Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 17. Januar 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/493 19. Wahlperiode 19.01.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ralph Lenkert, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/360 – Auswirkungen von Weltraumwetter auf elektrotechnische Infrastruktur V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Erde ist permanent veränderlichen Strahlungs- und Teilchenströmen solaren oder kosmischen Ursprungs ausgesetzt. Insbesondere Teilchenströme durch Sonneneruptionen wirken sich dabei verändernd auf das Magnetfeld der Erde aus. Nach einem koronalen Masseauswurf auf der Sonne, der zufällig auf die Erde gerichtet sein kann, entstehen so nicht nur die bekannten Wechselwirkungen des Sonnenwindes mit den Molekülen der oberen Atmosphäre, die sich in Form von Polarlichtern um die Erdpole manifestieren. Das Magnetfeld der Erde erfährt je nach Intensität solcher Sonnenstürme unterschiedlich ausgeprägte Deformation , Stauchung und Dehnung. Diese veränderlichen Bedingungen der magnetischen Flussdichte induzieren elektrische Ströme in elektrisch leitenden Medien, insbesondere auch in der elektrotechnischen Infrastruktur auf der Erde und in ihrem Orbit. Durch extreme Sonnenwindereignisse kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Störungen der Stromversorgung in verschiedenen Teilen des Planeten, aber auch zu Ausfällen von Kommunikationssystemen wie auch satellitengebundenen Anwendungen wie des Global Positioning System (GPS). Beim sogenannten Carrington-Ereignis im Jahr 1859 erfuhr die damals relativ neu errichtete Telegrafeninfrastruktur weltweit schwere Beschädigungen und großflächige Ausfälle. Das Ereignis bewirkte den bis heute wissenschaftlich nachweisbar stärksten „magnetischen Sturm“ auf der Erde. Seit Installierung der STEREO-Sonden der NASA (Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde), die der Beobachtung von Sonnenaktivität dienen, entwickelte sich die Erkenntnis, dass derartige Extremereignisse weit häufiger als bis dahin angenommen stattfinden . So kam es nach Erkenntnissen der NASA am 23. Juli 2012 zu einem ähnlichen Sonnensturm, der die Erde nur knapp verfehlte (vgl. https://science. nasa.gov/science-news/science-at-nasa/2014/23jul_superstorm/). Dass ein solch intensiver Masseauswurf auf der Sonne genau in die Richtung der Erde gerichtet ist, ist demnach zwar selten zu erwarten, jedoch auf längere Sicht sehr wahrscheinlich und aus Sicht der Fragesteller somit eine Frage der Zeit. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/493 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie schätzt die Bundesregierung die Wahrscheinlichkeit eines extremen Sonnenwindereignisses mit „geomagnetischem Sturm“ ähnlich dem des Carrington -Ereignisses von 1859 ein? Da extreme Ausbrüche der Sonne nur selten auftreten, liegen nicht genügend statistische Informationen vor, um eine Wahrscheinlichkeit hinreichend gut abschätzen zu können. 2. Existiert seitens der Bundesregierung eine Analyse über die Auswirkungen von Sonnenwindereignissen auf die elektrotechnische Infrastruktur in Deutschland, und wenn ja, welche Ergebnisse hat diese erbracht? Wenn nein, warum nicht? Es existiert seitens der Bundesregierung eine Analyse über die Auswirkungen von Sonnenwindereignissen auf die Stromübertragungsnetze (vgl. Antwort zu Frage 4d). Eine Analyse, die spezifisch die Auswirkungen von solaren Stürmen auf elektrotechnische Infrastrukturen insgesamt in Deutschland betrachtet, existiert seitens der Bundesregierung nicht. Es liegen aber Studien vor, die die Auswirkungen auf Europa abschätzen. 