Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 5. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4891 19. Wahlperiode 10.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Amira Mohamed Ali, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/4392 – Wirksamkeit der Musterfeststellungsklage V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 14. Juni 2018 hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der Großen Koalition und gegen die Stimmen aller Oppositionsfraktionen den seit Jahren angekündigten Gesetzentwurf zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage beschlossen (Bundestagsdrucksache 19/2507). Grundlage des Gesetzes war ein identischer Gesetzentwurf der Bundesregierung . Der Entwurf lehnt sich an das bereits bestehende Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) an. Ziele des Gesetzes sollen die Überwindung des „rationalen Desinteresses“ von Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihre Rechte gerichtlich einzuklagen, und die Entlastung der Justiz durch eine verbindliche Entscheidung über wesentliche Rechts- und Tatsachenfragen sein. Es ist zu befürchten, dass die Ziele durch das beschlossene Gesetz nicht erreicht werden. Viele offene Fragen wurden nicht geklärt. Hintergründe für gesetzgeberische Entscheidungen nicht begründet. Acht von neun Sachverständigen haben in der Anhörung im Deutschen Bundestag den Entwurf an entscheidenden Stellen kritisiert: Er sei aufgrund eines fehlenden Leistungsanspruchs nicht geeignet , das rationale Desinteresse zu überwinden. Die Klage zielt ausschließlich auf eine einheitliche Feststellung tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen über Ansprüche zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen ab. Sofern die Verfahrensparteien keinen Vergleich abschließen, müssen die Parteien evtl. festgestellte Leistungsansprüche jedoch in einem nachfolgenden Verfahren gesondert geltend machen. Außerdem seien die Fristen für die Anmeldung zu kurz. Insbesondere beanstandeten die Sachverständigen, dass die formalen Anforderungen an den Antrag zu unbestimmt und die Hürden bei der Anmeldung für Verbraucherinnen und Verbraucher zu hoch seien. Eine inhaltliche Prüfung der eingegangenen Anträge durch das Bundesamt für Justiz schließt der Gesetzentwurf ausdrücklich aus. Solange das Quorum von 50 wirksamen Anträgen nicht erreicht ist, wäre bei einem Form- oder Fristversäumnis die Klage nicht zulässig . Auch eine Verjährungshemmung soll nur erfolgen, wenn der jeweilige Antrag „wirksam“ eingereicht wurde. Die Möglichkeit der Heilung von Formfehlern oder die Nachholung von Angaben sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4891 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode so dass momentan unklar ist, ob ein unvollständiger Antrag zumindest fristwahrend wirkt. Die Risiken der Verjährung aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung des Sachverhaltes oder eines Form- oder Fristfehlers bei der Einreichung tragen somit die Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. der klageberechtigte Verband . Dies gilt ebenso für das Risiko, zu Unrecht vom Vorliegen der Verbrauchereigenschaft im Sinne von § 29 c der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgegangen zu sein. Einen gesonderten Eröffnungsbeschluss, in welchem das Gericht zeitnah über die Zulässigkeit der Klage entscheidet und somit weit vor Erlass der Gesamtentscheidung klärt, ob die verjährungsunterbrechende Wirkung eintreten kann, sieht das Gesetz trotz der einschlägigen Kritik des Deutschen Richterbundes nicht vor. Offen ist auch, wie Verbraucherinnen und Verbraucher Sicherheit darüber erlangen können, dass Anträge, fristwahrend und formgerecht gestellt sind. 1. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung von erfahrenen Verbraucherrechtsexperten (zum Beispiel Prof. Dr. Astrid Stadler, „Die Musterklage ist ein Placebo-Gesetz“, www.handelsblatt.com vom 9. Mai 2018), dass das Erfordernis einer gesonderten Individualklage im Anschluss an die gerichtliche Feststellung des Anspruchs und der damit verbundene Aufwand bzw. das erneute Prozessrisiko Verbraucherinnen und Verbraucher von einer Anmeldung zu dem Musterverfahren abschreckt? Falls nicht, aus welchen wissenschaftlichen, empirischen Erkenntnissen oder sonstigen Erwägungen leitet sie ihre gegenteilige Einschätzung ab? Die Bundesregierung teilt die Auffassung nicht, dass das Erfordernis einer gesonderten Individualklage im Anschluss an die gerichtliche Feststellung des Anspruchs und der damit verbundene Aufwand bzw. das erneute Prozessrisiko Verbraucherinnen und Verbraucher von einer Anmeldung zu dem Musterverfahren abschreckt. Das Anmeldeverfahren ist niedrigschwellig ausgestaltet und für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit keinerlei Kosten verbunden. Die Anmeldung kann ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts erfolgen. Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihre Ansprüche wirksam in das Klageregister anmelden, profitieren von der verjährungshemmenden Wirkung der eingelegten Musterfeststellungsklage , ohne selbst klagen zu müssen. Die Bundesregierung erwartet, dass die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Parteien aufgrund einer erfolgreichen Musterentscheidung steigt. Sie kann insbesondere als Grundlage für Einigungen der Parteien im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung dienen. Einer individuellen Klage bedürfte es dann nicht mehr. 2. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf davon abgesehen, das Musterfeststellungsverfahren so auszugestalten, dass nach einer Entscheidung über das Bestehen eines Anspruches sogleich die klagebefugten Verbände auf Leistung klagen können, etwa nach dem Vorbild einer Stufenklage in Sinne von § 254 ZPO? Bei einer Sammelleistungsklage müssen die individuellen Anspruchsvoraussetzungen (etwa der Abschluss eines Kaufvertrages oder das Bestehen eines Kontovertrages ) eines jeden Beteiligten geprüft und entschieden werden, damit das Verfahren insgesamt zu einem Abschluss gebracht werden kann. Bereitet der Nachweis in einigen Einzelfällen Schwierigkeiten, verzögert sich dadurch das Verfahren für alle Beteiligten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4891 3. Teil die Bundesregierung die Befürchtung, dass das Ziel der Musterfeststellungsklage , die Gerichte zu entlasten, droht verfehlt zu werden, weil bei Verfahren mit positivem Ausgang und zahlreichen Antragsstellerinnen und Antragsstellern mit einer Flut von anschließenden Leistungsklagen an die Gerichte zu rechnen ist und überdies sich in diesem Zusammenhang eine von Seiten der Wirtschaft befürchtete Klageindustrie etablieren kann? Falls nicht, aus welchen wissenschaftlichen, empirischen oder sonstigen Erwägungen zieht sie ihre Erkenntnisse? Die Bundesregierung teilt diese Befürchtung nicht. Die Bundesregierung erwartet , dass die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Parteien aufgrund einer erfolgreichen Musterentscheidung steigt. Sie kann insbesondere als Grundlage für Einigungen der Parteien im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung dienen. Einer individuellen Klage bedürfte es dann nicht mehr. 4. Aus welchen Gründen soll die Musterfeststellungsklage keine Sperrwirkung für nach deren Bekanntmachung erhobene Individualklagen entfalten, wie es in § 8 Absatz 3 KapMuG vorgesehen ist, das sogar noch weitergeht und aufgrund der Aussetzungswirkung eine Anmeldung zu dem Musterverfahren nicht zulässt, sofern bereits eine ausgesetzte individuelle Klage anhängig ist, § 10 Absatz 2 Satz 2 KapMuG? Auch eine Musterfeststellungsklage entfaltet eine Sperrwirkung. So setzt das Gericht nach § 613 Absatz 2 ZPO n. F. eine Verhandlung über eine Klage, die vor Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage von einem – inzwischen angemeldeten – Verbraucher erhoben wurde, bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Erledigung der Musterfeststellungsklage aus. Darüber hinaus verbietet § 610 Absatz 3 ZPO n. F. einem angemeldeten Verbraucher, gegen den Beklagten eine Klage zu erheben, deren Streitgegenstand denselben Lebenssachverhalt und dieselben Feststellungsziele betrifft. 5. Welche Gründe waren für die Festsetzung der Zweiwochenfrist für die öffentliche Bekanntmachung der Musterklage durch das Gericht und welche für die Zweimonatsfrist für die Erfüllung des Antragsquorums maßgebend, auch und vor allem mit Blick darauf, dass im vergleichbaren KapMuG jeweils eine Frist von sechs Monaten für die öffentliche Bekanntmachung der Klage und nochmals sechs Monate für die anschließende Forderungsanmeldung vorgegeben ist (§ 3 Absatz 3, § 10 Absatz 2 KapMuG)? 