Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 26. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5369 19. Wahlperiode 29.10.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bernd Baumann, Dr. Gottfried Curio, Jochen Haug, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/4975 – Verbreitung von Rap-Songs mit Hass-Texten wie beim Chemnitzer Musikkonzert „Wir sind mehr“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am Abend des 3. September 2018 fand in Chemnitz unter dem Titel „Wir sind mehr“ ein von der Band Kraftklub organisiertes Musikkonzert statt. Nach einem Bericht der „BILD-Zeitung“ vom 5. September 2018 unter dem Titel „27 Minuten Hass auf Veranstaltung gegen Hass“ wurden im Rahmen dieses Konzertes vor den 65 000 Besuchern auch Songs der Band K.I.Z mit Hass-Texten gespielt (www.bild.de/bild-plus/politik/inland/politik-inland/beim-chemnitzkonzert -27-minuten-hass-auf-veranstaltung-gegen-hass-57067082). Bei dem von 18:35 Uhr bis 19:05 Uhr dauernden Auftritt der Band K.I.Z wurden laut Videoaufzeichnung (www.youtube.com/watch?v=T5zhHhkMosQ, ab 01:38:00) nachfolgend genannte Songs gespielt, welche die zitierten Hass-Texte enthielten: 1. Urlaub fürs Gehirn: „[…] Ich geh ein‘ Busfahrer klatschen, um meinen Frust abzulassen. […] Ich schleich‘ mich ein bei den Sarrazins, sechs Uhr, alles pennt noch Selbstmordattentat […].“ 2. Ein Affe und ein Pferd: „Ich mach Mousse aus deiner Fresse Boom verrecke Wenn ich den Polenböller in deine Kapuze stecke Die halbe Schule war querschnittsgelähmt von mei’n Nackenklatschern Meine Hausaufgaben mussten irgendwelche deutschen Spasten machen […] Ich ramm die Messerklinge in die Journalistenfresse […] Trete Deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt […] Ist eine Frau nicht nackt, dann beschmeiss ich sie mit Scheine Macht sie sich dann nackt, dann beschmeiss ich sie mit Steine […] Eva Herman sieht mich, denkt sich, was’n Deutscher Und ich gebe ihr von hinten, wie ein Staffelläufer Fick sie grün und blau, wie mein kunterbuntes Haus Nicht alles was man oben reinsteckt kommt unten wieder raus […] Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5369 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Tret so lange auf dein Kopf bis vier und drei acht machen Die Missgeburt vom Jugendamt wird sich eine Kugel fangen […] In der Schule hatte ich eine eins im Tiere quäl’n […].“ 3. Boom Boom Boom: „[…] Boom Boom Boom Boom Ich bring euch alle um Bring euch alle um, bring euch alle um […] Und Promis treten für die Truppen in Afghanistan auf Wo sind bloß die Terroristen, wenn man sie grade mal braucht? […] K.I.Z. Selbstmordattentäter Ich sprenge eure Demo und es regnet Hackepeter. […]“ 4. Hurra die Welt geht unter „[…] Wir wärmen uns an einer brennenden Deutschlandfahne […] Wenn nicht mit Rap, dann mit der Pumpgun […] Der Kamin geht aus, wirf’ mal noch ’ne Bibel rein […]“ Dieses „Wir sind mehr“-Konzert sollte am 3. September 2018 live auf dem öffentlich-rechtlichen Sender „3sat“ übertragen werden (www.prisma.de/ news/Konzert-in-Chemnitz-Live-Stream-bei-YouTube-3sat-berichtet-live-inder -Kulturzeit,19697439). Nach einer Ablehnung der Liveübertragung durch den Veranstalter berichtete „3sat“ mit der Sendung „Kulturzeit Extra“ live von dem Konzert in Chemnitz (www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/ 197994/index.html). Eine kritische Auseinandersetzung mit Hass-Texten in Rap-Songs erfolgte in der Sendung nicht. In der Ausgabe BPJM-Aktuell 3/2018 der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien werden die „roten Linien“ dargestellt, deren Überschreiten zu einer Indizierung eines Rap-Songs führt (BPJM-Aktuell, 3/2018, S. 5 f.). Darin wird festgestellt, dass die „rote Linie“ zur Indizierung im konkreten Einzelfall dann überschritten wird, wenn die beanstandeten Texte einen kriminellen Lebensstil propagieren, ohne dass eine kritische Auseinandersetzung erfolgt. Zudem wird darin die Ansicht des 12er-Gremiums wiedergegeben, wonach die permanente Verrohung der Sprache (sog. Verbalgewalt) geeignet ist, Hemmschwellen zu realer Gewalt und Empathieempfinden bei den Rezipienten zu vermindern . V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Entscheidung über die Frage, ob Träger- oder Telemedien die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien (Indizierung) erfüllen, trifft die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) nach § 18 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG). Zur