Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5262 19. Wahlperiode 24.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Seestern-Pauly, Jens Beeck, Katja Suding, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/4787 – Praxis der Anerkennung von Schwerbehindertenausweisen bei Trisomie 21 insbesondere bei Kindern und Jugendlichen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Problematik der unterschiedlichen Rechtsauslegung und Bewilligungspraxis in den Versorgungsämtern vor Ort bei der Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen für Menschen mit Trisomie 21 – insbesondere bei Neugeborenen sowie Kindern und Jugendlichen – hat massive Auswirkungen auf die Chancen für einen bestmöglichen Start ins Leben und die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen und Förderungen. Insbesondere die unkomplizierte und zeitnahe Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 ist zentral für den Anspruch auf Leistungen der Frühförderung und der Eingliederungshilfe , welche nicht nur den Neugeborenen und Kleinkindern mit Trisomie 21 zugutekommen. Besonders für die Eltern ist die Gewissheit, dass das eigene Kind den erforderlichen Unterstützungs- und Eingliederungsbedarf erhält , ein wichtiges Signal der Gesellschaft und Entlastung zugleich. Mit den in der Verordnung zur Durchführung des § 1 Absatz 1 und 3, des § 30 Absatz 1 und des § 35 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes, der sogenannten Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), enthaltenen versorgungsmedizinischen Grundsätzen werden die Voraussetzungen für die Gewährung von Graden der Behinderung (GdB) sowie der entsprechenden Merkzeichen geregelt . Die auf Grundlage der VersMedV gewährten Merkzeichen und GdB haben weitreichende Auswirkungen auf das Leben, die Entwicklung und finanzielle Situation sowie die Inanspruchnahme von Fördermaßnahmen und Leistungen von Sorgeberechtigten und Menschen mit Trisomie 21. 1. Wie viele Kinder mit der Diagnose Trisomie 21 wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2013 bis 2018 geboren (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5262 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Für wie viele der im Zeitraum von 2013 bis 2018 geborenen Kinder sowie Jugendlichen und über 18-Jährigen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung ein Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises beim zuständigen Versorgungsamt gestellt (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln )? Die Feststellung einer Behinderung und die Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen liegen in der Zuständigkeit der Länder. Eine Statistik über gestellte Anträge und deren weitere Bearbeitung liegt der Bundesregierung nicht vor. 3. Ab welchem Alter können nach Kenntnis der Bundesregierung für Kinder mit Trisomie 21 Schwerbehindertenausweise beantragt werden? Welche konkreten Rechtsnormen bilden hierfür die Grundlage? Die Feststellung einer Behinderung und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises haben ihre Rechtsgrundlage in § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Eine Altersgrenze gibt es hierfür nicht. 4. Wie viele der in Frage 2 genannten Anträge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung positiv beschieden (bitte in absoluten wie prozentualen Zahlen angeben sowie nach Bundesländern aufschlüsseln)? 5. Wie viele Widersprüche wurden nach Kenntnis der Bundesregierung gegen negative Bescheide über die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises im Sinne von Frage 2 eingelegt? Wie viele dieser Widersprüche waren nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgreich? 6. Wie viele der nicht erfolgreichen Widersprüche mündeten nach Kenntnis der Bundesregierung in Gerichtsverfahren? Wie viele dieser Verfahren endeten im Sinne der Betroffenen? 7. Wie viele der auf Grundlage von Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise im Zeitraum von 2013 bis 2018 waren nach Kenntnis der Bundesregierung zeitlich unbefristet (bitte nach Alter des Ausweisinhabers aufschlüsseln )? 8. Wie viele der auf Grundlage von Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise waren nach Kenntnis der Bundesregierung zeitlich befristet (bitte nach Dauer der Befristung in Jahren und Alter des Ausweisinhabers aufschlüsseln)? 9. Wie viele Widersprüche wurden nach Kenntnis der Bundesregierung gegen den gewährten GdB eines aufgrund von Trisomie 21 positiv beschiedenen Schwerbehindertenausweisantrages eingelegt? Wie viele dieser Widersprüche führten nach Kenntnis der Bundesregierung in ihrer Folge zu einem geänderten GdB? 10. Wie viele der auf Grundlage von Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise wiesen nach Kenntnis der Bundesregierung einen GdB von 50 auf? Wie viele wiesen einen abweichenden GdB auf (bitte nach GdB aufschlüsseln )? Die Fragen 4 bis 10 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor (vgl. die Antwort zu Frage 2). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5262 11. Welche Angebote und/oder Maßnahmen der Frühdiagnostik und/oder Frühförderung rechtfertigen nach Auffassung der Bundesregierung einen GdB von 50 bei der Diagnose Trisomie 21 an Stelle eines GdB von 100? Angebote und/oder Maßnahmen der Frühdiagnostik und/oder Frühförderung sind nicht von einem bestimmten Grad der Behinderung abhängig. Leistungen der Früherkennung und Frühförderung werden als Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 42 Absatz 2 in Verbindung mit § 46 SGB IX an Kinder mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Kinder erbracht. Diese Leistungen erhalten Kinder ab Geburt bis zur Einschulung in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung. Der Bedarf an Rehabilitationsleistungen wird individuell festgestellt. Bei der Komplexleistung Frühförderung erfolgt die Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung in einem interdisziplinären Verfahren . Die nach dem individuellen Bedarf zur Förderung und Behandlung voraussichtlich erforderlichen Leistungen sind in einem interdisziplinär entwickelten Förder- und Behandlungsplan schriftlich oder elektronisch zusammen zu stellen . Außerhalb der Komplexleistung Frühförderung werden heilpädagogische Leistungen auch isoliert als Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit §§ 55 Absatz 2, 56 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (ab dem 1. Januar 2020 nach § 113 in Verbindung mit § 79 SGB IX) an noch nicht eingeschulte Kinder erbracht, wenn nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten ist, dass hierdurch eine drohende Behinderung abgewendet oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt wird oder die Folgen einer Behinderung beseitigt oder gemildert werden können. Die in der Vorbemerkung der Fragesteller zum Ausdruck kommende Vorstellung, dass die unkomplizierte und zeitnahe Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zentral für den Anspruch auf Leistungen der Frühförderung und der Eingliederungshilfe sei, ist daher nicht zutreffend. 12. Welche Erkenntnisse und Bewertungen liegen der Bundesregierung über die Auswirkungen von Angeboten bzw. Maßnahmen der Frühdiagnostik und/ oder Frühförderung im Zusammenhang mit Trisomie 21 vor (bitte nach Art der Angebote bzw. Maßnahmen aufschlüsseln)? Die Bewertung von Erkenntnissen über die Auswirkungen medizinischer und anderer (Förder-)Maßnahmen obliegt Fachgremien mit entsprechender wissenschaftlicher Expertise. Die aktuellen Empfehlungen für die Anwendung diagnostischer , therapeutischer und anderer Verfahren im Kindes- und Jugendalter bei Trisomie 21 sind Gegenstand der offiziellen Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF, vgl. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-051.html; Stand 2018-10-12). 13. Wie viele der aufgrund der Diagnose Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise enthielten nach Kenntnis der Bundesregierung das Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit) (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? 14. Wie viele der aufgrund der Diagnose Trisomie 21 ausgestellten Schwerbehindertenausweise enthielten nach Kenntnis der Bundesregierung ein anderes Merkzeichen als das Merkzeichen „H“ (bitte nach Art des Merkzeichens und nach Bundesländern aufschlüsseln)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5262 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Wie viele der ausgestellten Schwerbehindertenausweise enthielten nach Kenntnis der Bundesregierung mehr als ein Merkzeichen (bitte nach Art des Merkzeichens aufschlüsseln)? Die Fragen 13 bis 15 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor (vgl. die Antwort zu Frage 2). 16. Plant die Bundesregierung eine weitere Änderungsverordnung zur VersMedV? Wenn ja, wie ist der Stand der Beratungen, und wann sollen diese abgeschlossen sein, und wenn nein, bitte begründen. Nach § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sind die in der Anlage zur Verordnung enthaltenen „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (VMG) auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin fortzuentwickeln . Zudem hat sich die Bundesregierung mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, die Begutachtungskriterien zur Feststellung des Grades der Behinderung (entsprechend der VersMedV) zu verbessern und zur Vereinheitlichung und Optimierung der Güte der Begutachtungsdurchführung (durch die Länder) beizutragen. Diese Maßnahmen erfolgen derzeit mit einer Gesamtüberarbeitung der VMG. Ziel ist die Verbesserung der Begutachtungskriterien durch Anpassung an den aktuellen Stand der evidenzbasierten Medizin unter Beachtung des bio-psycho-sozialen Modells (moderner Behinderungsbegriff) der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit , Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation . Die Gesamtüberarbeitung der VMG erfolgt nach Beteiligung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin nacheinander in mehreren Teilen. Aktuell mit den Ländern und Verbänden beraten wurde der Entwurf einer 6. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung. Er enthält: die neuen „Gemeinsamen Grundsätze“, in denen die Grundlagen für die Begutachtung zur Feststellung eines Grads der Behinderung oder eines Grads der Schädigungsfolgen geregelt sind, die auf Grundlage der überarbeiteten „Gemeinsamen Grundsätze“ und des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands überarbeiteten Funktionskapitel: „Sehfunktionen und verwandte Funktionen“, „Funktionen des hämatologischen und des Immunsystems“, „Muskuloskeletale Funktionen“. Weitere Funktionsbereiche werden folgen, wenn der Ärztliche Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin entsprechende Empfehlungen abgegeben hat. 17. Wann wurden die Versorgungsmedizinischen Grundsätze der VersMedV zuletzt geändert, und ist dies unter Einbeziehung der Behindertenverbände geschehen ? Wenn nein, bitte begründen. Zuletzt wurden die Versorgungsmedizinischen Grundsätze durch die 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizinverordnung vom 11. Oktober 2012 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5262 geändert (BGBl. I S. 2122). Seinerzeit wurden die Kriterien für die versorgungsärztliche Begutachtung akuter Leukämien unter Teilhabeaspekten neu gefasst. Die Verbände behinderter Menschen waren in die Überarbeitung einbezogen. 18. Sieht die Bundesregierung Änderungsbedarf bei den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen der VersMedV in Bezug auf Kinder mit Trisomie 21? Wenn nein, bitte begründen, und wenn ja, welchen konkreten Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung? Da der Grad der Behinderung unter Berücksichtigung des biopsychosozialen Modells des modernen Behindertenbegriffs allein durch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabe in allen Lebensbereichen bestimmt wird, ist für die Feststellung einer Behinderung nicht eine Diagnose, sondern nur die Auswirkung einer Funktionsstörung bzw. das Zusammenwirken mehrerer Funktionsstörungen relevant . Das Ausmaß der Beeinträchtigungen aufgrund der Trisomie 21 ist sehr unterschiedlich . Die Bandbreite reicht dabei von der Mosaik-Trisomie 21 mit weniger starken Beeinträchtigungen bis hin zu schwerstbehinderten Menschen mit Erkrankungen /Fehlbildungen an verschiedenen Funktionssystemen (z. B. Herz, Verdauungsorgane, Skelett). Unterschiedliche Ausprägungen von Beeinträchtigungen führen zu einer unterschiedlich starken Beeinträchtigung der Teilhabe, was sich wiederum in unterschiedlichen GdB ausdrückt. Die versorgungsmedizinische Begutachtung ist immer auf den Einzelfall bezogen . Neben der intellektuellen Entwicklungsstörung, deren Ausprägung bei Trisomie 21 variabel ist, sind demnach vielfältige weitere Beeinträchtigungen, die im Einzelfall vorliegen, aber auch fehlen können, bei der Ermittlung des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung der Teilhabe und damit der Feststellung des GdB zu berücksichtigen. Daraus erklärt sich, warum in der Versorgungsmedizin- Verordnung die Trisomie 21 nicht eigens aufgeführt ist – es kommt eben nicht auf die Diagnose „Trisomie 21“ an, sondern auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe behinderter Menschen im Einzelfall. Insofern ergibt sich kein spezifischer Änderungsbedarf in Bezug auf die Diagnose Trisomie 21. 19. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass eine Einstufung von Kindern mit Trisomie 21 mit einem GdB von 50 und bei Nichtzuerkennung des Merkmals „B“ (Begleitperson) für die betroffenen Kinder und ihre Eltern im Einzelfall Härten bedeuten können, insbesondere bei der steuerlichen Berücksichtigung des Hilfeaufwands und durch entfallende Begünstigungen im Personennahverkehr? Die bereits aufgezeigte große Streubreite der Teilhabebeeinträchtigung kann verschiedene Lebensbereiche in höchst unterschiedlichem Ausmaß betreffen (vgl. Antwort zu Frage 18). Das Merkzeichen „B“ betrifft die Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Personenverkehr, wenn der behinderte Mensch zur unentgeltlichen Beförderung berechtigt ist. Die Feststellung des Merkzeichens „B“ ist deshalb an ein Mindestmaß mobilitätsbezogener Teilhabebeeinträchtigung gebunden . Wenn dieses nicht vorliegt, kann das Merkzeichen nicht festgestellt werden . Dies in der sozialmedizinischen Gesamtschau zu würdigen und nach den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze schlüssig zu bewerten und zu bescheiden, obliegt den im Rahmen des Feststellungsverfahrens von den Ländern beauftragten versorgungsärztlichen Gutachtern und Verwaltungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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