Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 12. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5017 19. Wahlperiode 16.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Suding, Grigorios Aggelidis, Daniel Föst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/4648 – Gesetzliche Weiterentwicklung im Kinder- und Jugendschutz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Kindesmisshandlung ist die psychische und physische Verletzung von Kindern oder Jugendlichen. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 4 247 Kinder und Jugendliche von der Polizeilichen Kriminalstatistik registriert, die Opfer von Kindesmisshandlung wurden. Während es sich dabei ausschließlich um die zur Anzeige gebrachten Taten handelt, geht die Polizei von einer noch höheren Dunkelziffer aus. Gesondert von den zur Anzeige gebrachten Fällen von Kindesmisshandlung behandelt die Polizeiliche Kriminalstatistik Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Opfer sexuellen Missbrauchs wurden im Jahr 2017 demnach zusätzlich 13 539 Kinder und Jugendliche (Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes, 2017). Die Polizeilichen Kriminalstatistiken für das Jahr 2017 ergeben außerdem, dass sich Opfer und Täter in der überwiegenden Anzahl der Fälle kannten. Zur dominierenden Tätergruppe gehören damit Eltern, Erziehungsberechtigte und andere Personen aus dem Umfeld der Kinder und Jugendlichen, wie Nachbarn oder Verwandte (Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes, 2017). Die öffentliche Organisationseinheit, die in Deutschland mit Kindern und Jugendlichen, ihren Eltern und Personen im Umfeld der Kinder und Jugendlichen zusammenarbeitet , um sie vor Gefahren zu schützen, ist das Jugendamt. Für den Kinderund Jugendschutz spielt die Arbeit des Jugendamtes deshalb eine ganz besonders wichtige Rolle. Sie ist zugleich Prävention und Intervention. In der Vergangenheit hat es verschiedene Gesetzesinitiativen gegeben, um den Kinderund Jugendschutz in Deutschland zu verbessern. Zum einen ist am 1. Januar 2012 das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat das Gesetz drei Jahre nach Inkrafttreten evaluiert (www.bmfsfj. de/blob/93348/a41675e1f53ec6f743359b6b75fec3e2/bericht-der-bundesregierungevaluation -des-bundeskinderschutzgesetzes-data.pdf). Die durch die Evaluation erkennbar gewordenen Defizite gilt es konsequent zu beheben. Zum anderen wurde in der vergangenen Legislaturperiode die Arbeit an einer Gesetzesreform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) angestoßen, die aber nicht abgeschlossen wurde. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verspricht , diesen Prozess nach der Wahl aufzunehmen. Diese Kleine Anfrage erkundigt sich danach, inwieweit die Erkenntnisse, die sich aus der Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) ergeben, für die Verbesserung des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5017 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Kinder- und Jugendschutzes in Deutschland genutzt und in der Praxis umgesetzt wurden und inwieweit die Arbeit an der Gesetzesreform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) von der Bundesregierung wiederaufgenommen wurde. 1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die Voraussetzung für eine Erfüllung des Schutzauftrages, die erfolgreiche Kooperation aller am Hilfeprozess beteiligten Personen und Einrichtungen ist, und wenn ja, welche Personen und Einrichtungen sind nach Auffassung der Bundesregierung am Hilfeprozess beteiligt? Eine gut funktionierende Kooperation und Kommunikation zwischen den im Bereich des Kinderschutzes tätigen Professionen ist für einen wirksamen Kinderschutz von herausragender Bedeutung. Wesentliche Schritte auf dem Weg dahin wurden durch den Bundesgesetzgeber bereits mit dem Gesetz zur Stärkung eines aktiven Kinderschutzes (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG), das am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, verwirklicht. Das Gesetz hat die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, alle