6. Welche wesentlichen Nachteile drohen nach Einschätzung der Bundesregierung dem Beklagten oder dem Gericht, wenn die Anmeldefrist für das Zulässigkeitsquorum mehr als zwei Monate betrüge? Die Fragen 5 und 6 werden zusammen beantwortet. Die Fristen in § 606 Absatz 3 Nummer 3 und § 607 Absatz 2 ZPO n. F. dienen der Verfahrensbeschleunigung. Ungeachtet der Frist des § 606 Absatz 3 Nummer 3 ZPO n. F. haben Verbraucher grundsätzlich bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins Zeit, um ihre Ansprüche in das Klageregister anzumelden und dadurch von der Verjährungshemmung ab Klageerhebung zu profitieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4891 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Aufgrund welcher wissenschaftlichen, empirischen oder sonstig validen Erkenntnisse geht die Bundesregierung davon aus, dass die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher von den erwarteten jährlich 450 Musterfeststellungsklagen vor Ablauf der o. g. Fristen erfahren und in der Lage sind, mögliche Ansprüche rechtzeitig zu identifizieren und anzumelden, ohne dass das Gesetz hierzu klare Vorgaben trifft? Nach Erhebung einer Musterfeststellungsklage werden in dem Klageregister vom Bundesamt für Justiz bestimmte Informationen zu der Musterfeststellungsklage, zur Möglichkeit der Anmeldung von Ansprüchen sowie zur Form, Frist und Wirkung der Anmeldung öffentlich bekannt gemacht. Diese Angaben können von jedermann unentgeltlich eingesehen werden, so dass sich betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren können. Soweit eine qualifizierte Einrichtung beabsichtigt, auf der Grundlage des Gesetzes eine Musterfeststellungsklage zu erheben, ist zudem damit zu rechnen, dass sie die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher über die beabsichtigte Klage und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen informieren wird. 8. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine wesentliche Anzahl der von dem Streitgegenstand einer Musterfeststellungsklage betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern an dem Verfahren deshalb gar nicht erst teilnehmen oder auch bei einer Verfahrensteilnahme materiell nicht profitieren , weil diese a) von der Musterfeststellungsklage nicht oder zu spät erfahren haben, b) ihre Ansprüche im Klageregister nicht ordnungsgemäß eingetragen haben oder c) ihre Ansprüche im Anschluss eines erfolgreichen Musterfeststellungsverfahrens nicht in einer individuellen Leistungsklage geltend gemacht haben ? Aus welchen wissenschaftlichen, empirischen oder sonstigen Erwägungen zieht sie dazu ihre Erkenntnisse? In welchem zeitlichen Rahmen wird die Bundesregierung das Gesetz mit Blick auf diese Fragen evaluieren? Die Bundesregierung teilt diese Befürchtung nicht. Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 7 wird verwiesen. Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage soll frühestens fünf Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt mit belastbarem Datenmaterial zu rechnen ist (vgl. Bundestagsdrucksache 19/2439, S. 24). 9. Ab welchem Forderungsbetrag beginnt nach Einschätzung der Bundesregierung das „rationale Desinteresse“ bei Verbraucherinnen und Verbrauchern, welches mit dem vorliegenden Gesetz überwunden werden soll? Auf welche wissenschaftlichen, empirischen oder sonstigen Erwägungen stützt sie sich dabei? 10. Aufgrund welcher wissenschaftlichen, empirischen oder sonst validen Erwägungen geht die Bundesregierung davon aus, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher bei einer Schadenssumme unter 100 Euro an dem Musterfeststellungsverfahren beteiligen und diesen Schaden bei einer erfolgreichen Musterklage anschließend individuell gerichtlich einklagen? Die Fragen 9 und 10 werden zusammen beantwortet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4891 Mit dem Begriff des „rationalen Desinteresses“ ist gemeint, dass Schadensersatzoder Erstattungsansprüche oft dann nicht individuell verfolgt werden, wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist und daher der mit einer Klageerhebung verbundene Aufwand aus Sicht der Geschädigten unverhältnismäßig erscheint. Da die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage unkompliziert und für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher kostenfrei ist, geht die Bundesregierung davon aus, dass gerade auch bei geringeren Schadenssummen Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche zu einer Musterfeststellungsklage anmelden werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 11. Aus welchen Gründen haben Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ansprüche bei dem Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn anzumelden, nicht jedoch bei dem Gericht, welches die Klage führt, und woraus leitet die Bundesregierung die Kompetenz des Bundesamtes für Justiz für die Entgegennahme und weitere Verwaltung der Anträge ab, wenn dieses die Anträge ausdrücklich nicht inhaltlich prüfen soll? Die Zuständigkeit für die Führung des Klageregisters wurde zentral beim Bundesamt für Justiz angesiedelt, um dort die für einen reibungslosen und möglichst effizienten Registerbetrieb erforderlichen technischen und verwaltungsmäßigen Vorkehrungen zu bündeln. 