Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 24. Januar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/539 19. Wahlperiode 26.01.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/268 – Nach einjähriger Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz – Kenntnisse zur Reichsbürger-Bewegung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Noch bis September 2016 (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/9737) sah die Bundesregierung keine Notwendigkeit, die „Reichsbürgerbewegung“ gemäß § 3 Absatz 1 und 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) seitens des Bundesamtes für Verfassungsschutz näher untersuchen zu lassen. Ausdrücklich wurde der Bewegung damals noch „bundesweite Relevanz“ abgesprochen und die „Ernsthaftigkeit der politischen Bestrebung“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/9161) der „Reichsbürger“ wurde seitens der Bundesregierung bezweifelt. Spätestens seit am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd/Bayern ein „Reichsbürger“ auf Polizisten schoss und dabei einen von ihnen tödlich verletzte, ist klar, dass die „Reichsbürgerbewegung aller Erfahrung nach nicht beim ‚Papierterrorismus‘ stehen bleiben“ (vgl. Reichsbürger , Andreas Speit, Berlin, 2017, S. 9) werde. Die aktuelle Präsidentin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Beate Bube hält es daher auch für ein Versäumnis, dass „Reichsbürger“ lange Zeit nicht ernst genommen wurden und vermutet, dass „es tatsächlich erst Todesfälle gebraucht“ haben könnte, um zu erkennen, dass Reichsbürger „eine Aufgabe für die Sicherheitsbehörden sind“ (vgl. Stuttgarter Zeitung, 28. November 2017). Seit Januar 2017 werden die Reichsbürger vom Bundesamt für Verfassungsschutz näher untersucht und es werden in regelmäßigen Abständen Zahlen zum Personenpotenzial der Reichsbürger veröffentlicht (Verfassungsschutzbericht 2016, S. 90f.). Allerdings fehlt bislang weiterhin eine klare Analyse hinsichtlich der Einordnung der Reichsbürger im Kontext rechtsextremer Netzwerke. Auch eine konkrete Ermittlung ihres Gefährdungspotenzials auch mit Blick auf den Zugang und den Besitz von Waffen wurde bisher nicht präsentiert. Genauso fehlt bisher eine bundesweite „Studie zur Personalstruktur der Reichsbürgerbewegung“ (vgl. Andreas Speit, Reichsbürger, 2017, S. 10). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) richtete am 22. November 2016 das Sammelbeobachtungsobjekt (BO) „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ein. Bereits vor diesem Zeitpunkt erfolgte im Einzelfall eine Beobachtung verfassungsschutzrelevanter Bestrebungen. Seit der Einrichtung des BO werden „Reichsbürger und Selbstverwalter“ als eigenständiger Phänomenbereich bearbeitet. Zu „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ zählen Gruppierungen und Einzelpersonen , die aus unterschiedlichen Motiven die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich etwa auf das historische Deutsche Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder auf ein selbst definiertes Naturrecht. Sie bestreiten die Legitimation der demokratisch gewählten Repräsentanten oder definieren sich selbst als außerhalb der Rechtsordnung stehend, woraus die Besorgnis resultiert, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. 1. Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung aktuell das Personenpotenzial der „Reichsbürger“ in Deutschland? Das Personenpotenzial der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ist mit ca. 15 000 Personen zu beziffern. Davon sind etwa 900 Personen Rechtsextremisten. Die Zahlen geben den Stand zum 30. September 2017 wieder. 2. Wie groß ist die Zahl der „Reichsbürger“, die nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit polizeilich oder durch ein Verfassungsschutzamt als „Gefährder “ eingestuft werden? Derzeit werden drei Personen, zu denen Erkenntnisse als Reichsbürger vorliegen, als „Gefährder“ eingestuft. 3. Wie groß ist die Zahl der „Reichsbürger“, die nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit polizeilich oder durch ein Verfassungsschutzamt als „relevante Personen“ eingestuft werden? Aktuell sind drei Personen mit Reichsbürgerbezug als „Relevante Person“ registriert . 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Verbindungen von Rechtsextremen und sog. Reichsbürgern? Nur ein kleiner Teil der Szene der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ist dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Der Anteil beläuft sich auf rund 900 Personen. Dies entspricht einem Anteil von 6 Prozent. Die personellen Überschneidungen zwischen „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ und rechtsextremistischen Strukturen sind somit als gering zu bezeichnen. a) Welche Mischszenen zwischen sog. Reichsbürgern und Rechtsextremen sind der Bundesregierung bekannt? Mischszenen zwischen Rechtsextremisten und „Reichsbürgern“ sind gering ausgeprägt ; Überschneidungen zwischen Rechtsextremisten und „Selbstverwaltern“ sind kaum feststellbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/539 Gedankengut der „Reichsbürger“ wird insbesondere im Spektrum rechtsextremistischer Holocaustleugner vertreten. Der Bundesminister des Innern hat bereits im Jahr 2008 die Organisationen „Collegium Humanum – Akademie für Umwelt und Lebensschutz e. V.“ (CH) einschließlich der Teilorganisation „Bauernhilfe e. V.