Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 8. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4892 19. Wahlperiode 10.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, Sven Lehmann, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 19/4433 – Ein Jahr Ehe für alle V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 28. Juli 2017 hat der Deutsche Bundestag Paaren gleichen Geschlechts die gleichberechtigte Möglichkeit zur Eheschließung eingeräumt. Viele lesbische und schwule Paare haben sich seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 2017 das Jawort gegeben. Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Eheöffnung haben einige Mitglieder der CDU/CSU öffentlich noch die Auffassung vertreten, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei verfassungswidrig (vgl. ZEIT ONLINE vom 2. Juli 2017). Seit 2001 konnten Homosexuelle in Deutschland eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen. Unterschiede zur Ehe, z. B. im Beamten-, Adoptions- und Steuerrecht, wurden über die Jahre v. a. aufgrund von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zwar beseitigt. Aber viele aus Sicht der Fragesteller europa - und verfassungswidrige Benachteiligungen bestehen nach wie vor, alle parlamentarischen Initiativen zur vollständigen Gleichstellung sind bisher von Union, SPD und von FDP in Zeiten der Regierungsverantwortung abgelehnt worden. Auch heute gibt es noch Widerstände. Artikel 3 Absatz 2 des sogenannten Gesetzes zur Ehe für alle (Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, Bundestagsdrucksache 18/6665) legt fest, dass Lebenspartner, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln, so behandelt werden, als ob sie am Tag der Begründung ihrer Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Ziel dieser Regelung ist es, die europa- und verfassungswidrige Diskriminierung rückwirkend zu beseitigen (vgl. Begründung auf Bundestagsdrucksache 18/6665). Daraus folgt, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden müssen. Während es beim Familienzuschlag bei der Umsetzung dieser rückwirkenden Gleichstellung bislang keine Probleme gab, blockiert das SPD-geführte Bundesministerium der Finanzen die rückwirkende Gleichstellung im Einkommenund Grunderwerbsteuerrecht. Das Bundesministerium räumt zwar ein, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe ein Ereignis i. S. v. § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) sei. Aber dieses Ereignis habe in diesem besonderen Fall keine Rückwirkung, weil die Lebenspartner schon ab 2013 aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4892 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wie Ehegatten hätten veranlagt werden können, soweit das noch nicht bestandskräftig abgelehnt worden war. Das Bundesfinanzministerium hat deshalb die Finanzämter angewiesen, alle Anträge mit dieser Begründung abzulehnen (vgl. mannschaft.com vom 17. August 2018). Dieser nach Meinung der fragestellenden Fraktion abenteuerlichen Interpretation und dem absurden Konzept „eines rückwirkenden Ereignisses ohne Rückwirkung “ hat sich das Finanzgericht Hamburg widersetzt. Es hat im August 2018 ein bahnbrechendes Urteil gefällt und stellte fest, dass die Kläger gemäß § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO verlangen können, rückwirkend wie Ehegatten zusammen veranlagt zu werden (AZ 1 K 92/18). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil das Finanzgericht die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen hat. Hier sowie auch im Abstammungs- und Familienrecht kann die Bundesregierung sich notwendigen gesetzlichen Anpassungen zur vollständigen Gleichstellung nach Ansicht der Fragesteller nicht länger verweigern. 1. Werden innerhalb der Bundesregierung weiterhin Meinungen vertreten, das Gesetz zur Ehe für alle für verfassungswidrig zu erklären und es vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen? Innerhalb der Bundesregierung bestand und besteht keine Absicht, das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu bringen und es für verfassungswidrig erklären zu lassen. 