Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. September 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4687 19. Wahlperiode 02.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Wirth und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/4271 – Verzögerung der Abschiebung von Ausländern durch krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ausländerbehörden und Vollzugsbeamte berichten den Fragestellern über den Umstand, dass Ausländer durch die Vortäuschung von Krankheiten, das Verstecken von Kindern oder sogar durch das vorsätzliche Begehen von Straftaten versuchen, ihre Abschiebung hinauszögern oder gar ganz abzuwenden. Die Kosten, die hierbei durch die Verzögerung, zum Beispiel durch weiteren Bezug von Sozialleistungen, entstehen, gehen nach Überzeugung der Fragesteller in die Millionen. Dieser Umstand stellt nach Auffassung der Fragesteller eine Unzumutbarkeit für den Steuerzahler dar und muss im Rahmen der gebührenden Transparenz gegenüber dem Bürger dargelegt und abgestellt werden (www. welt.de/politik/deutschland/article156868407/So-entziehen-sich-Fluechtlingeder -Abschiebung.html; www.welt.de/politik/deutschland/article157769387/ So-teuer-sind-Abschiebungen-von-Migranten.html; www.zeit.de/politik/deutschland/ 2016-12/freiwillige-rueckreisen-fluechtlinge-abschiebung-asylbewerber-asylpolitik/ seite-2). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Durch die Fragestellung werden Umstände berührt, welche nicht in den originären Verantwortungsbereich des Bundes fallen. Die Abschiebung von vollziehbar ausreispflichtigen Ausländern liegt in der Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die vorgelegte Kleine Anfrage daher die Grenzen des verfassungsrechtlich verbürgten Fragerechts des Parlaments in Teilen übersteigt . Die Bundesregierung hat dennoch zur Beantwortung dieser Anfrage die bundesseitig vorliegenden Informationen aufgenommen. Daraus erfolgt allerdings keine Anerkenntnis einer Rechtspflicht zur Beantwortung von Fragen, die den Zuständigkeitsbereich der Länder betreffen. Wie eingangs dargestellt, fallen der Vollzug von Abschiebungen und die in diesem Zusammenhang auftretende Frage der Beurteilung der Reisefähigkeit des Betroffenen in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4687 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Allgemein gilt zur Beurteilung des Gesundheitszustandes im Zusammenhang mit Abschiebungen Folgendes: Nach § 60a Absatz 2c Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen und dass deswegen eine Prüfung der Reisefähigkeit aus gesundheitlichen Gründen zunächst nicht veranlasst ist, es sei denn, die gesundheitliche Beeinträchtigung des Betroffenen ist offensichtlich (§ 60a Absatz 2d Satz 2 Aufenth G). In allen anderen Fällen muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung , die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose ), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Absatz 2c Sätze 2 und 3 des AufenthG). Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach § 60a Absatz 2c Aufenthaltsgesetz unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtung und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtung hinzuweisen (§ 60a Absatz 2d AufenthG). Damit steht fest, dass zunächst der betroffene Ausländer ein qualifiziertes Attest der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörde vorlegen muss. Soweit die Behörde sich nicht in der Lage sieht, dieses Attest zu beurteilen, muss sie eine weitere gutachterliche Fachmeinung einholen. Hieraus ergibt sich, dass Vereine oder Sozialpädagogen keine „Atteste“ mit aufenthaltsrechtlicher Relevanz ausstellen können. Zum behaupteten „Verstecken von Kindern“ liegen der Bundesregierung keine belastbaren Angaben vor. Belastbare Anhaltspunkte zum Begehen von Straftaten zur Verhinderung von Abschiebungen liegen der Bundesregierung ebenfalls nicht vor. Bekannt sind lediglich einzelne Selbstbezichtigungen zu in Wirklichkeit nicht begangenen Straftaten , die allerdings von den Ermittlungsbehörden effizient als solche identifiziert werden, und wozu nach Kenntnis der Bundesregierung auch ein länderübergreifender fachlicher Austausch stattfand. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4687 1. Wie viele ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell krankheitsbedingt nicht reisefähig und wie viele von ihnen sind geduldet? Zur Zahl, wie viele Ausländer krankheitsbedingt nicht reisefähig sind, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Es können Angaben zu geduldeten Ausländern gemacht werden, die aktuell im Ausländerzentralregister (AZR) mit einer Duldung aus medizinischen Gründen gespeichert sind. Zum Stichtag 31. August 2018 sind dies 4 012 Personen. 