Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5482 19. Wahlperiode 05.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Sven Lehmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/5148 – Sozialer Arbeitsmarkt – Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose ermöglichen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Gesellschaftliche Teilhabe ist eng mit Erwerbsarbeit verbunden, denn Arbeit bedeutet nicht nur Einkommen, sondern auch Anerkennung, Wertschätzung und soziale Kontakte. Deswegen sind Menschen durch lang anhaltende Arbeitslosigkeit isoliert und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Die Gründe, warum Menschen langzeitarbeitslos werden, sind vielfältig. Unzureichende Qualifikation, Lebensalter, gesundheitliche und persönliche Probleme oder Auswirkungen aufgrund besonderer Lebensereignisse werden im Verlauf der Arbeitslosigkeit zu sogenannten Vermittlungshemmnissen. Gleichzeitig besteht ein struktureller Mangel an Arbeitsplätzen, die diesen spezifischen Bedarfen gerecht werden. Die bisherigen arbeitsmarktpolitischen Instrumente geben darauf keine Antwort. Die Konsequenz ist, dass viele Langzeitarbeitslose trotz hoher Nachfrage nach Arbeitskräften bislang keine oder nur geringe Chancen auf ungeförderte Beschäftigung haben. Daher ist der Versuch, eine solidarische Arbeitsmarktpolitik zu etablieren, die für alle Chancen und Perspektiven eröffnet, ein wichtiges Anliegen, mit dem der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden kann. Mit dem Entwurf des Teilhabechancengesetzes will die Bundesregierung einen Sozialen Arbeitsmarkt etablieren. Allerdings ist aus Sicht der Fragesteller fraglich , ob sich mit den im Gesetzentwurf verankerten Rahmenbedingungen das Ziel, Langzeitarbeitslosen „eine Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt zu eröffnen“, erreichen lässt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5482 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zugangsvoraussetzungen 1. Wie viele Personen erfüllen nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die Zugangsvoraussetzungen für den Sozialen Arbeitsmarkt (§ 16i neu des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II), und auf welcher Datenbasis errechnet sich diese Zahl? Eine Eingrenzung der erwerbstätigen Leistungsberechtigten (ELB) nach deren Verweildauer in der Grundsicherung für Arbeitsuchende innerhalb einer bestimmten Rahmenfrist ist mit den Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit nicht möglich. Deshalb wird auf die Verweildauer im Regelleistungsbezug Zweites Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) abgestellt. Bis zu welcher Grenze eine Erwerbstätigkeit noch als „kurzzeitig“ angesehen werden kann, ist dabei unter Berücksichtigung des Ziels zu bewerten, das Instrument auf eine sehr arbeitsmarktferne Zielgruppe zu beschränken. Für die statistische Abschätzung des Personenkreises , der die Zugangsvoraussetzungen für den Sozialen Arbeitsmarkt (§ 16i neu SGB II) erfüllt, wird deshalb einerseits als Untergrenze des Potenzials die Zahl der Personen dargestellt, die innerhalb der gesamten betrachteten Verweildauer nicht über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügt hat, und andererseits die Zahl der Personen mit der jeweiligen Verweildauer, die lediglich im letzten Monat nicht über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügt hat. Im Juni 2018 waren 772 000 Personen im Alter von 25 Jahren und älter mit einer Verweildauer von sieben Jahren und mehr im Regelleistungsbezug, die nicht über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügten, davon 447 000 Personen ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den letzten sieben Jahren. 