Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Oktober 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5428 19. Wahlperiode 01.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Florian Toncar, Christian Dürr, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/5024 – Brexit-Notfallpläne der deutschen Finanzaufsicht V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bis November 2018 muss das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich stehen, sonst droht für alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen Europas ein chaotischer Brexit. Den EU- Gipfel in Salzburg am 20. September 2018 haben alle Beteiligten beschädigt verlassen. Die Fronten scheinen stärker verhärtet denn je. Kaum ein Tag vergeht ohne gegenseitige Vorhaltungen und Schuldzuweisungen. Es sollte das Bestreben aller Verhandlungspartner sein, zur Sachpolitik zurückzukehren. Offenbar hält auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen „No-Deal-Brexit“ für immer realistischer. In einem Schreiben wendet sie sich an von ihr beaufsichtigte Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) und weist darauf hin, dass im Zuge des Brexit eine Auslagerung oder Unterauslagerung der Portfolioverwaltung oder des Risikomanagements auf ein Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich rechtswidrig werden könne. Nach § 36 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) kann die Kapitalverwaltungsgesellschaft die Portfolioverwaltung oder das Risikomanagement auf ein anderes Unternehmen (Auslagerungsunternehmen) mit Sitz in einem Drittstaat auslagern, wenn die Zusammenarbeit zwischen der BaFin und der zuständigen Aufsichtsbehörde des Drittstaates sichergestellt ist. Entsprechendes regelt § 36 Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 KAGB für Unterauslagerungen . 1. In welchen weiteren, vergleichbaren Fällen hat sich die BaFin an ein von ihr beaufsichtigtes Institut usw. gewandt, um im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Brexit auf Änderungen durch einen künftig möglichen Drittstaaten -Status des Vereinigten Königreichs hinzuweisen? Die BaFin befindet sich in ständigem Kontakt mit den von ihr beaufsichtigen Unternehmen und deren Verbänden. Sie hat dabei seit Ende Juni 2016 durchgängig kommuniziert, dass Finanzinstitute ggf. auch auf einen „No-Deal-Brexit“ (d. h. einen Austritt zum 30. März 2019 ohne ein EU/GBR-Austrittsabkommen) ausreichend vorbereitet sein müssen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5428 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Bereich der Bankenaufsicht hat die BaFin zudem im August 2017 ein Auskunftsersuchen an alle von ihr beaufsichtigten Institute mit nennenswertem geschäftlichen Engagement im Vereinigten Königreich gerichtet (als zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne des Kreditwesengesetzes). Hierüber hinaus hat die BaFin am 26. Juni 2018 den Hinweis auf eine Verlautbarung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zum Thema „Brexit“ veröffentlicht (EBA/Op/ 2018/05), in welcher die EBA u. a. auf die Notwendigkeit Brexit-bezogener Risikoanalysen und Notfallpläne eingeht. Die BaFin prüft derartige Notfallpläne auf Basis der spezifischen Situation des jeweiligen Instituts auf ihre Stichhaltigkeit. Auch im Bereich der Versicherungsaufsicht hat die BaFin gegenüber der Versicherungswirtschaft sowohl in allgemeinen Stellungnahmen als auch in der operativen Aufsicht gegenüber den Versicherungsunternehmen stets betont, dass sich diese Unternehmen auf alle vorstellbaren Brexit-Szenarien einschließlich eines Austritts ohne Austrittsabkommen vorzubereiten haben. Im Bereich der Wertpapieraufsicht wurden alle beaufsichtigten deutschen Zweigniederlassungen britischer Finanzdienstleistungsinstitute sowie grenzüberschreitend tätige Finanzdienstleistungsinstitute angeschrieben. Letzteres betraf sowohl die im Vereinigten Königreich tätigen Institute mit Sitz in Deutschland als auch die in Deutschland tätigen Institute mit Sitz im Vereinigten Königreich. 