2. Welche Gründe verhindern nach Kenntnis der Bundesregierung die Abschiebung der geduldeten Ausländer? Die Gründe, die eine Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers verhindern, sind zahlreich und mitunter komplex. Zu den Hauptgründen zählen beispielsweise das Fehlen notwendiger Heimreisedokumente bzw. entsprechender Passersatzpapiere oder die mangelnde Kooperationsbereitschaft der jeweiligen Herkunftsländer der abzuschiebenden Personen. 3. Wie viele Straftäter befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung unter den geduldeten Personen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Im Ausländerzentralregister wird dies nicht erfasst. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden nichtdeutsche Tatverdächtige differenziert nach dem Anlass ihres Aufenthalts erfasst, wobei unter anderem die Duldung aufgrund von Abschiebungshindernissen nach Abschluss der Asylverfahrens dargestellt ist. Einzelheiten hierzu können der auf der Homepage des Bundeskriminalamtes veröffentlichten Tatverdächtigen-Tabelle 61 entnommen werden www.bka.de/DE/ AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2017/ Standardtabellen/standardtabellenTatverdaechtige.html 4. Was unternimmt die Bundesregierung zur Abstellung dieser Hemmnisse? Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Gesamtthematik wurden mit dem Ziel der Erhöhung der Anzahl von Abschiebungen bei den Besprechungen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder im Februar 2017 zahlreiche Beschlüsse zur Rückkehrpolitik gefasst, die in großem Umfang bereits umgesetzt werden konnten. Diese sahen zum einen gesetzgeberische Schritte vor, die der Bund dann auch vorgenommen hat, und zum anderen verwaltungspraktische Verbesserungen. So wurde zur Verbesserung der behördliche Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern in Rückkehrfragen das „Gemeinsame Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr“ (ZUR) geschaffen. Dort arbeiten seit Mai 2017 Vertreter der Länder und des Bundes noch enger zusammen, um die zwangsweise und die freiwillige Rückkehr in die Herkunftsländer zu verbessern. Zusätzlich hat der Gesetzgeber reagiert und das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht beschlossen. Dieses Gesetz ist seit dem 29. Juli 2017 in Kraft. Mit diesem Gesetz wurden unter anderem die Möglichkeiten der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams zum Zwecke der Aufenthaltsbeendigung ausgeweitet . Zudem wurden weitere Sanktionen für Fälle der Identitätstäuschung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4687 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode eingeführt und erweiterte Rechtsgrundlagen für Sachverhaltsmitteilungen zwischen Behörden geschaffen. Der Bund hat damit bis heute zusätzliche Maßnahmen im Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten getroffen, um den Ländern obliegenden Vollzug der Ausreisepflicht zu verbessern und die Innere Sicherheit weiterhin zu gewährleisten. Weitere Maßnahmen befinden sich in Planung und auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für diese Legislaturperiode enthalten. 5. Hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) das Problem der krankheitsbedingten Verhinderung der vollziehbaren Ausreisepflicht erkannt? Die Bundesregierung weist darauf hin, dass es in der Tat Fälle gibt, in denen Krankheiten Abschiebungen unmöglich machen. Der Bund und die Länder haben im Übrigen das Thema „ärztliche Begutachtung der Reisefähigkeit von vollziehbar Ausreisepflichtigen“ schon seit einigen Jahren erkannt. So wurden die Absätze 2c und 2d gerade wegen dieser Thematik in den § 60a AufenthG eingefügt, ebenso wie die § 60a Absatz 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG aus diesem Grund geschaffen worden sind. Zudem wurde gemäß Beschluss der Regierungschefs der Länder und Bundeskanzlerin vom 9. Februar 2017 das „Verfahren einer gegebenenfalls erforderlichen ärztlichen Begutachtung der Reisefähigkeit von Rückzuführenden“ beschleunigt . Dabei kommt insbesondere der fachpsychiatrischen Begutachtung eine besondere Bedeutung zu. Die Länder setzen sich entsprechend dem vorgenannten Beschluss vermehrt für den Einsatz von Amtsärzten oder vergleichbar geeignetem ärztlichen Personal zur Überprüfung der Reisefähigkeit von Rückführungen ein. Seither gibt es