Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 15. Januar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/492 19. Wahlperiode 19.01.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lorenz Gösta Beutin, Ralph Lenkert, Hubertus Zdebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/297 – Grenzen der Sicherheitsbereitschaft des Kohlekraftwerks Buschhaus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit § 13g wurde im Juli 2016 die Kategorie „Sicherheitsbereitschaft“ für Kraftwerksanlagen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verankert. Danach sind folgende Braunkohlekraftwerke mit insgesamt 2,7 Gigawatt Kraftwerksleistung zur „Überführung von Braunkohlekraftwerksblöcken in die Sicherheitsbereitschaft “ vorgesehen worden: 1. zum 1. Oktober 2016: verbleibender Block D des Kraftwerks Buschhaus, 2. zum 1. Oktober 2017: a) Block P des Kraftwerks Frimmersdorf und b) Block Q des Kraftwerks Frimmersdorf, 3. zum 1. Oktober 2018: a) Block E des Kraftwerks Niederaußem, b) Block F des Kraftwerks Niederaußem und c) Block F des Kraftwerks Jänschwalde, 4. zum 1. Oktober 2019: a) Block C des Kraftwerks Neurath und b) Block E des Kraftwerks Jänschwalde. Die stillzulegenden Anlagen dürfen jeweils ab dem genannten Kalendertag nicht mehr am Markt eingesetzt werden. Nach Ablauf von vier Jahren erfolgt ihre endgültige Stilllegung. Die entsprechenden Kraftwerksblöcke müssen laut § 13g EnWG in der Lage sein, auf Anforderung des Netzbetreibers innerhalb einer Zeitspanne von zehn Tagen bis zur Betriebsbereitschaft hochzufahren und innerhalb von elf Tagen ihre Nettonennleistung zu erreichen. Diese Anforderung war beim Kraftwerk Buschhaus bereits in der Verständigung vom 2. November 2015 zwischen der Bundesregierung und den Vertragspartnern Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) und Helmstedter Revier GmbH (HSR) festgelegt worden . Der hierzu erforderlichen täglichen Braunkohlezufuhr fehlen jedoch offensichtlich wesentliche logistische Voraussetzungen. Gemäß Unternehmensangaben ist vorgesehen, wegen der 2016 abgeschlossenen Auskohlung des angrenzenden Tagebaus Schöningen die Brennstoffversorgung vollständig aus dem Mitteldeutschen Revier auf dem Schienenweg zu bestreiten, sollte das Kraftwerk wieder in Betrieb gehen (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/492 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/7098). Nach Angabe der „Helmstedter Nachrichten“ vom 21. Dezember 2012 ist jedoch eine zur zügigen Brennstoffentladung notwendige Umladestation nicht vorhanden („Ab März rollen die Kohlezüge in Richtung Kraftwerk Buschhaus“, www.helmstedter-nachrichten.de). Ferner erscheint die termingerechte Beförderung und Entladung von Rohbraunkohle mit hohem Wassergehalt vor allem bei strengen Minustemperaturen besonders fraglich. Zur Wiederaufnahme des Kraftwerksbetriebs müsste der dafür benötigte Brennstoff aus dem 200 km entfernten MIBRAG-Tagebau Profen angeliefert werden, wie das bereits in der Vergangenheit unregelmäßig zur Vorratsstreckung in Schönungen erfolgt ist (Statistik der Kohlenwirtschaft e. V.). Der Braunkohlebedarf des Kraftwerks von teilweise über 2 Millionen Tonnen pro Jahr entspricht einem Tagesverbrauch von rund 6 000 Tonnen. Auf der Grundlage von früheren Bahnlieferungen mit jeweils 1 500 Tonnen Frachtgewicht (vgl. Helmstedter Nachrichten vom 21. Dezember 2012, ebenda) wären damit rechnerisch vier Güterzugladungen täglich zur Vollversorgung des Kraftwerks erforderlich. Ein angenommener 24-stündiger Wendezyklus setzte hierfür 4 mal 60 Kohlewagen sowie die benötigten Lokomotiven mit Fahrpersonal voraus, die innerhalb der Vorwarnzeit von zehn Tagen aufgestellt worden sein müssten. Zudem müssten umfangreiche Entlademöglichkeiten vorgehalten werden. Die außerplanmäßige Bereitstellung von 240 Güterwagen mit dazugehörigen Dieselloks und Personal bedingt in Ermangelung vorhandenen Zugmaterials einen überregionalen Bezug von Waggons. Jeder Waggon muss bei der Abfertigung einzelner Fuhren einer Eingangs- und Ausgangskontrolle unterzogen werden (vgl. MIBRAG Spektrum 5/2005, S. 2). Erweist sich ein 24-stündiger Wendezyklus in der Folge als nicht durchführbar, wären zusätzliche Güterzüge unerlässlich , um die Nettonennleistung des Kraftwerks durchgehend halten zu können. Beheizbare Waggons, die in einzelnen Bergwerken zur Verhinderung von eingefrorener Braunkohle in den Wintermonaten verwendet werden, kommen nicht auf den regulären