Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 6. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5624 19. Wahlperiode 08.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Markus Frohnmaier und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/5221 – Beurteilung der Entwicklungspolitik der Volksrepublik China V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Volksrepublik China wird zunehmend als wichtiger entwicklungspolitischer Akteur auf internationaler Ebene wahrgenommen. Bereits 2006 stellte das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik fest, dass „Chinas schnell expandierende Präsenz […] zum wirtschaftlichen Aufschwung des [afrikanischen] Kontinents beiträgt“ und „die politischen Spielräume der dortigen Regierungen [vergrößert ]“ (Quelle: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Analysen und Stellungnahmen, Nr. 4/2006, S. 1.). Diese Beobachtung wird auch durch eine Betrachtung der entsprechenden Zahlen bestätigt: Von 2000 bis 2014 betrugen die offiziell von der chinesischen Regierung für Entwicklungszusammenarbeit in Afrika ausgeschütteten Mittel über 118 Mrd. US-Dollar; China engagierte sich im selben Zeitraum offiziell in insgesamt 2 345 entwicklungspolitischen Projekten (Quelle: Dreher, Axel u. a., „Aid, China, and Growth: Evidence from a New Global Development Finance Dataset“, AidData Working Paper #46, S. 50). Nach Auffassung der Fragesteller stellt die chinesische Entwicklungspolitik das bisher von der Bundesregierung akzeptierte entwicklungspolitische Paradigma, das vor allem humanitäre Aspekte in den Mittelpunkt rückt, grundsätzlich infrage . Die chinesische Entwicklungspolitik ist auf die eigenen wirtschaftlichen (Erschließung von Absatzmärkten, Ausbeutung von Rohstoffen) und politischen Interessen (v. a. im Hinblick auf die Taiwan-Frage und der Positionierung afrikanischer Regierungen hierzu) bedacht. Dies trifft in Afrika nicht unbedingt auf Kritik: So bewertete beispielsweise der damalige Präsident von Simbabwe, Robert Mugabe, die chinesische Entwicklungspolitik positiv im Vergleich zu ihren westlichen Pendants (Quelle: www.dw.com/de/chinas-verst%C3%A4ndnisvon -entwicklungshilfe/a-43651155, abgerufen am 5. Oktober 2018). Indes hat sich der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung , Dr. Gerd Müller, zur chinesischen Entwicklungspolitik nach einem Bericht der „Deutschen Welle“ vom 9. September kritisch geäußert: „Im Augenblick startet eine Phase des Neokolonialismus, also neue Strukturen in der Zeit der Globalisierung. Wir sehen, wie die Chinesen und andere in Afrika auftreten“ (Quelle: www.dw.com/de/entwicklungsminister-m%C3%BCller-die-afrikanerm %C3%BCssen-selber-mehr-leisten/a-45403746, abgerufen am 5. Oktober 2018). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5624 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „Neokolonialismus“? Mit dem Begriff Neokolonialismus wird grundsätzlich das Verhalten bestimmter Staaten verbunden, die versuchen, sich einen nicht reziproken Zugang zu Ressourcen oder beispielsweise Finanzmärkten weniger entwickelter Länder zu sichern . Ein solcher Neokolonialismus ist oftmals geprägt von staatlichem Interventionismus , dem Ziel, Rohstoffe vom freien Markt zu nehmen und Abhängigkeiten durch intensive staatliche Kreditvergabe an bereits hochverschuldete Partner zu schaffen. 2. Betreibt die Regierung der Volksrepublik China nach Auffassung der Bundesregierung eine neokoloniale Politik in Afrika? Wenn ja, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Eindämmung einer solchen in ihren Augen neokolonialen Politik in Afrika vorgenommen? Wenn nein, wie interpretiert die Bundesregierung die in der Einleitung zitierte Aussage des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung alternativ? Die deutsche Entwicklungspolitik ist wertebasiert. Sie stellt die Würde des Menschen und die Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt. Nachhaltigkeit muss das Ziel aller Entwicklung sein. Unser Leitbild ist eine ökologische und soziale Marktwirtschaft. Die Einhaltung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind Voraussetzungen, damit jede und jeder Einzelne eine gerechte Entwicklungschance erhält. Mit den vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vorgelegten „Eckpunkten für einen Marshallplan mit Afrika“ setzt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) auf Partnerschaften auf Augenhöhe und unterstützt die Umsetzung der Agenda 2063 der Afrikanischen Union (AU). In internationalen Vereinbarungen wie der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (2015) sowie dem Aktionsplan von Accra (2008) wurden – gemeinsam mit den afrikanischen Staaten – Mindeststandards in Bezug auf Transparenz, Demokratie und Menschenrechte definiert. Wir unterstützen unsere Partner bei der Durchführung der Reformen ihrer Verwaltung und durch Förderung der Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung . Die vorgenannten Standards sind für uns von zentraler Bedeutung. Deshalb kooperiert die deutsche EZ mit China in Afrika, um unsere Standards von Nachhaltigkeit und die Achtung von Menschenrechten vor Ort weiter zu etablieren. 