierung, dass das Kapitel 15 mit seinen Regelungen zur Corporate Governance in die Unionskompetenz fällt, obwohl diese in Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe g) AEUV explizit schutzorientiert ist („im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter“), während in JEFTA dieser Schutzansatz durchbrochen wird durch einen allgemeinen Wettbewerbsansatz (Artikel 15.1. Absatz 1 JEFTA)? e) Woraus ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung die ausschließliche Zuständigkeit der EU für die institutionellen Bestimmungen im Einzelnen ? f) Sieht die Bundesregierung an Stellen Grenzen der akzessorischen Zuständigkeitsbestimmung ? Die Fragen 1, 1a bis 1f werden gemeinsam beantwortet. Aus Sicht der Bundesregierung kann die EU das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan als reines EU-Abkommen abschließen. a) Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan umfasst, ebenso wie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Singapur, wie es dem Rat der Europäischen Union am 18. April 2018 vorgelegt wurde, die folgenden Materien: Zollabbau und Marktzugang für Waren; Vermeidung nichttarifärer Handelshemmnisse; Verfahrenserleichterungen; Marktzugang für Dienstleistungen und Investitionen sowie elektronischer Handel; Zugang zu Beschaffungsmärkten; Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4666 Regeln zur Wettbewerbspolitik, zum Schutz geistigen Eigentums, zur nachhaltigen Entwicklung, zur verantwortungsvollen Unternehmensführung und zur Unterstützung von KMU; Regulatorische Kooperation. Hinzu kommen in beiden Abkommen allgemeine, prozedurale sowie institutionelle Bestimmungen und Regelungen zur Streitbeilegung, die die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Bestimmungen der Abkommen sicherstellen sollen . Für die Inhalte der Abkommen im Einzelnen wird auf die Texte verwiesen, die im Internet verfügbar sind und die dem Deutschen Bundestag übermittelt wurden . Insofern verweist die Bundesregierung hinsichtlich der Begründung der Abschlusskompetenz für das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan auf die Grundsätze, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) diesbezüglich insbesondere in seinem Gutachten 2/15 entwickelt hat. b) Aus Sicht der Bundesregierung hat der EuGH die Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Singapur der ausschließlichen Zuständigkeit der EU zugeordnet, weil er ihnen – in Anwendung der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze – u. a. einen spezifischen Bezug zum Handelsverkehr zwischen der EU und der Republik Singapur zuerkannt hat; dies vor allem wegen des Verbots, den Handel durch Absenkung von Standards etwa zum sozialen Schutz und zum Umweltschutz zu fördern und der dabei angestrebten Chancengleichheit zwischen den Handelspartnern. Die Bundesregierung verweist für die entsprechenden Regelungen des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der EU und Japan auf die Feststellungen des EuGH. c) Die Bundesregierung weist darauf hin, dass das Abkommen mit Japan die Vertragsänderungskompetenz nicht auf den Gemischten Ausschuss transferiert, sondern diese gemäß Artikel 16.13 Absatz 2 lit. a), 16.19 Absatz 2, 22.1 Absatz 5 lit. d), 23.2 Absatz 1 bei den Parteien verbleibt. Aus Sicht der Bundesregierung folgt die Kompetenzgrundlage für institutionelle Fragen im Rahmen von völkerrechtlichen Abkommen der EU grundsätzlich der Abschlusskompetenz für die entsprechenden materiell-rechtlichen Bestimmungen, weil sie deren Wirksamkeit sicherstellen sollen (vgl. insbesondere Rn 275 des EuGH-Gutachtens 2/15). d) Die Bundesregierung verweist auf die durch den EuGH entwickelten Grundsätze zur Begründung der Zuständigkeit der EU für Bestimmungen im Rahmen von EU-Handelsabkommen, die die Liberalisierung des Handelsverkehrs zwischen der EU und Drittstaaten betreffen, indem sie insbesondere das Funktionieren der betroffenen Märkte gewährleisten und den beiderseitigen Nutzen der mit dem Abkommen verbundenen Handelsliberalisierung vergrößern sollen. e) Auf die Antwort zu Frage 1c wird verwiesen. f) Die Bundesregierung verweist auf die ausschließliche Zuständigkeit des EuGH für die Auslegung des Unionsrechts. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4666 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Inwiefern wird nach Auffassung der Bundesregierung durch die Vorbehalte Nr. 1a, 21c und 15 ausreichend sichergestellt, dass JEFTA nicht zu einer Deregulierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen wie der Wasser- und Abwasserversorgung führen wird, angesichts des Umstands, dass sich diese Vorbehalte nicht auf sämtliche Pflichten beziehen? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 88 der Abgeordneten Britta Haßelmann auf Bundestagsdrucksache 19/3384 wird verwiesen. 3. Wie lautet der bisherige weitere Zeitplan zum Abschluss des Abkommens (Abstimmung im INTA-Ausschuss, Abstimmung im Europäischen Parlament , Abschluss des Abkommens durch den Rat)? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die Abstimmung zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan im Ausschuss für internationalen Handel (INTA) des Europäischen Parlaments für den 5. November 2018 vorgesehen . Die Übermittlung an das Plenum ist für den 16. November 2018 vorgesehen . Eine Abstimmung im Plenum soll Mitte Dezember erfolgen. Ein genaues Datum für den anschließenden Beschluss des Rates liegt nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht vor. 4. Kann die Bundesregierung einen Konflikt zwischen multilateralen Umweltübereinkünften wie etwa dem Pariser Klimaschutzabkommen und den Bestimmungen in JEFTA aus Kapitel 16.4 Nr. 5 JEFTA („Dieses Abkommen hindert eine Vertragspartei nicht daran, Maßnahmen zur Umsetzung der multilateralen Umweltübereinkünfte, deren Vertragspartei sie ist, einzuführen oder aufrechtzuerhalten, sofern solche Maßnahmen nicht in einer Weise angewandt werden, die auf eine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung der anderen Vertragspartei oder auf eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels hinauslaufen würde.“) ausschließen (bitte begründen ), und wie ist nach Auffassung der Bundesregierung ggf. das Verhältnis zwischen den über die Unterzeichnung des UN-Klimaschutzabkommens eingegangenen Verpflichtungen und den o. g. Beschränkungen durch JEFTA? Die Verpflichtungen aus den erwähnten multilateralen Umweltübereinkünften können aus Sicht der Bundesregierung ohne Weiteres in einer Art und Weise erfüllt werden, die mit den handelsfördernden Zielsetzungen des Artikel 16.4 Absatz 5 des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen der EU und Japan vereinbar ist. Die EU und Japan haben sich auch auf dieses Ziel einer kohärenten Erfüllung ihrer jeweiligen Verpflichtungen verständigt. Insofern sieht die Bundesregierung keine Anhaltspunkte für einen möglichen Konflikt. Für die EU gelten aus Sicht der Bundesregierung sowohl die Verpflichtungen gegenüber Japan im Rahmen des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens mit Japan als auch die Pflichten aus den erwähnten multilateralen Umweltübereinkünften. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4666 5. Inwiefern kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch die Tatsache, dass nach Artikel 16.3 Absatz 2 JEFTA die Parteien ihre aus der ILO-Mitgliedschaft (ILO = Internationale Arbeitsorganisation) erwachsenen Verpflichtungen bekräftigen, was nach der Fußnote 1 zum Text für die EU gerade die Mitgliedschaft der EU-Mitgliedstaaten meint, die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, über diese pauschale Bekräftigung zu unionsrechtlichen Pflichten werden, und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die EU zu solchen weitreichenden Regelungen in einem EU-only-Abkommen befugt ist (vgl. Weiss-Gutachten www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2018-08-07_Stellungnahme_Weiss_ VB_gg_JEFTA.pdf; bitte begründen)? Die Bundesregierung verweist auf die insofern gleichlaufende Regelung in Artikel 12.3 Absatz 3a. E. des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Singapur , die dem EuGH im Gutachtenverfahren 2/15 zur Prüfung vorlag. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan kann aus Sicht der Bundesregierung nur Verpflichtungen zwischen der EU und Japan begründen , nicht aber die Rechtsstellung der EU oder ihrer Mitgliedstaaten im Rahmen von multilateralen Übereinkünften ändern. Insofern werden auch Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der ILO über das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan nicht zu Verpflichtungen der EU im Rahmen der ILO. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1b verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333