Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 5. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4805 19. Wahlperiode 08.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Verena Hartmann, Enrico Komning und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/4425 – Alternative Möglichkeiten zum Pflanzenschutz im Zuckerrübenanbau V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 27. April 2018 wurde der Einsatz der drei Neonicotinoide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid im Freiland von den EU-Mitgliedstaaten im ständigen EU-Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel verboten (vgl. ec.europa.eu/germany/news/20180427-eu-einsatz-bienenschaedliche-insektizideim -freien-verbieten_de). Dieses Verbot, das auch von Deutschland unterstützt wurde, wird gegen Ende des Jahres 2018 in Kraft treten. Das Verbot dieser erwiesenermaßen für Bestäuber schädlichen Wirkstoffe stellt eine große Chance für die Artenvielfalt und eine bienenfreundlichere Landwirtschaft dar (vgl. Woodcock et al., 2017, Country-specific effects of neonicotinoid pesticides on honey bees and wild bees, Science 356, S. 1393 – 1395; Tsvetkov et al., 2017, Chronic exposure to neonicotinoids reduces honey bee health near corn crops, Science 30, S. 1395 – 1397). Dennoch wird der Zuckerrübenanbau aus Sicht der Fragesteller durch das Verbot vor eine große Herausforderung gestellt. Mit dem Einsatzverbot der Neonicotinoide müssen die Zuckerrübenbauern künftig ohne eine insektizide Saatgutbeizung gegen saugende und beißende Schädlinge auskommen, was nach Ansicht der Fragesteller mit großer Sicherheit zu schwerwiegenden ökologischen und ökonomischen Folgen führen wird. Bislang gab es eine Ausnahmeregelung für Zuckerrüben, was sich v. a. mit den spezifischen Produktionsbedingungen begründete („nicht bienenattraktiv“). Denn beim Anbau von Zuckerrüben gibt es keine Blühphase in der Vegetationsperiode. Sie ist also keine Nahrungsquelle für Bestäuber, und die Guttation hat bei Zuckerrüben auch keine Bedeutung für Bienen (vgl. www.lv-wli.de/files/pdf/Fachbereiche/Bienenweide/ Infos%20Risikobewertung%20EFSA.pdf). Derzeit steht als einzige Alternative für den Einsatz der drei Neonicotinoid-Wirkstoffe eine kostenintensive Flächenapplikation von Pflanzenschutzmitteln zur Verfügung, wenn die gleiche Anbauintensität erhalten bleiben soll (vgl. www.cibe-europe.eu/img/user/Neonicotinoid% 20-%20Press%20Release%20Austrian%20beet%20growers%20-%20DE.pdf). Die Konsequenzen, die sich daraus für die Artenvielfalt ergeben, lassen sich nicht abschätzen. Abgesehen davon wird eine effektive Kontrolle der Larven von Käfern der Spezies Agriotes obscurus und Atomaria linearis durch den Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4805 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wegfall der Neonicotinoide künftig schwieriger werden, so lange keine alternativen Bekämpfungsmethoden zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für Blattläuse der Spezies Mycus persicae und Aphis fabae (vgl. Hauer et al., 2017, Neonicotinoids in sugar beet cultivation in Central and Northern Europe: Efficacy and environmental impact of neonicotinoid seed treatments and alternative measures, Crop Protection 93, S. 132-142). Mit dem Wegfall der Möglichkeit der Saatgutbeizung mittels Neonicotinoiden ist außerdem vermehrt mit virösen Vergilbungen (Veet Yellows Virus – BYV; Beet Mild Yellowing Virus – BMYV) in den Zuckerrübenbeständen zu rechnen (vgl. Qi & Dewar, 2004, Decision making in controlling virus yellows of sugar beet in the UK, Pest Management Science 60 (7), S. 727 – 732; vgl. www. fwi.co.uk/arable/crop-management/disease-management/neonic-seed-treatmentban -means-sugar-beet). Aus ökonomischer Perspektive werden die notwendigen Pflanzenschutzmittelmengen für die Flächenapplikation, deren geringere Wirksamkeit, sowie die sich daraus ergebenden zusätzlichen Feldüberfahrten die Wirtschaftlichkeit des Zuckerrübenanbaus in Deutschland stark in Frage stellen (vgl. www.topagrar. com/news/Acker-Agrarwetter-Ackernews-Neonicotinoid-Verbot-gefaehrdet- Ruebenanbau-9169865.html). 1. Wie bewertet die Bundesregierung nunmehr die ökonomische Zukunft des Zuckerrübenanbaus in Deutschland? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 2. Welche Alternativen zum Einsatz der Saatgutbeizung mit den Wirkstoffen Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid von Zuckerrüben sind der Bundesregierung bekannt, und wie ist deren Wirkungsgrad zu beurteilen? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 3. Sind die landwirtschaftlichen Beratungsstellen in den Ländern nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend auf eine Beratung der Landwirte zu Alternativen der Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden, v. a. auch zum Resistenzmanagement , eingestellt bzw. aufgestellt? Wenn nein, inwiefern plant die Bundesregierung einen Ausbau derselben zu fördern? Der Pflanzenschutzdienst der Länder informiert über aktuelle Probleme im Pflanzenschutz und empfiehlt Maßnahmen zur Abhilfe; diese Maßnahmen umfassen nicht nur Pflanzenschutzmittel, sondern auch andere Möglichkeiten wie beispielsweise nicht-chemische Verfahren. Auch über Resistenzprobleme und Möglichkeiten zum Resistenzmanagement informiert der Pflanzenschutzdienst der Länder. Die personelle und finanzielle Ausstattung der Pflanzenschutzdienste obliegt den Ländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4805 4. Wie bewertet die Bundesregierung die ökologischen Folgen (insbesondere für die Biodiversität), die sich durch die künftig zu erwartende notwendige Flächenapplikation von Pflanzenschutzmitteln als Alternative zur Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden im Zuckerrübenanbau ergeben? Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel werden in einem EU-weit abgestimmten Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahren nach festgelegten Kriterien geprüft. Pflanzenschutzmittel dürfen nur zugelassen werden, wenn sie bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben sowie keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und das Grundwasser (vergleiche Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009). Spritzanwendungen sind hinsichtlich der Exposition von Organismen auf der Zielfläche weniger selektiv als Beizanwendungen. Sichere Vorhersagen zu den Auswirkungen auf das gesamte System des Ackerbaus sind aus heutiger Sicht nicht möglich. Grund dafür ist, dass der Wegfall bestimmter Pflanzenschutzmittel möglicherweise Auswirkungen auf den Anbauumfang von Zuckerrüben haben wird, so dass auch Fruchtfolgen, das Düngeregime , Bodenbearbeitung und ggf. die Anwendung anderer Pflanzenschutzmittel gleichzeitig verändert werden. 5. Wie positioniert sich die Bundesregierung hinsichtlich der Wiederzulassung der gentechnisch veränderten Zuckerrübe H7-1 durch die EU-Kommission? Die Bundesregierung hat der Wiederzulassung von aus der gentechnisch veränderten Zuckerrübe H7-1 gewonnenen Lebens- und Futtermitteln im Berufungsausschuss am 25. April 2018 in Brüssel zugestimmt. Im Übrigen wird auf die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Schriftliche Frage 43 des Abgeordneten Harald Ebner auf Bundestagsdrucksache 19/1908, Seite 34 verwiesen. 6. Welche Schritte beabsichtigt die Bundesregierung hinsichtlich der Entwicklung von Ersatzprodukten von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid zu unternehmen? Die Bundesregierung nimmt keinen Einfluss auf die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln durch die Industrie. Grundsätzlich verstärkt die Bundesregierung die Forschung, um die Bandbreite innovativer und vorhandener Pflanzenschutzmittel – auch im ökologischen Landbau zu erweitern. Damit neue Produkte zügig die erforderlichen Zulassungsverfahren durchlaufen können, hat die Bundesregierung die an der Pflanzenschutzmittel -Zulassung beteiligten Behörden zusätzlich mit mehr Mitteln ausgestattet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4805 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung hinsichtlich künftiger Probleme beim Resistenzmanagement bei Zuckerrüben durch den Wegfall von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid vor? Die Fragen 2 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Für die Saatgutbehandlung bei Zuckerrüben ist der Wirkstoff Tefluthrin gegen Drahtwurm und Moosknopfkäfer zugelassen. Die Wirkung ist weniger langanhaltend als die der neonikotinoiden Wirkstoffe; die Zulassung umfasst nicht frühauftretende oberirdische Schädlinge und die als Virusvektoren bedeutenden Blattläuse . Gegen verschiedene oberirdische Schädlinge dürften somit voraussichtlich zwei bis drei zusätzliche Spritzanwendungen nötig werden. Dafür sind verschiedene pyrethroidhaltige Pflanzenschutzmittel sowie gegen die Rübenfliege ein dimethoathaltiges Pflanzenschutzmittel zugelassen. Besonders schwierig und hinsichtlich der Schadensentwicklung schwer abzuschätzen ist die künftige Bekämpfungslücke gegen Blattläuse als Virusvektoren. Es sind hier bereits Resistenzen gegen pyrethroidhaltige Pflanzenschutzmittel aufgetreten. 8. Welche Schritte plant die Bundesregierung hinsichtlich der Entwicklung von Veränderungen im Anbausystem von Zuckerrüben (inklusive der Frage nach adäquaten Fruchtfolgen und der konsequenten Anwendung und Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes) zu unternehmen? Die Bundesregierung fördert die Entwicklung nicht-chemischer Verfahren, um zum einen den Wegfall wichtiger Wirkstoffe im Pflanzenschutz zu kompensieren, zum anderen die Intensität des chemischen Pflanzenschutzes zu reduzieren. Diesem Ziel dient auch die derzeit entwickelte Ackerbaustrategie der Bundesregierung . 9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Verbot von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid für die zukünftige Entwicklung des deutschen Zuckerrübenanbaus und der deutschen Zuckerproduktion ? Die Fragen 1 und 9 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Angesichts historisch niedriger Zuckerpreise und des Verbots wichtiger Pflanzenschutzmittel steht der Zuckerrübenanbau in Deutschland und in der EU derzeit unter erheblichem Wettbewerbsdruck. Allerdings dürfte mittelfristig – auch unter Berücksichtigung prognostizierter Entwicklungen am Weltmarkt – mit einer Stabilisierung des Zuckermarktes zu rechnen sein. Die Bundesregierung wird den Zuckerrübenanbau und den Zuckermarkt auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit weiterhin genau beobachten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333