Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 19. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5254 19. Wahlperiode 23.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Cornelia Möhring, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 4511 – Verwendung von Blasenschleiern beim Sprengen von Altmunition V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die fortschreitende Kommerzialisierung des Meeresbodens von Nord- und Ostsee führt zu verstärkten Interaktionen mit Altmunition. So wurden nach Angaben in den Fortschrittsberichten des BLANO (Bund/Länder-Ausschusses Nordund Ostsee)-Expertenkreises „Munition im Meer“ im Zeitraum von 2015 bis 2017 in deutschen Meeresgewässern mindestens 171 Sprengungen von Altmunition durchgeführt, die weitaus meisten davon im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie. Die bei derartigen Sprengungen entstehenden Schockwellen sind in der Lage, noch in über 10 km Entfernung das Gehör von Schweinswalen zu schädigen sowie schwere Verletzungen bei Meeressäugetieren, tauchenden Vögeln und Fischen zu verursachen (siehe Benda-Beckmann et al. 2015). Als ein Bewertungskriterium der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) zu Deskriptor 11 wird formuliert: „Die räumliche Verteilung, die Dauer und die Intensität der Beschallung durch anthropogen verursachten Impulsschall erreichen keine Werte, die Populationen von Meerestieren beeinträchtigen“. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) empfiehlt deshalb bei Sprengungen von Altmunition die Verwendung eines Blasenschleiers, dessen Einsatz beim Rammen von Windparkfundamenten inklusive begleitender Schallmessungen bereits seit mehreren Jahren in Nebenbestimmungen zur Genehmigung von Offshore-Windparks vorgeschrieben ist. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung geht davon aus, dass die im einleitenden Text der Anfrage genannten 171 Sprengungen von Altmunition sich auf die gesamten deutschen Meeresgewässer im Zeitraum 2015 bis 2017 beziehen, damit wären auch Sprengungen im Küstenmeer erfasst. Im Küstenmeer (insbesondere in Niedersachsen) werden Sprengungen von nicht transportfähiger Munition vielfach auch auf Sandbänken bzw. bei Ebbe und damit nicht unter Wasser durchgeführt. Die genannte Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5254 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode große Anzahl an Sprengungen ist daher nicht zwangsläufig mit einer ebenso hohen potentiellen Gefährdung für Meeressäuger verbunden. Ein Blasenschleier wird für die Sprengungen an der Umgebungsluft nicht benötigt. 1. Welche Folgerungen lassen sich nach Auffassung der Bundesregierung angesichts der seit einigen Jahren in deutschen Gewässern verstärkt durchgeführten Sprengungen für die in der deutschen Nord- und Ostsee vorkommenden Schweinswalpopulationen vor dem Hintergrund ableiten, dass kürzlich veröffentlichte niederländische Untersuchungen (von Benda-Beckmann et al. 2015) zu dem Schluss kommen, dass die von der niederländischen Marine in der Nordsee durchgeführten Sprengungen von Altmunition negative Auswirkungen auf die in niederländischen Gewässern vorkommende Schweinswalpopulation hat? Die Ergebnisse der Studie Benda-Beckmann et al., 2015, berücksichtigen ausschließlich die Vorgehensweise bei Sprengungen in niederländischen Gewässern. Diese unterscheidet sich im Hinblick auf den Schallschutz wesentlich von derjenigen in deutschen Gewässern. Sprengungen stellen die lauteste impulshafte Schallquelle in unseren Meeren dar und sind somit u.a. eine Gefahr für Schweinswale. Die in der o. g. Studie modellierten negativen Auswirkungen von Sprengungen der niederländischen Navy auf die dortige Teilpopulation