Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 16. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5225 19. Wahlperiode 19.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/4712 – Schadensmindernde Maßnahmen beim intravenösen Drogenkonsum im Strafvollzug V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2017 befanden sich zum Stichtag des 30. November über 73 000 Gefangene und Verwahrte in den deutschen Justizvollzugsanstalten (www.destatis. de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/ BestandGefangeneVerwahrtePDF_5243201.pdf?__blob=publicationFile). Unter denjenigen, die in den Justizvollzugsanstalten eine Freiheitsstrafe verbüßen, sind etwa 6 500 Menschen wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden (Stand vom 31. März 2017: www.destatis.de/DE/Publikationen/ Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/Strafvollzug2100410177004.pdf; jsessionid=466E5E42A384CFF9EDE68308FE757352.InternetLive2?__blob= publicationFile). Die Anzahl der Inhaftierten, die eine Drogenabhängigkeit aufweisen , dürfte aber wesentlich höher sein. Das lassen kürzlich veröffentlichte Zahlen aus dem bayrischen Justizministerium vermuten, denn in Bayern ist jeder vierte Strafgefangene bei Haftantritt drogenabhängig (www.welt.de/regionales/ bayern/article181260520/Jeder-vierte-Knast-Neuling-ist-drogenabhaengig.html). Bekannt ist zudem, dass etwa 30 Prozent der Drogenabhängigen mit Hafterfahrung bejahen, auch während ihrer Haftzeit intravenös (i. v.) Drogen konsumiert zu haben (RKI 2016: Drogen und chronische Infektionskrankheiten in Deutschland – DRUCK-Studie, S. 69). Die Abhängigkeit von Opiaten gilt allgemein als „schwere chronische Krankheit“ (Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger 2017, S. 6). Der i. v. Drogenkonsum birgt auch in Freiheit viele Risiken, wie die einer Überdosis oder der Ansteckung mit Infektionskrankheiten. In Haft allerdings steigt das Risiko, sich mit HIV oder Hepatitis C (HCV) zu infizieren, erheblich – im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sogar um das 20- bis 30-fache (www.aidshilfen. de/CMS/newsletter/upload/01_NL_ahnrw/2010/2010_03_17_NL_06/20100120_ keppler_etal_prison_health.pdf) –, denn die meisten Konsumvorgänge erfolgen mit bereits benutzten und geteilten Konsumutensilien. Schadensmindernde Maßnahmen (Harm Reduction) könnten dem entgegenwirken . Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) stellt fest: „Als wirksamer Ansatz zur Prävention von HIV und Hepatitis hat sich ein Paket von schadensmindernden Maßnahmen (Harm Reduction) erwiesen, das u. a. Nadel- und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5225 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Spritzenaustauschprogramme und Drogensubstitutionstherapien einschließt“ (BIS 2030 – Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen, S. 25/26). In den deutschen Haftanstalten fehlt allerdings die Umsetzung. Der vom BMG geförderte REITOX-Bericht konstatiert diesbezüglich: „Besonders schlecht ist die Versorgung in Gefängnissen“ (DBDD 2017: Kurzbericht – Situation illegaler Drogen in Deutschland. Basierend auf dem REITOX-Bericht 2017 an die EBDD, S. 5). Der Zugang zu sterilen Konsumutensilien – als Maßnahme zur Harm Reduction – scheint in Justizvollzugsanstalten nicht gesichert. So erläutert die Bundesregierung 2016, ihr sei „lediglich bekannt, dass es in der Frauenhaftanstalt Lichtenberg in Berlin einen Spritzenautomaten gibt“ (Bundestagsdrucksache 18/10047). Zum Thema Substitution in Haft fassen die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zusammen: „Die sehr hohe Zahl von Drogenabhängigen in deutschen Haftanstalten spiegelt sich in keiner Weise in der Zahl der Substituierten wider. Entgegen der ausdrücklichen Vorgaben der Richtlinie der Bundesärztekammer erfolgt in den meisten Fällen bei Inhaftierung ein Abbruch der in Freiheit begonnenen Behandlung“ (WD 9 – 3000 – 049/16). Dabei stellt die Substitutionsbehandlung für viele Opiatabhängige ein bewährtes