Strecken der Deutschen Bahn AG zum Einsatz. Beim Kraftwerk Schkopau, das über einen betriebseigenen Schienenweg aus dem MIBRAG-Tagebau Profen versorgt wird, verfügt – sofern die nach älteren Informationen angewandte Praxis bis heute beibehalten wurde – jeder Waggon „über eine eigene Heizanlage von 26 kW“ (vgl. Krupp, VDM Case History 03/1997, Schkopau, S. 10). Eine zügige Entladung bei Minustemperaturen wird zusätzlich durch eine Infrarot-Auftauanlage sichergestellt. Vergleichbare Voraussetzungen bestehen am Standort Buschhaus nicht, sodass möglicherweise eingefrorene Braunkohle nach gewohnter Praxis mit Presslufthämmern wieder aus den Güterwagen befreit werden müsste. Für die Überführung in die Sicherheitsreserve wird den Kraftwerksbetreibern eine Vergütung gezahlt. Die drei betroffenen Energiekonzerne MIBRAG/HSR sowie RWE AG und Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) erhalten für den Minimalbetrieb in sieben Jahren insgesamt 1,61 Mrd. Euro (vgl. Bundestagsdrucksache 18/7317). Damit sollen laut Bundesregierung Ertragsausfälle und Mehrkosten vergütet werden. Im Falle des Kraftwerks Buschhaus mit einer Nettonennleistung von 352 Megawatt (MW), welches bereits im Jahr 1985 seinen kommerziellen Betrieb aufnahm und nunmehr nach 31 Betriebsjahren in die Sicherheitsbereitschaft überführt worden ist, beträgt die monatliche Vergütung laut „VDI nachrichten“ vom 1. Juni 2017 („Der Braunkohleausstieg auf Probe läuft“, www.vdi-nachrichten.com) 4,3 Mio. Euro. Sie wird seit Oktober 2016 vom Übertragungsnetzbetreiber Tennet an die MIBRAG-Tochtergesellschaft Helmstedter Revier gezahlt, die Buschhaus betreibt, wobei die Kosten auf die Netzentgelte der Stromkunden umgelegt werden. Kraftwerk und Tagebau wurden 2013 von der E.ON Kraftwerke GmbH an die MIBRAG verkauft, welche sich heute im Besitz der tschechischen EP Energy a. s. befindet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/492 Sowohl die Sicherheitsüberführung als auch eine etwaige Wiederinbetriebnahme des Kraftwerkbetriebs haben Auswirkungen auf einzelne regionale Einrichtungen , u. a. öffentliche Verkehrsbetriebe, Sanitätsdienste, Sicherheitsdienste und Feuerwehren. 1. Kann das Kraftwerk Buschhaus nach Einschätzung der Bundesregierung mit ausreichend viel Braunkohle versorgt werden, um im Bedarfsfall innerhalb von zehn Tagen wieder angefahren und nach elf Tagen bei voller Leistung betrieben zu werden? Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Kraftwerk Buschhaus auf Anforderung des zuständigen Übertragungsnetzbetreiber in der gesetzlich geregelten Zeit (§ 13g Absatz 3 des Energiewirtschaftsgesetzes, EnWG) betriebsbereit gemacht werden und Strom einspeisen kann. Der Bundesregierung liegen keine gegenteiligen Informationen oder Erkenntnisse vor. Insbesondere geht die Bundesregierung davon aus, dass der Betreiber sicherstellt, dass die erforderliche Kohlelogistik vorhanden ist. 2. Sind nach Einschätzung der Bundesregierung alle erforderlichen Vorkehrungen für den Winterbetrieb von Buschhaus bei Minustemperaturen getroffen worden, um den Transport und die Entladung am Kraftwerksstandort von eingefrorener Braunkohle zu ermöglichen? Der Bundesregierung liegen keine gegenteiligen Informationen oder Erkenntnisse vor. 3. Welche Institution der Bundesregierung bzw. welches Unternehmen oder welche Einrichtung schlug mit welchem Papier (bitte mit Aktenzeichen) bzw. mündlich die Überführung des Kraftwerks Buschhaus in die Sicherheitsbereitschaft erstmals vor, und wer entschied sie seitens der Bundesregierung ? Die Bundesregierung hat sich im Einvernehmen mit den Betreibern von Braunkohlekraftwerken auf die Sicherheitsbereitschaft verständigt. Die Verhandlungen seitens der Bundesregierung wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geführt. Da es sich um eine einvernehmliche Verständigung handelt, haben die Betreiber, im Fall des Kraftwerks Buschhaus die MIBRAG, die Kraftwerksblöcke benannt, die in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden sollten. 4. Ist der Bundesregierung beim Abschluss der Verständigung am 2. November 2015 belegt worden, wie die Betreiberunternehmen MIBRAG und HSR innerhalb von zehn Tagen rund 6 000 Tonnen Braunkohle pro Tag in kraftwerksgerechter Qualität sowie 240 Kohlewaggons mit Dieselloks und Personal organisieren, be- und entladen können? 5. Sollte obige Leistungsfähigkeit nicht belegt worden sein, mit welcher Rechtssicherheit ist die Verständigung abgeschlossen worden? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Mit den Betreibern ist im Rahmen der Gespräche zu der Verständigung zur Sicherheitsbereitschaft eingehend erörtert worden, dass die Betreiber die Kraftwerke in der Sicherheitsbereitschaft innerhalb der in der Verständigung vom 2. November 2015 geregelten Zeit (vgl. Anlage 1 der Verständigung) betriebsbereit machen können und müssen. Die Betreiber haben mit der Unterzeichnung der Verständigung zugesichert, dass sie dazu in der Lage sind. Das gilt auch im Fall Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/492 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode des Kraftwerks Buschhaus mit seiner besonderen Kohlelogistik. Die Regelungen der Verständigung wurden in § 13g EnWG gesetzlich umgesetzt. Die Betreiber sind daher gesetzlich verpflichtet, die in der Verständigung und in § 13g EnWG geregelten Fristen einzuhalten. 6. Waren Vertreterinnen und Vertreter des Landkreises und der Städte Helmstedt und Schöningen nach Kenntnis der Bundesregierung an den Beratungen beteiligt, die zur Überführung des Kraftwerks Buschhaus in die Sicherheitsbereitschaft führten? Wenn ja, welche Amtsträger und bei welcher Beratung, wenn nein, warum nicht? An den Beratungen zur Sicherheitsbereitschaft haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als federführendes Ressort und die betroffenen Kraftwerksbetreiber teilgenommen. Die Kompetenz zur Einführung einer Sicherheitsbereitschaft liegt beim Bund. 7. Wurden bei etwaigen Beratungen nach Frage 6 die Auswirkungen der Sicherheitsüberführung sowie einer etwaigen Wiederinbetriebnahme des Kraftwerkbetriebs auf einzelne regionale Einrichtungen abgeschätzt? Wurde erwogen, die Kommunen bzw. kommunalen Einrichtungen in einem angemessenen Verhältnis zur eigenen gesonderten Dienstbereitschaft in die Vergütungsregelung einzubeziehen, wenn nein, warum nicht? Bei den Beratungen mit den Betreibern wurden sämtliche Auswirkungen der Sicherheitsbereitschaft diskutiert und abgeschätzt. Im Übrigen wurden die Länder und Verbände im Gesetzgebungsverfahren zu § 13g EnWG beteiligt (Länder- und Verbände-Anhörung) und es wurde die in jedem Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Folgenabschätzung vorgenommen. Ein wesentlicher Aspekt war beispielsweise die Wärmeauskopplung aus Kraftwerksblöcken , die in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden. Auch insoweit sind die Betreiber dafür verantwortlich sicherzustellen, dass sie ihren vertraglichen Verpflichtungen mit Dritten, einschließlich regionaler Einrichtungen, uneingeschränkt nachkommen, auch wenn Kraftwerksblöcke in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden. 8. Wäre bei einer nachträglich erkannten Nichterfüllbarkeit der Verständigung gemäß Frage 4 die Bundesregierung nach ihrer Auffassung zur Rückforderung der bereits geleisteten Vergütung für die Sicherheitsbereitschaft vom Betreiber berechtigt? 9. Wäre bei einer grundsätzlichen Nichterfüllbarkeit der Anforderungen des § 13g EnWG gemäß Frage 4 die Bundesregierung nach ihrer Auffassung zum Erhalt eines Schadensersatzes vom Betreiber berechtigt? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Die Rechtsfolgen, falls die stillzulegende Anlage nicht in den genannte Zeiten betriebsbereit gemacht werden bzw. Strom einspeisen kann, sind in § 13g Absatz 5 Satz 3 und Satz 4 EnWG geregelt. Danach verringert sich die Vergütung für die stillzulegende Anlage auf null bzw. um einen bestimmten Prozentsatz, je nachdem aus welchen Gründen die Anlage nicht rechtzeitig betriebsbereit gemacht werden bzw. Strom einspeisen kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/492 10. Müsste im Falle einer nicht ausreichend erreichbaren Bereitschaftsfähigkeit des Kraftwerks Buschhaus die Verständigung vom 2. November 2015 wieder aufgehoben werden? 11. Würde nach Auflösung der Verständigung vom 2. November 2015 gemäß Frage 10 das Kraftwerk Buschhaus nach Auffassung der Bundesregierung seine frühere Betriebsweise wieder aufnehmen dürfen oder wäre es unverzüglich endgültig stillzulegen? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. § 13g Absatz 5 Satz 3 und Satz 4 EnWG sehen nicht vor, dass bei nicht rechtzeitiger Herstellung der Betriebsbereitschaft die Verständigung vom 2. November 2015 aufgehoben werden muss. Im Übrigen bliebe in jedem Fall die gesetzliche Verpflichtung nach § 13g EnWG davon unberührt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333