Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Auswärtigen Amts vom 12. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5059 19. Wahlperiode 16.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Zaklin Nastic, Heike Hänsel, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/4660 – Verhaftung von Sarah Mardini und Sean Binder auf Lesbos V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 21. August 2018 wurden die in Deutschland lebende und studierende Sarah Mardini und der deutsche Staatbürger Sean Binder als Aktivisten der griechischen Nichtregierungsorganisation ERCI (Emergency Response Centre International ) auf der griechischen Insel Lesbos am Flughafen verhaftet, als sie gerade zurück nach Deutschland fliegen wollten. Die 23-Jährige befindet sich nach Aussage ihrer Anwälte im Athener Korydallos-Gefängnis in Untersuchungshaft . Das Anwaltsteam hat einen Antrag auf vorläufige Freilassung Mardinis und Binders gestellt, der beim ersten Haftprüfungstermin aber abgelehnt wurde (https://m.tagesspiegel.de/themen/reportage/sarah-mardini-eine-fluechtlingshelferindie -im-gefaengnis-landete/23000892.html?utm_referrer=https%3A%2F%2F www.google.de%2F; www.n-tv.de/politik/Polizei-verhaftet-Fluechtlingshelfer-aus- Berlin-article20597719.html). Laut Medienberichten wird der Aktivistin und dem Aktivisten vorgeworfen, Menschen zur illegalen Einreise nach Griechenland verholfen und dabei auch mit organisierten Schleppern zusammengearbeitet zu haben. Zudem sollen sie illegal den Funkverkehr der griechischen Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex abgehört haben, ihnen werden Geldwäsche und sogar Spionage vorgeworfen (www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-fluechtlingshelferinvon -der-heldin-zur-verdaechtigen-a-1225920.html). Sowohl ERCI als auch Sarah Mardini und Sean Binder haben die ihnen gemachten Vorwürfe kategorisch zurückgewiesen und auch andere ERCI-Mitstreiterinnen und ERCI-Mitstreiter haben auf eine enge Zusammenarbeit zwischen ERCI und der griechischen Küstenwache sowie Frontex bei Rettungsaktionen hingewiesen (https://ercintl.org/ press-release-erci-3/; https://m.france24.com/en/20180907-syrian-sister-starswimmer -greece-arrest-migrants-rescue). Bereits im Februar 2018 waren Sarah Mardini und Sean Binder zwei Tage von der griechischen Polizei auf Lesbos inhaftiert worden, konnten dann das Land aber ohne Auflagen und ohne ein weiteres Vorgehen gegen sie verlassen (www.taz.de/!5535190/). Ebenso ist der Organisation bereits in den Jahren zuvor der unsachgemäße Umgang mit Geldern vorgeworfen worden. Der Vorwurf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5059 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode konnte nicht erhärtet werden, die Organisation hat ihre Finanzen detailliert dargelegt (https://ercintl.org/financial-statement-2015-en/; https://ercintl.org/financialstatement -2016-en/; https://ercintl.org/financial-statement-2017-en/). Die griechische Polizei sprach in Zusammenhang mit der Verhaftung der Flüchtlingshelferin und des Flüchtlingshelfers davon, ein „kriminelles Netzwerk “ zerschlagen zu haben. Die griechischen Behörden geben an, gegen 30 Mitglieder von mindestens drei NGOs zu ermitteln (www.sueddeutsche.de/ politik/fluechtlingshelferin-geflohen-gefeiert-verhaftet-1.4110188-2; www.bento. de/politik/zwei-fluechtlingshelfer-retteten-menschen-das-leben-jetzt-sitzen-siedafuer -in-haft-a-d82fab88-794b-4fce-940f-6c5057048499). Als Sarah Mardini und ihre Schwester Yusra 2015 selbst auf der Flucht von Syrien nach Deutschland zusammen mit anderen Geflüchteten in einem Schlauchboot auf dem Weg nach Lesbos saßen, fiel der Bootsmotor aus. Die beiden Schwestern, die bereits in Syrien als Leistungsschwimmerinnen aktiv waren, zogen das Boot schwimmend an Land und retteten dadurch 18 Menschenleben . Die beiden Schwestern erhielten dafür nach ihrer Ankunft in Deutschland 2016 den Bambi als „stille Helden“. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Fälle Sarah Mardini und Sean Binder sind laufende Ermittlungsverfahren und werden von den zuständigen griechischen Behörden betrieben. Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt und die Anklage noch nicht veröffentlicht wurde, können zur Indizien- und Beweislage keine Aussagen getroffen werden . Die Bewertung der Indizien und Beweise obliegt allein der unabhängigen griechischen Justiz. Die Bundesregierung verfolgt das Verfahren und steht mit den griechischen Behörden in Kontakt. Sie respektiert die griechische Hoheitsgewalt und Rechtsstaatlichkeit sowie die Unabhängigkeit der griechischen Justiz. 1. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die zweitägige Verhaftung Sarah Mardinis und Sean Binders im Februar 2018 vor? a) Auf welcher rechtlichen Grundlage wurden die beiden nach Kenntnis der Bundesregierung von der griechischen Polizei festgehalten, und welche Vorwürfe wurden ihnen gemacht? b) Welche konkreten Anstrengungen haben deutsche Diplomatinnen und Diplomaten und/oder Regierungsmitglieder damals unternommen, um sich für eine Freilassung Sarah Mardinis und Sean Binders einzusetzen? Die Fragen 1 bis 1b werden zusammengefasst beantwortet. Die Bundesregierung hat am 2. März 2018 durch eine E-Mail von Sean Binder an die deutsche Botschaft Athen von seiner Festnahme erfahren. Eine offizielle Benachrichtigung der Botschaft durch die griechischen Behörden zu dem Vorfall erfolgte nicht. Seitens der Botschaft wurde Sean Binder empfohlen, sich anwaltlich beraten zu lassen. Da Sean Binder auf die Nachfrage, ob er sich in Untersuchungshaft befinde, nicht weiter antwortete und lediglich angab, anwaltlich vertreten zu sein, wurden keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Herr Binder meldete sich bei der Botschaft nicht mehr. Die Personalien und der Vorfall zu Frau Mardini waren der Botschaft zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5059 c) Mit welcher Begründung und warum wurden Sarah Mardini und Sean Binder nach Kenntnis der Bundesregierung nach zwei Tagen aus der Haft entlassen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Nach griechischem Recht können Personen ohne richterlichen Beschluss bis zu 48 Stunden in Gewahrsam genommen werden. 2. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung über die Sarah Mardini und Sean Binder aktuell gemachten Vorwürfe vor, und wie werden diese nach Kenntnis der Bundesregierung von den griechischen Behörden begründet und mit Indizien bzw. Beweisen unterlegt? 3. Wie genau lauten die Vorwürfe, die Sarah Mardini und Sean Binder gemacht werden, nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte einzeln auflisten und gegebenenfalls erläutern), und für wie glaubhaft hält die Bundesregierung diese Vorwürfe? 4. Wie schätzt die Bundesregierung den Sarah Mardini und Sean Binder gemachten Vorwurf der Geldwäsche ein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie nach eigenen Angaben lediglich Spendengelder eingeworben haben, um die Geflüchteten in den Flüchtlingslagern Moria und Kara Tepe auf Lesbos zu unterstützen? 5. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die bereits abgeschlossenen Ermittlungen gegen ERCI im Hinblick auf unsachgemäßen Umgang mit Geldern vor, und wie beurteilt sie vor dem Hintergrund, dass dabei keine Unregelmäßigkeiten bewiesen werden konnten, die aktuellen Vorwürfe an die Organisation sowie konkret gegen Sarah Mardini und Sean Binder? Die Fragen 2 bis 5 werden zusammengefasst beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 6. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation der Menschen in Moria ein, und teilt sie die Auffassung, dass die Geflüchteten dort auf Unterstützung und Hilfe von außen (etwa durch freiwillige Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer) angewiesen sind? Das Aufnahmelager in Moria ist derzeit überbelegt, die dortige Infrastruktur ist nicht für die derzeitige Anzahl von Personen ausgelegt. Die Verbesserung von Infrastruktur und Versorgung ist regelmäßig Gegenstand der EU-Koordinierung zur Umsetzung der EU-Türkei Erklärung vom 18. März 2016. Die Bundesregierung nimmt an diesen Koordinierungstreffen teil und hat die Lage in Moria zuletzt Ende September thematisiert. Externe Organisationen wie etwa das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (United Nations High Commissioner for the Refuges, UNHCR), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations International Childrens Emergency Fund, seit 1953 United Nations Childrens Fund, UNICEF), die Internationale Organisation für Migration (IOM), verschiedene Institutionen der Europäischen Union und verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NRO) leisten größtenteils wertvolle Unterstützung , die griechischen Behörden haben Regelungen zur Zusammenarbeit mit in der Flüchtlings- und Migrationsarbeit tätigen internationalen Organisationen und NRO erlassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5059 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Haben Sarah Mardini, Sean Binder und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter nach Kenntnis der Bundesregierung irgendetwas getan, das über die Rettung von Menschen und deren Versorgung hinausging? 