3. Welche Auswirkungen von Sonnenwindereignissen auf die elektrotechnische Infrastruktur in Deutschland sind der Bundesregierung bekannt (seit 1990)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass konkrete Störungen oder Ausfälle bei elektrotechnischen Infrastrukturen in Deutschland spezifisch auf Auswirkungen von Sonnenwindereignissen zurückgeführt werden konnten. 4. Welche Auswirkungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei moderaten und welche bei extremen geomagnetischen Störungen zu erwarten Im Allgemeinen können geomagnetische Auswirkungen in die Kategorien „Störung “, „Ausfall“ und „Schaden“ eingeteilt werden. Während bei nur moderaten solaren Stürmen allgemein keine signifikanten Auswirkungen zu erwarten sind, ist bei extremen solaren Stürmen hingegen mit Auswirkungen in allen drei Kategorien zu rechnen, das heißt Störungen, Ausfälle und Schäden sind „möglich“. Dies kann grundsätzlich auf sämtliche Infrastrukturen (Frage 4a bis 4i) zutreffen. Eine 2016 von der ESA beauftragte Studie kommt zu dem Schluss, dass mittlere Sonnenwind-Ereignisse im Bereich der Skale G3-G4 für geomagnetische Aktivitäten zu lokalen Ausfällen von Stromsystemen in hohen Breiten führen können. Extreme Ereignisse – dem Carrington Event ähnlich in der Stärke (G5+) – können der Studie nach in Hochspannungssystemen in mittleren Breiten zu Ausfällen oder Schäden führen, die dann zu großflächigeren Ausfällen – auch in Deutschland – führen könnten. a) auf Mobilfunknetze, b) auf Datennetze (Internet), c) auf sonstige Kommunikationsnetze, Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse darüber vor, welche Auswirkungen bei extremen geomagnetischen Störungen auf die von den Fragestellern genannten einzelnen Telekommunikationsnetze zu erwarten sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/493 Für die Netze des Bundes gilt Folgendes: In den Netze des Bundes (NdB)-Nutzerpflichten werden als Schadensszenario u. a. kosmische Ereignisse wie z. B. Sonnenwinde explizit berücksichtigt und darauf basierend entsprechende Sicherheitsanforderungen an die NdB-Infrastruktur gestellt. d) auf Stromnetze (bitte zwischen Verteil-, Regional- und Übertragungsnetzen unterscheiden), Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber haben im Zeitraum 2013 bis 2015 mögliche Auswirkungen geomagnetischer Stürme auf den Übertragungsnetzbetrieb in Deutschland untersucht. Gemeinsam mit dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ Potsdam wurden Messungen an ausgewählten Transformatoren durchgeführt , um die Gefährdung der Transformatoren durch geomagnetisch induzierte Gleichströme zu bewerten. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 25 Sonnensturmtage erfasst und ausgewertet. Auf Basis der Messergebnisse stellten die Übertragungsnetzbetreiber fest, dass die erfassten geomagnetischen Stürme und auch deutlich stärkere Stürme kein relevantes Risiko für den Übertragungsnetzbetrieb in Deutschland darstellen. Verteilernetze und Regionalnetze wurden hinsichtlich der Sonnenstürme nicht untersucht. Potentielle Auswirkungen geomagnetischer Störungen auf Stromnetze wären in der Europäischen Union nicht zwingend nur auf einen Mitgliedstaat begrenzt. Die möglichen Auswirkungen von geomagnetischen Störungen auf grenzüberschreitende Übertragungsnetze sind daher auch Gegenstand europäischer Forschungsvorhaben . Im Rahmen des dreijährigen Projekts EURISGIC („European risk from geomagnetically induced currents“) wurde von 2011 bis 2014 ein Modell des Flusses von geomagnetisch induzierten Strömen in Europas Stromübertragungssystemen entwickelt (www.eurisgic.eu/). e) auf die Strom- und Datennetze der Bahn, Die Bundesregierung hat keine Hinweise auf Auswirkungen von geomagnetischen Störungen aufgrund extraterrestrischer Ereignisse auf das Strom- und Datennetz der Bahn. f) auf Stromerzeugungsanlagen (bitte unterscheiden zwischen fossiler, nuklearer und wettergestützter Stromerzeugung), Mögliche Auswirkungen geomagnetischer Störungen zeigen sich in erster