Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 5. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5738 19. Wahlperiode 12.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Corinna Rüffer, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/5065 – Das Präparat Duogynon® als Ursache embryonaler Fehlbildungen und die Entschädigung der Betroffenen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Hormonpräparat Duogynon® steht seit Jahrzehnten im Verdacht, bei ungeborenen Kindern schwere Fehlbildungen ausgelöst zu haben. Die Schering AG hat das Medikament, eine Gestagen-Östrogen-Kombination, von 1950 bis 1981 in Dragéeform und als Injektionslösung zur Behandlung ausbleibender Regelblutung und als hormonalen Schwangerschaftstest vertrieben. Zahlreiche Frauen, die Duogynon® während der Schwangerschaft einnahmen, gebaren Kinder mit Fehlbildungen. Viele dieser Kinder sind entweder früh verstorben oder bis heute in ihrem Lebensalltag stark eingeschränkt (vgl. dazu auch Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus der 17. Wahlperiode, Bundestagsdrucksache 17/2654). Bereits in den 1960er Jahren wurden erste konkrete Hinweise veröffentlicht, dass hormonale Schwangerschaftstests schwere Schäden beim ungeborenen Kind hervorrufen können (vgl. Gal et al., „Hormonal pregnancy tests and congenital malformation“, Nature 216, 1967). Auch die Tierversuche, die Schering 1969 durchführte, ergaben, dass ein Zusammenhang zwischen Hormongabe in der Schwangerschaft und Embryo-Schädigungen nicht ausgeschlossen werden könne (vgl. „Für die Opfer kein Wort“, DER SPIEGEL vom 6. Juli 2016). In Großbritannien verlor Duogynon® (Markenname hier: Primodos®) schon 1970 seine Zulassung als Schwangerschaftstest. In Deutschland strich Schering erst nach Warnungen u. a. des „arznei-telegramms“ und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft die Indikation Schwangerschaftstest zunächst für die Dragées (1972), schließlich auch für die Injektionslösung (1978) (vgl. „Der Fall Duogynon – ein wenig beachteter Medikamentenskandal“, Deutschlandfunk Kultur vom 4. Juli 2016). Somit vertrieb die Schering AG Duogynon® auch noch viele Jahre nach dem Beschluss des Landgerichts Aachen im „Contergan ®-Prozess“, in dem bereits 1970 festgehalten wurde, dass ein Arzneimittel auch ohne eine endgültige wissenschaftliche Kausalitätsklärung sofort zurückgezogen werden müsse, sobald es Zweifel gebe, ob dieses Arzneimittel möglicherweise Fehlbildungen auslöst (LG Aachen, Beschluss vom 18. Dezember 1970, Az.: 4 KMs 1/68, 15 – 115/67). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5738 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die schätzungsweise 400 bis 600 Betroffenen, die heute noch in Deutschland leben, kämpfen bisher vergeblich um Anerkennung, Aufklärung und finanzielle Entschädigung. Strafrechtliche Ermittlungen gegen die Schering AG aufgrund einer Anzeige von Eltern stellte die Berliner Staatsanwaltschaft 1980 ein. Das Strafrecht schütze menschliches Leben erst nach der Geburt (vgl. „Chance auf Gerechtigkeit“, DER SPIEGEL vom 7. Juni 2010). Eine Auskunfts- und eine Haftungsklage wurden jeweils 2011 und 2012 auf Antrag der Bayer Pharma AG, die Schering 2006 übernommen hat, wegen Verjährung eingestellt (vgl. LG Berlin, Urteile vom 11. Januar 2011, Az.: 7 O 271/10 und 5. Juli 2012, Az.: 1 O 60/11). Die Bayer Pharma AG schließt bis heute Duogynon® als Ursache für embryonale Schädigungen aus und verweigert Gespräche mit den Betroffenen genauso wie eine Akteneinsicht auf freiwilliger Basis. Wie u. a. die ARD-Fernsehdokumentation „Der vertuschte Skandal“ (2016) zeigen konnte, lassen die umfangreichen Akten aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren , die seit 2015 im Berliner Landesarchiv einsehbar sind (B Rep. 058), den Schluss zu: Die Verantwortlichen der Schering AG hatten spätestens zu Beginn der 1970er Jahre Hinweise auf eine teratogene (fruchtschädigende) Wirkung von Duogynon®, hielten diese Erkenntnisse aber vorsätzlich zurück. Außerdem informierten leitende Mitarbeiter des damaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA) die Führung der Schering AG regelmäßig über innerbehördliche Vorgänge bezüglich Duogynon® und bemühten sich intensiv, einen Beschluss zum Entzug der Marktzulassung zu verhindern. In Großbritannien läuft seit Oktober 2015 ein Untersuchungsverfahren, das alle medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Duogynon®/Primodos® untersucht , um die Frage einer möglichen fruchtschädigenden