2. Bekommen nach Kenntnis der Bundesregierung Ehepaare, die ihre Lebenspartnerschaften in eine Ehe umgewandelt haben, Nachzahlungen des rückwirkenden Familienzuschlags gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes zur Ehe für alle? Lebenspartner werden seit dem 1. Januar 2009 hinsichtlich des Familienzuschlags wie Ehegatten behandelt. Gemäß § 74a Absatz 3 BBesG erhielten Lebenspartner zudem unter den dort genannten Voraussetzungen rückwirkend den Familienzuschlag seit Bestehen der Lebenspartnerschaft. Die Regelung setzt den Beschluss des BVerfG vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 – um. Darüber hinaus bleiben unanfechtbare Entscheidungen gemäß § 79 Absatz 2 Satz 1 BVerfGG grundsätzlich unberührt. 3. Warum verhindert das Bundesfinanzministerium die rückwirkende Beseitigung der jahrelangen Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften im Steuerrecht, die in eine Ehe umgewandelt wurden, obwohl die Begründung des Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes zur Ehe für alle unmissverständlich feststellt: „Damit wird die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten, auf die bereits mehrmals sowohl europäische als auch deutsche Gerichte (vgl. EuGH Rs. Maruko – C-267/06; EuGH Rs. Römer – C-147/08; BVerfGE 124, 199; BVerfG 1 BvR 611 u. 2464/07 und zuletzt BVerfGE vom 19. Februar 2013) hingewiesen und sie als europarechts- und verfassungsrechtswidrig bewertet haben, rückwirkend beseitigt. Dies bedeutet, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden müssen.“? Nach Feststellung des BVerfG im Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 (BGBl 2013 I S. 2397) – können Lebenspartnerschaften, deren steuerliche Veranlagungen noch nicht bestandskräftig durchgeführt sind, bereits seit Einführung des Rechtsinstituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft unter den für Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung unter Anwendung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4892 des Splitting-Verfahrens (einkommensteuerrechtliches Ehegattensplitting) beanspruchen . Diese Rechtslage besteht nach dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 (BStBl 2017 I S. 2787) fort. Darüber hinaus bleiben unanfechtbare Entscheidungen gemäß § 79 Absatz 2 Satz 1 BVerfGG grundsätzlich unberührt. Es wird derzeit geprüft, wie der Interessenlage der Betroffenen Rechnung getragen werden kann. 4. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung gerichtliche Entscheidungen, die der Auffassung des Bundesfinanzministeriums zur rückwirkenden Gleichstellung im Steuerrecht widersprechen (wenn ja, bitte Aktenzeichen auflisten )? Zurzeit ist der Bundesregierung nur das nicht rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Hamburg – Az. 1 K 92/18 – vom 31. Juli 2018 bekannt. 5. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass angesichts der Auffassung des Bundesfinanzministeriums gleichgeschlechtliche Paare bei der rückwirkenden Gleichstellung gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes zur Ehe für alle erneut ihre Rechte vor den Gerichten geltend machen müssen? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. 6. Was plant die Bundesregierung in Bezug auf die noch immer fehlende Angleichung im Abstammungsrecht, damit jedes Kind, das in eine gleichgeschlechtliche Ehe von zwei Lesben hineingeboren wird, von Anfang an die Absicherung durch zwei rechtliche Elternteile erhält? 7. Inwiefern plant die Bundesregierung, gesetzliche Regelungen, die den Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) folgen, umzusetzen? Wenn ja welche, wenn nein, warum nicht? Die Fragen 6 und 7 werden wegen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4199 zum Thema „Bundesweite Entwicklungen und rechtliche Situation von Regenbogenfamilien“ mitgeteilt hat, prüft das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz derzeit, welcher konkrete Reformbedarf im Abstammungsrecht besteht. Auch der durch das Eheöffnungsgesetz hervorgerufene abstammungsrechtliche Reformbedarf ist Teil dieser Prüfung. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat mit den Arbeiten zur Erstellung eines Diskussionsentwurfs begonnen, der auch Regelungsvorschläge betreffend in eine Ehe von zwei lesbischen Frauen hineingeborene Kinder enthalten soll. Die Frage, inwiefern die Bundesregierung plant, den Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht zu folgen, lässt sich derzeit noch nicht beantworten, da eine Meinungsbildung der Bundesregierung hierzu noch nicht stattgefunden hat. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333