wichtigen Akteure im Kinderschutz – wie bspw. Jugendämter, Schulen, Ärztinnen und Ärzte, Familienrichterinnen und Familienrichte und Polizei – in einem Kooperationsnetzwerk zusammenzuführen. Auf der Grundlage der zwischen CDU/CSU und SPD getroffenen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode wird das BMFSFJ mit einer Auftaktkonferenz Anfang November 2018 einen breiten Beteiligungsprozess zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe mit relevanten Akteuren aus Wissenschaft und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe und den Ländern und Kommunen starten. Im Mittelpunkt der Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe wird insbesondere auch ein besserer Kinderschutz, z. B. durch wirksamere Hilfen für Familien, Stärkung der Prävention und eine engere Kooperation der relevanten Akteure stehen. Die Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes hat gezeigt, dass Kooperationen und Netzwerke im Kinderschutz bereits ausgebaut und verbessert wurden. Die Ergebnisse der Evaluation weisen aber auch darauf hin, dass die Zusammenarbeit noch enger und intensiver werden muss. Wie dies im Einzelnen auch im Wege weiterer gesetzlicher Regelungen erreicht werden kann, wird im Rahmen des o. g. Beteiligungsprozesses diskutiert werden. 2. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Netzwerkstruktur – die in der Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes (BKiSchG) wie folgt beschrieben wurde: „in fast allen Jugendamtsbezirken wurden Netzwerke Früher Hilfen implementiert: 92,5 Prozent der Jugendamtbezirke geben an, eine Netzwerkstruktur mit Zuständigkeit Kinderschutz und/oder Frühe Hilfen vorzuhalten.“ – so zu verbessern, dass eine vollständig und uneingeschränkt flächendeckende Netzwerkstruktur erreicht wird (Bericht der Bundesregierung, 2015)? Der Fonds Frühe Hilfen, umgesetzt durch die Bundesstiftung Frühe Hilfen (BSFH), stellt seit dem 1. Januar 2018 sicher, dass die Strukturen und Angebote, die durch die Bundesinitiative Frühe Hilfen (BIFH) aufgebaut wurden und sich bewährt haben, weiter bestehen können. Die Stiftungsmittel werden prioritär für Maßnahmen zur Sicherstellung der Netzwerkstrukturen in den Frühen Hilfen eingesetzt , so dass eine vollständige und uneingeschränkte flächendeckende Netzwerkstruktur erreicht und erhalten werden kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5017 3. Wie hoch ist der aktuelle Anteil jener Bezirke, die ausschließlich über Angebote mit Informationscharakter verfügen, und wie hoch ist der aktuelle Anteil jener Bezirke, die Angebote zur Verfügung stellen, die über den Informationscharakter hinausgehen, wie in der Evaluation des BKiSchG beschrieben („die Anzahl der Jugendamtbezirke mit Angeboten, die über den Informationscharakter hinausgehen, ist seit Inkrafttreten des BkiSchG gestiegen “, Bericht der Bundesregierung, 2015)? Die Kommunalbefragungen im Rahmen der Dokumentation und Evaluation der Bundesinitiative Frühe Hilfen haben ergeben, dass der Anteil der Kommunen, die Informationsangebote für junge Eltern vorhalten, seit Einführung des BKiSchG um 24,3 Prozent auf 87,6 Prozent gestiegen ist. Eine ebenfalls hohe Steigerungsrate haben offene Beratungsangebote mit Komm-Struktur (z. B. Gruppen, Kurse oder offene Angebote für Familien). Sie verzeichnen ein Plus von 20,4 Prozent auf 89,7 Prozent. Ebenso ist der Ausbau der längerfristig aufsuchenden Betreuungsangebote für Familien durch eine Familienhebamme oder eine ähnlich qualifizierte Fachkraft um 20,5 Prozent auf 87,9 Prozent angestiegen. Die Daten belegen insgesamt eine hohe Verfügbarkeit von Angeboten, die über eine reine Informationsweitergabe hinausgehen. 