Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 7. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5651 19. Wahlperiode 09.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/5212 – Die „Grauen Wölfe“ in Deutschland und der türkische Präsident Erdoğan V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Wie weit der Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan reicht, zeigt sich entsprechend in den Moscheen in Deutschland. Denn dort wird vielfach türkische Politik betrieben. So ist die größte islamische Organisation hierzulande , die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB), in den vergangenen Jahren immer öfter zum Sprachrohr des türkischen Präsidenten in Deutschland geworden. So hat sich die DITIB unter Präsident Erdoğan ganz stark zu einem politischen Instrument der türkischen Regierung entwickelt (www.tagesschau.de/inland/erdogan-ditib-101.html). Die strukturelle und personelle Anbindung von DITIB an das Präsidium für religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet) ist hinlänglich bekannt (Bundestagsdrucksache 19/154, Antwort zu Frage 1). Mit Diyanet und DITIB bildet die UETD (Union Europäisch Türkische Demokraten ) eine „unheilvolle Allianz“ (www.welt.de/politik/deutschland/article15 4689954/Sonaehren-Erdogans-Prediger-Islamismus-in-Deutschland.html). Dabei tritt die UETD, flankiert von Erdoğan-treuen Medien, als Lobbyist der türkischen Regierungspartei AKP auf (www.tagesspiegel.de/themen/agenda/ einfluss-der-tuerkei-erdogans-lobby-indeutschland/13695612.html). Die UETD hat in der Vergangenheit mehrfach Auftritte für den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Erdoğan inszeniert. Seit dem Jahr 2006 drängte die AKP-Regierung unter Präsident Erdoğan auf eine Vereinheitlichung der Organisationslandschaft in Deutschland, was dazu beigetragen hat, dass auch der Konflikt zwischen der DITIB und der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüș e. V. (IGMG) abgeschwächt wurde und sich die Organisationen seit dem Jahr 2007 im Koordinationsrat der Muslime (KRM) zusammengefunden haben (www.akademie-rs.de/fileadmin/user_upload/ download_archive/interreligioeser-dialog/131115_rosenow_akteure.pdf). Präsident Erdoğan hat seine politischen Wurzeln in der Milli-Görüs-Bewegung, und der langjährige Generalsekretär der IGMG, Mustafa Yeneroglu, ist Abgeordneter von Präsident Erdoğans islamisch-konservativen AKP im Parlament in Ankara (www.tagesschau.de/inland/erdogan-ditib-101.html). Schnappschüsse von seiner Ankunft in Berlin beim Staatsbesuch am 28. September 2018 legen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5651 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode nahe, dass Präsident Erdoğan den „Rabia-Gruß“ der islamistischen Muslimbrüder zeigt. Manche seiner Anhänger zeigen den Gruß der „Grauen Wölfe“ („Ülkücü“-Bewegung), eine extrem rechte Organisation, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Es offenbart sich hier nach Ansicht der Fragesteller eine Allianz zwischen Islamisten und Nationalisten, die sich auch in Präsident Erdoğans Wahlbündnis mit der extrem nationalistischen türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) widerspiegelt (www. sueddeutsche.de/politik/staatsbesuch-warum-erdoans-geste-provoziert-1.4148 872). Präsident Erdoğan verfolgt eine Okkupation des Politischen durch die Religion , die ganz starke Vermischung von Nationalismus und Islamismus. Um Einfluss in Deutschland auf die „türkeistämmige Bevölkerung“ zu nehmen, nutzt er alle entsprechenden Organisationen, die in Deutschland existieren (www.deutschlandfunk.de/politischer-islam-in-der-tuerkei-erdogan-hat-dietuerkei -in.886.de.html?dram:article_id=420390). In Deutschland ist die Zusammenarbeit zwischen der AKP und den Grauen Wölfen seit dem Putschversuch in der Türkei vor zwei Jahren Realität. So warb der Ableger der MHP in Deutschland – die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (ADÜTDF), der rund 170 lokale Vereine angehören, in denen 7 000 Mitglieder organisiert sind (Verfassungsschutzbericht 2017, S. 244) – 2017 für die von Präsident Erdoğan geforderte Verfassungsreform in der Türkei (www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/extremismus-graue-woelfeangela -merkel-tuerkei-treffen/seite-2). 1. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis (auch nachrichtendienstliche), dass die MHP in der Türkei insbesondere in den letzten Jahren zunehmend auf einen „Pro- Erdoğan“-Kurs eingeschwenkt ist (Verfassungsschutzbericht 2017, S. 245)? Die Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi – MHP) unterstützt insbesondere seit dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 den repressiven innenpolitischen Kurs der regierenden AKP. Beim Verfassungsreferendum im April 2017 sprach sich die MHP wie auch die AKP für eine Änderung der türkischen Verfassung mit Blick auf die Einführung eines Präsidialsystems und damit einen Ausbau der Befugnisse von Präsident Recep Tayyip Erdoğan aus. 2. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass die Grauen Wölfe vor allem nach dem Putschversuch im Juli 2016 neuer strategischer Partner Präsident Erdoğans sind, der die Chance hat, Macht und Einfluss auszubauen, so wie seinerzeit die Bewegung des Islampredigers Fethullah Gülen (www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/ extremismus-graue-woelfe-angela-merkel-tuerkei-treffen/seite-2)? 3. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass vermeintliche und tatsächliche Anhänger der Gülen-Bewegung im türkischen Staatsapparat zunehmend durch Kader der Grauen Wölfe ersetzt werden (www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/extremismus-graue-woelfeangela -merkel-tuerkei-treffen/seite-2)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5651 4. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlicher ) zu, dass auch in Deutschland die Zusammenarbeit zwischen Präsident Erdoğans Regierungspartei AKP und den Grauen Wölfen spätestens seit dem Putschversuch in der Türkei vor zwei Jahren Realität ist (www. zeit.de/politik/ausland/2018-07/extremismus-graue-woelfe-angela-merkeltuerkei -treffen/seite-2)? Eine direkte Zusammenarbeit zwischen der deutschen Vertretung der MHP, der Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V. (ADÜTDF) und der AKP in der Türkei besteht nach hiesigen Erkenntnissen nicht. Als streng hierarchisch gegliederte Kaderorganisation hat die ADÜTDF auch nicht die Macht, um sich für oder gegen eine Zusammenarbeit mit der AKP oder jeder sonstigen Organisation zu entscheiden. Ausschließlich die MHP-Führung bestimmt die Aktivitäten der ADÜTDF in Deutschland. 5. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis, dass sich die MHP in der Türkei und die ADÜTDF als deren Ableger in Deutschland für eine Zustimmung zur Verfassungsänderung eingesetzt haben (Verfassungsschutzbericht 2017, S. 245)? Die MHP-Parteispitze hat bei ihren Anhängern in Europa massiv für eine Zustimmung zum Verfassungsreferendum geworben. 6. Inwieweit verstößt die ADÜTDF nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlicher) entgegen ihrem nach außen demonstrierten Integrationswillen und legalistischen Auftreten gegen die im Grundgesetz formulierte Unantastbarkeit der Menschenwürde und den dort garantierten Gleichheitsgrundsatz , und inwieweit wirkt ihr Weltbild einer Integration türkischstämmiger Migranten in die deutsche Gesellschaft entgegen (Verfassungsschutzbericht 2017, S. 245)? Rassismus, insbesondere Juden- und Israel-Feindlichkeit, sind ein essentieller Teil der Ideologie der türkisch-rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung, deren wichtiger Bestandteil die ADÜTDF ist. 7. Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlicher ) die Deutung des Wolfsgrußes umstritten, so dass aus der Verwendung der Geste bei Veranstaltungen und Ähnlichem nicht auf eine generelle Nähe zur türkischen rechtsextremen Szene in Deutschland gefolgert werden kann (Bundestagsdrucksache 18/12042, Antwort zu den Fragen 8 und 9)? 8. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Auffassung des Hamburger Verfassungsschutzes nicht, dass es sich beim „Wolfsgruß“ um eine eindeutig zuzuordnende Geste handelt (www.zeit.de/politik/ausland/ 2018-07/extremismus-graue-woelfe-angela-merkel-tuerkei-treffen/seite-2)? 9. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass die Verwendung des „Wolfsgrußes“ bei Veranstaltungen und Ähnlichem – wie beim Auftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu auf dem Gelände der Residenz des Generalkonsulats in Hamburg im März 2017 durch diesen selbst und zahlreiche Teilnehmer der Kundgebung – eine bedenkliche Referenzerweisung an ein extrem rechtes Klientel bzw. durch dieses ist (www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/extremismus-grauewoelfe -angela-merkel-tuerkei-treffen/seite-2)? Die Fragen 7 bis 9 werden im Sachzusammenhang beantwortet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5651 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Der „Wolfsgruß“ gilt als Erkennungszeichen der türkisch-rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung. Er wird auch von Personen mit nationalistischer Gesinnung, die nicht in der Ülkücü-Bewegung aktiv sind, verwendet. 10. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob die ADÜTDF auch finanziell aus der Türkei unterstützt wird? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 11. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass unter dem politischen Druck der türkischen Seite auf die deutschen Behörden der Beobachtungsstatus aufgeweicht wird (www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/extremismus-grauewoelfe -angela-merkel-tuerkei-treffen/seite-2)? Die Ülkücü-Bewegung ist weiterhin ein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz. 12. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob der türkische Geheimdienst MIT in der ADÜTDF aktiv ist bzw. deren Strukturen zur Anwerbung von und Einflussnahme auf Mitglieder nutzt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 13. Wie viele Moscheen mit wie vielen Mitgliedern gehören aktuell nach Kenntnis der Bundesregierung zur a) ADÜTDF, b) ATIB und c) ATB in der Bundesrepublik Deutschland? Über die Anzahl der von der ADÜTDF betriebenen Moscheen in Deutschland kann keine fundierte Aussage getroffen werden, da etliche der ca. 170 in Deutschland bestehenden ADÜTDF-Vereine in ihren Räumlichkeiten eigene Gebetsräume , also „Moscheen“ betreiben, die aber nach außen hin nicht als solche wahrgenommen werden können. Zu Avrupa Türk-İslam Birliği (ATIB) und dem Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (Avrupa Türk Kültür Dernekleri Birliği – ATB) liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 14. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob, und wenn, wie viele von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandte Imame aktuell in Moscheen der ADÜTDF, ATIB und ATB tätig sind? Es kommt in unregelmäßigen Abständen vor, dass Gast-Imame der personell und strukturell an Diyanet angebundenen und damit unter Einfluss des türkischen Staats stehenden DITIB in Moscheen der ADÜTDF predigen. Zu Häufigkeit und Anzahl können keine Angaben gemacht werden. Zu ATIB und ATB liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5651 15. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob die sich 1987 von der ADÜTDF abgespaltenen, stärker religiös orientierten a) Türkisch-Islamische Union (ATIB) sowie b) Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB) finanziell aus der Türkei unterstützt werden? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 16. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob personelle und/oder organisatorische Verbindungen der ADÜTDF zur a) türkischen Regierungspartei AKP, b) UETD, d) Allianz Deutscher Demokraten (ADD), Die Fragen 16a, 16b und 16d werden im Zusammenhang beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. c) DITIB, Auf einem Flyer, der für den 12. März 2018 eine Jugendveranstaltung in Kassel /HE (DITIB-Moschee) bewarb, konnte erstmals festgestellt werden, dass u. a. DITIB und ADÜTDF gemeinsam als Veranstalter auftreten. Weitergehende Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor. e) Rockergruppierung „Turan e. V.“ sowie f) Rockergruppierung „Turkos MC“ bestehen? Die Fragen 16e und 16f werden im Zusammenhang beantwortet. Die ADÜTDF distanziert sich von den genannten Rocker-Gruppierungen. 17. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlicher ) seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 verstärkt Aktivitäten innerhalb der Anhängerschaft der „Grauen Wölfe“, sich in türkisch -nationalistischen bzw. rechtsextremistischen Rockergruppierungen – namentlich „Turan e. V.“ und „Turkos MC“ – zu organisieren? Auf die Antwort zu den Fragen 16e und 16f wird verwiesen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 18. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), ob es personelle und/oder organisatorische Verbindungen der ADÜTDF zu der im Juli 2018 verbotenen Rockergruppierung „Osmanen Germania“ gab bzw. gibt? Im Jahr 2016 sind mehrere Sachverhalte bekannt geworden, bei denen Mitglieder der Osmanen Germania auf Veranstaltungen türkischer Nationalisten aufgetreten sind bzw. dafür geworben haben (u. a. 10. April 2016 in Stuttgart/BW, 30. April ./1. Mai 2016 in Neuss/NW, 16. Juli 2016 in Bergneustadt/NW und Kassel /HE). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5651 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 16e und 16f verwiesen. 19. Inwieweit hat es nach dem Verbot der „Osmanen Germania“ im Juli 2018 einen verstärkten Zulauf von ehemaligen Mitgliedern zu dem seit September 2016 „verbrüderten“ (Bundestagsdrucksache 18/12452, Antwort zu Frage 32) „Turkos MC“ gegeben? 20. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die ADÜTDF zu Solidaritätsbekundungen für Präsident Erdoğan in Berlin und Köln anlässlich seines Staatsbesuchs in Deutschland am 28. bis 29. September 2018 aufgerufen hat bzw. beteiligt war? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333