“ sowie den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) verboten. Dabei handelte es sich um rechtsextremistische Organisationen, die in erheblichem Umfang Reichsbürgerthesen vertraten. Darüber hinaus bestehen oder bestanden aber noch andere Gruppierungen, die sowohl personell als auch ideologisch teilweise beiden Phänomenbereichen zugeordnet werden können. Hier sind die „Europäische Aktion“ (EA), „Die Exilregierung Deutsches Reich“ oder auch die „Neue Gemeinschaft von Philosophen“ (NGvP) zu nennen. Ansonsten beschränken sich die Überschneidungen zwischen den beiden Spektren i. d. R. auf Einzelpersonen. Teilweise finden sich in einem Spektrum nur einzelne Ideologieelemente des jeweils anderen Phänomenbereichs. b) Für wie groß hält die Bundesregierung den Einfluss von Reichsbürgern in solchen Mischszenen? Der Einfluss lässt sich aufgrund der Heterogenität der Szene nicht einschätzen. In einzelnen Szenen oder Gruppierungen liegt der Schwerpunkt eher im Bereich des Rechtsextremismus, in anderen Szenen im Bereich der „Reichsbürger- oder Selbstverwalter“-Ideologie. 5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu kameradschaftlich strukturierten „Reichsbürger“-Netzwerken und Gruppierungen in Deutschland? 6. Wie viele Gruppierungen (gemäß Frage 4 und 5) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Stand heute mit welchem Personenpotenzial? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 und 6 gemeinsam beantwortet . Ein Großteil der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ist nicht in größere Gruppierungen eingebunden. Es existieren aber zahlreiche lokale und regionale Kleinund Kleinstgruppen, die sich teilweise über das Internet oder persönliche Kennverhältnisse vernetzen. Derzeit sind ca. 20 „Reichsbürger- und Selbstverwalter“-Gruppierungen bekannt, die bundeslandübergreifend Aktivitäten entfalten. Zu diesen Gruppierungen wird ein Personenpotenzial in einem niedrigen vierstelligen Bereich gezählt. 7. Was ist der Bundesregierung über die Strategien und Ziele dieser Netzwerke /Gruppierungen (gemäß Frage 4 und 5) bekannt? „Reichsbürger und Selbstverwalter“ lehnen den Bestand und das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ab. Manche versuchen eigene staatliche Strukturen aufzubauen, andere wollen sich primär dem staatlichen Zugriff verweigern oder verfolgen gewerbsmäßige Ziele. Sie wenden entsprechend unterschiedlichste Strategien an, wie z. B. die Ausrufung wie auch immer gearteter eigener Staaten oder Gemeinden, Verbreitung ihrer Auffassungen in zum Teil kostenpflichtigen „Rechtsschulungen“, Verweigerung von Steuern und Abgaben, Herstellen und Veräußern eigener „Ausweisdokumente“, Behinderung und Ein- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode schüchterung von Behördenmitarbeitern u. a. mit hohen unberechtigten finanziellen Forderungen, Anmaßung eigener hoheitlicher Befugnisse, „Erlasse“ oder ähnlichen Handlungen. 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Sozialstruktur der Reichsbürgerbewegung (durchschnittliches Alter, Geschlechterverteilung, soziale Situation, regionale Schwerpunkte usw.)? Die Szene der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ist vielschichtig und unübersichtlich . Ausgehend von einer Bevölkerungszahl der Bundesrepublik Deutschland von 82,8 Millionen, entsprechen 15 000 „Reichsbürger und Selbstverwalter“ einem Anteil von 0.018 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Insofern erscheint der Anteil zunächst marginal. Allerdings ist das Personenpotenzial im Vergleich zu anderen extremistischen Szenen erheblich. So betrug z. B. das Potenzial im Bereich Rechtsextremismus 2016 23 100 Personen. Die Szene ist männlich dominiert und durchweg als lebensälter zu beschreiben. Rund Dreiviertel der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sind Männer. Die meisten Szeneangehörigen sind älter als 40 Jahre. 9. Welche weiteren Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Umfeld des Täters , der am 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd/Bayern auf Polizisten geschossen und dabei einen von ihnen tödlich verletzt hatte, vor allem hinsichtlich dessen Kontakten in die Reichsbürger-Szene und zu Rechtsextremisten? Der Täter vom 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd (Bayern) ist der Szene der „Selbstverwalter“ zuzurechnen und verfügte über entsprechende Kontakte. So versuchte er im August 2016 zusammen mit einer Gruppe von „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ und deren Sympathisanten eine Zwangsräumung in Reuden (Sachsen-Anhalt) zu verhindern. Der Täter wurde am 23. Oktober 2017 vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Mordes an einem Polizeibeamten sowie versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Haft verurteilt. Das schriftliche Urteil ist noch nicht fertiggestellt. a) Auf welcher Grundlage (insbesondere gestützt auf welchen Bedürfnisgrund ) war dem Täter eine waffenrechtliche Erlaubnis erteilt worden? Der Täter besaß Waffenerlaubnisse in seiner Eigenschaft als Jäger und Sportschütze . b) Welche und wie viele der beim Täter aufgefundenen Waffen wurden legal erworben und waren auch auf seinen Namen angemeldet? Auf den Täter waren 31 Waffen registriert: 16 Langwaffen, acht Kurzwaffen, ein Schalldämpfer für eine Langwaffe und sechs Wechselläufe/-systeme. c) Welche und wie viel Munition für diese oder andere Waffen wurden beim Täter aufgefunden? Nach Angaben der bayerischen Polizei wurden große Mengen an Munition aufgefunden . Die genaue Anzahl und Klassifizierung ist hier nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/539 10. Welche Erkenntnisse führten nach Kenntnis der Bundesregierung im Fall des so genannten Druiden Burghard B. zur Einstellung des Verfahrens bezüglich der Bildung einer terroristischen Vereinigung (vgl. u. a. www.sued deutsche.de/news/politik/extremismus---karlsruhe-ermittler-keine-hinweiseauf -terrorzelle-um-druiden-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-170821-99- 725758)? a) Inwiefern konnten konkrete Anschlagsplanungen gegen mutmaßlich welche Ziele ausgeschlossen werden? Die Fragen 10 und 10a werden gemeinsam beantwortet. Die Ermittlungen haben die rechtsextremistische Weltanschauung der Beschuldigten mit Bezügen zur sogenannten „Reichsbürger“-Bewegung bestätigt. Im Ergebnis haben sie jedoch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Beschuldigten mit den Waffen und der Munition, die bei den Durchsuchungen in großem Umfang sichergestellt wurden, tatsächlich Attentate und Anschläge, namentlich auf Polizisten als Repräsentanten des Staates, Asylsuchende und Angehörige der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaft, planten. Dahingehend auszulegende Äußerungen des Beschuldigten Burghard B. haben sich im Zuge der Ermittlungen nicht objektivieren lassen. Vielmehr lebt der Beschuldigte Burghard B. in einer verqueren Vorstellungswelt und befürchtet unter anderem innerstaatliche Unruhen bis hin zum Ausbruch eines von ihm vorhergesagten Dritten Weltkrieges. Aus diesem Grund strebte er an, mit den anderen Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens und weiteren Gleichgesinnten einen sicheren „Rückzugsort“ in Form einer autarken Wohngemeinschaft zu schaffen. Dafür hatte er unter anderem ein Gehöft in Sachsen-Anhalt ins Auge gefasst. Die sichergestellten Waffen und die beschlagnahmte Munition waren „lediglich“ für den Krisenfall beschafft worden. b) Inwiefern kann ausgeschlossen werden, dass der „Druide“ Teil eines rechtsextremen Netzwerkes ist, das gezielt auch Anschläge plant? Die Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschuldigte Burghard B. Teil eines rechtsextremen Netzwerkes war, das auch gezielt Anschläge plante. Über ein teilweise enges Kennverhältnis zwischen den Beschuldigten hinaus haben sich keine hinreichenden Belege für eine organisatorische und strukturelle Verbundenheit der Beschuldigten mit einem einheitlichen Verbandswillen feststellen lassen. Auch wenn die Beschuldigten eine politisch im rechtsextremistischen Bereich zu verortende Überzeugung mit Anleihen an die Reichsbürgerbewegung eint, liegen nach Abschluss der Ermittlungen keine Erkenntnisse dafür vor, dass Absprachen über eine gemeinsame "Bewegung" und der zum Erreichen ihrer Ziele einzusetzenden Mittel stattgefunden haben. Auch sonstige, einen Verbandswillen nahelegende Indizien, wie gemeinsame Verlautbarungen oder andere unter den Beschuldigten abgestimmte Aktionen waren nicht ersichtlich. c) Inwiefern konnte geklärt werden, woher Burghard B. Waffen und Munition bezogen hat? Die bei dem Beschuldigten Burghard B. sichergestellten Waffen waren „Selbstlaborate “ (umgebaute „Wühlmausfallen“, selbstgebaute Schrotflinten und selbstgebaute Schießkugelschreiber). Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hat der Beschuldigte Burghard B. diese selbst und im Zusammenwirken mit anderen Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens mit einfachsten Mitteln hergestellt. Dasselbe trifft auch auf Teile der Munition zu. Daneben liegt auch nahe, dass der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Beschuldigte Munition illegal über einen anderen Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens bezog, der über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügte. 11. Welche Fälle sind der Bundesregierung aus dem Jahr 2017 bekannt, in denen „Reichsbürger“ gegen Staatsbedienstete welche Straftaten verübten (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Wie schätzt die Bundesregierung diese Entwicklung ein? Die dieser Beantwortung zugrunde liegenden Informationen basieren auf einer Erhebung vom 28. Dezember 2017 im Datenbestand der Bundeskriminalamt (BKA)-Fallzahlendatei LAPOS (Lagebild Auswertung politisch motivierter Straftaten). Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) werden politisch motivierte Straftaten durch die zuständigen Landespolizeibehörden an das BKA übermittelt und in der BKA-Fallzahlendatei LAPOS erfasst. Bei LAPOS handelt es sich um eine sog. Eingangsstatistik. Die Länder haben jederzeit die Möglichkeit, bereits an das BKA übermittelte Daten aufgrund von Ermittlungserkenntnissen zu ergänzen bzw. zu verändern. Der Datenbestand unterliegt demnach, je nach Ermittlungsbzw . Datenerfassungsstand, einer fortlaufenden Veränderung. Ein Unterthema „gegen Staatsbedienstete“ existiert nicht, jedoch ein Unterthema „gegen Amts- und Mandatsträger“. Für das Jahr 2017 liegen dem BKA Erkenntnisse zu 116 Straftaten unter dem Oberbegriff „Reichsbürger/Selbstverwalter“ mit dem Unterthema „gegen Amtsund Mandatsträger“ vor: Tatzeit 2017, Oberbegriff Reichsbürger/Selbstverwalter und unbekannte Täter gegen Amts-/Mandatsträger, Abfragedatum 28.12.2017: Bundesland Tatzeit Zähldelikt Baden-Württemberg 04.01.2017 § 185 StGB Beleidigung Baden-Württemberg 25.01.2017 § 129a StGB Bildung terroristischer Vereinigungen Baden-Württemberg 27.01.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 05.02.2017 § 253 StGB Erpressung Baden-Württemberg 05.02.2017 § 253 StGB Erpressung Baden-Württemberg 15.02.2017 § 253 StGB Erpressung Baden-Württemberg 15.02.