Mittel zum Ausstieg aus Kriminalität und zur Aufrechterhaltung der körperlichen und psychosozialen Gesundheit dar. Fehlende schadensminimierende Maßnahmen wirken dem Strafvollzugsziel entgegen. In ständiger Rechtsprechung verweist das Bundesverfassungsgericht auf das Resozialisierungsziel des Strafvollzugs. Aus diesem Ziel werden drei Grundsätze für den Strafvollzug hergeleitet. Der Angleichungsgrundsatz besagt, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden muss. Der Gegenwirkungsgrundsatz beinhaltet, dass der Staat, in dessen Obhut sich die Gefangenen befinden, den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenwirken muss. So sollen die schädlichen Nebenfolgen, die den Gefangenen lebensuntüchtig machen, vermieden werden. Des Weiteren bestimmt der Eingliederungsgrundsatz, dass der Vollzug darauf auszurichten ist, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (Köhne: Drogenkonsum im Strafvollzug. Zeitschrift für Rechtspolitik . 43(7)). Inwiefern diese Grundsätze und damit die Resozialisierung in Gänze mit mangelnden Maßnahmen zur Harm Reduction vereinbar sind, ist fraglich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied schon 2016, dass die Ablehnung einer Substitutionsbehandlung seitens deutscher Vollzugsbehörden gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention – Verbot der unmenschlichen Behandlung – (EMRK) verstößt. Gemäß Artikel 3 der EMRK hat der Konventionsstaat dem Gefangenen eine notwendige und angemessene medizinische Hilfe und Behandlung zur Verfügung zu stellen. Diese angemessene medizinische Versorgung in einer Haftanstalt muss vergleichbar damit sein, was der Staat der Bevölkerung insgesamt an medizinischer Versorgung zur Verfügung stellt. Dieser Schutzpflicht ist Deutschland nicht nachgekommen (http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-165758). Dass der Strafvollzug seit der Föderalismusreform von 2006 der Gesetzgebungskompetenz der Länder untersteht , entlässt nach Ansicht der Fragesteller den Bund nicht aus seiner Verantwortung . V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Durchführung des Justizvollzuges und die Gesetzgebung hierzu sind nach der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich eine Angelegenheit der Länder (Artikel 30, 70 Absatz 1 des Grundgesetzes). Auch obliegt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nicht Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5225 die Dienstaufsicht über die Justizvollzugsbehörden; vielmehr wird diese von der jeweiligen obersten Justizbehörde des zuständigen Landes ausgeübt. Aufgrund der fehlenden Zuständigkeit für den Justizvollzug liegen der Bundesregierung daher zum überwiegenden Teil der Fragen keine konkreten, insbesondere keine statistischen Erkenntnisse vor. Ergebnisse der bundeseinheitlichen Erhebung zur stoffgebundenen Suchtproblematik im Justizvollzug, die auf Beschluss des Strafvollzugsausschusses der Länder seit 2016 durchgeführt wird, liegen der Bundesregierung ebenfalls nicht vollständig vor. Der Bundesregierung ist jedoch bekannt , dass mittlerweile alle Länder die Gesundheitsfürsorge der Gefangenen in ihren Landesstrafvollzugsgesetzen geregelt haben. 1. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der suchtmittelabhängigen Inhaftierten bzw. Verwahrten 2016, 2017 und 2018 am jeweiligen Stichtag der bundeseinheitlichen Erhebung zur stoffgebundenen Suchtproblematik im Justizvollzug (bitte nach Hauptsubstanz, Art des Freiheitsentzugs und Geschlecht auflisten)? 2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Inhaftierten bzw. Verwahrten mit Suchtmittelmissbrauch 2016, 2017 und 2018 am jeweiligen Stichtag der bundeseinheitlichen Erhebung zur stoffgebundenen Suchtproblematik im Justizvollzug (bitte nach Hauptsubstanz, Art des Freiheitsentzugs und Geschlecht auflisten)? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen zu den Fragen 1 und 2 keine Informationen für das gesamte Bundesgebiet vor. 3. Inwiefern hält die Bundesregierung drogenfreie Haftanstalten für erreichbar, und welche Rückschlüsse zieht sie daraus für die Bewertung von schadensminimierenden Maßnahmen? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Die Bundesregierung sieht sich daher außer Stande zu bewerten, ob drogenfreie Haftanstalten erreichbar sind. Es obliegt ihr weiterhin nicht, entsprechende Rückschlüsse hieraus für die Bewertung von schadensminimierenden Maßnahmen zu ziehen. 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl von Menschen, die in Haft erstmals Drogen konsumieren und ggf. eine Abhängigkeit entwickeln (bitte nach Hauptsubstanz und Geschlecht auflisten)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 5. Schließt sich die Bundesregierung der Definition der Bundesärztekammer an, dass eine Opiatabhängigkeit eine schwere chronische Krankheit ist? Ja, dies entspricht dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. 6. Wie bewertet die Bundesregierung die Substitutionsbehandlung in Justizvollzugsanstalten ? Die gesundheitliche Versorgung von Inhaftierten obliegt den Ländern. Die Bundesregierung nimmt daher in diesem Bereich keine Bewertung vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5225 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Stellt nach Ansicht der Bundesregierung die Substitutionstherapie eine „angemessene und notwendige“ medizinische Behandlung in Gefängnissen dar? Die Angemessenheit und Notwendigkeit einer Substitutionsbehandlung ist für jeden Patienten/jede Patientin immer individuell von einem Arzt/einer Ärztin zu bestimmen. 8. Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR, Urt. v. 1. September 2016 – 62303/13 – Wenner/Deutschland) getroffen, eine Substitutionstherapie zu gewährleisten? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Gesetzgeberische oder untergesetzliche Initiativen und sonstige Maßnahmen auf diesem Gebiet seitens der Bundesregierung kommen deshalb schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Dies gilt auch für die in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte angesprochene Frage einer Substitutionstherapie in einer Justizvollzugsanstalt. 9. Inwiefern unterstützt der Bund die Länder im Hinblick auf die Angebote der Substitutionstherapie? Die Bundesregierung hat mit der 3. Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) den rechtlichen Rahmen geschaffen, um die Vorgaben des Substitutionsrechts an Erkenntnisse des wissenschaftlichen Fortschritts und an aktuelle praktische Erfordernisse anzupassen. Daneben stellt die Bundesregierung mit der Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Register mit Daten über das Verschreiben von Substitutionsmitteln (Substitutionsregister) zur Verfügung, welches dort im Auftrag der Bundesländer geführt wird. Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 Absatz 3 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in Verbindung mit § 5b BtMVV. Des Weiteren fördert der Bund Modell- und Forschungsprojekte u. a. auch zur Substitutionsbehandlung. 10. Wie viele Menschen befanden sich 2016 bis 2018 während ihrer Haft in Substitution (bitte jährliche Zahlen zum Stichtag auflisten)? a) Wie viele dieser Personen werden jeweils mit Methadon bzw. Polamidon oder Buprenorphin substituiert (bitte nach Geschlecht auflisten)? b) Wie viele dieser Personen befinden sich jeweils in einer diamorphingestützten Behandlung (bitte nach Geschlecht auflisten)? Die Fragen 10, 10a und 10b werden gemeinsam beantwortet. Für die Datenbank „Gesundheitsvorsorge im Justizvollzug in den europäischen Regionen“ der Weltgesundheitsorganisation wurde Anfang des Jahres 2018 eine Abfrage bei den Ländern durchgeführt, in deren Rahmen die nachfolgenden Zahlen erhoben wurden: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5225 Land Anzahl Stichtag Nordrhein-Westfalen 1415 30. April 2016 Niedersachsen keine Information Hessen 318 1.Oktober 2016 Sachsen 1 18. Januar 2017 Sachsen-Anhalt 40 31. März 2016 Thüringen 31 31.Dezember 2016 Rheinland-Pfalz 60 31. März 2016 Mecklenburg-Vorpommern 2 26. Januar 2017 Baden-Württemberg 800 2016 Brandenburg keine Information Bremen 100 28. Januar 2017 Saarland 2 20. Januar 2017 Bayern 35 31. Januar 2016 Berlin 1068 2016 Hamburg ca. 150 31. Januar 2017 Schleswig-Holstein 122 1. Februar 2017 11. In wie vielen Justizvollzugsanstalten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den jeweiligen Stichtagen keine Personen in Substitution (bitte nach Bundesländern auflisten)? 