Linie in den Übertragungsnetzen und Transformatoren. Die Übertragungsnetze sind am ehesten gefährdet, gefolgt von den Verteilernetzen. Die Stromerzeugung könnte mittelbar – wie andere Industrien auch – von etwaigen, durch elektromagnetische Pulse bedingte Stromausfälle in der Folge betroffen sein (vgl. Antwort zu Frage 4d). Die Auswirkungen geomagnetischer Störungen auf Stromerzeugungsanlagen sind daher bisher auch nicht gezielt und gesondert untersucht worden. g) auf Behördenfunk, Der Bundesregierung ist bis jetzt kein Schadensfall im Bereich des Behördenfunks , der unmittelbar aus einem Sonnensturm resultiert, bekannt. Grundsätzlich sind für den terrestrisch aufgebauten Behördenfunk im Falle eines Sonnensturms lokale Auswirkungen an einzelnen Basisstationen zu erwarten. In Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/493 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode diesem Fall wäre mit räumlich stark und zeitlich befristetem Ausfall der Kommunikation der BOS-Einsatzkräfte zu rechnen. Für die mobilen Basisstationen, die mittels Satelliten an das Digitalfunknetz angeschlossen werden, gelten die in der Antwort zu Frage 4i genannten möglichen Auswirkungen. Darüber hinaus könnten prinzipiell auch die Vermittlungstechnik sowie die Übertragungstechnik betroffen sein. In diesem Fall wäre temporär der Ausstattungsbereich einer Vermittlungsstelle betroffen, bis dieser Ausstattungsbereich durch eine der beiden Notfallvermittlungsstellen ersatzversorgt wird. h) auf die Kommunikationsfähigkeit des Katastrophenschutzes, Für die Bewältigung von außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen im Inland sind die Länder zuständig. Soweit die Katastrophenschutzbehörden auf Basis des BOS-Digitalfunknetzes kommunizieren, wird auf die Antwort zu Frage 4g verwiesen. i) auf satellitengestützte Anwendungen wie Satellitentelefonie und Positionierungssysteme wie Galileo oder GPS? Es besteht die Möglichkeit, dass energiereiche Partikelstrahlung die Bordelektronik von Satelliten beeinträchtigt und dadurch die Signalübertragung unterbrochen werden kann. Zusätzlich kann die Flugbahn der Satelliten durch Auswölbung der Ionosphäre verändert werden. Dadurch kann es zu schwankenden Signallaufzeiten und daraus resultierenden fehlerbehafteten Orts- und Zeitangaben führen, in deren Folge Systeme bzw. Anwendungen, die satellitenbasierende Ortungssysteme nutzen, gestört bzw. negativ beeinflusst werden könnten. Da das Digitalfunknetz seine Synchronisation über das GPS-System bezieht, wäre ein kurzfristiger Ausfall einzelner Basisstationen denkbar, wenn mehrere Satelliten des GPS-Systems ausfallen würden. Nach Kenntnis des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie gab es Ende Oktober 2003 während eines Ionosphärensturms einen zeitweiser Ausfall der Positionierungsfähigkeit des Satellitenpositionierungsdienstes der Bundesländer. Auswirkungen auf das europäische Satellitennavigationssystem Galileo sind nicht bekannt. 5. Existieren seitens der Bundesregierung Planungen für ein Katastrophenmanagement , das den großflächigen Ausfall von Elektrotechnik beinhaltet? Für die Bewältigung von außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen im Inland sind die Länder zuständig. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich ein leistungsfähiges Hilfeleistungssystem entwickelt. Der Bund unterstützt die Länder bei überregionalen Schadenslagen oder Lagen von nationaler Bedeutung in vielfältiger Weise (Bereitstellung von Ressourcen, Koordination, Information, Beratung). Die Bundesregierung hat Vorkehrungen für ein Szenario unabhängiges Krisenmanagement getroffen. Das Zusammenwirken des Bundes mit den Ländern wird in regelmäßigen strategischen Krisenmanagementübungen erprobt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/493 6. Welche Beiträge