von Schweinswalen beruhen auf dem früheren Vorgehen, Sprengungen ohne Minderungsmaßnahmen durchzuführen. Die genannten Verletzungszonen von zum Teil über 10 km gelten also vor dem Hintergrund einer ungebremsten Ausbreitung der entstehenden Schall- und Schockwellen. Ein wesentlicher Unterschied zum Vorgehen in deutschen Gewässern ist jedoch, dass bei der Beseitigung von Altmunition in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Regel ein großer Blasenschleier zur Anwendung kommt. Die deutsche Vorgehensweise baut auf Erkenntnissen aus Forschungsprojekten der Bundeswehr auf (Schmidkte, E. 2010: Schalldämpfung mit einem Luftblasenschleier zum Schutz von Meeressäugern, Deutsche Jahrestagung für Akustik (DAGA 2010) in Berlin der Deutschen Gesellschaft für Akustik). Die Ergebnisse der deutschen Studie haben gezeigt, dass ein voll ausgebildeter Blasenschleier um die Sprengstelle den Schall sehr effektiv mindern kann. Unter der Voraussetzung, dass alle Explosionen in deutschen Gewässern mit einem großen Blasenschleier oder anderen vergleichbaren Minderungsmaßnahmen durchgeführt werden, ist eine negative Wirkung auf Ebene der Schweinswalpopulation der Nordsee bzw. Ostsee unwahrscheinlich. Dies liegt an der hohen Effektivität von Blasenschleiern . Um auch Einzeltiere besser schützen zu können, setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die Anzahl der Sprengungen zukünftig reduziert werden kann und fördert ein diesbezügliches Forschungsvorhaben (RoBEMM - Robotisches Unterwasser-Bergungs- und Entsorgungsverfahren inklusive Technik zur Delaboration von Munition im Meer, insbesondere im Küsten- und Flachwasserbereich , Fördermittelgeber ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie). Im Rahmen des Schutzgebietsmanagements für die Naturschutzgebiete in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone werden zudem derzeit entsprechende Maßnahmen zur schadarmen Bergung von Munitionsaltlasten mit den in ihrer Zuständigkeit betroffenen Bundesbehörden abgestimmt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5254 2. Bei wie vielen Sprengungen (bitte getrennt nach Jahren 2015, 2016 und 2017 sowie nach Windparkbaufeldern, Stromleitungstrassen, Pipelines und Fahrwasserräumungen angeben) wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ein Blasenschleier eingesetzt? Welche Minderung der Schockwelle wurde dabei im Einzelfall erzielt? Bei wie vielen Sprengungen kam kein Blasenschleier zum Einsatz? Wie den Berichten des Expertenkreises zu entnehmen ist, wurden im Bereich der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im genannten Zeitraum im Rahmen der vom Bundesamt für Seeschifffahrt (BSH) betreuten Offshore Verfahren insgesamt 66 Sprengungen von nicht transportfähiger Altmunition (unter Einsatz von Vergrämungs- und Schallschutzmaßnahmen) durchgeführt: 2015 2016 2017 Windparkbaufelder 39 8 13 Stromleitungstrassen - 1 3 Pipelines 2 - - Das BSH ist für die Genehmigung von Munitionssprengungen in der AWZ nicht zuständig, wirkt aber im Rahmen seiner Zuständigkeit für den Vollzug der Offshore -Verfahren darauf hin, dass naturschutzfachliche Anforderungen seitens der Vorhabenträger (bzw. die vom Vorhabenträger beauftragten Räumfirmen) beachtet werden. Dies beinhaltet eine vorrangige Verbringung der aufgefundenen Kampfmittel an Land. Ist eine Sprengung unvermeidbar, müssen nach BSH-Vorgaben vom Vorhabenträger diverse Schallschutz- und Vergrämungsmaßnahmen (u. a. Pinger, Seal Scarer, Vorsprengungen, großer Blasenschleier (ringförmig geschlossen )) durchgeführt werden. Der genaue Ablauf wird zuvor in einem „Method Statement“ von der Räumfirma dargestellt und beim BSH eingereicht. Ein Monitoring der erreichten Schallminderung