12. Aus welchen Gründen überlässt das Gesetz die Ausgestaltung des Klageregisters einer weiteren Verordnung und sieht davon ab, zumindest Mindeststandards , die zur Rechtssicherheit bezüglich der Voraussetzungen an den fristgemäßen Eingang eines Antrages oder konkretere Vorgaben für die Art und Weise der Verfahrensführung festzulegen, und warum sind die Vorgaben zu Antragstellung technikneutral formuliert? 13. Durch welche Vorgaben in dem Gesetz wie z. B. zu Mustertexten oder Musterformulare , Listen oder Tabellen, mit denen der betreffende Lebenssachverhalt konkretisiert wird, ist aus Sicht der Bundesregierung sichergestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in Bezug auf die Vorgaben des § 608 Absatz 2 Nummer 1-5 sowie Absatz 4 ZPO (neu) ausreichend und rechtssicher informiert werden, um ihre Forderungen wirksam – wie ausdrücklich zu erklären – richtig und vollständig anzumelden, und inwieweit wird dabei dem Umstand Rechnung getragen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel als Laien am Rechtsverkehr teilnehmen und die Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe viele von der Antragsstellung abhält ? Die Fragen 12 und 13 werden zusammen beantwortet. In den §§ 606 ff. ZPO n. F. werden die gesetzlichen Anforderungen u. a. an den Registerbetrieb und an die Anmeldung von Ansprüchen zu Musterfeststellungsklagen im erforderlichen Umfang gesetzlich festgelegt. Die weiteren Einzelheiten sollen in der noch zu schaffenden Verordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz niedergelegt werden. Derzeit wird geprüft, welchen konkreten Inhalt die Verordnung haben soll. Die Verordnung soll zum 1. November 2018 in Kraft treten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4891 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Inwieweit ist durch die Vorgaben von § 608 Absatz 2 und 4 ZPO (neu) nach Einschätzung der Bundesregierung die Gefahr gegeben, dass sich eine Anmeldung aufgrund formeller Fehler oder Fehler beim Zugang bzw. aufgrund einer fehlenden Eingangsbestätigung nachträglich als nicht form- oder fristgerecht herausstellt, so dass das Quorum von 50 Anmeldungen nicht erreicht und somit die Klage insgesamt unzulässig wird? Wer trägt nach Auffassung der Bundesregierung die Beweislast für den fristgerechten Eingang des Antrages, die Verbraucherinnen und Verbraucher oder der Beklagte? Für die Zulässigkeit der Klage ist maßgeblich, dass binnen zwei Monaten mindestens 50 Verbraucher eine form- und fristgerechte Anmeldung vorgenommen haben, welche die Mindestangaben des § 608 Absatz 2 Nummer 1 bis 5 ZPO n. F. enthält (§ 606 Absatz 3 Nummer 3 ZPO n. F.). Um Fehler zu vermeiden, ist geplant , den Verbraucherinnen und Verbrauchern für die Anmeldung ein Formular zur Verfügung zu stellen, das Ausfüllhinweise enthält. Ob das Zulässigkeitsquorum erreicht ist, prüft das Gericht von Amts wegen 15. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf von der Regelung eines vor allem vom Deutschen Richterbund dringend empfohlenen Eröffnungsbeschlusses abgesehen, mit dem vorab über die Zulässigkeit der Musterfeststellungsklage entschieden wird, so dass nicht erst in einem Urteil über die Zulässigkeit zu entscheiden ist, in einem Zeitpunkt, in dem zu dem Verfahren angemeldete Forderungen womöglich verjährt sind und eine Individualklage nicht mehr möglich ist? Die Bundesregierung hat es nicht für geboten erachtet, in ihrem Gesetzentwurf zu regeln, dass durch einen Eröffnungsbeschluss die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Verfahrens festzustellen ist. Der Beschluss ist insbesondere nicht erforderlich , um zu verhindern, dass angemeldete Forderungen bei Urteilsverkündung verjährt sind. Auch eine unzulässige Klage hemmt die Verjährung der Ansprüche der angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher. Wird die Klage als unzulässig abgewiesen, haben die angemeldeten Verbraucherinnen und Verbraucher noch sechs Monate Zeit, um ihrerseits eine Klage zu erheben und ihre Ansprüche individuell gerichtlich geltend zu machen (vgl. § 204 Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs n. F. (BGB)). 16. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass die in § 608 Absatz 2 Nummer 1-6 ZPO (neu) genannten Voraussetzungen, insbesondere die gesondert zu erklärende Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben Verbraucherinnen und Verbraucher von einer Anmeldung zu dem Musterverfahren eher abschreckt? Falls nicht, aus welchen wissenschaftlichen, empirischen oder sonstigen Erwägungen zieht sie ihre Erkenntnisse? 17. Aus welchen Gründen soll es den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht möglich sein, ähnlich wie bei einem gerichtlichen Klageverfahren, fristwahrend ihre Ansprüche anzumelden und ggf. nähere Angaben unverzüglich nachzuholen? 18. Aus welchen Gründen müssen nach § 608 Absatz 2 Nummer 6 ZPO (neu) Anmeldende die Vollständigkeit und Richtigkeit ihres Antrages versichern, und welche Folgen haben das Fehlen bzw. die sich im Nachhinein herausstellende Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Angaben nach Einschätzung der Bundesregierung für die Zulässigkeit der Klage und für die anmeldende Person? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/4891 19. Aus welchen Gründen soll der Antrag nur dann verjährungshemmend sein, wenn er ohne Korrekturmöglichkeit reiner Formalia wie z. B. Aktenzeichen „formwirksam“ fristgerecht eingereicht ist, insbesondere, wenn das empfangszuständige Bundesamt für Justiz den Inhalt des Antrages und somit auch die vorgegebene Vollständigkeit der Angaben gar nicht prüft? Die Fragen 16 bis 19 werden zusammen beantwortet. Die in § 608 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 ZPO n. F. festgelegten Angaben sind erforderlich, damit die Anmeldung einer bestimmten Musterfeststellungsklage zweifelsfrei zugeordnet, ein gerichtlicher Vergleich zugestellt und etwaige Auskünfte durch das Bundesamt für Justiz erteilt werden können. Zudem ermöglichen sie den Parteien und Gerichten in einem nachfolgenden Rechtsstreit die Prüfung, ob die Verjährung durch die Anmeldung wirksam gehemmt wurde. Die Regelung in § 608 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ZPO n. F., wonach der angemeldete Verbraucher die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben versichern muss, soll Missbrauch ausschließen und gewährleisten, dass Sinn und Zweck dieser Angaben nicht verfehlt und die Anmeldung nicht lediglich zu Täuschungszwecken erfolgt, da die Zulässigkeit einer Musterfeststellungsklage u. a. vom Erreichen des Quorums zum gesetzlich festgelegten Stichtag abhängt. Auf die Antwort zu Frage 14 wird insoweit verwiesen. 20. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich Grundsätze von Verfahrensregeln in der Bundesrepublik Deutschland, die sich seit Jahren in der Praxis bewährt haben, auch auf ein Musterverfahren zur Durchsetzung von massenhaft auftretenden Ansprüchen übertragen lassen (die Insolvenzordnung sieht einen Eröffnungsbeschluss zur Zulässigkeit des Verfahrens vor, eine Verjährungsunterbrechung durch eine bloße einfache Forderungsanmeldung bis zum Abschluss des gesamten Verfahrens, und vor allem ein Verteilungsverfahren nach Abschluss des Verfahrens. Bis dahin ist für alle angemeldeten Forderungen die Verjährung unterbrochen)? Wenn ja, aus welchen Gründen wurden diese etablierten Verfahren nicht als Grundlage für das verbraucherorientierte Musterfeststellungsverfahren herangezogen ? Die Bundesregierung teilt die Auffassung nicht, dass sich die Regelungen zum Insolvenzverfahren als Vorbild für die Musterfeststellungsklage eignen. Die Insolvenzordnung und die Musterfeststellungsklage verfolgen unterschiedliche Ziele. Während das Insolvenzverfahren dazu dient, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, zielt die Musterfeststellungsklage darauf an, für eine Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucherinnen und Verbraucher zentrale Fragen zügig zu klären. 21. Aus welchen Gründen ist der Gesetzentwurf auf Verbraucherinnen und Verbraucher beschränkt? Das Modell der Musterfeststellungsklage lässt sich nicht ohne weiteres auf Streitigkeiten zwischen Unternehmen übertragen. Anders als bei Verbraucherverbänden kann es bei Klagen von Unternehmensverbänden gegen einzelne Unternehmen zu Interessenkonflikten kommen. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass Kläger , die nicht Verbraucher sind, die Aussetzung ihrer Gerichtsverfahren bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens beantragen können (§ 148 Absatz 2 ZPO n. F.). Die Beschränkung auf Verbraucher trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass Verbraucher in der Regel die wirtschaftlich schwächere Partei eines Rechtsstreits und daher besonders schutzbedürftig sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4891 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 22. Wie sollen nach Vorstellung der Bundesregierung Antragsstellerinnen und Antragssteller sichergehen, dass sie gemäß der neuen Definition in § 29c ZPO bei dem in Streit stehenden Anspruch bzw. Rechtsverhältnis „nicht überwiegend im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit gehandelt haben“, vor allem mit Blick darauf, dass das Bundesamt für Justiz den Antrag nicht inhaltlich prüft und dass für den Fall, dass sich im Nachhinein spätestens bei Erlass des Gerichtsurteils herausstellt, dass der angemeldete Anspruch nicht in den Anwendungsbereich fällt und einer Individualklage eines eher gewerblich begründeten Anspruchs die Einrede der Verjährung entgegensteht? 23. Inwieweit genügt das Gesetz nach Ansicht der Bundesregierung dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot in der Weise, dass Antragsteller rechtssicher erkennen können, ob sie ihren Antrag als Verbraucherin bzw. Verbraucher im Sinne von § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. § 29c ZPO stellen und nicht als Freiberufler bzw. Selbständige, und wie ist das nach Vorstellung der Bundesregierung nachzuweisen, vor allem vor dem Hintergrund , dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten über die Verbrauchereigenschaft kam? Die Fragen 22 und 23 werden zusammen beantwortet. Die Anknüpfung der Verbrauchereigenschaft an die nicht überwiegend gewerbliche oder selbständige Tätigkeit, entspricht der allgemeinen zivilrechtlichen Definition des Verbraucherbegriffs in § 13 BGB. Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot bestehen nicht. Personen, die die in § 29 c Absatz 2 ZPO n. F. genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, können sich nicht auf die verbraucherschützenden Regelungen des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage berufen. 24. Warum soll das Gesetz, zu dem bereits seit Anfang 2016 Entwürfe in Fachkreisen kursieren, erst am 1. November 2018 und nicht bereits früher in Kraft treten, so dass die Verbraucherverbände und Gerichte mit ausreichend Vorlauf die Fristen hinsichtlich einer möglichen Verjährung für die vom Abgasskandal betroffenen VW-Kunden wahren können? Aus welchen Gründen ist eine Evaluierung der Vorschriften nicht geregelt worden? Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12. Juli 2018 wurde am 17. Juli 2018 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I S. 1151). Mit der Inkrafttretensregelung wurde berücksichtigt, dass das Bundesamt für Justiz, die Gerichte und auch die Verbraucherverbände noch Zeit benötigen , um sich auf das neue Klageverfahren und die neuen gesetzlichen Regelungen einzustellen. Wegen der Evaluierung wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/4891 25. Auf welchen wissenschaftlichen, empirischen oder sonstig validen Erhebungen und mit welchem Aussagewert bezüglich der Kompetenz und Seriosität eines klageberechtigen Verbandes beruht die Vorgabe in § 606 Absatz 1 Nummer 1 ZPO (neu), dass dem Verband mindestens zehn Verbände oder 350 natürliche Personen angehören müssen, insbesondere vor dem Hintergrund , dass das Bundesamt für Justiz die Seriosität der Verbandstätigkeit als Voraussetzung der Klagebefugnis ohnehin nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) fortlaufend überprüft? 26. Auf welchen wissenschaftlichen, empirischen oder sonstigen validen Erhebungen basiert die Vorgabe in § 606 Absatz 1 Nummer 5 ZPO (neu), dass ein Verband nicht mehr als 5 Prozent der finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen erlangen darf, und welcher zusätzliche Aussagewert gegenüber den Voraussetzungen des § 4 UKlaG kommt dieser Voraussetzung zu, vgl. Frage 1? Die Fragen 25 und 26 werden zusammen beantwortet. Die Voraussetzungen des § 606 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 ZPO n. F. stellen sicher, dass nur solche qualifizierten Einrichtungen Musterfeststellungsklagen erheben können, die aufgrund ihrer Mitgliederstärke, ihrer bisherigen Tätigkeit und der Herkunft ihrer finanziellen Mittel die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung im Verbraucherinteresse bieten und die die Erhebung der Musterfeststellungsklage nicht zur Gewinnerzielung nutzen oder dieses Instrument auf sonstige Weise missbrauchen. Die Voraussetzungen des § 606 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 ZPO n. F. gelten anders als die Kriterien des § 4 UKlaG auch für ausländische Einrichtungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333