leistet die Bundesrepublik Deutschland zur Erforschung der Sonne und ihrer Aktivität? Im Bereich der Forschung ist Deutschland an zahlreichen Satelliten-Missionen beteiligt: Die Sonnenmission Solar Orbiter ist ein Projekt der ESA mit Beteiligung der NASA. Die wissenschaftliche Instrumentierung von Solar Orbiter erfolgt über einzelne Beistellungen der ESA-Mitgliedstaaten bzw. der NASA. An sechs dieser wissenschaftlichen Instrumente ist Deutschland beteiligt. Als eine der wenigen nicht-amerikanischen und als einzige deutsche Institution ist die Universität Göttingen , gefördert durch das DLR-Raumfahrtmanagement (RFM) aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie mit der Modellierung der Plasma- und Staubverteilung im Missionsorbit an der Entwicklung des Instrument WISPR (Wide field Imager for Solar PRobe) für die Mission Parker Solar Probe der NASA beteiligt. Die Mission SOHO (Solar and Heliospheric Observatory ) ist eine gemeinsame Mission von NASA und ESA zur Untersuchung der Sonne. Deutsche Institute waren an der Entwicklung von drei der zwölf Instrumente auf SOHO beteiligt. Das STEREO-Projekt der NASA, das sich seit Oktober 2006 in der Missionsphase befindet, beobachtet die Sonne und ihre Aktivität über einen längeren Zeitraum mit unterschiedlichen Instrumenten. Von besonderem Interesse sind dabei die sogenannten Koronalen Massenausbrüche. Auch die Daten der ESA Erdbeobachtungsmission Swarm, an der Deutschland mit Bau und Betrieb der Mission über das ESA EOEP Programm beteiligt ist, werden zur Analyse von Weltraumwetter-Ereignissen genutzt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Forschungseinrichtungen, die sich mit dem Thema Erforschung der Sonne befassen. So fördert die Bundesregierung z. B. die erdgebundene Erforschung der Sonne und ihrer Aktivität insbesondere im Rahmen des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik (KIS), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) sowie mehrerer Universitätsgruppen. Auch die ESO (Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre), an der Deutschland beteiligt ist, erforscht mit einigen ihrer Geräte die Sonne. Deutschland ist als zweitgrößter Beitragszahler an dem ESA SSA (Space Situational Awareness) Programm beteiligt. Hier werden wissenschaftliche Modelle und Dienste zur Vorhersage von Weltraumwetter, sowie Nutzlast-Instrumente zur Messung von Weltraumwetter-Phänomenen im Orbit weiterentwickelt. 7. Welche Forschung zu Auswirkungen geomagnetischer Störungen auf die elektrotechnische Infrastruktur und möglicher Maßnahmen zur Eindämmung der Wirkung ist der Bundesregierung bekannt, und welches solcher Vorhaben hat sie unterstützt bzw. wird sie unterstützen? Der Bundesregierung sind keine Maßnahmen bekannt. 8. Welche Schäden haben geomagnetische Störungen durch Sonnenwind in Deutschland seit 1990 nach Kenntnis der Bundesregierung verursacht? Schäden an terrestrischen Infrastrukturen in Deutschland, die eindeutig Weltraumwetter zur Ursache haben, sind der Bundesregierung nicht bekannt (vgl. die Antwort zu Frage 3). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/493 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Mit welchen Kosten für die Wiederherstellung von elektrotechnischer Infrastruktur nach einem extremen geomagnetischen Sturm rechnet die Bundesregierung für Deutschland? Die erwarteten Kosten für die Wiederherstellung von technischer Infrastruktur in Deutschland nach einem extremen geomagnetischen Sturm können nicht benannt werden. Da konkrete und differenzierte Aussagen zu den Auswirkungen, wegen der unterschiedlichen Auswirkungen auf Infrastrukturen schwierig sind (siehe die Antwort zu Frage 4) sind naturgemäß die Kosten für die Wiederherstellung der Infrastrukturen ebenfalls schwierig abzuschätzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333