in den Ländern teilweise bereits genau ausgearbeitete Ansätze zur Optimierung und damit zur Beschleunigung der Verfahren. Ausgehend von diesen positiven Ansätzen hatte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) einige dieser Verfahrensweisen der Länder beispielhaft ausgewählt und das Thema für eine intensivere Befassung in das ZUR eingebracht. Das ZUR führte in der Folge im Januar 2018 einen Workshop mit Teilnehmer aus Bund und Ländern zur „Verbesserung des Verfahrens zur ärztlichen Begutachtung der Reisefähigkeit“ durch. Während dieses Workshops wurden Handlungsbedarfe und Empfehlungen der Behörden von Bund und Ländern erörtert. In einer Besprechung im Juni 2018 wurde das Thema auch mit Amtsärzten aus der ärztlichen Perspektive betrachtet. Ziel der Aktivitäten des ZUR ist es, dass Bund und Länder im ZUR gemeinsame Empfehlungen bzw. Best-Practices entwickeln, um die Verfahren durch geeignete Maßnahmen in den zuständigen Behörden zu optimieren. 6. Geht das BMI davon aus, das es zum Missbrauch durch fehlerhafte oder vorsätzlich falsch ausgestellte Atteste kommt? Dem BMI wird regelmäßig von auffälligen Attestierungen von Krankheiten vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer berichtet. In diesen Zusammenhängen wird beispielsweise erklärt, dass Atteste von Ärzten vorgelegt würden, durch die mit weitgehend gleichlautendem Inhalt oder fehlender fundierter Begründung Reiseunfähigkeit attestiert wurde. Der Bundesregierung liegen diesbezüglich allerdings keine Statistiken oder andere valide Informationen vor. Um diesen Behauptungen auf den Grund zu gehen, werden die in der Antwort zu Frage 5 genannten Prozesse in Zusammenarbeit mit den Ländern aufgesetzt und fortlaufend begleitet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4687 7. Gibt es von Seiten des BMI Vorgaben gegenüber den Landesministerien in Bezug auf die Erstellung und den Inhalt der Atteste, die durch Vorlage bei der Ausländerbehörde zu einem Stopp des Ausweisungsprozesses führen? Für die Abschiebung und die Ausweisung von ausreisepflichtigen Ausländern sind die Behörden der Länder zuständig. Die zuständigen Behörden der Länder entscheiden, ob und wann der Prozess einer Abschiebung bzw. Ausweisung ausgesetzt wird. Das BMI hatte den Ländern im Zusammenhang mit der Änderung des AufenthG, die in Frage 5 genannt ist, Erläuterungen gegeben. Im August 2016 wurde im gleichen Sachzusammenhang ein weiteres Schreiben an die Innenministerien und Senatsverwaltungen für Inneres der Länder gefertigt. Auf Grund der verfassungsmäßigen Ordnung des Bundesrepublik Deutschland sind diese Hinweise für die Länder nicht verbindlich. 8. Wie viele Personen, bei denen der Ausreiseprozess durch Krankheit unterbrochen wurde, sind nach Kenntnis der Bundesregierung bisher genesen und die Ausreisepflicht ist vollzogen? Im Ausländerzentralregister (AZR) waren zum Stichtag 31. August 2018 insgesamt rund 3 100 Menschen erfasst, die vor ihrer Ausreise aus Deutschland eine Duldung aus medizinischen Gründen besaßen. Weitere Erkenntnisse im Sinne der Frage liegen nicht vor. Darüber hinaus ist der Bundesregierung auf Grund von durch die Bundespolizei erhobenen Zahlen bekannt, dass 111 Abschiebungen auf dem Luftweg im Jahr 2017 aus medizinischen Gründen gescheitert sind. Hierunter werden alle Fälle subsumiert, die mit irgendwie gearteten medizinischen bzw. gesundheitlichen Aspekten zusammenhängen. Eine differenziertere Aufschlüsselung liegt der Bundespolizei nicht vor. In der Praxis handelt sich überwiegend um akute Fälle, kurzfristige Verletzungen oder Erkrankungen, die offensichtlich oder mit Attesten belegt sind. Die Zuständigkeit für die weiteren Maßnahmen im Falle eines Scheiterns verbleibt in solchen Fällen bei den Landesbehörden. Der Bundesregierung liegen hierzu keine weiteren Erkenntnisse vor. 9. In wie vielen Fällen aus den letzten fünf Jahren wurde nach Kenntnis der Bundesregierung einem geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zuerkannt aufgrund einer geltend gemachten Reiseunfähigkeit? Reiseunfähigkeit ist allein kein Erteilungsgrund für einen Aufenthaltstitel, kann allerdings unter weiteren Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes führen. Angaben, wie viele Personen einen Aufenthaltstitel erhalten haben, nachdem zuvor die Ausreisepflicht aus gesundheitlichen Gründen nicht vollzogen worden war, können nicht gemacht werden. Dies ist dem AZR nicht zu entnehmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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