12. In wie vielen Justizvollzugsanstalten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung keine Substitutionstherapie (bitte nach Bundesländern auflisten)? Zu den Fragen 11 und 12 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 13. In wie vielen Justizvollzugsanstalten gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung keine Substitutionstherapie mit Diamorphin (bitte nach Bundesländern auflisten)? Die Behandlung mit Diamorphin darf gemäß § 5 a Absatz 2 BtMVV nur in Einrichtungen durchgeführt werden, denen eine Erlaubnis durch die zuständige Landesbehörde erteilt wurde. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde die Diamorphinvergabe nur durch das Justizministerium Baden-Württembergs geregelt. Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse darüber vor, in wie vielen Justizvollzugsanstalten die Behandlung mit Diamorphin stattfindet bzw. nicht stattfindet . 14. Inwiefern sind fehlende Substitutionsprogramme nach Ansicht der Bundesregierung damit vereinbar, dass die Lebensverhältnisse im Strafvollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angepasst werden sollen (Angleichungsgrundsatz)? 15. Inwiefern ist der durch Haftantritt verursachte Abbruch einer Substitutionsbehandlung der in ICD-10 F11.2 klassifizierten Opiatabhängigkeit nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Gegenwirkungsgrundsatz vereinbar? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5225 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Wie viele Menschen müssen nach Kenntnis der Bundesregierung jedes Jahr mit Haftantritt ihre Substitutionstherapie abbrechen (bitte für den Zeitraum 2004 bis 2018 und nach Geschlecht auflisten)? 17. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die jährliche Anzahl der medizinisch begleiteten Entgiftungen im Jahr 2016 und 2017 (bitte nach Geschlecht auflisten)? Zu den Fragen 14 bis 17 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 18. Wie viele Drogentote sind nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich in Justizvollzugsanstalten zu verzeichnen (bitte für den Zeitraum 2007 bis 2017 und nach Geschlecht auflisten)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. In der im Bundesamt für Justiz geführten Statistik zu Todesfällen in Haft werden neben der Gesamtzahl der Todesfälle lediglich die Todesfälle durch Unfall und Suizid gesondert ausgewiesen. Eine weitergehende Differenzierung erfolgt nicht. 19. Wie viele Justizvollzugsanstalten verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über Naloxon als Notfallmedikament gegen Opioid-Überdosen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Die indikationsgerechte Versorgung von in Haft befindlicher Patienten/Patientinnen mit Arzneimitteln erfolgt in eigener Zuständigkeit der Länder. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 20. Bei wie vielen Inhaftierten erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich die Entlassung in eine stationäre bzw. ambulante Suchtentwöhnungsbehandlung im Rahmen der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes (bitte für den Zeitraum 2003 bis 2017 und nach Geschlecht auflisten)? 21. Wie interpretiert die Bundesregierung diese Zahlen? Zu den Fragen 20 und 21 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 22. Welches Ziel hat der Strafvollzug nach Auffassung der Bundesregierung? Unter der Gesetzgebungskompetenz des Bundes galt das Vollzugsziel des § 2 Satz 1 des Bundes-Strafvollzugsgesetzes (StVollzG a. F.). Danach soll der Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Gemäß § 2 Satz 1 StVollzG a. F. dient der Vollzug der Freiheitsstrafe auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Die Länder haben in ihren Strafvollzugsgesetzen entsprechende Vollzugsziele bzw. Eingliederungsaufträge aufgenommen, die nunmehr Geltung beanspruchen. 