Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 2. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5517 19. Wahlperiode 06.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Ralf Nolte, Rüdiger Lucassen, Berengar Elsner von Gronow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/4965 – Einsatz chemischer Kampfstoffe in Syrien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Vor zwei Wochen ist bekannt geworden, dass die USA die Bereitschaft der Bundesregierung für einen Militärschlag gegen Syrien im Falle eines etwaigen Einsatzes von chemischen Kampfstoffen in der von islamistischen Rebellen besetzten Provinz Idlib abgefragt hat (www.zeit.de/politik/ausland/2018-09/syrienkrieg -usa-bundeswehreinsatz-solidaritaet). Grundlegend vorangestellt ist die Annahme, dass es bisher zu Angriffen mit Giftgas in Syrien gekommen sei und dass diese Angriffe vom syrischen Militär durchgeführt worden seien. 1. Wie oft wurden, nach Kenntnis der Bundesregierung, während des innersyrischen Konflikts C-Waffen eingesetzt (bitte mit Datum angeben)? Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) überwacht die Einhaltung des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) durch ihre unabhängigen und fachlich geschulten Experten. Daher verweist die Bundesregierung auf die Berichte der „Fact Finding Mission“ der OVCW (www.opcw.org/fact-findingmission ) und die Berichte des gemeinsamen Untersuchungsmechanismus von OVCW und den Vereinten Nationen (VN, „Joint Investigative Mechanism“, JIM). Die Bundesregierung verweist weiterhin auf den Bericht der VN-Untersuchungsmission zum mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in der Region Ghuta am 21. August 2013 („UN Mission to Investigate Allegations of the Use of Chemical Weapons in the Syrian Arab Republic“). Ferner verweist die Bundesregierung auf den Annex der Note S/1677/2018 des Technischen Sekretariats der OVCW vom 10. Oktober 2018 („Summary update of the activities carried out by the OPCW Fact-Finding Mission in Syria“, www.opcw.org/sites/default/files/ documents/2018/10/s-1677-2018%28e%29.pdf). Der Annex listet 143 Meldungen in offenen Quellen zu mutmaßlichen Einsätzen von Chemiewaffen in Syrien zwischen 1. Dezember 2015 und 8. Oktober 2018 auf. Die Bundesregierung verweist schließlich auf die Erklärung des Generaldirektors der OVCW vom 20. März 2018 vor dem VN-Sicherheitsrat (www.opcw.org/sites/default/files/ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5517 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode documents/ODG/uzumcu/United_Nations_Security_Council_Statement_by_the_ Director-General_OPCW__Ambassador_Ahmet_Uzumcu.pdf), wonach die OVCW- „Fact Finding Mission“ zwischen April 2014 und März 2018 aus 390 Meldungen zu Einsätzen von Chemiewaffen 74 für eigene Ermittlungen ausgewählt habe. Bisher abgeschlossene Untersuchungen kommen in insgesamt 16 Fällen zu dem Ergebnis, dass im bewaffneten Konflikt in Syrien chemische Waffen eingesetzt oder wahrscheinlich eingesetzt worden sind. Die Untersuchungen der OVCW in weiteren Fällen, unter anderem zum mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen am 7. April 2018 in Duma, dauern an. Die Bundesregierung hat vollstes Vertrauen in die genannten unabhängigen und unparteiischen Untersuchungsgremien und die von diesen durchgeführten Ermittlungen . 2. Welche Organisation, Behörde oder welcher Staat führte nach Kenntnis der Bundesregierung die Untersuchung der mutmaßlichen Giftgasangriffe durch? Nach Kenntnis der Bundesregierung untersucht die „Fact Finding Mission“ der OVCW seit April 2014 Meldungen über vermeintliche Einsätze von Chemiewaffen in Syrien und prüft, ob es zum Einsatz von Chemiewaffen gekommen ist und welche Chemikalien als Waffe eingesetzt wurden. Der VN-Sicherheitsrat mandatierte am 7. August 2015 den gemeinsamen OVCW-VN Untersuchungsmechanismus JIM. Der JIM ermittelte bis zum 17. November 2017 Verantwortliche für die Einsätze chemischer Waffen in Syrien. Aufgrund mehrerer russischer Vetos konnte sein Mandat nicht verlängert werden. Die Außerordentliche Konferenz der Vertragsstaaten des Chemiewaffenübereinkommens hat am 27. Juni 2018 beschlossen , dass die OVCW die Verantwortlichen