findet nicht statt. Individuelle Informationen zur jeweiligen Art der Schallminderungsmaßnahmen liegen bzgl. der in der Tabelle gelisteten Sprengungen nicht vor. Hinsichtlich der Minderung wird im Fortschrittsbericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Entwicklungen und Fortschritt“ aus dem Jahr 2014 des BLANO Expertenkreises „Munition im Meer“ auf S. 10 grundsätzlich ausgeführt : „Die Umhüllung einer Explosion mit einem Schleier aus aufsteigenden Blasen führt dabei belegbar zu einer Reduzierung der gefährdeten Wasserfläche um bis zu 97 Prozent.“ (www.schleswig-holstein.de/DE/UXO/Themen/Fachinhalte/ textekarten_Berichte.html). Im angefragten Zeitraum von 2015 bis 2017 erfolgten keine Fahrwasserräumungen durch Sprengungen, mit Ausnahme der weiter unten aufgeführten Amtshilfemaßnahme des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg). Im Hinblick auf weitere Gebiete (z. B. Reeden oder sonstige Gebiete) wurden im Jahr 2015 vier Sprengungen und im Jahr 2016 sieben Sprengungen, jeweils mit Blasenschleier, durchgeführt. Die vorstehend gelisteten Sprengungen umfassen nicht solche in Windparks und Kabeltrassen innerhalb der deutschen Küstengewässer. Informationen zu Sprengungen in den Küstengewässern können in den bezeichneten Jahresberichten des Expertenkreis Munition eingesehen werden. Insbesondere im Hinblick auf Schallschutzmaßnahmen sind weitergehende Informationen belastbar nur von den zuständigen Kampfmittelräumdiensten der Länder zu erhalten. Das BMVg berichtet für den Zeitraum 2015 – 2017 eine Amtshilfemaßnahme der Marine zur Kampfmittelbeseitigung (Fahrwasserräumung) mit folgenden Daten: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5254 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Datum der Sprengung zur Beseitigung Altmunition Ort der Sprengung zur Beseitigung Altmunition Ladungsgewicht der Sprengung zur Beseitigung Altmunition Ergriffene Minderungsmaßnahmen Zum Schutz von Meerestieren Ladungsgewicht als TNT Äquivalent 23.11.2016 Mecklenburger Bucht: 54°20,950´N 011°46,621´E 3 kg SK DM52 Vergrämungsmaßnahmen gem. Fleetgen 08-14 4,285 kg 3. Welche weiteren Minderungsmaßnahmen zum Schutz von Meerestieren wurden im Einzelnen bei den in der Antwort zu Frage 3 aufgeführten Sprengungen ergriffen, bei denen kein Blasenschleier eingesetzt wurde (bitte mit Anzahl der Sprengungen Ladungsgewicht angeben)? Wo und wann haben die einzelnen Sprengungen stattgefunden? Wie groß war jeweils das geschätzte Ladungsgewicht als TNT-Äquivalent? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Blasenschleier den Stand der Technik erreicht hat? Falls nein, welche konkreten Schritte erachtet die Bundesregierung als notwendig , den Blasenschleier entsprechend weiterzuentwickeln? Welche Forschungsaktivitäten zur Erreichung dieses Zieles sind der Bundesregierung bekannt (national und international)? Welche notwendigen Schritte hat die Bundesregierung dazu bereits unternommen , und welche sind für welchen Zeitraum geplant? Der große Blasenschleier wurde durch die Bundeswehr für den Einsatz bei Munitionssprengungen weiterentwickelt, so dass er nun ausweislich der Messergebnisse mit hoher Effektivität zur Reduzierung der auftretenden Schockwellen eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist diese Minderungstechnik am Markt verfügbar (verschiedene Anbieter). Zudem ist er praktikabel und kann unter vielen Umweltbedingungen eingesetzt werden. Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich damit um die beste verfügbare Technik (Best Available Technique, BAT), die beste Umweltpraxis (Best Environmental Practice, BEP) und ist als Stand der Technik anzusehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333