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 02.03.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 17.03.2017 § 90a StGB Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole Baden-Württemberg 29.03.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 04.04.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 12.04.2017 § 185 StGB Beleidigung Baden-Württemberg 15.04.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 02.05.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Baden-Württemberg 12.05.2017 § 253 StGB Erpressung Baden-Württemberg 30.05.2017 § 240 StGB Nötigung Baden-Württemberg 31.05.2017 § 240 StGB Nötigung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/539 Bundesland Tatzeit Zähldelikt Baden-Württemberg 22.07.2017 § 253 StGB Erpressung Baden-Württemberg 26.07.2017 § 86a StGB Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Baden-Württemberg 13.08.2017 § 187 StGB Verleumdung Baden-Württemberg 24.08.2017 § 185 StGB Beleidigung Baden-Württemberg 13.10.2017 § 187 StGB Verleumdung Bayern 25.01.2017 § 240 StGB Nötigung Bayern 30.01.2017 § 240 StGB Nötigung Bayern 01.04.2017 § 240 StGB Nötigung Bayern 06.04.2017 § 185 StGB Beleidigung Bayern 19.04.2017 § 240 StGB Nötigung Bayern 18.05.2017 § 188 StGB Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens Bayern 03.07.2017 § 253 StGB Erpressung Bayern 03.08.2017 § 253 StGB Erpressung Bayern 07.10.2017 § 185 StGB Beleidigung Bayern 12.10.2017 § 240 StGB Nötigung Berlin 20.02.2017 § 185 StGB Beleidigung Berlin 08.04.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Berlin 01.05.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Berlin 18.10.2017 § 253 StGB Erpressung Brandenburg 10.01.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 18.01.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 24.01.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 06.02.2017 § 136 StGB Verstrickungsbruch, Siegelbruch Brandenburg 26.04.2017 § 185 StGB Beleidigung Brandenburg 04.05.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 22.05.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 22.05.2017 § 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte Brandenburg 24.07.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 04.08.2017 § 187 StGB Verleumdung Brandenburg 21.08.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 24.08.2017 § 240 StGB Nötigung Brandenburg 22.09.2017 § 240 StGB Nötigung Mecklenburg-Vorpommern 16.02.2017 § 240 StGB Nötigung Mecklenburg-Vorpommern 15.08.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Niedersachsen 06.01.2017 § 263 StGB Betrug Niedersachsen 07.01.2017 § 90b StGB Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundesland Tatzeit Zähldelikt Niedersachsen 09.01.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 12.01.2017 § 188 StGB Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens Niedersachsen 22.01.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 01.03.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Niedersachsen 20.03.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 22.03.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 24.03.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 04.05.2017 § 241 StGB Bedrohung Niedersachsen 22.05.2017 § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung Niedersachsen 11.06.2017 § 90b StGB Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen Niedersachsen 14.06.2017 § 187 StGB Verleumdung Niedersachsen 19.07.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Niedersachsen 20.07.2017 § 185 StGB Beleidigung Niedersachsen 24.07.2017 § 241 StGB Bedrohung Niedersachsen 24.07.2017 § 187 StGB Verleumdung Niedersachsen 24.07.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 07.08.2017 § 111 StGB Öffentliche Aufforderung zu Straftaten Niedersachsen 11.09.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 26.09.2017 § 185 StGB Beleidigung Niedersachsen 24.10.2017 § 240 StGB Nötigung Niedersachsen 06.11.2017 § 185 StGB Beleidigung Nordrhein-Westfalen 03.01.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 09.01.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 30.01.2017 § 185 StGB Beleidigung Nordrhein-Westfalen 22.02.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 20.03.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 30.03.2017 § 241 StGB Bedrohung Nordrhein-Westfalen 09.05.2017 § 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes Nordrhein-Westfalen 11.05.2017 § 185 StGB Beleidigung Nordrhein-Westfalen 13.05.2017 Verstoß Versammlungsgesetz Nordrhein-Westfalen 18.05.2017 § 185 StGB Beleidigung Nordrhein-Westfalen 25.05.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 11.07.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 14.07.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 22.09.2017 § 240 StGB Nötigung Nordrhein-Westfalen 29.11.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/539 Bundesland Tatzeit Zähldelikt Rheinland-Pfalz 14.03.2017 § 86a StGB Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Sachsen 23.01.2017 § 186 StGB Üble Nachrede Sachsen 23.01.2017 § 240 StGB Nötigung Sachsen 27.01.2017 § 186 StGB Üble Nachrede Sachsen 15.02.2017 § 240 StGB Nötigung Sachsen 06.03.2017 § 187 StGB Verleumdung Sachsen 08.03.2017 § 185 StGB Beleidigung Sachsen 01.04.