2. Wie viele Personen würden nach Einschätzung der Bundesregierung die Zugangsvoraussetzungen des § 16i neu SGB II erfüllen, wenn statt der geplanten notwendigen sieben innerhalb der letzten acht Jahre Leistungsbezug nur a) vier innerhalb von fünf Jahren, b) fünf innerhalb von sechs Jahren und c) sechs innerhalb von sieben Jahren notwendig wären? Im Juni 2018 waren 1 115 000 Personen im Alter von 25 Jahren und älter mit einer Verweildauer von vier Jahren und mehr im Regelleistungsbezug, die nicht über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügten, davon 784 000 Personen ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den letzten vier Jahren. Im Juni 2018 waren 983 000 Personen im Alter von 25 Jahren und älter mit einer Verweildauer von fünf Jahren und mehr im Regelleistungsbezug, die nicht über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügten, davon 650 000 Personen ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den letzten fünf Jahren. Im Juni 2018 waren 870 000 Personen im Alter von 25 Jahren und älter mit einer Verweildauer von sechs Jahren und mehr im Regelleistungsbezug, die nicht über Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügten, davon 543 000 Personen ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den letzten sechs Jahren. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5482 3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit , Integration und Sozialpolitik des Deutschen Bundesrates, die Zugangsvoraussetzungen am Sozialen Arbeitsmarkt (§ 16i neu SGB II) abzusenken, in dem alle Personen teilnehmen dürfen, die innerhalb der letzten sechs Jahre vier Jahre arbeitslos waren? Die Fördervoraussetzung für den § 16i neu SGB II orientiert sich an der Dauer des Leistungsbezugs, da dieser in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den Beschäftigungschancen eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten steht. Dabei zeigen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen (zuletzt: IAB-Kurzbericht 20/2018), dass ab einer Leistungsbezugsdauer von sechs Jahren die Chancen auf Übergang in Beschäftigung nur noch sehr gering sind. Mit einer Leistungsbezugsdauer von sieben Jahren als Fördervoraussetzung wird somit gewährleistet, dass es sich um sehr arbeitsmarktferne Personen handelt und das Ausmaß möglicher Einsperreffekte (Lock-in-Effekte) gering bleibt. Dementsprechend hat die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 21. September 2018 – BR-Drs. 366/18 (Beschluss), eine kürzere Leistungsbezugsdauer festzulegen, in ihrer Gegenäußerung nicht zugestimmt. 4. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Gründe für lange Arbeitslosigkeit und die Chancen, wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können, individuell sehr unterschiedlich sind? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum ist vor diesem Hintergrund die Zugangsvoraussetzung im Teilhabechancengesetz beim § 16i neu SGB II sehr starr ausgestaltet und im Wesentlichen an die Dauer des Leistungsbezugs gekoppelt? Die Bundesregierung teilt diese Ansicht. Aus diesem Grund weisen die Fördervoraussetzungen einen großen Beurteilungsspielraum auf, der insbesondere die Feststellung und Auslegung des Tatbestands „sehr arbeitsmarktfern“ und der Erforderlichkeit der Förderung betrifft. Mit der Festlegung einer Mindestleistungsbezugsdauer als Fördervoraussetzung wird ein Personenkreis bestimmt, bei dem mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass es sich um sehr arbeitsmarktferne Personen handelt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Bestätigt die Bundesregierung, dass die Chancen auf Arbeit sinken, je länger die Arbeitslosigkeit andauert? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum eröffnet das Teilhabechancengesetz Langzeitarbeitslosen die geförderte Beschäftigung nach § 16i neu SGB II erst nach sieben Jahren innerhalb der letzten acht Jahre Leistungsbezug? Diese Auffassung ist aus Sicht der Bundesregierung richtig. Bei kürzerer Leistungsbezugsdauer bzw. Langzeitarbeitslosigkeit bestehen jedoch immer noch gute Chancen, mit einem geringeren Einsatz von Fördermitteln die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bewirken. Dies zeigen die Erfahrungen aus dem ESF-Bundesprogramm zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit. Diese Erkenntnisse haben zur Neufassung des § 16e SGB II geführt, der genau hierzu eingesetzt werden soll. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5482 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Bestätigt die Bundesregierung, dass der § 16i neu SGB II im geplanten Teilhabechancengesetz zentral auf die soziale Integration und Teilhabe von Langzeitarbeitslosen abzielt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie ist es dann zu begründen, dass Langzeitarbeitslosen erst nach sieben Jahren innerhalb der letzten acht Jahre Leistungsbezug, soziale Integration und Teilhabe ermöglicht wird? Der § 16i neu SGB II zielt auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt für sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose. Bei kürzerer Leistungsbezugsdauer bzw. Langzeitarbeitslosigkeit bestehen Chancen, mit effektiven Vermittlungsstrategien und Förderinstrumenten eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bewirken und damit zugleich auch soziale Integration und Teilhabe zu verbessern. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 3, 4 und 5 verwiesen. 7. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass Langzeitarbeitslose aufgrund des geforderten langen Leistungsbezugs nicht nur bei Beschäftigungsträgern Chancen erhalten, sondern auch bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern , wie dies im Teilhabechancengesetz ausdrücklich angestrebt wird? Die Erfahrungen aus dem ESF-Bundesprogramm zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit sind diesbezüglich ermutigend. In vielen Regionen gibt es einen sehr aufnahmefähigen Helfermarkt. Etwa zwei Drittel der Arbeitgeber, die rund 20 000 Langzeitarbeitslosen eine Chance auf Arbeit gegeben haben, stammen aus dem privaten Sektor. Insbesondere handelt es sich um kleine und inhabergeführte Betriebe. Die geförderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiesen dabei eine durchschnittliche vorhergehende Leistungsbezugsdauer von sieben Jahren auf und sind deshalb zu einem größeren Teil als sehr arbeitsmarktfern einzuschätzen . Erfolgsfaktoren scheinen dabei die Betriebsakquisition und das Coaching zu sein. Coaching wird zentraler Bestandteil der Förderung nach den §§ 16e n. F. und 16i neu SGB II sein. 8. Ist ein Übergang vom Regelinstrument § 16e neu SGB II zum § 16i neu SGB II möglich, wenn es die persönlichen Umstände der zu fördernden Person erfordert? Wenn nein, warum nicht? Ein Übergang vom Regelinstrument § 16e n.°F. SGB II zum § 16i neu SGB II im Sinne einer Anschlussförderung ist nicht möglich. Die unterschiedlichen Zielgruppen der beiden neuen Regelinstrumente schließen dies bereits grundsätzlich aus. Zielgruppe des § 16i neu SGB II sind Leistungsberechtigte die sehr arbeitsmarktfern sind und in absehbarer Zeit keine realistische Chance auf eine ungeförderte Beschäftigung haben. Zielgruppe des § 16e SGB II n.°F. hingegen sind Leistungsberechtigte, bei denen eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit noch vermieden werden kann und eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt in Betracht kommt. Selbst unter der Annahme, dass es bei der Zielgruppe Überschneidungen geben kann, kann nach einer abgeschlossenen Förderung nach § 16e SGB II n. F. nicht mehr angenommen werden, dass die geförderte Person zur Zielgruppe des § 16i neu SGB II gehört. Die Förderung nach § 16e SGB II n.°F. sieht eine Nachbeschäftigung von sechs Monaten beim geförderten Arbeitgeber vor. In dieser Zeit ist das Beschäftigungsverhältnis auch voll sozialversicherungspflichtig . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5482 9. Wie beurteilt die Bundesregierung die gegenüber den Fragestellern getätigte Aussage von Jobcentern, dass sich die Zahl der Anspruchsberechtigten in den jeweiligen Jobcentern nur schwer ermitteln lässt, da die Daten aufgrund des Wechsels des Leistungsberechnungsprogramms von A2LL zu ALLEGRO nicht vorhanden seien und sich nur mit Mühe durch umfassende Recherchen in den Archiven herausfinden ließe? Für den Bereich der gemeinsamen Einrichtungen (gE) wird rechtzeitig eine elektronische Abfrage zur Verfügung gestellt, in der Daten aus den beiden genannten Leistungssystemen zusammengeführt sind. Orientierung am Mindest- bzw. Tariflohn 10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit , Integration und Sozialpolitik des Deutschen Bundesrates, die Lohnkostenzuschüsse beim künftigen Regelinstrument § 16i neu SGB II am tatsächlichen Arbeitsentgelt zu orientieren, und welche Gründe sprechen dagegen? Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beruht auf den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag . Dieser sieht eine Orientierung der Förderung am Mindestlohn vor. 11. Wie hoch wird nach Einschätzung der Bundesregierung der Anteil der Personen in der Förderung des § 16i neu SGB II sein, die nur einen Lohn in Höhe des Mindestlohns beziehen werden? Die Anzahl der Personen kann seitens der Bundesregierung noch vor Inkrafttreten der Regelung nicht beziffert werden. 12. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung bei Menschen mit Vollzeit- Mindestlohneinkommen und durchschnittlichen Wohnkosten der Anteil derer , die ihr Einkommen mit SGB-II-Leistungen aufstocken müssen? Zur Lohnhöhe von erwerbstätigen Leistungsberechtigten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Im März 2018 gab es in der Grundsicherung für Arbeitsuchende insgesamt 133 000 sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigte erwerbstätige Leistungsberechtigte, die sich nicht in einer Ausbildung befanden . Ob in Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Grundsicherung für Arbeitsuchende leistungsberechtigt sind, ist von vielfältigen Faktoren abhängig. Neben der Höhe des Stundenlohns und damit der Höhe des Erwerbseinkommens sind dies beispielsweise die Personenkonstellation in der Bedarfsgemeinschaft oder auch der regionale Wohnungsmarkt, der die Höhe der Wohnkosten beeinflusst. 13. Welchen Anreiz gibt es nach Ansicht der Bundesregierung im Teilhabechancengesetz für private und öffentliche Arbeitgeber, die entweder tariflich oder ortsüblich über dem Mindestlohn bezahlen, Arbeitsplätze im Rahmen des § 16i neu SGB II zur Verfügung zu stellen, obwohl sie entsprechend höhere Eigenanteile erwirtschaften müssen? Gesonderte Anreize für diese Gruppe von Arbeitgebern sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5482 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine ausschließliche Orientierung des Lohnkostenzuschusses am gesetzlichen Mindestlohn tarifgebundene Unternehmen benachteiligt, da deren Eigenanteil höher wäre, und die Folge sein könnte, dass nur wenige tarifgebundene oder privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen Plätze im Rahmen des § 16i neu SGB II zur Verfügung stellen? Wenn nein, warum nicht? In welchem Umfang tarifgebundene oder privatwirtschaftliche Unternehmen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, hängt neben dem in der Frage genannten Eigenanteil von vielfältigen weiteren Faktoren ab. Angesichts der Höhe und Dauer der Förderung kann eine Eigenleistung der Arbeitgeber grundsätzlich erwartet werden. Eine Einschätzung der insgesamt bereit gestellten Arbeitsplätze noch vor Inkrafttreten der Regelung kann die Bundesregierung nicht vornehmen. Freiwilligkeit – Zuweisung 15. Ist die Teilnahme am § 16e neu SGB II und § 16i neu SGB II für die Beschäftigten freiwillig, oder haben die Jobcenter die Möglichkeit, Personen ohne deren ausdrücklichen Willen zur Teilnahme zu verpflichten bzw. bei Nichtteilnahme Sanktionen auszusprechen? Wenn ja, in welchem Rahmen? Die Förderung nach § 16e SGB II n. F. richtet sich an den Arbeitgeber. Dieser erhält über § 16e SGB II Zuschüsse zum Arbeitsentgelt, wenn er mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von mindestens zwei Jahren begründet. Eine Zuweisung erfolgt nicht. Wird die Fortführung dieses Arbeitsverhältnisses vom Leistungsberechtigten ohne wichtigen Grund verweigert, kann dies nach den allgemeinen Regelungen auch zu einer Sanktion führen. Die Förderung nach § 16i neu SGB II ist eine Maßnahme zur Eingliederung. Gemäß § 16i neu Absatz 3 SGB II werden Leistungsberechtigte einem Arbeitgeber zugewiesen. Vorrangiges Ziel des neuen Regelinstruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt “ im § 16i neu SGB II ist es, sehr arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen mit einer längerfristigen Perspektive in öffentlich geförderter Beschäftigung soziale Teilhabe zu ermöglichen. Aufgrund der langfristigen und ganzheitlichen Ausgestaltung sowie der erheblichen Kosten erscheint eine Teilnahme nur erfolgsversprechend und wirtschaftlich, wenn der Teilnehmer freiwillig an der Maßnahme teilnimmt. Eine Zuweisung gegen den Willen des Teilnehmers ist daher praktisch kaum vorstellbar. Die Nichtteilnahme kann eine Pflichtverletzung darstellen. 16. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür und welche dagegen, beim § 16i neu SGB II komplett auf eine freiwillige Teilnahme der Personen, die die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, zu setzen? In die Förderung nach § 16i neu SGB II sollten nur Personen zugewiesen werden, die eine entsprechende Arbeitsmotivation aufweisen. Zugleich ist das wesentliche Kriterium für eine Zuweisung die Erforderlichkeit der Förderung. Entsprechend muss es sich um eine sehr arbeitsmarktferne Person handeln. Bei diesem Personenkreis kann es damit auch erforderlich sein, eine Arbeitsmotivation wieder gemeinsam neu zu entwickeln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/5482 17. Welche Gründe sprechen aus der Sicht der Bundesregierung dafür, Personen, die nach § 16i neu SGB II die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, privaten und öffentlichen Arbeitgebern zuzuweisen, obwohl es bei diesen Arbeitgebern üblich ist, dass sie neue Beschäftigte selber auswählen, und wie will die Bundesregierung verhindern, dass deshalb kaum Stellen bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern angeboten werden? Die zu fördernden Arbeitsverhältnisse werden nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer geschlossen . Die Zuweisung ist zwar eine Fördervoraussetzung, begründet aber weder einen Anspruch auf Einstellung, noch löst sie einen Kontrahierungszwang aus. 18. Welche Erfahrung hat die Bundesregierung mit der Zuweisung von Beschäftigten im Rahmen des bisherigen § 16e SGB II als auch bei den einschlägigen Bundesprogrammen gesammelt, und könnte diese Zuweisungsbedingung ein Grund dafür sein, dass private Arbeitgeber sehr zurückhaltend bei der Bereitstellung von Arbeitsplätzen waren? Wie schon in der Antwort zu Frage 17 ausgeführt, ist die Zuweisung nicht konstitutiv für das Arbeitsverhältnis, sondern für die Förderung. Ein Hindernis für private Arbeitgeber bei der Bereitstellung von Arbeitsplätzen konnte die Bundesregierung in der Vergangenheit daher nicht feststellen. 19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit , Integration und Sozialpolitik des Deutschen Bundesrates, eine Zuweisung von Arbeitskräften im Rahmen des Sozialen Arbeitsmarkts (§ 16e neu SGB II) nur mit einem Einverständnis des Arbeitgebers vorzunehmen? Eine Zuweisung von Arbeitskräften im Rahmen des § 16e SGB II n.