23. Wie ist mit diesem Ziel vereinbar, dass das Ansteckungsrisiko von HIV und HCV im Strafvollzug deutlich höher ist als außerhalb des Strafvollzugs, obwohl es sich durch schadensmindernde Maßnahmen reduzieren ließe? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/5225 24. Wie viele Menschen stecken sich nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich in Haft mit HIV oder HCV an (bitte für den Zeitraum 2007 bis 2017 und nach Geschlecht auflisten)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Im Übrigen wäre eine Erfassung der HIV- sowie der HCV Neuinfektionen in Haft nur durch eine verpflichtende Testung aller Gefangenen bei Haftantritt und Haftentlassung in allen Haftanstalten in Deutschland möglich. Dies entspräche nicht den nationalen und internationalen Standards der freiwilligen Testung. Selbst bei einer verpflichtenden Testung würden nicht alle HIV-/HCV-Infektionen in Haft erfasst werden können, da die Infektionen durch die routinemäßigen angewendeten Testverfahren nicht unmittelbar nach dem Infektionszeitpunkt nachweisbar sind. Darüber hinaus wäre nicht verifizierbar, ob die Infektion tatsächlich in Haft oder gegebenenfalls während eines Freigangs erfolgt ist. 25. Welche schadensreduzierenden Maßnahmen lassen sich nach Kenntnis der Bundesregierung in Haftanstalten durchführen? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beurteilt im Setting Haft Aufklärung und Prävention, die Vergabe von sterilen Konsumutensilien sowie Bleich- und Desinfektionsmitteln, die Möglichkeit zur Substitutionstherapie sowie Naloxonvergabe vor der Haftentlassung als wirksame Maßnahmen zur Reduzierung von mit dem Drogenkonsum assoziierten Schäden. 26. Liegen der Bundesregierung neue Erkenntnisse vor, in wie vielen Justizvollzugsanstalten – außer der Frauenhaftanstalt Lichtenberg – Spritzenaustauschprogramme oder Spritzenautomaten angeboten werden? 27. Inwiefern erfüllt nach Ansicht der Bundesregierung der Staat aufgrund fehlender Spritzenaustauschprogramme seine Aufgabe nicht, dass a) für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen – in diesem Falle von i. v. Drogenkonsumenten – zu sorgen ist, und b) den Gefangenen eine Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln zu gewährleisten ist, wenn diese notwendig sind, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen? Zu den Fragen 26 und 27 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 28. Welche weiteren schadensreduzierenden Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung in deutschen Haftanstalten durchgeführt (bitte wenn möglich Daten zur Häufigkeit angeben)? Das „Workbook Prison“ des Berichts des deutschen Reitox-Knotenpunktes an die Europäische Drogenbeobachtungsbehörde (EBDD) legt dar, dass in deutschen Haftanstalten Substitutionsbehandlungen, Spritzentausch oder Drogennotfalltrainings für Bedienstete angeboten werden. Der Bundesregierung liegen darüber hinaus keine Kenntnisse zur Häufigkeit der Durchführung dieser Maßnahmen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5225 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 29. Inwiefern widerspricht nach Ansicht der Bundesregierung die Situation, dass i. v. Drogenkonsumenten den in Freiheit praktizierten Safer Use (durch Nutzung von sterilen Konsumutensilien und Drogenkonsumräumen) in Haft nicht fortsetzen können, dem Gegenwirkungsgrundsatz, demzufolge schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken ist? 30. Inwiefern widersprechen nach Ansicht der Bundesregierung die mangelnden Maßnahmen zur Harm Reduction dem Vollzugsziel, dass die Gefangenen fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen? Zu den Fragen 29 und 30 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333