8. Wie schätzt die Bundesregierung den Sarah Mardini, Sean Binder und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern gemachten Vorwurf der Spionage ein und gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Anzeichen dafür, dass die Aktivistinnen und Aktivisten verschlüsselten griechischen Funk und verschlüsselten Frontex-Funk abgehört haben? Wenn ja, wurde der Funk nach Kenntnis der Bundesregierung mit dem Ziel abgehört, Menschenleben zu retten? Die Fragen 7 und 8 werden zusammengefasst beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 9. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über eine Zusammenarbeit während der Rettungsaktionen zwischen ERCI sowie jeweils der griechischen Küstenwache und Frontex vor? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 10. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen gegen Sarah Mardini, Sean Binder und die anderen Verhafteten und wie detailliert und regelmäßig wird die Bundesregierung hierzu von den griechischen Behörden informiert? Es handelt sich um laufende Ermittlungsverfahren. Die Deutsche Botschaft Athen steht mit griechischen Behörden über die die Haft betreffenden Fragen (Inhaftierung , Einweisung in die Haftanstalt, Verlegungen) in Kontakt. Die Geltendmachung der prozessualen Rechte von Sarah Mardini und Sean Binder obliegt ihren Rechtsbeiständen. 11. Wie schätzt die Bundesregierung die jeweiligen Haftbedingungen Sarah Mardinis und Sean Binders ein (bitte einzeln sowohl zu Sarah Mardini als auch zu Sean Binder Stellung nehmen)? Sarah Mardini ist im Frauen-Untersuchungsgefängnis in Korydallos/Athen inhaftiert . Nach vorliegenden Erkenntnissen werden die Mindeststandards der Haftbedingungen gewahrt. Haftbesuche durch Konsularbeamte der deutschen Botschaft Athen, Familienangehörige und andere werden bislang ohne Probleme gewährt. Sean Binder ist in der Haftanstalt Chios untergebracht. Nach vorliegenden Erkenntnissen werden die Mindeststandards für Haftbedingungen gewahrt. Haftbesuche durch Konsularbeamte der deutschen Botschaft Athen, Familienangehörige und andere werden bislang ohne Probleme gewährt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5059 12. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung aus dem Antrag auf vorläufige Haftentlassung Sarah Mardinis und Sean Binders geworden, der ja beim ersten Haftprüfungstermin abgelehnt wurde, wie schätzt die Bundesregierung die weiteren Erfolgsaussichten des Antrags auf vorläufige Haftentlassung ein und welche Anstrengungen haben die Bundesregierung sowie deutsche Diplomatinnen und Diplomaten unternommen und werden sie in der Zukunft unternehmen, um den Antrag Sarah Mardinis und Sean Binders zu unterstützen ? Zur Zeit der Beantwortung der Anfrage sind nach Kenntnis der Deutschen Botschaft Athen keine weiteren Rechtsmittel gegen die Untersuchungshaft anhängig. Die Botschaft Athen steht in regelmäßigem Kontakt mit den Haftanstalten sowie mit den Rechtsanwälten von Sarah Mardini und Sean Binder. Sie wird Sean Binder weiterhin konsularisch und Sarah Mardini aufgrund der übernommenen Schutzpflichten betreuen und Haftbesuche in beiden Fällen durchführen. 13. Welche Gespräche gab es zwischen welchen deutschen Diplomatinnen und Diplomaten und/oder Regierungsmitgliedern mit welchen griechischen Diplomatinnen und Diplomaten und/oder Regierungsmitgliedern mit welchem Resultat zu den Vorwürfen gegen Sarah Mardini sowie Sean Binder und den gegen sie laufenden Ermittlungen? 14. Welche konkreten Anstrengungen haben deutsche Diplomatinnen und Diplomaten und/oder Regierungsmitglieder unternommen, um sich für eine Freilassung oder zumindest für eine vorläufige Haftentlassung Sarah Mardinis und Sean Binders einzusetzen? Die Fragen 13 und 14 werden zusammengefasst beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 15. Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit einem Prozessbeginn gegen Sarah Mardini und Sean Binder zu rechnen, und welches Strafmaß ist nach Kenntnis der Bundesregierung zu erwarten, sollten sie wegen der ihnen gemachten Vorwürfe verurteilt werden? Zum Zeitpunkt des Prozessbeginns liegen der Bundesregierung noch keine Erkenntnisse vor. Da noch keine Anklage erhoben wurde, kann auch zum möglicherweise zu erwartenden Strafmaß keine Aussage getroffen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333