4. Wurden von der Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, um die in der Evaluation des BKiSchG als gut bis mangelhaft bewertete „Qualität der Kooperation von Jugendamt und Schulen“ zu verbessern, und wenn ja, welche (Bericht der Bundesregierung, 2015)? Die Ergebnisse der Evaluation des BKiSchG zeigen im Bereich der Einbeziehung von Schulen in den Kinderschutzauftrag u. a. auf, dass nahezu alle Jugendämter mit einem breiten Spektrum an Institutionen und Professionen aus dem Gesundheits -, Bildungs- und Sozialwesen, darunter auch Schulen, kooperieren. Aus Sicht der Schulen liegt diesbezüglich u. a. der bestätigende Befund vor, dass einzelfallbezogene Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe bei über 90 Prozent der Schulen stattfindet. Dabei wird die Qualität der Kooperation zwischen Jugendamt und Schulen von beiden Partnern in etwa ähnlich bewertet: Die Jugendämter vergeben die Note 2,8, die Schulen die Durchschnittsnote 2,7. Die Evaluationsergebnisse zeigen auch auf, dass die Kooperationsbeziehungen zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und weiteren Akteure wie Schulen und Polizeibehörden, die im BKiSchG als Kooperationspartner benannt werden, weiter zu verstärken sind. Die durch die Evaluation insoweit gewonnenen Erkenntnisse werden im Rahmen des o. g. Beteiligungsprozesses zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe in der 19. Legislaturperiode mit berücksichtigt werden. 5. Welche Maßnahmen wurden von der Bundesregierung ergriffen, um das im Evaluationsbericht des BKiSchG beschriebene Haupthindernis für eine angemessene Versorgungsstruktur, nämlich das „Fehlen entsprechend ausreichender fortgebildeter Fachkräfte“ auszugleichen bzw. zu beheben? Der Einsatz von Familienhebammen und vergleichbaren Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich im Kontext Früher Hilfen, z. B. Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, war von 2012 bis 2017 Förderschwerpunkt der Bundesinitiative Frühe Hilfen. Diese Gesundheitsfachkräfte werden in den Frühen Hilfen vor allem in der längerfristigen aufsuchenden Betreuung und Begleitung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern (LaB) eingesetzt. Die Verknappung dieser Fachkräfte in den Frühen Hilfen kann nicht losgelöst von der Anzahl an grundständigen Hebammen in der Regelversorgung nach der Geburt betrachtet werden. Denn um sich als Familienhebamme weiter zu qualifizieren, muss eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5017 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode grundständige Hebammenausbildung und entsprechende Arbeitserfahrung vorliegen . Das Fehlen ausreichend fortgebildeter Hebammen konnte im Verlauf des Wirkens der Bundesinitiative Frühe Hilfen durch den zunehmenden Einsatz von Gesundheits-Kinderkrankenpflegenden abgemildert werden. Die Gesundheits- Kinderkrankenpflegenden werden wie die (Familien-)Hebammen mit einer Weiterbildung zur Familien-Gesundheits-Kinderkrankenpflegende auf den Einsatz in der LaB vorbereitet. Eine Vergleichbarkeit der Qualifizierungen wird durch entsprechende Kompetenzprofile gewährleistet, die vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) herausgegeben wurden. Darüber hinaus gab es insbesondere im Bereich der Qualitätsentwicklung Aktivitäten des Bundes. Die Steuerungsgruppe der Bundesinitiative Frühe Hilfen, in der das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vertreten ist, hat bereits 2014 „Mindestanforderungen zur Qualifizierung von Familienhebammen und Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pflegern“ beschlossen. Ziel der Mindestanforderungen ist es, die Gleichwertigkeit der inhaltlichen , formalen und strukturellen Qualität der Qualifizierung von berufserfahrenen Hebammen zu Familienhebammen und von berufserfahrenen Gesundheits - und Kinderkrankenpfleger/-innen zu Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger /innen in allen Bundesländern zu gewährleisten und die Abschlusszertifikate wechselseitig anzuerkennen. Es wurden bundeseinheitlich abgestimmte und gegenseitig anerkannte Vorgaben u. a. zu Lerninhalten, formalen (Zulassungs-)Voraussetzungen sowie strukturellen Rahmenbedingungen der Qualifizierungsmaßnahmen formuliert. Dadurch wurde für die Angehörigen der genannten Berufsgruppen sowie für Bildungsträger die Sicherheit geschaffen, dass die angebotenen Qualifizierungen für Familienhebammen und Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegenden in allen Bundesländern anerkannt werden. 