Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 9. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/4958 19. Wahlperiode 12.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stefan Gelbhaar, Stephan Kühn (Dresden), Dieter Janecek, weiterer Ageordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunft der Personenbeförderung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Um die Personenbeförderung in Zukunft ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig zu gestalten, reicht es nach Auffassung der Fragesteller nicht aus, den öffentlichen (Verkehrs-)Raum willkürlich mit neuen Mobilitätsangeboten zu fluten. Die Personenbeförderung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und muss verschiedenen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Es kommt also darauf an, eine intelligente Steuerung, Vernetzung und Ergänzung zu bestehenden Mobilitätsangeboten zu entwickeln. Im Rahmen der Verkehrswende muss nach Auffassung der Fragesteller grundsätzlich die Frage der veränderten Aufteilung des öffentlichen (Verkehrs-) Raums in den Mittelpunkt der Debatte über die Verkehrswende gerückt werden. Des Weiteren ergeben sich neue Herausforderungen hinsichtlich der Verfügbarkeit diverser Mobilitätsangebote am Tag und in der Nacht sowie hinsichtlich der Vielzahl an Tarifsystemen. Darüber hinaus ist selbstbestimmte und in jeder Hinsicht barrierefreie Mobilität nach Auffassung der Fragesteller eine Voraussetzung für Inklusion, Partizipation und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Optimal mobil zu sein darf nach Auffassung der Fragesteller weder eine Frage des Geldbeutels sein, noch dazu führen, dass die Umwelt oder die Gesundheit der Menschen noch stärker belastet wird. Die politischen Rahmenbedingungen sind umrissen: Bis 2030 müssen die CO2- Emissionen im Vergleich zu 1990 im Verkehrssektor um mindestens 40 Prozent gesenkt werden (www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/ klimaschutz_in_zahlen_sektorenziele2030_bf.pdf). Anders als im Energiesektor stiegen die CO2-Emissionen im Verkehrssektor jedoch 2017 absolut um 3,8 Millionen Tonnen auf 170,6 Millionen Tonnen (plus 2,3 Prozent). Es handelt sich um Modellrechnungen und eine Trendfortschreibung der Berechnungen für 2016. Die vollständigen Daten werden erst im Januar 2019 veröffentlicht . Laut Umweltbundesamt (UBA) liegt dies unter anderem auch an der generellen Zunahme von Pkw und Lkw auf den Straßen (www.zeit.de/wirtschaft/ 2018-03/klimaschutz-rueckgang-treibhausgase-bundesumweltministeriumklimaziele ). Die Zahlen verdeutlichen nach Auffassung der Fragesteller, dass das gesteigerte Bedürfnis (individuell) mobil zu sein, aus ökologischer Sicht, neue Aufgaben mit sich bringt, die es zu lösen gilt. Zum einen werden die CO2- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4958 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Emissionen im Verkehrssektor weiter steigen, solange keine echte Verkehrsverlagerung erreicht wird, immer größere Pkw angeschafft werden und der Markthochlauf der Kfz-Elektromobilität nur auf dem Papier existiert. Zum anderen droht Ballungszentren ein Verkehrsinfarkt. Die Belastung betrifft dabei nicht nur Zufahrts- und Ausfallstraßen, sondern zunehmend auch Wohnstraßen. Zudem ist Parkraum heute schon ein knappes Gut in vielen Innenstädten, behindert vielerorts den Ausbau einer besseren Infrastruktur für den Radverkehr und nimmt Bürgerinnen und Bürgern enorm viel Raum für Erholung und Entfaltung. In Randlagen oder in ländlichen Gebieten hingegen gibt es nach Ansicht der Fragesteller allenfalls ein unzureichendes Angebot der Personenbeförderung. 1. Wie sieht der konkrete Zeitplan für die Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) aus, und plant die Bundesregierung eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode? 2. Welchen Reformbedarf hat die Bundesregierung aufgrund der aktuellen Qualität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in den deutschen Städten und im ländlichen Raum, in Bezug auf die Luftverschmutzung und die Lebensqualität für das PBefG identifiziert (www.bmvi.de/SharedDocs/ DE/Dossier/OEPNV/oepnv-foerderung-des-bundes.html)? 4. Welche konkreten Bestandteile des PBefG sollen nach den derzeitigen Planungen der Bundesregierung reformiert werden (bitte detailliert mit korrespondierenden Änderungsvorschlägen auflisten), und welche Bestandteile des PBefG plant die Bundesregierung nicht zu reformieren? Die Fragen 1, 2 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Personenbeförderungsrecht soll entsprechend den Vorgaben des Koalitionsvertrages modernisiert werden. 