der Einsätze von Chemiewaffen in Syrien ermitteln soll, die von der „Fact Finding Mission“ als solche bestätigt und von JIM nicht abschließend untersucht wurden. Die Aufarbeitung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien ist darüber hinaus Teil der Mandate der im August 2011 vom VN-Menschenrechtsrat eingesetzten unabhängigen internationalen Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien („Commission of Inquiry“, CoI) sowie des von der VN-Generalversammlung im Dezember 2016 eingesetzten „International, Impartial and Independent Mechanism to Assist in the Investigation and Prosecution of Persons Responsible for the Most Serious Crimes under International Law Committed in the Syrian Arab Republic since March 2011“ (IIIM). 3. Welche Methoden der Beweissicherung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung angewandt? Bei den unabhängigen Untersuchungen der mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsätze durch die OVCW, den JIM und die VN wurden umfangreiche Recherchen und Untersuchungen zur Beweissicherung durchgeführt. Die Untersuchungen basieren üblicherweise unter anderem auf: Berichten, Bildern und Videos aus offen verfügbaren Quellen; Wetter- und geografische Daten; Zeugenbefragungen; Umweltproben und biomedizinischen Proben, die auf die Gegenwart bzw. Hinweise für die Freisetzung von chemischen Kampfstoffen untersucht werden; Satellitenbildern; Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5517 Flugdaten; Auswertung von aufgefundenen CW-Munitionsteilen am mutmaßlichen CW- Einsatzort; medizinischen Daten von Verletzten und Toten. Der OVCW-Generaldirektor wies in seiner Erklärung vom 20. März 2018 vor dem VN-Sicherheitsrat darauf hin, dass die Methodologie und Vorgehensweise der „Fact Finding Mission“ wissenschaftsbasiert seien und den Standardinstruktionen für die Untersuchung bei behauptetem Einsatz von Chemiewaffen entsprächen , die nach den Vorgaben des Verifikationsannex zum CWÜ aufgestellt wurden (siehe www.opcw.org/sites/default/files/documents/ODG/uzumcu/United_Nations_ Security_Council_Statement_by_the_Director-General_OPCW__Ambassador_ Ahmet_Uzumcu.pdf). 4. Konnte nach Kenntnis der Bundesregierung eine ungehinderte Begehung bzw. Untersuchung vor Ort durchgeführt werden? Wenn nein, warum nicht? Die von der OVCW, dem JIM oder den VN als Chemiewaffen-Einsätze oder wahrscheinliche Chemiewaffen-Einsätze identifizierten Fälle umfassen sowohl solche, bei denen eine ungehinderte Begehung bzw. Untersuchung möglich war, als auch solche, bei denen dies nicht der Fall war. Ein Teil der mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatzorte konnte aufgrund einer ungeklärten Sicherheitslage nicht vor Ort durch die Inspektionsteams der OVCW oder VN untersucht werden. Für die Untersuchung vor Ort durch die OVCW ist eine Freigabe durch die Abteilung für Sicherheit und Gefahrenabwehr der VN („United Nations Department of Safety and Security“, UNDSS) zwingend erforderlich, um die persönliche Sicherheit und Unversehrtheit der Expertinnen und Experten zu gewährleisten. Einzelheiten zu den Untersuchungen sind in den jeweiligen Berichten angegeben. Der vom VN-Menschenrechtsrat eingesetzten CoI verweigert das syrische Regime den Zugang. 5. Zu welchem Ergebnis kommen die Untersuchungen nach Kenntnis der Bundesregierung im Detail? a) Welche C-Waffen kamen zum Einsatz? Welche industriellen oder technischen Voraussetzungen sind zur Herstellung der festgestellten Kampfmittel notwendig? Den Berichten der „Fact Finding Mission“ der OVCW, des gemeinsamen OVCW- VN Untersuchungsmechanismus JIM und der CoI ist zu entnehmen, dass in Syrien Chlorgas als Waffe sowie Senfgas und Sarin eingesetzt wurden. Chlorgas ist eine Industriechemikalie mit weitem Anwendungsbereich, die hauptsächlich durch weit verbreitete und vergleichsweise einfache elektrochemische Verfahren erstellt werden kann. Chlorgas ist kein chemischer Kampfstoff im engeren Sinne und deshalb in den Chemikalienlisten des CWÜ nicht aufgeführt. Der Einsatz als Kampfmittel ist gleichwohl durch das CWÜ verboten. Für die Herstellung der Kampfstoffe Senfgas und Sarin bedarf es der chemischen Vorprodukte , die sich auch in den Chemikalienlisten 2 und 3 des CWÜ (unter anderem Thiodiglycol, Methylphosphonsäuredichlorid, Phosphorpentachlorid) wiederfinden . Die Herstellungsverfahren sind weit bekannt und grundsätzlich vergleichbar mit industriellen Anlagen, mit denen andere chemisch verwandte Feinchemikalien , wie etwa Pestizide, hergestellt werden können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5517 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Welche Konfliktpartei hat die C-Waffen verwendet? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 18. April 2018 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Helin Evrim Sommer auf Bundestagsdrucksache 19/1763 verwiesen. 6. Welche konkreten Hinweise gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung dafür , dass das syrische Militär chemische Kampfstoffe eingesetzt hat? Die Bundesregierung verweist auf die Berichte des gemeinsamen OVCW-VN Untersuchungsmechanismus JIM sowie Berichte der CoI, die solche konkreten Hinweise enthalten. 7. Hat die Bundesregierung konkrete Erkenntnisse über einen bevorstehenden Einsatz von chemischen Kampfstoffen in Idlib? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 20. September 2018 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Anton Friesen auf Bundestagsdrucksache 19/4421 verwiesen. 8. Welchen strategischen oder taktischen Nutzen hat, aus Sicht der Bundesregierung , der Einsatz von Chemiewaffen für die syrische Regierung? Der Bundesregierung sind die strategischen oder taktischen Erwägungen der syrischen Regierung für den Einsatz von Chemiewaffen nicht bekannt. 9. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu militärischen Vergeltungsschlägen im Allgemeinen und im Kontext des Völkerrechtes? Die Bewertung der Zulässigkeit von militärischen Operationen richtet sich grundsätzlich nach dem Völkerrecht. Dabei hängt es von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab, wie die jeweilige militärische Operation völkerrechtlich einzuordnen ist. 10. Zieht die Bundesregierung die Beteiligung an einem Militärschlag gegen die regulären syrischen Streitkräfte in Erwägung? Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über hypothetische Szenarien. 11. Welche objektiven Kriterien in diesem Szenar würden nach Ansicht der Bundesregierung für eine Begründung von „Gefahr in Verzug“ unter Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 23. September 2015 – 2 BvE 6/11) ausreichen, um den Einsatz der Streitkräfte – ohne Beteiligung des Parlaments – zu beschließen? Das Bundesverfassungsgericht hat in dem von den Fragestellern in Bezug genommenen sogenannten „Nafurah“-Urteil ausgeführt, dass die exekutive Eilkompetenz nach § 5 ParlBG die militärpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik in einer Ausnahmesituation sichern soll. Ob ein Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte auf dieser Grundlage ausnahmsweise ohne vorherige Zustimmung des Bundestages erfolgen kann, lässt sich nur im konkreten Einzelfall beurteilen. Im Übrigen ist auch bei Vorliegen von „Gefahr im Verzug“ der Bundestag nach den Vorgaben des Parlamentsbeteiligungsgesetzes (ParlBG) umgehend zu befassen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5517 12. Müsse nach Auffassung der Bundesregierung eine Intervention der Bundeswehr auch in Betracht gezogen werden, wenn ein C-Waffeneinsatz von Aufständischen durchgeführt wird? Die Bundesregierung nimmt zu hypothetischen Fragen keine Stellung. 13. Wie bewertet die Bundesregierung einen vollständigen Sieg der Assad-Regierung im syrischen Bürgerkrieg? Welche Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen ergeben sich aus dieser Bewertung für die Bundesregierung? Aus Sicht der Bundesregierung ist eine nachhaltige Befriedung Syriens nur im Rahmen einer politischen Lösung möglich. In diesem Sinne unterstützt die Bundesregierung den Sondergesandten des Generalsekretärs der VN in seinem Bemühen um die Fortführung der politischen Verhandlungen in Genf, um zu einer politischen Lösung gemäß VN-Sicherheitsratsresolution 2254 zu gelangen. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung zu hypothetischen Fragen keine Stellung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333