6. Was genau meint die Bundesregierung, wenn sie in dem Evaluationsbericht des BKiSchG von „Entwicklungsbedarf“ im Kontext der „Projektausgestaltung “ spricht, und welche Maßnahmen wurden ergriffen, um zum einen diesem Entwicklungsbedarf nachzukommen und zum anderen die in dem folgenden Satz beschriebene Qualifikation der Koordinierenden zu verbessern: „Bei der Qualifikation der Koordinierenden und der Projektausgestaltung an der Schnittstelle zum Kinderschutz besteht jedoch vielerorts noch Entwicklungsbedarf .“ (Bericht der Bundesregierung, 2015)? Im Bereich des Ehrenamtlichen-Engagements bzw. der Freiwilligenarbeit in den Frühen Hilfen besteht bei der Qualifizierung der Koordinierenden und der Projektausgestaltung an der Schnittstelle zum Kinderschutz vielerorts noch Entwicklungsbedarf . Dementsprechend wurden im Rahmen der Bundesinitiative Frühe Hilfen vorrangig Maßnahmen gefördert, welche die Qualität auch in diesem Bereich weiterentwickeln und sichern. Fördervoraussetzung für die Angebote war die Einbindung in ein für Frühe Hilfen zuständiges Netzwerk und die Anleitung bzw. Begleitung der Ehrenamtlichen durch eine Fachkraft. Die Ausrichtung des Einsatzes wurde auf die alltagspraktische Begleitung und Entlastung von Familien begrenzt. Zudem sollten die Angebote dazu beitragen, die sozialen Netzwerke der Familien zu erweitern. Angebote mit Ehrenamtlichen wurden demnach eindeutig im Bereich der primärpräventiven Unterstützung von Familien verortet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5017 Die Kommunalbefragung 2015 im Rahmen der Bundesinitiative Frühe Hilfen ergab, dass 2015 grundsätzlich drei Viertel der Kommunen dieses Angebot vorhielten . In 66,3 Prozent dieser Kommunen wurde eine Koordinierungsstelle für Ehrenamtsangebote eingerichtet oder das damit verbundene Aufgabenspektrum an die Koordinierungsstelle des Netzwerks Frühe Hilfen übertragen. Die Kommunen, die bereits 2013 in der Befragung angaben, Angebote mit Ehrenamtlichen aus Mitteln der Bundesinitiative Frühe Hilfen zu fördern, wurden 2015 erneut danach gefragt, welche weiteren Qualitätsmerkmale die geförderten Angebote aufweisen. 2015 gaben mittlerweile 85 Prozent der Befragten in den Kommunen an, dass die Ehrenamtlichen durch hauptamtliche Kräfte begleitet werden und knapp 80 Prozent berichteten, dass das Angebot in das lokale Netzwerk Frühe Hilfen eingebunden ist. Große Anstrengungen werden nach wie vor im Bereich der Qualifizierung der Ehrenamtlichen selbst unternommen (stabil bei 80 Prozent der Kommunen). Ein kleiner Zuwachs ist bei der Qualifizierung der Koordinierenden zu verzeichnen (Anstieg um knapp 10 Prozent). Zur Begleitung und Unterstützung der Qualitätsentwicklungsbemühungen in diesem Bereich hat das Nationale Zentrum Frühe Hilfen ein Impulspapier zum freiwilligen Engagement im Bereich der Frühen Förderung und Unterstützung von Kleinkindern und ihren Familien „Frühe Hilfen aus zivilgesellschaftlicher Perspektive “ herausgegeben. Darin wird ein Fokus auf die Gestaltungsmöglichkeiten an der Schnittstelle zwischen hauptamtlichen Aufgabenfeldern sowie zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteuren gelegt. Darüber hinaus veranstaltete das NZFH im Jahr 2017 die bundesweite Netzwerke -Konferenz zur „Qualitätsentwicklung der Freiwilligenarbeit in den Frühen Hilfen“, um insbesondere Koordinierende von Projekten mit Ehrenamtlichen in ihrer Arbeit zu unterstützen. 