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Qualität des ÖPNV in Deutschland im internationalen Vergleich, und gibt es Staaten (bzw. Bundesstaaten oder Provinzen), die die Bundesregierung mit Blick auf die Qualität des ÖPNV als Vorbild bewerten würde? Wenn ja, welche Kriterien werden dabei angelegt? Der ÖPNV in Deutschland weist im internationalen Vergleich ein hohes Niveau auf. Die Zuständigkeit für Planung, Ausgestaltung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV liegt bei den Ländern bzw. den Kommunen. 5. Unterliegen Ridesharing-Anbieter nach Ansicht der Bundesregierung denselben Pflichten zur Erfüllung öffentlicher Verkehrsinteressen, wie ÖPNV und Taxigewerbe, und wie wird sie das PBefG in Bezug auf diese Fragestellung in Zukunft ausgestalten? Neue plattformbasierte digitale Mobilitätsangebote brauchen eine rechtssichere Grundlage für ihre Zulassung. Im Rahmen der Prüfung wird die Bundesregierung die verschiedenen Ausgestaltungsformen des Ride-Sharings berücksichtigen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/4958 6. Inwiefern plant die Bundesregierung ein Level Playing Field (gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen ) für alle Mobilitätsanbieter (Carharing, Ridesharing , ÖPNV, Taxigewerbe, Mietwagenfirmen, Leihfahrradsysteme, Leihsysteme für motorisierte Zweiräder) zu schaffen, und wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht? Mit Blick auf die sich ändernden Mobilitätsbedürfnisse ist ein fairer Ausgleich („level playing field“) zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen zu wahren. Dies kann auch entsprechende Steuerungsmöglichkeiten für Kommunen beinhalten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 4 verwiesen. 7. Plant die Bundesregierung, im Zuge einer PBefG-Reform die Abgrenzung zwischen zulässiger „Gefälligkeitsmitnahme“ und „Beförderung im Anwendungsbereich des PBefG“ eindeutig zu regeln und für alle Fälle auf einfache Weise nachvollziehbar festzulegen, und wenn ja, in welcher Art und Weise soll dieser Aspekt geregelt werden, und wenn nein, warum nicht? Nach aktueller Rechtslage unterliegen den Vorschriften des PBefG und insbesondere dessen Genehmigungspflicht nur entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderungen von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsbussen und mit Kraftfahrzeugen. Beförderungen mit Personenkraftwagen unterliegen – auch wenn sie geschäftsmäßig sind – nicht dem PBefG, wenn sie unentgeltlich erfolgen oder das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt. Die Prüfung der Bundesregierung, ob und inwieweit das PBefG auch mit Blick auf diese Vorgaben überarbeitet werden sollte, ist noch nicht abgeschlossen. 8. Inwiefern und nach Maßgabe welcher konkreten Zeitplanung will die Bundesregierung erreichen, dass neue Mobilitätsangebote eine Ergänzung zum bestehenden Mobilitätsangebot – insbesondere dem ÖPNV – darstellen? a) Wenn dies nicht das Ziel der Bundesregierung ist, welche Rolle soll der ÖPNV neben neuen Mobilitätsdiensten ihrer Einschätzung nach in Zukunft spielen? b) Wie bewertet die Bundesregierung mögliche Konkurrenzszenarien zwischen neuen Mobilitätsdiensten und dem ÖPNV? Neue digitale Mobilitätsangebote sollen den ÖPNV ergänzen und nicht ersetzen. Dabei sind die Rahmenbedingungen für den öffentlichen Verkehr an die sich ändernden Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und neue technische Entwicklungen . Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 4 verwiesen. 9. Inwiefern plant die Bundesregierung, im Zuge der Novellierung des PBefG auch die Einführung bzw. Vorhaltung barrierefreier Taxen (Inklusionstaxen) zu regeln? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/4958 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Warum hat die Bundesregierung die Nutzung von Inklusionstaxen nicht in der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) berücksichtigt ? Im Hinblick auf Personenbeförderung beinhaltet das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz) keine Regelungen , sondern verweist in § 8 Absatz 5 hinsichtlich der Beförderungsmittel im Personenverkehr auf die einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes, die zu beachten sind, sowie weitergehende landesrechtliche Vorschriften. 