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Sachsen 16.06.2017 § 240 StGB Nötigung Sachsen 20.07.2017 § 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte Sachsen 23.08.2017 § 240 StGB Nötigung Sachsen-Anhalt 09.01.2017 § 241 StGB Bedrohung Sachsen-Anhalt 23.01.2017 § 240 StGB Nötigung Sachsen-Anhalt 20.09.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 06.01.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 06.01.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 01.02.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 05.02.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 26.02.2017 § 240 StGB Nötigung Thüringen 06.03.2017 § 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte Thüringen 10.03.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 14.03.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 04.04.2017 § 188 StGB Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens Thüringen 11.04.2017 § 242 StGB Diebstahl Thüringen 03.07.2017 § 185 StGB Beleidigung Thüringen 29.07.2017 § 240 StGB Nötigung Thüringen 26.09.2017 § 240 StGB Nötigung Eine Aussage zur Entwicklung dieser dargestellten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger kann nicht getroffen werden, da eine trennscharfe Abbildung von Straftaten, die der „Reichsbürger/Selbstverwalter“-Szene zuzuordnen sind, erst ab dem 1. Januar 2017 belastbar erhoben werden und somit eine vergleichbare Datenbasis aus den Vorjahren fehlt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Wie viele „Reichsbürger“ sind bzw. waren im Jahr 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung Beschäftigte von Bundesbehörden, und wie viele von ihnen hatten im Rahmen ihrer Tätigkeit direkten oder mittelbaren Zugriff zu einer Dienstwaffe (bitte nach Bundesbehörden aufschlüsseln)? 13. Wie viele Disziplinarverfahren wurden im Jahr 2017 gegen Beschäftigte des Bundes im Zusammenhang mit einer möglichen Zuordnung zur „Reichsbürger -Bewegung“ ggf. mit welchem Ergebnis geführt? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 12 und 13 gemeinsam beantwortet . Sieben Verdachtsfälle betreffen Angehörige der Bundespolizei. In vier der sieben Fälle wurde eine Suspendierung bzw. ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Als Polizeivollzugsbeamte hatten die Betroffenen den direkten Zugriff auf Dienstwaffen. In den Fällen der Suspendierung vom Dienst entfiel der Zugriff auf die Dienstwaffe. In den anderen Fällen dürfen die Beamten die Dienstwaffe nur innerhalb des Dienstes weiterhin führen. In allen sieben Fällen wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Drei Verfahren wurden im Jahr 2017 eingeleitet und sind noch nicht abgeschlossen. Die weiteren vier Verfahren sind noch offene Verfahren aus den Vorjahren. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) nimmt nachrichtendienstliche Operationen (Verdachtsfallbearbeitungen) gegen Angehörige des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) auf, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen im Sinne des § 1 Absatz 1 des Gesetzes über den militärischen Abschirmdienst (MADG) vorliegen. Hierzu gehören Informationen über die Zugehörigkeit oder ideologische Nähe einer Person zur „Reichsbürger“-Bewegung. Von den in 2017 abgeschlossenen 13 Verdachtsfallbearbeitungen mit Bezügen zur „Reichsbürger“-Szene konnte in keinem Fall der Verdacht bestätigt werden, dass es sich tatsächlich um einen „Reichsbürger“ gehandelt hätte. Auch bei den aktuell in Bearbeitung befindlichen 35 Verdachtsfällen kann bislang keine Person tatsächlich als „Reichsbürger“ bewertet werden. Im Rahmen der Verdachtsfallbearbeitung durch den MAD erfolgt grundsätzlich eine Erstunterrichtung der zuständigen Disziplinarvorgesetzten, in der diese u. a. dahingehend beraten werden, einer Verdachtsperson den Zugang zu und den Umgang mit Waffen und Munition zu verwehren. Dieser Empfehlung folgen die Disziplinarvorgesetzten. Im Jahr 2017 wurden zwei gerichtliche Disziplinarverfahren gegen Soldaten der Bundeswehr aufgrund einer möglichen Zuordnung zur „Reichsbürger“-Bewegung geführt. Von diesen beiden Verfahren wurde eines am 2. Juni 2017 eingeleitet . Dieses steht kurz vor der Anschuldigung. In dem anderen Verfahren datiert die Einleitungsverfügung vom 6. November 2017. In der Statusgruppe der Beamten wurden im Jahr 2017 in einem Fall Ermittlungen gegen einen Beamten aufgenommen. Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) wurde im Jahr 2017 ein Beschäftigter der „Reichsbürger“-Bewegung zugerechnet. Dieser hatte keinen Zugriff auf eine Dienstwaffe. Es wurde ein Disziplinarverfahren gegen den genannten Beschäftigten geführt, das mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis endete . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/539 Bei zwei Beschäftigten der Zollverwaltung besteht der begründete Verdacht, dass sie der „Reichsbürger“-Bewegung zuzuordnen sind. Keiner der beiden Beschäftigten hatte im Rahmen der Tätigkeit Zugriff auf eine Dienstwaffe. Gegen einen dieser Beamten der Zollverwaltung wurde ein Disziplinarverfahren wegen einer möglichen Zuordnung zur „Reichsbürger“-Bewegung eingeleitet. Dieses ist noch nicht abgeschlossen. Ferner wurde einer Tarifbeschäftigten der Zollverwaltung aufgrund der Zugehörigkeit zur „Reichsbürger“-Bewegung fristlos gekündigt. Die Kündigung ist durch die erhobene Klage rechtshängig. In einem Fall eines wegen Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzten Beamten des einfachen Dienstes (Deutsche Post AG) wurde das Disziplinarverfahren gem. § 32 Absatz 1 Nummer 4 i. V. m. § 5 Absatz 2 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) eingestellt, da die an sich gebotene Geldbuße nicht gegen Ruhestandsbeamte verhängt werden darf. Gegen einen Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes wird zur Aufklärung einer möglichen Zuordnung zur „Reichsbürger“-Bewegung ein Disziplinarverfahren geführt. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. 14. Wie viele durch „Reichsbürger“ verübte politisch motivierte Straftaten sind nach Kenntnis der Bundesregierung für das Jahr 2017 bislang zu verzeichnen (PMK Themenfeldkatalog Oberbegriff Reichsbürger/Selbstverwalter; bitte nach Delikten, Bundesländern, Versuch und Vollendung aufschlüsseln)? Gemäß der Abfrage vom 28. Dezember 2017 im LAPOS-Datenbestand wurden für das Jahr 2017 insgesamt 771 Straftaten gemeldet. Diese schlüsseln sich in 619 vollendete und 152 versuchte Straftaten auf. Tatzeit 2017, Oberbegriff Reichsbürger/Selbstverwalter, aufgeschlüsselt nach versuchten/vollendeten Straftaten, Abfragedatum 28. Dezember 2017 Bundesland Versuch Vollendung Summe Brandenburg 0 64 64 Berlin 1 28 29 Baden-Württemberg 8 50 58 Bayern 128 186 314 Bremen 0 2 2 Hessen 2 6 8 Hamburg 0 0 0 Mecklenburg-Vorpommern 1 22 23 Niedersachsen 1 65 66 Nordrhein-Westfalen 2 69 71 Rheinland-Pfalz 0 9 9 Schleswig-Holstein 3 17 20 Saarland 0 2 2 Sachsen 2 48 50 Sachsen-Anhalt 0 9 9 Thüringen 4 42 46 Gesamtsumme 152 619 771 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Tatzeit 2017, Oberbegriff Reichsbürger/Selbstverwalter, Abfragedatum 28. Dezember 2017 Straftatengruppen nach Phänomenbereich ab 2017 Straftaten Summe Gewalttaten: Tötungsdelikte 0 Körperverletzungen 8 Brandstiftungen 1 Sprengstoffdelikte 0 Landfriedensbruch 0 Gefährlicher Eingriff 0 Freiheitsberaubung 0 Raub 0 Erpressung 78 Widerstandsdelikte 28 Sexualdelikte 0 Summe 115 Sachbeschädigungen 9 Nötigung/Bedrohung 251 Propagandadelikte 50 Störung Totenruhe 0 Volksverhetzung 81 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 3 Verstoß gegen Waffengesetz 12 Andere Straftaten 250 Summe: 656 Gesamtsumme 771 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/539 15. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Reichsbürger im Jahr 2017 Straftaten gegen Geflüchtete, ihre Unterkünfte bzw. Unterstützerinnen und Unterstützer begangen haben, und wenn ja, wie viele (bitte nach Straftatbeständen und Bundesländern aufschlüsseln)? Mit Stand 28. Dezember 2017 meldeten die Ermittlungsbehörden für das Jahr 2017 zehn Straftaten von „Reichsbürgern“, die sich gegen Asylbewerber/Flüchtlinge richteten. Bundesland Tatzeit Zähldelikt Baden-Württemberg 25.01.2017 § 129a StGB Bildung terroristischer Vereinigungen Baden-Württemberg 29.01.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Baden-Württemberg 02.05.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Berlin 08.04.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Niedersachsen 09.05.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Niedersachsen 22.05.2017 § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung Niedersachsen 11.06.2017 § 90b StGB Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen Niedersachsen 19.07.2017 § 130 StGB Volksverhetzung Niedersachsen 20.07.2017 § 185 StGB Beleidigung Rheinland-Pfalz 14.03.2017 § 86a StGB Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 16. Zu wie vielen Personen, die dem PMK Themenfeldkatalog Oberbegriff Reichsbürger/Selbstverwalter zugeordnet werden, liegen aktuell nach Kenntnis der Bundesregierung nicht vollstreckte Haftbefehle vor? Der Bundesregierung ist bekannt, dass zu acht Personen offene, nicht vollstreckte Haftbefehle vorliegen. 17. Welche Fälle sind der Bundesregierung aus dem Jahr 2017 bekannt, in denen „Reichsbürger“ als eigene „Polizei“ oder ähnliche „Hoheitsgewalt“ (sowohl gegenüber Bürgerinnen und Bürgern oder auch gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes) auftraten (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? „Reichsbürger und Selbstverwalter“ beanspruchen oftmals rechtswidrig hoheitliche Rechte und Aufgaben. Sie produzieren und vertreiben nicht nur Fantasieausweise und nehmen Veränderungen an ihren Kfz-Kennzeichen vor, um ihre Lossagung vom Staat nach außen zu verdeutlichen. Vielfach veröffentlichen und versenden sie z. B. auch „Bekanntmachungen“ und andere selbst erdachte „hoheitliche “ Schreiben. Derartige vorgeblich amtliche Schreiben richten sich an eigene Anhänger, konkurrierende Gruppierungen oder Behörden und deren Mitarbeiter. In wie vielen Fällen „Reichsbürger und Selbstverwalter“ rechtswidrig hoheitliche Aufgaben in Anspruch nahmen, ist nicht bekannt. Gemäß einer Abfrage im Datenbestand des KPMD-PMK mit Stand vom 28. Dezember 2017 wurden 2017 fünf Amtsanmaßungsdelikte von „Reichsbürgern /Selbstverwaltern“ verübt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundesland Tatzeit Zähldelikt Bayern 23.05.2017 § 267 StGB Urkundenfälschung Bayern 22.07.2017 § 132 StGB Amtsanmaßung Berlin 22.08.2017 § 132 StGB Amtsanmaßung Nordrhein-Westfalen 10.06.2017 § 267 StGB Urkundenfälschung Sachsen 19.10.2017 § 132 StGB Amtsanmaßung 18. Welche Fälle sind der Bundesregierung aus dem Jahr 2017 bekannt, in denen „Reichsbürger“ gegen das Waffengesetz und/oder Sprengstoffgesetz verstießen (bitte nach Bundesländern und Art des Verstoßes aufschlüsseln), und wie schätzt die Bundesregierung dies in Bezug auf das Gefahrenpotenzial