7. Werden durch Behörden, Ärzte oder Privatpersonen kommunizierte Verdachtsfälle in einer bundesweiten Datenbank aufgenommen und dokumentiert ? Wenn ja, wie viele Verdachtsfälle hat es im Jahr 2017 gegeben, und wie viele dieser Verdachtsfälle haben sich bestätigt? In der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik werden diejenigen Fälle erfasst, in denen den Jugendämtern gewichtige Anhaltspunkte für die mögliche Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden und auf die gemäß § 8a Absatz 1 SGB VIII ein Verfahren zur Gefährdungseinschätzung folgt. Im Jahr 2017 meldeten die Jugendämter 143 275 solcher Verdachtsfälle zur Statistik . Von diesen endeten 21 694 (15 Prozent) mit dem Ergebnis, dass eine Kindeswohlgefährdung festgestellt wurde. Das Statistische Bundesamt bezeichnet diese Fälle als „akute Kindeswohlgefährdung“. In weiteren 24 054 Fällen (17 Prozent) wurde eine „latente Kindeswohlgefährdung“ festgestellt. Das bedeutet , dass eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden konnte. Keine Kindeswohlgefährdung , aber ein Hilfebedarf wurde in 48 949 Fällen (34 Prozent) festgestellt . Die restlichen 48 578 Verfahren (34 Prozent) endeten mit dem Ergebnis, dass die Fachkräfte im Jugendamt weder eine Gefährdung, noch einen Hilfebedarf feststellten. Eine Aufschlüsselung der Ergebnisse der Verfahren nach Institution oder Person, die dem Jugendamt die (mögliche) Gefährdung bekannt gemacht haben, ist der als Anlage 1 beigefügten Tabelle zu entnehmen. Dabei wer- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5017 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode den die Verfahren ohne akute oder latente Kindeswohlgefährdung zusammengefasst . Eine weiterführende Aufschlüsselung der Ergebnisse ist auf Grundlage der Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes nicht möglich. 8. Wie bewertet die Bundesregierung das „Dormagener Modell“, das erfolgreich die Arbeit von Ärzten, Jugend- und Sozialämtern, Lehrern etc. ab der Geburt eines Kindes vernetzt, und was spricht nach Einschätzung der Bundesregierung dafür sowie dagegen, dieses Modell bundesweit zu etablieren (www.demo-online.de/artikel/kinderarmut-erfolgreich-bekaempft)? Die Bundesregierung bewertet das Dormagener Modell in seinen Ansätzen positiv . Zwischenzeitlich wurden in vielen weiteren Kommunen, auch mit Unterstützung der Bundesinitiative Frühe Hilfen, ebenso erfolgreiche Modelle zur Vernetzung unterschiedlicher Akteure auf- und ausgebaut. Dabei sind die Netzwerke den jeweils unterschiedlichen spezifischen Bedarfen vor Ort sowie der gewachsenen Hilfelandschaft angepasst. 9. In welchem Rahmen tauschen sich Jugendämter nach Kenntnis der Bundesregierung bundesweit untereinander aus mit dem Ziel, beim Berichten von Erfolgen sowie Misserfolgen und Fehlern voneinander zu lernen? In einer Konferenz der Regierungschefs der Länder und der Bundeskanzlerin vom 12. Juni 2008 wurde folgender Beschluss gefasst: „Um Defizite im Kinderschutz zu identifizieren und um aus problematischen Kinderschutzverläufen zu lernen, wird das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in Abstimmung mit Bund und Ländern eine Plattform für einen regelhaften Erfahrungsaustausch einrichten.“ Der auf dieser Basis eingerichtete Projektbereich „Lernen aus problematischen Kinderschutzverläufen“ des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen wurde von Beginn an durch eine begleitende Arbeitsgruppe beraten, in der sich – neben Vertretungen der Landesministerien – u. a. auch Vertreterinnen und Vertreter kommunaler Jugendämter eingebracht haben. In diesem Rahmen fand u. a. der Austausch über Erfolge sowie Misserfolge im Kinderschutz statt, mit dem Ziel voneinander zu lernen. Im Jahr 2018 wurde das Format der Arbeitsgruppe weiterentwickelt. Der Austausch wird nun in jährlich stattfindenden Fachgesprächen zum Kinderschutz fortgesetzt. Eingeladen sind Vertreterinnen und Vertreter aus Jugendämtern und Landesjugendämtern sowie Länderministerien, Amtsgerichten, Universitäten, Gesundheitsämtern, Kinderkliniken und weitere relevante Akteure im Kinderschutz . Im diesjährigen Fachgespräch mit dem Thema „Kooperation im Kinderschutz – Schnittstelle oder Schwachstelle?“ wurden insbesondere Bedingungen für eine gelingende interdisziplinäre Gefährdungseinschätzung im Kinderschutz vor dem Hintergrund von Erkenntnissen aus gescheiterten Kinderschutzfällen erörtert. Zur Analyse gescheiterter Fallverläufe im Kinderschutz wurde vom NZFH eine systemorientierte Methode entwickelt und mit Fachkräften aus der Jugend- und Gesundheitshilfe erprobt. Die Methodenentwicklung und Ergebnisse aus diesen Fallanalysen wurden im Rahmen von interdisziplinären Fachveranstaltungen u. a. mit Jugendämtern im Hinblick auf erforderliche Verbesserungsbedarfe im Kinderschutz diskutiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/5017 10. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, ob sich der im Evaluationsbericht des BKiSchG beschriebene Anteil an Jugendamtbezirken (16,4 Prozent), die über nur eines der beiden Netzwerke (Frühe Hilfen oder Kinderschutz) verfügen, verändert hat, und wenn ja, wie groß ist der Anteil? Der Anteil an Jugendamtsbezirken (16,4 Prozent in der Kommunalbefragung 2013), die über nur eines der beiden Netzwerke (Frühe Hilfen oder Kinderschutz) verfügen, hat sich verändert. So zeigt die Kommunalbefragung 2015, dass es in 21,3 Prozent der Kommunen nur entweder ein Netzwerk Kinderschutz oder ein Netzwerk Frühe Hilfen gibt. Die Kommunalbefragung 2015 zeigt auch, dass integrierte Netzwerke, die sowohl für Kinderschutz als auch für Frühe Hilfen zuständig sind, in 44,3 Prozent der befragten Kommunen vorliegen. In 29,9 Prozent der Jugendamtsbezirke werden beide Funktionalitäten in voneinander getrennten Netzwerken vorgehalten. Insgesamt ist der Anteil an Kommunen, in denen eine Netzwerkstruktur sowohl für Kinderschutz als auch für Frühe Hilfen zuständig ist, zwischen 2013 und 2015 leicht zurückgegangen, entsprechend ist der Anteil an Kommunen mit getrennten Netzwerken leicht angestiegen. 11. Wie groß ist der Anteil der Netzwerke in der Zusammenarbeit früher Hilfen, die länderübergreifende fallbezogene Qualitätsstandards definiert haben, so wie es die Vereinbarungen zur Bundesinitiative „Frühe Hilfen“ fordern (www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Bundes initiative_Fruehe_Hilfen_Zwischenbericht_2014.pdf)? Vereinbarungen zur verbindlichen Zusammenarbeit sind von besonderer Bedeutung und waren als Förderkriterium der Bundesinitiative Frühe Hilfen festgeschrieben . Die Kommunalbefragung 2015 im Rahmen der Bundesinitiative Frühe Hilfen zeigt, dass solche Vereinbarungen in 60 Prozent der Kommunen geschlossen wurden. Weniger verbreitet sind stärker formalisierte Qualitätsstandards und Zielvereinbarungen, die in etwa einem Drittel der Kommunen anzutreffen sind. Sehr häufig finden sich Regelungen zum Vorgehen bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung (84,9 Prozent der Kommunen, die Vereinbarungen ausgearbeitet haben). Verbreitet sind zudem Vereinbarungen zum Datenschutz (65,6 Prozent) und Regelungen zur Fallvermittlung bzw. -übergabe (61,3 Prozent). Diese Angaben beziehen sich auf die Kommunen (2015: N=432), in denen nur ein Netzwerk für Frühe Hilfen besteht (dies hat methodische Gründe, da im Falle mehrerer Netzwerke keine eindeutige Beantwortung der Fragen möglich gewesen wäre). Kontrollanalysen haben jedoch ergeben, dass sich die Ausgestaltung von Netzwerken in Kommunen mit mehreren Netzwerken nur in sehr geringem Ausmaß von Kommunen mit einem Netzwerk unterscheidet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5017 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Liegen der Bundesregierung aktuelle Informationen darüber vor, wie groß die Beteiligung wichtiger Akteure aus dem Gesundheitswesen (Kinderärztinnen und Kinderärzte, niedergelassene Hebammen, Geburtenkliniken und Kinderkliniken) im Bereich früher Hilfen ist, und wenn nein, warum nicht? Die Einbeziehung der genannten Akteure aus dem Gesundheitswesen in die Netzwerke Frühe Hilfen unterscheidet sich je nach Fachrichtungen und Diensten: Ambulante medizinische Versorgung Anteil Kommunen, in denen Akteure in Netzwerke eingebunden sind (in Prozent ) 2013 2015 Kinderärztliche Praxen 66,6 76,4 Niedergelassene Hebammen 64,4 72,5 Stationäre medizinische Versorgung Anteil Kommunen, in denen Akteure in Netzwerke eingebunden sind (in Prozent ) 2013 2015 Geburtskliniken 67,9 76,9 Kinderkliniken 54,6 63,4 Diese Angaben beziehen sich auf die Kommunen (2013: N = 452 | 2015: N = 432), in denen nur ein Netzwerk für Frühe Hilfen besteht (s. Antwort zu Frage 11). 