2. Welche Institutsgruppen wurden in diesem Zusammenhang angeschrieben? Auf welche Rechtsauffassung hat die BaFin dabei im Hinblick auf den Brexit hingewiesen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Bei dem dort für den Bereich der Bankenaufsicht genannten Auskunftsersuchen vom August 2017 vertrat die BaFin für den Fall eines Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der EU ohne Austrittsabkommen und damit ohne Übergangsregelung die Rechtsauffassung, dass mit dem zum Austrittstermin eintretenden Drittstaaten-Status des Vereinigten Königreiches insbesondere der sogenannte „EU-Pass für Finanzdienstleistungen“ für britische Institute wegfällt, der u. a. Banken im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) berechtigt, ihre Kunden im EWR mit lediglich einer EWR-lizensierten Tochtergesellschaft zu bedienen. Im Bereich der Versicherungsaufsicht wurde mehrfach gegenüber der Versicherungswirtschaft darauf hingewiesen, dass die im Vereinigten Königreich per EU- Pass abgeschlossenen Versicherungsverträge deutscher Versicherungsunternehmen weiter gültig sind und daher – vorbehaltlich einer anderweitigen Einschätzung der britischen Aufsichtsbehörden – die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen erfüllt werden müssen. Hierzu hat die BaFin den Versicherungsunternehmen empfohlen, sich mit den britischen Aufsichtsbehörden abzustimmen. Auch im Bereich der Wertpapieraufsicht wurde im Anschreiben an die in der Antwort zu Frage 1 genannten Finanzdienstleistungsinstitute darauf hingewiesen, dass – sollte es kein Austrittsabkommen und damit auch keine Übergangsregelungen geben – der EU-Acquis für und im Vereinigten Königreich bereits Ende März 2019 keine Anwendung mehr finden und eine Inanspruchnahme des europäischen Passes dann nicht mehr möglich sein wird. Den Instituten wurde angeraten , mit der BaFin in Kontakt zu treten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5428 3. Hat die BaFin auch anderen Instituten den Hinweis auf die Vorhaltung von Notfallplänen mitgeteilt? Und wenn ja, welche Sachverhalte sollen damit aus Sicht der BaFin jeweils abgedeckt werden? Die in der Antwort zu Frage 1 erwähnte EBA Brexit Opinion enthält einen Hinweis auf die Notwendigkeit, Notfallpläne vorzuhalten. Zudem wurden im Bereich der Bankenaufsicht Notfallpläne der weniger bedeutenden Institute, die ggfs. weiterhin im Vereinigten Königreich Geschäft betreiben wollen, angefordert. Diese werden jeweils vor dem Hintergrund der spezifischen Situation des jeweiligen Instituts auf ihre Stichhaltigkeit geprüft. Im Bereich der Versicherungsaufsicht hat sich die BaFin auch an Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich und in Gibraltar gewandt, die in Deutschland das Versicherungsgeschäft per EU-Pass betreiben. Diese Unternehmen unterliegen in Deutschland lediglich einer eingeschränkten Rechtsaufsicht. Die BaFin hat diesen Unternehmen dargelegt, dass sie mit Wegfall des EU-Passes kein Neugeschäft in Deutschland betreiben dürfen. Ferner hat die BaFin diese Unternehmen um Darstellung ihrer Notfallplanung gebeten. Dabei hat die BaFin darauf hingewiesen , dass die Versicherungsverträge uneingeschränkt zu erfüllen sein werden, wenn deutsches Vertragsrecht zugrunde liegt. 4. Ist der Bundesregierung und/oder der BaFin bekannt, ob die entsprechenden Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten ebenso bereits entsprechende Schreiben mit Hinweisen zu ihrer Rechtsauffassung im Hinblick auf den Brexit sowie auf gegebenenfalls einzuhaltende Notfallpläne an die von ihnen beaufsichtigten Institute verschickt haben? Der BaFin liegen generell Erkenntnisse vor, dass auch Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten die von ihnen beaufsichtigten Institute zu einer gewissenhaften und zügigen Vorbereitung auf den Brexit anhalten und dabei auf die rechtlichen Folgen des Austritts hinweisen. Zu speziellen Formen und Inhalten dieser Aufforderungen (z. B. Vorlage bestimmter Notfallpläne) liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 5. Hat sich die BaFin insoweit mit den Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten koordinierend abgesprochen? Die BaFin tauscht sich – u. a. über die ESAs – regelmäßig mit anderen EU-Aufsichtsbehörden aus und stimmt sich, soweit sinnvoll, zur Koordinierung politischregulatorischer Themen generell im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ab. Eine Abstimmung der Kommunikation gegenüber Dritten gibt es nicht. 6. Hält die Bundesregierung ein abgestimmtes Vorgehen der Finanzaufsichtsbehörden in dieser Angelegenheit für ratsam? Die Bundesregierung hält den in der Antwort zu Frage 5 beschriebenen generellen Austausch unter Europäischen Aufsichtsbehörden bzw. mit den ESAs für sehr wichtig. Inhaltlich abgestimmte Vorgehensweisen müssten jedoch u. a. den jeweiligen Besonderheiten des nationalen Aufsichtsrechts, der organisatorischen Verankerung der Aufsichtsbehörden in nationalen Behördenstrukturen und den jeweils unterschiedlichen politischen und exekutiven Verantwortlichkeiten ausreichend Rechnung tragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5428 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. In welchen Fällen würde die Zusammenarbeit zwischen der BaFin und der britischen Aufsichtsbehörde nach Ansicht der Bundesregierung als sichergestellt gelten? Die Bundesregierung wirbt für eine enge Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden der künftigen EU27 mit denen des Vereinigten Königreiches auch nach dem Austritt . Über die genauen Formen und Inhalte dieser Zusammenarbeit lassen sich vor dem Abschluss der politischen Austrittsverhandlungen aber keine belastbaren Aussagen treffen. 