der „Reichsbürger-Bewegung“ insgesamt ein? Die Abfrage im Datenbestand des KPMD-PMK am 28. Dezember 2017 ergab, dass für das Jahr 2017 insgesamt zwölf Verstöße von „Reichsbürgern“ gegen das Waffengesetz gemeldet wurden (siehe Antwort zu Frage 14). Meldungen zu Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz liegen nicht vor. Bundesland Tatzeit Zähldelikt Baden-Württemberg 21.02.2017 WaffG Baden-Württemberg 24.02.2017 WaffG Bayern 21.03.2017 WaffG Bayern 21.03.2017 WaffG Bayern 03.04.2017 WaffG Brandenburg 08.02.2017 WaffG* Brandenburg 03.08.2017 WaffG Brandenburg 18.09.2017 WaffG Hessen 16.04.2017 WaffG Nordrhein-Westfalen 08.03.2017 WaffG Nordrhein-Westfalen 07.11.2017 WaffG Saarland 02.03.2017 WaffG * Bei Straftaten außerhalb des StGB werden die jeweiligen Strafnormen statistisch nicht erfasst. Eine genaue Aufstellung der verletzten Rechtsnormen ist daher nicht möglich. Hinsichtlich des Gefahrenpotenzials der „Reichsbürger“-Bewegung ist festzustellen , dass die für das Jahr 2017 gemeldeten 771 Delikte zwölf Verstöße gegen das Waffengesetz beinhalten. Eine belastbare Aussage zu dem Gefahrenpotenzial innerhalb der „Reichsbürger“-Bewegung lässt sich daraus jedoch nicht herleiten, da diese Zahl lediglich die polizeilich bekannt gewordenen Fälle beschreibt. Dem gegenüber steht die bei „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ weit verbreitete Waffenaffinität. So verfügen laut einer im September 2017 durchgeführten Erhebung ca. 1 000 „Reichsbürger und Selbstverwalter“ über eine oder mehrere waffenrechtliche Erlaubnisse. Weiterhin haben die beiden herausragenden Gewaltdelikte vom 25. August 2016 in Reuden/Sachsen-Anhalt und vom 19. Oktober 2016 in Georgensgmünd/Bayern gezeigt, dass innerhalb der „Reichsbürger“-Bewegung zumindest in Teilen die Bereitschaft gegeben ist, Waffen einzusetzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/539 19. Inwiefern gab oder gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im „Reichsbürger “-Spektrum Hinweise auf Netzwerke, innerhalb derer Waffen ausgetauscht und möglicherweise staatsschutzrelevante Taten geplant werden oder wurden? Der Bundesregierung liegen keine Hinweise auf Netzwerke im „Reichsbürgerund Selbstverwalter“-Spektrum vor, innerhalb derer Waffen „ausgetauscht“ oder in sonstiger Weise gehandelt werden. 20. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen sich „Reichsbürger “ mittels Waffengewalt bzw. bewaffnet gegen Amts-, Mandatsträger oder Beschäftigten des öffentlichen Dienstes stellten (bitte nach Bundesland aufschlüsseln )? Der Bundesregierung sind drei Fälle von Gewaltanwendungen mittels Waffen gegen Amts-, Mandatsträger oder Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bekannt geworden. Dabei handelt es sich um die Fälle in Grefrath/Nordrhein-Westfalen am 28. März 2017, in Reuden/Sachsen-Anhalt am 25. August 2016 und in Georgensgmünd /Bayern am 19. Oktober 2016. 21. Inwiefern liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wie häufig „Reichsbürger “ a) über Jagd- und Sportwaffen und/oder entsprechende Erlaubnisse verfügen , b) Erlaubnisse auf der Grundlage „Brauchtumsschützen oder Brauchtumspflege “ erteilt wurden, c) als Waffen- oder Munitionssammler Schusswaffen oder Munition erworben haben? Nach einer Abfrage des BfV verfügten zum Stichtag 30. September 2017 rund 1 000 „Reichsbürger und Selbstverwalter“ über eine oder mehrere waffenrechtliche Erlaubnisse. Weiteren rund 330 „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ wurden in der Zeit von November 2016 bis zum Stichtag 30. September 2017 die waffenrechtlichen Erlaubnisse durch die zuständigen Waffenbehörden der Länder entzogen. Wie diese Erlaubnisse sich auf die verschiedenen Bedürfnisarten nach § 8 WaffG verteilen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Trotz dieser waffenbehördlichen Maßnahmen sind aufgrund der intensivierten Beobachtung der „Reichsbürger“-Szene Erkenntnisse über weitere Angehörige der „Reichsbürger “-Szene angefallen, die zum Teil über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen. 22. Sieht die Bundesregierung mit Blick auf die Antwort zu Frage 21 einen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung überproportionalen Grad der privaten Bewaffnung? Ja. Zum Stichtag 30. September 2017 verfügten von den insgesamt rund 15 000 „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ etwa 1 000 Personen, also rund 6,5 Prozent , über eine oder mehrere waffenrechtliche Erlaubnisse. Der Anteil waffenrechtlicher Erlaubnisse an der Gesamtbevölkerung beträgt 2 Prozent. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Wenn ja, sieht die Bundesregierung Defizite in der Prüfung der Bedürfnisse und/oder Zuverlässigkeit- und Eignungsprüfung? b) Wie beabsichtigt die Bundesregierung dem zu begegnen? Die Fragen 22a und 22b werden gemeinsam beantwortet. Die Prüfung der waffenrechtlichen Erlaubnisse obliegt den zuständigen Landesbehörden . Die Beurteilung, ob weitere Maßnahmen zur Förderung einer konsequenten Entzugspraxis ergriffen werden sollten, obliegt daher ebenso den Ländern . Diese vollziehen das Waffengesetz gemäß Artikel 83 des Grundgesetzes (GG) als eigene Angelegenheit. Die Bundesregierung wirkt mit den Bundesbehörden auf eine konsequente Entzugspraxis hin. Hierzu hat das Bundesministerium des Innern BKA und BfV gebeten, alle ihre Erkenntnisse zu „Reichsbürgern “ und „Selbstverwaltern“ an die zuständigen Waffen- und Sprengstoffbehörden zu übermitteln, damit dort die Versagung bzw. der Entzug der Erlaubnisse geprüft werden kann. 23. Bleibt die Bundesregierung weiterhin bei Ihrer Auffassung (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage „Kooperation der Sicherheitsbehörden in der Terrorismusbekämpfung – EU-weite Bekämpfung illegaler Feuerwaffen“ auf Bundestagsdrucksache 18/7292 zu Frage 50), eine gesetzlich vorgegebene, systematische Abfrage bei den Landesverfassungsschutzämtern im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeits- und Eignungsüberprüfung sei nicht erforderlich ? Wenn ja, warum? Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Auffassung, dass eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht geboten ist. Es stehen insbesondere nach der Novelle des Waffengesetzes in der 18. Legislaturperiode ausreichend Instrumente zur Verfügung, um den notwendigen Informationsfluss sicherzustellen. Neben den erteilten Erlaubnissen werden zukünftig auch alle Erstanträge auf Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis im Nationalen Waffenregister gespeichert. Um den Waffenbesitz von Extremisten effektiv verhindern bzw. unterbinden zu können, wurde zudem die Schwelle für die Annahme der Regelunzuverlässigkeit wegen Verfolgens verfassungsfeindlicher Bestrebungen herabgesetzt. Nunmehr genügt es, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Person verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, um ggfs. eine Erlaubnisversagung auszusprechen. 24. Hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage „Schusswaffen in Deutschland“ zu Frage 50 auf Bundestagsdrucksache 18/7741), bei Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ lägen nicht bereits „Anhaltspunkte“ für das Fehlen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit vor, auch mit Blick auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 20. September 2016 (Az.: VG 3 K 305/16) fest? Die Innenministerkonferenz (IMK) hat auf ihrer 206. Sitzung hierzu unter TOP 5 folgenden Beschluss gefasst: „Die IMK ist der Auffassung, dass Personen dieser Szene grundsätzlich nicht die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a WaffG besitzen. Sie ist darüber hinaus der Auffassung, dass die zuständigen Erlaubnisbehörden im Bereich des Sprengstoffrechts bei der Bewertung der Zuverlässigkeit einen dem Waffenrecht entsprechenden Prüfungsmaßstab anwenden sollten.“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/539 Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Die Bewertung, ob eine Person waffenrechtlich unzuverlässig ist, ist dabei in jedem Einzelfall anhand des § 5 WaffG vorzunehmen. 25. Wie viele erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse, Ausnahmen, Anordnungen, Sicherstellungen und Waffenverbote für einzelne Personen nach dem Nationales -Waffenregister-Gesetz (NWRG) sind jeweils aktuell im Nationalen Waffenregister (NWR) registriert, und wie viele „Reichsbürger“ verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über eine waffenrechtliche Erlaubnis bzw. über einen legalen Zugang nach § 12 des Waffengesetzes (WaffG) (bitte nach Art der Erlaubnis/Besondere Erlaubnistatbestände aufgliedern gemäß Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/11246)? Zum Stand 31. Dezember 2017 waren im Nationalen Waffenregister (NWR) nachstehende gültige Erlaubnisse bzw. Waffenbesitzverbote gespeichert: Standard-Waffenbesitzkarte 1.617.816 Waffenhandelserlaubnis 3.660 Stellvertretererlaubnis Waffenhandel 319 gewerbliche Waffenherstellungserlaubnis 601 Stellvertretererlaubnis Waffenherstellung 29 private Waffenherstellungserlaubnis 96 Ausnahmegenehmigung verbotene Waffe/Munition 1.281 Ausnahmegenehmigung vom Verbot des Führens bei öffentlichen Veranstaltungen 542 Sportschützen-WBK (ab 01.04.2003) 130.713 Schießerlaubnis 4.426 Waffentrageberechtigung 9.285 Einfuhrerlaubnis 1.976 Ausfuhrerlaubnis 4.461 Allgemeine Ausfuhrerlaubnis in EU-Mitgliedstaaten 300 Europäischer Feuerwaffenpass 69.191 Mitnahmeerlaubnis 104 Waffenbesitzkarte für Sammler 9.803 Sportschützen-WBK (bis 31.03.2003) 142.915 Waffenbesitzkarte für Sachverständige 164 Waffenbesitzkarte für Vereine 10.843 Mitbenutzererlaubnis zur gemeinsamen WBK 19.850 Munitionserwerbsschein 7.224 Kleiner Waffenschein 557.560 Waffenschein 10.500 Waffenbesitzverbote 21.079 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/539 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zum Stichtag 30. September 2017 verfügten rund 1 000 „Reichsbürger und Selbstverwalter“ über eine oder mehrere waffenrechtliche Erlaubnisse. Es ist davon auszugehen, dass deutlich mehr als die Hälfte dieser Personen über mindestens eine Waffenbesitzkarte verfügte. Die Übrigen verfügten über einen Kleinen Waffenschein. Waffenscheine i. e. S. wurden in wenigen Ausnahmefällen festgestellt . Ob und welchem Umfang „Reichsbürger und Selbstverwalter“ über die verschiedenen Ausnahmen von der Erlaubnispflicht nach § 12 des Waffengesetzes (WaffG) legalen Zugriff auf Waffen haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. 26. Wie viele Waffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2017 bei Durchsuchungen von Gruppierungen oder Einzelpersonen gefunden, die sich der „Reichsbürger-Bewegung“ zuordnen lassen, und in wie vielen Fällen handelte es sich um Legalwaffen bzw. illegale Waffen? Die Bundesregierung führt keine Statistik über die Sicherstellung von Waffen bei „Reichsbürgern/Selbstverwaltern“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333