11. Welchen neuen gesetzlichen Rahmen will die Bundesregierung im Zuge einer geplanten Reform des PBefG für das Taxigewerbe schaffen? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 4 verwiesen. 12. Hält die Bundesregierung die Ortskundeprüfung (§ 48 Absatz 4 Nummer 7 der Fahrerlaubnis-Verordnung) für Taxifahrer noch für notwendig? Ob eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes möglicherweise Änderungen auch im Fahrerlaubnisrecht nach sich zieht, kann derzeit nicht beurteilt werden. 13. Inwieweit und nach Maßgabe welcher konkreten Zeitplanung plant die Bundesregierung , die Ortskundeprüfung und weitere Vorschriften auch für Ridesharing -Anbieter einzuführen? Derzeit ist nicht geplant, im Fahrerlaubnisrecht die Ortskundeprüfung auch für Ridesharing-Anbieter einzuführen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 4 verwiesen. 14. Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung, das Verkehrsaufkommen durch motorisierten Individualverkehr in den deutschen Städten und Gemeinden in welchem Umfang zu reduzieren, und welche zeitlichen Zielsetzungen strebt sie hierfür an? Die Bundesregierung fördert die Schaffung von nachhaltigen, bezahlbaren Mobilitätsangeboten in den Städten und Gemeinden durch Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV, des Radverkehrs sowie von Sharing-Angeboten, um deren Attraktivität gegenüber dem motorisierten Individualverkehr weiter zu steigern. Die Länder erhalten dazu in diesem Jahr vom Bund Regionalisierungsmittel in Höhe von rd. 8,5 Mrd. Euro, Entflechtungsmittel von rund 1,3 Mrd. Euro und Finanzhilfen nach dem GVFG-Bundesprogramm in Höhe von rund 0,3 Mrd. Euro. Das GVFG-Bundesprogramm wird bis 2021 auf 1 Mrd. Euro angehoben. Der Bund stellt für die Förderung des Radverkehrs jährlich etwa 130 Mio. Euro, z. B. für den Bau von Radschnellwegen in der Baulast der Länder und Kommunen sowie von Radwegen an Bundesfernstraßen, bereit. Im Rahmen des Sofortprogramms Saubere Luft werden zudem Kommunen mit erhöhten NOx-Belastungen bei der Gestaltung von Maßnahmen zur Digitalisierung und stärkeren Vernetzung von Individual- und Öffentlichem Personennahverkehr mit insgesamt 500 Mio. Euro unterstützt. Ergänzend ist am 1. September 2017 das Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharing (Carsharinggesetz) in Kraft getreten. Bevorrechtigt werden sowohl das stationsgebundene Carsharing als auch nicht stationsgebundene Carsharingfahrzeuge . Für das stationsbasierte Carsharing wird den zuständigen Behörden die Möglichkeit eröffnet, Abhol- und Rückgabestellen an ausgewählten Standorten in den öffentlichen Verkehrsraum zu verlagern. Auf diese Weise soll Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/4958 eine Vernetzung mit dem öffentlichen Personennahverkehr sowie dem Rad- und Fußverkehr unterstützt werden. Zur Schaffung entsprechender Verkehrszeichen im Hinblick auf Parkbevorrechtigungen für Carsharingfahrzeuge werden zeitnah die straßenverkehrs-rechtlichen Vorschriften angepasst. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 15. Wie hat sich die Anzahl der in Deutschland verkauften ÖPNV-Tickets nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2008 entwickelt (bitte nach Bundesländern , Monaten bzw. Jahren, Art der Tickets – z. B. Einzelfahrscheine, Wochenkarten , Monatskarten, Jahreskarten etc. – aufschlüsseln)? Zur Anzahl der verkauften ÖPNV-Tickets liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Im Rahmen der Erhebung „Mobilität in Deutschland“ wurden 2008 und 2017 in repräsentativen Stichproben Informationen zu den genutzten Fahrkartenarten eingeholt , mit denen die Struktur der ÖPNV-Nutzer dargestellt werden kann. Diese lassen jedoch keine Rückschlüsse auf die absolute Anzahl der verkauften Fahrscheine zu. 16. Welche Prognosen liegen der Bundesregierung für die Veränderungen der Fahrgastzahlen bis 2020, 2030, 2040 und 2050 jeweils vor, welche wesentlichen Ergebnisse beinhalten diese Prognosen jeweils und wie bewertet die Bundesregierung diese im Hinblick auf den Reformbedarf des PBefG, die notwendigen Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur von Bund, Ländern und Kommunen und die Notwendigkeit und Höhe der Förderung nachhaltiger , bezahlbarer, verlässlicher und barrierefreier Mobilität in Städten und Gemeinden sowie insbesondere im ländlichen Raum? Prognosen zur Anzahl von Fahrgästen im ÖPNV liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333