Einleitung eines Indizierungsverfahrens bedarf es eines Antrags bzw. einer Anregung hierzu berechtigter Stellen (§ 21 Absatz 2 und 4 JuSchG). Die Entscheidungen der BPjM werden in pluralistisch besetzten Gremien im Rahmen gerichtsähnlicher Verfahren getroffen; die Mitglieder der Entscheidungsgremien sind an Weisungen nicht gebunden (§§ 19 ff. JuSchG). Durch eine Indizierung wird stets in Grundrechte der Verfahrensbeteiligten eingegriffen . Da auch der Jugendschutz Verfassungsrang hat, muss zwischen Jugendschutz und Grundrechten eine Abwägung dahingehend stattfinden, welchem Verfassungsgut im Einzelfall der Vorzug einzuräumen ist. Insbesondere zu beachten sind hierbei die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie die Meinungsäußerungsfreiheit und die Religionsfreiheit. Mit dem Eintrag in die Liste jugendgefährdender Medien unterliegen Träger- und Telemedien umfangreichen Vertriebs-, Verbreitungs- und Werbebeschränkungen gegenüber Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5369 Kindern und Jugendlichen. Die Rechtsfolgen der Indizierung sind für Trägermedien in § 15 Absatz 1 JuSchG und für Telemedien in § 4 Absatz 1 Nummer 11 und § 4 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit Satz 2 des Jugendmedienschutz- Staatsvertrags (JMStV) geregelt. Der Regelungsbereich des JMStV erstreckt sich auch auf Rundfunkangebote. Die Durchsetzung der Rechtsfolgen der Indizierung in Telemedien obliegt den Landesmedienanstalten. 1. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass es sich bei den in ihrer Vorbemerkung zitierten Textauszügen aus Rap-Songs der Band K.I.Z um Hass-Botschaften handelt? Eine allgemeingültige Definition der Bundesregierung für den Begriff „Hassbotschaften “ existiert nicht. Im Einzelfall aber kann die Verbreitung von Inhalten, die umgangssprachlich als „Hassbotschaften“ bezeichnet werden, bestimmte Straftatbestände erfüllen, beispielsweise die Volksverhetzung nach § 130 des Strafgesetzbuchs (StGB) oder die Beleidigung nach § 185 StGB. Die Anforderungen ergeben sich aus dem jeweiligen Straftatbestand anhand der dortigen Tatbestandsmerkmale . Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten strafbar ist, hängt dabei aber immer von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Dabei obliegt die Entscheidung über die Strafbarkeit den für die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten zuständigen Behörden der einzelnen Bundesländer und den unabhängigen Gerichten. 2. Sieht die Bundesregierung die zitierten Rap-Songs mit Hass-Botschaften der Band K.I.Z als jugendgefährdend im Sinne des Jugendschutzgesetzes an, und wird sie, falls ja, daher durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als antragsberechtigter Stelle die Indizierung der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Rap-Songs der Band K.I.Z gemäß Jugendschutzgesetz beantragen? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird zunächst verwiesen. Der Musiktitel „Urlaub fürs Gehirn“ ist als Titel 2 auf dem gleichnamigen Album „Urlaub fürs Gehirn“ der Gruppe K.I.Z. enthalten. Mit Entscheidung Nr. 5881 vom 12. Januar 2012 hat die BPjM beschlossen, dass diese insgesamt 17 Einzeltitel umfassende CD nicht in die Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen wird. Ausschlaggebend seien insbesondere der selbstironische, das Genre und damit verbundene Klischees veralbernde Charakter der Texte im Gesamtzusammenhang gewesen. Der Musiktitel „Ein Affe und ein Pferd“ ist als Titel 2 auf der CD „Ganz oben“ der Gruppe K.I.Z. enthalten. Mit Entscheidung Nr. 6050 vom 5. März 2015, in der auch die Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in einem vorausgegangenen Indizierungsverfahren zum Musikvideo des Titels „Ein Affe und ein Pferd“ zu beachten war, hat die BPjM beschlossen , dass die insgesamt 14 Einzeltitel umfassende CD nicht in die Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen wird. Ausweislich der KJM-Stellungnahme sei zwar festzustellen gewesen, dass die Gruppe K.I.Z. mit diesem Liedtext den Zuhörer bewusst provozieren und damit allgemein gültige Wertvorstellungen und Grenzen überschreiten wolle. Immer wieder sei jedoch die ironische Überspitzung und Anlehnung an die Kindergeschichte Pippi Langstrumpf erkennbar . Die Gewaltdarstellungen auch in diesem Lied seien generell geprägt von (Selbst-)Ironie und teilweise auch der Verspottung des Genres „Gangsterrap“, in dem Gewalt klischeegemäß zum Repertoire gehörten. Im Gesamtkontext des Liedes werde deutlich, dass es sich bei den Gewaltschilderungen in einzelnen Passagen um eine Überzeichnung und ironische Überspitzung handele. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5369 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Titel „Boom Boom Boom“ und „Hurra die Welt geht unter“ sind auf dem Album „Hurra die Welt geht unter“ der Gruppe K.I.Z. enthalten. Dieses war bisher nicht verfahrensgegenständlich bei der BPjM. 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die bisherige Verbreitung von Hass-Botschaften mit den in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Rap-Songs der Band K.I.Z. durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Fernsehen, Radio, Internet)? 4. Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Sendeleitung von 3sat in Person des Programmdirektors des „ZDF“, Norbert Himmler, oder die zuständige Redaktion im Vorfeld der beabsichtigten Liveübertragung des Konzertes durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, dass im Zuge der Ausstrahlung des Konzertes keine Verbreitung von Hass-Botschaften erfolgt? Die Fragen Nummer 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zur Frage der Einordnung der Texte der Band K.I.Z. als „Hassbotschaften“ wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die Bundesregierung hat überdies keine Kenntnisse darüber, welche Stücke der Band K.I.Z. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreitet wurden oder über Befassungen der Sendeleitung von 3sat oder der Programmdirektion des ZDF. Die Programmverantwortung für die Angebote der öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten liegt bei der/dem jeweiligen Intendantin/Intendanten. Über die Einhaltung der Programmgrundsätze wacht der Rundfunk- bzw. Fernsehrat der jeweiligen Anstalt. Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes liegt die Zuständigkeit für den inländischen Rundfunk bei den Ländern. 5. Ist die geplante Liveübertragung und die in Bezug auf Hass-Texte in Rap- Songs unkritische Berichterstattung über das „Wir sind mehr“-Konzert in Chemnitz durch den öffentlich-rechtlichen Sender „3sat“ nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV, www.ardwerbung .de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/Dokumentation/ Jugendmedienschutz-Staatsvertrag_in_Kraft_seit_1-10-2016.pdf) vereinbar , insbesondere a) mit § 4 Absatz 1 Nummer 3 JMStV, wonach Angebote unzulässig sind, wenn sie zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstacheln, zu Gewaltund Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5369 b) mit § 4 Absatz 1 Nummer 5 JMStV, wonach Angebote unzulässig sind, wenn sie grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, c) mit § 4 Absatz 1 Nummer 6 JMStV, wonach Angebote unzulässig sind, wenn sie als Anleitung zu einer in § 126 Absatz 1 StGB genannten rechtswidrigen Tat dienen? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird zunächst verwiesen. Die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften des JMStV obliegt den im JMStV und im Rundfunk-Staatsvertrag der Länder benannten Organen. 6. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits durchgeführt, und welche Maßnahmen plant sie durchzuführen, um negative Auswirkungen jugendgefährdender Rap-Songs zu verhindern? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird zunächst verwiesen. Zudem bereitet die BPjM ihre Spruchpraxis derart auf, dass die aus ihr hervorgehenden Erkenntnisse der Jugendhilfe und medienpädagogischen Praxis zu Präventionszwecken leicht zugänglich sind und in den gesellschaftlichen Diskurs über jugendkulturelle Phänomene und den Umgang mit ihnen eingebracht werden können . Die in der Kleinen Anfrage zitierte vollständige Ausgabe 03/2018 des amtlichen Mitteilungsblatts der BPjM, „BPjM-Aktuell“, stellt diesbezüglich ein gutes Beispiel zum Thema Gangsta-Rap dar. Die Bundesregierung prüft derzeit gemäß dem Auftrag im Koalitionsvertrag, im Rahmen eines zeitgemäßen Jugendmedienschutzes u. a. den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gefährdenden Inhalten sicherzustellen, wie ein zukunftsfähiger und kohärenter Rechtsrahmen für den Kinder- und Jugendmedienschutz im Einzelnen geschaffen werden kann. Hierzu gehört auch, durch eine Modernisierung des JuSchG sicherzustellen, dass Indizierungsentscheidungen der BPjM auch im digitalen Zeitalter die größtmögliche kinder- und jugendschützende Wirkung entfalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333