3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklungspolitik der Volksrepublik China im Allgemeinen? Welche Aspekte beurteilt die Bundesregierung ablehnend, welche sind nach Auffassung der Bundesregierung positiv oder sogar nachahmungswürdig? Chinas Entwicklungspolitik basiert auf einer Verknüpfung von EZ mit Handel, Investitionen und Außenwirtschaftsförderung. Eine klare Unterscheidung zwischen diesen Instrumenten ist nicht möglich. Die Bundesregierung begrüßt Chinas Engagement prinzipiell, wenn es dazu beiträgt, Finanzierungslücken in der globalen Entwicklungspolitik zu verringern. Zugleich sieht die Bundesregierung das fehlende Einhalten von internationalen Standards, fehlende Transparenz, die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5624 fehlende Gewährleistung der Menschenrechte und das Entstehen von Abhängigkeiten durch intensive staatliche Kreditvergabe an bereits hochverschuldete Partner kritisch. 4. Wie beurteilt die Bundesregierung den Beitrag chinesischer Entwicklungspolitik im Hinblick auf die humanitäre Lage von Entwicklungsländern? Die Bundesregierung begrüßt den Einsatz anderer Geber, sich im Bereich der humanitären Hilfe zu engagieren. China hat sich bisher vor allem nach Naturkatastrophen engagiert. Darüber hinaus entsendet es seit den 1950er Jahren Ärzteteams in afrikanische Länder. 5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, mit welchen Mitteln die Volksrepublik China die Wirksamkeit von Entwicklungsleistungen kontrolliert und evaluiert? Was sind etwaige Unterschiede zu deutschen Kontroll- und Evaluationsinstrumenten ? Bisher gab es in China keine systematische Wirkungsmessung und -evaluierung von bilateralen Entwicklungsleistungen. Dies soll sich mit der im März 2018 gegründeten Entwicklungsagentur ändern, die eine Abteilung für Projektevaluierung hat. Bei multilateralen Projekten der Asiatischen Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) wird nach internationalen Standards (Weltbank/OECD) evaluiert. Im Gegensatz zu Deutschland beteiligt sich die chinesische EZ nicht an globalen Monitorings- und Überprüfungsprozessen auf der Grundlage international vereinbarter Indikatoren. 6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Transparenzstandards, welche die chinesische Regierung gegenüber afrikanischen Staaten innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit aufstellt, soweit dies überhaupt geschieht? Was hält die Bundesregierung von entwicklungspolitischen Ansätzen, bei denen Transparenzstandards gegenüber Entwicklungsländern abgesenkt werden, um eigene nationale Interessen effektiver durchzusetzen? Chinas Entwicklungspolitik nimmt für sich in Anspruch, dem Grundsatz der Nicht-Einmischung zu folgen. Der Grad der Transparenz sollte demgemäß den Vorgaben der Partnerländer entsprechen. Diese sind sehr unterschiedlich: Südafrika und Äthiopien haben strategische Partnerschaftsabkommen mit China unterzeichnet . Sie sollen sicherstellen, dass Chinas Entwicklungspolitik den nationalen Entwicklungsprioritäten dient. Andere Zielländer wie Kenia, Nigeria oder Tansania operieren ohne entsprechende strategische Rahmen. In Angola und Sambia beschränkt sich Chinas Entwicklungspolitik vor allem auf den Ausbau von Infrastruktur im Gegenzug für Bodenschätze. Die deutsche Entwicklungspolitik folgt einer anderen Logik als die chinesische. Die zugrunde liegenden Standards, wie zum Beispiel die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, sind Ergebnis langjähriger multilateraler Prozesse. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5624 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie beurteilt die Bundesregierung Demokratie- und Menschenrechtsstandards, welche die chinesische Regierung gegenüber afrikanischen Staaten innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit aufstellt, soweit dies überhaupt geschieht? Was hält die Bundesregierung von entwicklungspolitischen Ansätzen, bei denen Demokratie- und Menschenrechtsstandards gegenüber Entwicklungsländern abgesenkt werden, um eigene nationale Interessen effektiver durchzusetzen? Chinas Entwicklungspolitik nimmt für sich in Anspruch, dem Grundsatz der Nicht-Einmischung zu folgen. Sie stellt selbst keine Demokratie- und Menschrechtsstandards auf. Für die Bundesregierung ist die Einhaltung von international verankerten Demokratie - und Menschenrechtsstandards ein Leitprinzip der deutschen EZ. 8. Welche Vorteile und welche Nachteile erfährt nach Auffassung der Bundesregierung die Volksrepublik China dadurch, dass sie entwicklungspolitische Projekte ohne Rücksicht auf marktwirtschaftliche Prinzipien durchführen kann? Es ist nicht zutreffend, dass China entwicklungspolitische Projekte ohne Rücksicht auf marktwirtschaftliche Prinzipien durchführen kann. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie die chinesische Regierung den vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angestoßenen „Marshallplan mit Afrika“ sieht (www.bmz. de/de/laender_regionen/marshallplan_mit_afrika/index.jsp)? Die chinesische Regierung hat nach Kenntnis der Bundesregierung bisher nicht zum „Marshallplan mit Afrika“ Stellung genommen. 10. Sieht die Bundesregierung in der „Seidenstraßen-Initiative“ (engl. one belt, one road) der Volksrepublik China die Gefahr, dass Europa im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen in eine ähnliche ökonomische und politische Abhängigkeit zu China gebracht werden wie viele afrikanische Staaten? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vorgenommen, um einer derartigen etwaigen Abhängigkeit entgegenzuwirken? Deutschland hat mit China kein „Belt and Road“-Memorandum of Understanding unterzeichnet und verfolgt die Initiative mit ihren Risiken und Chancen genau. Die Bundesregierung unterstützt gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten die EU- Kommission in ihrem Bemühen, die Respektierung des EU-Acquis bei Projekten in der Europäischen Union sicherzustellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333