°F. erfolgt nicht. Gefördert werden vielmehr Arbeitgeber, wenn sie mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person (nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln) ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von mindestens zwei Jahren begründen. Höhe der Lohnkostenzuschüsse 20. In welchen Bundesländern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Zuschüsse nach § 16e SGB II in welcher Höhe durch kommunale oder Landesmittel aufgestockt, und welchen empirischen Zusammenhang gibt es zwischen der Zahl der zur Verfügung gestellten Plätze und der Höhe der Förderung (bitte zwischen privaten sowie öffentlichen Arbeitgebern und Beschäftigungsträgern differenzieren)? Der Bundesregierung liegt keine abschließende Auflistung von Landesprogrammen vor, die eine ergänzende Förderung von auf der Grundlage von § 16e SGB II geförderten Arbeitsverhältnissen vorsehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5482 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 21. Inwiefern wird die automatische Degression des Lohnkostenzuschusses nach § 16i neu SGB II den individuellen Erfordernissen der geförderten Personen aus Sicht der Bundesregierung gerecht, und welche individuellen Möglichkeiten haben die Jobcenter, den Lohnkostenzuschuss an die tatsächlichen Erfordernisse anzupassen? Der Lohnkostenzuschuss ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Transparenz auf die im Gesetzentwurf genannten Prozentsätze festgesetzt. Die Degression setzt für den Arbeitgeber Anreize in eine anwachsende Produktivität der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers zu investieren. Zugleich wirkt sie sich aufgrund des Wertschöpfungsbeitrags der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers günstig auf ihr bzw. sein Teilhabeempfinden aus. 22. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung die Gefahr, dass das Zusammenspiel von automatischer Degression des Lohnkostenzuschusses nach § 16i neu SGB II und der Zugangsvoraussetzung, dass nur Menschen, die sehr lange arbeitslos waren (sieben Jahre innerhalb der letzten acht Jahre Leistungsbezug ) dazu führen kann, dass nur wenige private bzw. öffentliche Arbeitgeber passende Arbeitsplätze anbieten werden? Wenn nein, warum nicht? Es wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. 23. Inwiefern können Beschäftigungsträger, die in der Regel nur sehr geringe oder keine Gewinne erwirtschaften, nach Ansicht der Bundesregierung den degressiven Lohnkostenzuschuss ausgleichen, und kann dies dazu führen, dass gerade die Beschäftigungsträger deshalb nur wenige Arbeitsplätze anbieten können, obwohl gerade sie vielfältige Erfahrungen mit Menschen haben , die besonders lange arbeitslos sind? Wenn nein, warum nicht? Angesichts der Höhe und Dauer der Förderung kann eine Eigenleistung der Arbeitgeber erwartet werden. Zudem ermöglicht das Instrument eine Ko-Finanzierung der Deckungslücke im Lohnkostenzuschuss (oder auch von Sachkosten etc.) durch Dritte. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 21 verwiesen. Weiterbildung und Begleitung 24. Inwiefern stellt aus Sicht der Bundesregierung die Übernahme von maximal 50 Prozent der Weiterbildungskosten für Unternehmen eine Hürde dar, in die Weiterbildung von Beschäftigten, die nach § 16i neu SGB II gefördert werden , zu investieren? 25. Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlung des Ausschusses für Arbeit , Integration und Sozialpolitik des Deutschen Bundesrates, in den ersten beiden Jahren 100 Prozent und im dritten Jahr 50 Prozent der Weiterbildungskosten zu übernehmen? Die Fragen 24 und 25 werden gemeinsam beantwortet. Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Übernahme von maximal bis zu 50 Prozent der Weiterbildungskosten gerechtfertigt. Denn der Weiterbildungsbedarf wird gerade in den ersten beiden Jahren der geförderten Beschäftigung aufgrund der besonderen Arbeitsmarktferne der Teilnehmenden erfahrungsgemäß in kürzeren und niedrigschwelligen Qualifizierungen liegen. Diese Weiterbildungen sind im Regelfall kostengünstig. Durch die anteilige Übernahme der Weiterbil- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/5482 dungskosten soll auch ein Anreiz für die Arbeitgeber geschaffen werden, die anwachsende Produktivität der Beschäftigten in einer entsprechend aufgewerteten Tätigkeit im Betrieb zu nutzen und damit ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen . 26. Wird die Bundesregierung es ermöglichen, dass Beschäftigungsträger die zusätzlich finanzierte ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung nach § 16i neu SGB II ohne Ausschreibung selber übernehmen können, wenn sie Langzeitarbeitslose nach § 16i neu SGB II beschäftigten? Wenn nein, warum nicht? Das Coaching kann durch das Jobcenter oder einen durch das Jobcenter beauftragten Dritten erbracht werden. Coaching kann nicht durch den Arbeitgeber des Coaches erbracht werden. Die Durchführung des Coachings durch den Arbeitgeber wird aus zwei Gründen abgelehnt: Erstens ist ein Abhängigkeitsverhältnis des Coaches zum Arbeitgeber für die Neutralität der Beratung, die Mediation von Konflikten und den Datenschutz der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers mit Risiken verbunden. Zweitens sollen im Laufe der Förderung durch den Coach auch Optionen für einen Arbeitgeberwechsel geprüft werden, der den Teilnehmende näher an einer ungeförderte Beschäftigung heranführen könnten. Hierbei käme es bei einem Coaching durch den Arbeitgeber zu einem Interessenkonflikt. Zeitliche Begrenzung 27. Aus welchen Gründen begrenzt die Bundesregierung die Beschäftigung nach § 16i neu SGB II zeitlich und einmalig auf fünf Jahre? Erfahrungen aus bisherigen Instrumenten und Programmen der öffentlichen geförderten Beschäftigung zeigen, dass bei einem sehr arbeitsmarktfernen Personenkreis eine längere Förderdauer für eine nachhaltige Stabilisierung dieser Personen erforderlich ist. Gleichzeitig soll die zeitliche Befristung der Förderung darauf hinwirken, am Ende des Förderzeitraums verstärkt Optionen für eine ungeförderte Beschäftigung zu prüfen. Bei einer unbefristeten Förderung bestünde dagegen die Gefahr, dass Personen, die diese Förderung nicht mehr benötigten, trotzdem darin verblieben und damit förderbedürftige Personen unter Umständen nicht gefördert werden könnten. Dieses gravierende Effizienz- und Gerechtigkeitsproblem gilt es zu durch eine Befristung zu vermeiden. 28. Gibt es die Möglichkeit, von dieser zeitlichen Begrenzung abzuweichen, wenn Personen auch nach der Förderung keine realistischen Perspektiven auf eine ungeförderte Beschäftigung haben? Wenn nein, warum nicht, und welche Instrumente der Arbeitsförderung bzw. sozialen Teilhabe hält die Bundesregierung für solche Fälle nach Ablauf der insgesamt fünf Jahre für geeignet? Von der Befristung auf fünf Jahre kann nicht abgewichen werden. Grundsätzlich stehen im Anschluss an eine Beschäftigung nach § 16i neu SGB II alle Förderinstrumente des SGB II zur Verfügung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5482 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Sonstige Fragen 29. Aus welchen Gründen soll der geplante Lohnkostenzuschuss sowohl beim § 16e neu SGB II als auch beim § 16i neu SGB II nicht die kompletten Sozialabgaben inklusive des Arbeitgeberbeitrags zur Arbeitsförderung berücksichtigungsfähig sein? Für Beschäftigte in einem aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitsuchende geförderten Arbeitsverhältnis sollen zur Vermeidung von „Drehtüreffekten“ keine Beiträge zur Arbeitsförderung gezahlt werden. Dies entspricht der Fördersystematik des SGB II. 30. Welche Konsequenzen hat nach Einschätzung der Bundesregierung die geplante Nichtberücksichtigung des Beitrags zur Arbeitsförderung für die teilnehmenden Arbeitgeber und Beschäftigten in Bezug auf die Kosten und mit Blick auf etwaige Leistungsansprüche aus der Arbeitslosenversicherung? Mit der Versicherungsfreiheit zur Arbeitsförderung sind von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Arbeitgebern keine Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten. In der Folge können Zeiten in einer solchen geförderten Beschäftigung nicht zur Erfüllung der für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderlichen Anwartschaftszeit berücksichtigt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333