8. Welche Bemühungen gibt es seitens der Bundesregierung oder seitens der BaFin, etwa ein Memorandum of Understanding (MoU) vorzubereiten? Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat den Entwurf eines Multilateralen MoUs (MMoU) vorbereitet. Dieses soll demnächst mit der britischen Financial Conduct Authority verhandelt werden. Die BaFin war an der Erstellung dieses Entwurfes beteiligt. Die BaFin hat bisher kein eigenes Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit mit britischen Aufsichtsbehörden vorbereitet. Für den Fall jedoch, dass es nicht zu einer europäischen Lösung kommt, prüft die BaFin auch weitergehende Fall-Back-Szenarien, die beispielsweise auch den Abschluss bilateraler MoUs beinhalten könnten. 9. In welchem Anlagevolumen haben von der BaFin beaufsichtigte KVG Auslagerungen oder Unterauslagerungen auf Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich vorgenommen (bitte getrennt nach Portfolioverwaltung und Risikomanagement)? Dieses Anlagevolumen ist der BaFin nicht bekannt. Es handelt sich hierbei nicht um meldepflichtige Daten. 10. Bis zu welchem Zeitpunkt müssen die KVG im Falle einer ausbleibenden Brexit-Einigung nach Ansicht der BaFin spätestens einen Notfallplan nach Punkt 10.3 der KAMaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Kapitalverwaltungsgesellschaften) vorlegen? Welche Überlegungen gibt es hierzu innerhalb der BaFin? Wenn es hier noch keine Überlegungen gibt, aus welchen Gründen wird darauf verzichtet? Die KVGen haben nach Punkt 10.3. der KAMaRisk, der Artikel 75 Satz 1 Buchstabe g AIFM-Level 2 VO (= delegierte VO Nr. 231/2013) konkretisiert, einen Notfallplan nicht vorzulegen, sondern lediglich vorzuhalten. Das Vorhalten eines Notfallplans gilt für Beendigungen von Auslagerungsverträgen aus jeglichen Gründen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5428 11. Hat die BaFin bereits die Erkenntnisse ausgewertet, inwiefern es für die KVG im Falle eines „No-Deal-Brexit“ möglich ist, am Markt qualitativ gleichwertige Leistungen von anderen §-36-KAGB-konformen Unternehmen zu erhalten? Wenn ja, wie sehen diese Erkenntnisse aus, und welche Schlüsse zieht die BaFin daraus? Wenn nein, wann wird die BaFin diesen Prozess abgeschlossen haben? Die Auswertung der Antworten hat ergeben, dass ein wesentlicher Teil der betroffenen Kapitalverwaltungsgesellschaften, d. h. solcher Gesellschaften, die unmittelbar das Portfoliomanagement oder Risikomanagement auf UK-Unternehmen ausgelagert haben, es für prinzipiell möglich erachtet, entweder auf andere Auslagerungsunternehmen auszulagern oder die Aufgaben gegebenenfalls selbst einzugliedern. In wenigen Fällen wird jedoch eine Auslagerung auf ein anderes Unternehmen oder eine Eingliederung nicht in Betracht kommen, da nach dem Geschäftsmodell eine Erbringung der Portfolioverwaltung oder des Risikomanagements durch ein UK-Unternehmen der entscheidende Faktor ist. Auch wenn die Auswertung kein einheitliches Bild ergeben hat, zeigt sich dennoch, dass sich die KVGen mit den Folgen eines Austritts ohne Austrittsabkommen auseinandersetzen . Aus Sicht der Investmentaufsicht scheinen die Probleme für die Branche überwiegend lösbar zu sein. 12. Hat die BaFin bereits die Erkenntnisse ausgewertet, inwiefern es für die KVG im Falle eines „harten“ Brexit durch eine mögliche Übertragung von Aufgaben auf andere §-36-KAGB-konforme Unternehmen zu Steigerungen bzw. Verschlechterungen bei den Konditionen bzw. Kosten kommen kann? Wenn ja, wie sehen diese Erkenntnisse aus, und welche Schlüsse zieht die BaFin daraus? Wenn nein, wann wird die BaFin diesen Prozess abgeschlossen haben? Die Auswertung der Antworten hat gezeigt, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften davon ausgehen, dass eine Übertragung auf andere, geeignete Auslagerungsunternehmen mit geringen, leicht erhöhten oder in einigen Fällen hohen, den Aufwand nicht mehr rechtfertigenden Kosten bzw. Konditionenverschlechterungen verbunden sein werden. Auch wenn die Auswertung kein einheitliches Bild ergeben hat, zeigt sich dennoch, dass sich die KVGen mit den Folgen eines Austritts ohne Austrittsabkommen auseinandersetzen. Aus Sicht der Investmentaufsicht scheinen die Probleme für die Branche überwiegend lösbar zu sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333