13. Wann nimmt die Bundesregierung die Arbeit an der bereits in der vergangenen Legislaturperiode begonnenen Gesetzesreform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes wieder auf, und was wird unternommen, um die Reform erfolgreich abzuschließen? 15. Inwieweit hat die Bundesregierung begonnen, wie von ihr angekündigt, Erfahrungsberichte , die sie von Betroffenen erhalten hat, auszuwerten, um daraus politische Schlüsse zu ziehen, und wie lauten diese (www.deutschland funk.de/offene-baustellen-im-jugendamt-kinder-staerken-aber-wie.724.de. html?dram:article_id=417812)? Die Fragen 13 und 15 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet : Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben CDU/CSU und SPD vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und dabei den Kinderschutz und die Unterstützung von Familien zu verbessern. Im Vorfeld der Gesetzesinitiative wird ein breiter Dialog mit Akteuren aus Wissenschaft und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe und den Ländern und Kommunen geführt werden. Darüber hinaus werden Erfahrungen von Beteiligten und Betroffenen mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Familiengerichtsbarkeit gesammelt und systematisch ausgewertet werden. Im Rahmen dieser unabhängigen wissenschaftlichen Begleitung sollen sich unter anderem Eltern, Pflegeeltern , Kinder und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie Familienrichter und -richterinnen vertraulich äußern können. Die Auswertung wird mit Blick Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/5017 auf systemische und strukturelle Veränderungsbedarfe in das weitere Verfahren mit aufgenommen. Die Auftaktveranstaltung für den Dialogprozess findet Anfang November statt. 14. Aus welchen Gründen ist nach Meinung der Bundesregierung eine Reformierung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes nach Einschätzung der Bundesregierung bis heute nicht zustande gekommen? Das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) wurde am 29. Juni 2017 vom Deutschen Bundestag verabschiedet . Mangels Beschlussfassung des Bundesrates über das zustimmungspflichtige Gesetz ist seine Verkündung bzw. sein Inkrafttreten nicht erfolgt. Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode sieht vor, die Kinder- und Jugendhilfe auf Basis des KJSG umfassend weiterzuentwickeln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5017 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Anlage zu Frage 7: Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls nach der/den bekannt machenden Institution oder Person/en und Ergebnis des Verfahrens (Deutschland; 2017) Verfahren insgesamt Davon nach der/den bekannt machenden Institution oder Person/en Sozialer Dienst/ Jugendamt Beratungs - stelle andere/r Einrichtung / Dienst der Erziehungs - hilfe Einrichtung der Jugendarbeit / Kinderu . Jugendhilfe Kindertages - einrichtung / -pflegeperson Schule Hebamme / Arzt/ Klinik/ Gesundheitsamt / u.ä. Dienste Polizei/ Gericht/ Staatsanwalt - schaft Eltern (-teil)/ Personen - sorgeberech - tigte/r Minderjäh - rige/r selbst Verwandte Bekannte / Nachbarn Anonyme /r Melder/in Sonstige Verfahren insgesamt 143.275 8.533 1.546 5.882 4.341 4.850 14.542 8.947 33.542 9.789 3.080 7.582 16.030 15.133 9.478 darunter Verfahren mit dem Ergebnis einer akuten Kindeswohl - gefährdung 21.694 2.131 265 1.725 1.338 694 2.494 1.866 4.322 1.576 1.140 974 1.035 980 1.154 darunter Verfahren mit dem Ergebnis einer latenten Kindeswohl - gefährdung 24.054 1.737 293 1.548 1.208 1.083 3.038 1.538 5.112 1.715 615 1.167 1.993 1.568 1.439 darunter Verfahren mit dem Ergebnis, dass keine Kindeswohl - gefährdung vorliegt (aber ggf. Hilfebedarf ) 97.527 4.665 988 2.609 1.795 3.073 9.010 5.543 24.108 6.498 1.325 5.441 13.002 12.585 6.885 Quelle: Statistisches Bundesamt – Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Gefährdungseinschätzungen nach § 8a Abs. 1 SGB VIII 2017; Berechnungen Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333