Wirkung zu klären (vgl. „Review ordered into epilepsy drug, vaginal mesh and Primodos“, BBC News vom 21. Februar 2018, unter www.bbc.co.uk/news/health-43143319). Die Bundesregierung sieht dagegen bislang keinen Handlungsbedarf (vgl. zuletzt Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 18. März 2016, Bundestagsdrucksache 18/7927). Das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stützen ihre Bewertungen dabei fortlaufend auf lediglich eine Studie: „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin (2012). Diese entstand unter der Leitung von Prof. Dr. Christof Schaefer, der bis Ende 2012 auch entgeltlich für die Bayer Pharma AG tätig war und mit Verweis auf diesen problematischen Interessenkonflikt zum 22. April 2016 die britische Untersuchungskommission verlassen musste (vgl. Redebeitrag von Yasmin Qureshi, Labour MP, in der Unterhausdebatte vom 13. Oktober 2016, abrufbar unter www.parliament.uk). Eine embryotoxische Wirkung der in Duogynon® enthaltenden Wirkstoffe konnte im Tierversuch erst kürzlich nachgewiesen werden (vgl. Brown et al., „The Primodos components Norethisterone acetate and Ethinyl estradiol induce developmental abnormalities in zebrafish embryos“, Scientific Reports 8, 2018). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Unter der Hauptbezeichnung Duogynon® wurden im Jahre 1978 nach Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes von 1976 von der Firma Schering AG, Berlin, zwei Fertigarzneimittel angezeigt, die sich zum damaligen Zeitpunkt in Verkehr befanden . Es handelte sich zum einen um Duogynon® Injektionslösung (Zusammensetzung : Estradiolbenzoat 3mg, Progesteron 50 mg je Spritzampulle 1 ml) sowie zum anderen um Duogynon® Dragees (Zusammensetzung: Ethinylestradiol (EE) 0,02 mg, Norethisteronacetat (NA) 10 mg je Dragee, zwei Dragees je Packung). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5738 Diese Arzneimittel befanden sich bereits vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes im Verkehr. Die Zulassungen für beide Arzneimittel sind nach schriftlichem Verzicht durch die Firma Schering AG im September 1980 erloschen, die Produktion wurde eingestellt. Die im Jahre 1978 angezeigten Anwendungsgebiete für beide Zubereitungen lauteten: „sekundäre Amenorrhoe von kurzer Dauer unter einem Jahr“. In der bereits in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnten Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité (Universitätsmedizin Berlin) wird im Wesentlichen die Aussage getroffen, dass ein Zusammenhang zwischen der Anwendung der genannten hormonhaltigen Arzneimittel und den beobachteten Missbildungen der betroffenen Patientinnen und Patienten aufgrund der diskutierten methodischen Unzulänglichkeiten weder klar belegt noch widerlegt werden könne, jedoch unwahrscheinlich erscheine (s. auch Gastbeitrag der Studienautoren im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Ausgabe 4/2012: „Ein teratogener oder embryotoxischer Effekt von Duogynon®, zu welchem Zwecke auch immer angewendet , ist unwahrscheinlich.“). Auch die britische Zulassungsbehörde (MHRA) hat sich in den vergangenen Jahren dieser Thematik in Bezug auf das damals in Großbritannien zugelassene, mit der oralen Form von Duogynon® identische Arzneimittel Primodos® intensiv angenommen : Im Herbst 2017 hat eine hochrangig besetzte Expertenkommission (Expert Working Group on Hormone Pregnancy Tests, HPTWG) einen ausführlichen , wissenschaftlichen Abschlussbericht (www.gov.uk/ government/uploads/ system/uploads/attachment_data/file/659115/Report-CHM-EWG-HPTs_FINAL. pdf) veröffentlicht, der unter Abwägung des zur Verfügung stehenden Erkenntnismaterials in Kapitel 8.1 unter Nummer 1 auf Seite 100 des Berichts zu folgender Hauptschlussfolgerung gelangt: „Das Hauptergebnis der Expertenkommission ist es, dass die verfügbare wissenschaftliche Evidenz, alle Aspekte abwägend , nicht eine kausale Assoziation zwischen dem Gebrauch hormoneller Schwangerschaftstests, wie Primodos®, in der Frühschwangerschaft und unerwünschten Ereignissen in Bezug auf Aborte, Totgeburten oder angeborene Missbildungen stützt. Alle verfügbare, relevante Evidenz über eine mögliche Assoziation wurde ausführlich und gründlich unter vorteilhafter Einbeziehung aktuellsten Expertenwissens der relevanten Fachgebiete begutachtet.“ Im Februar 2018 veröffentlichten Brown et al. eine Studie in Nature’s Scientific Reports mit dem Titel “The Primodos® components Norethisterone acetate and Ethinyl estradiol induce developmental abnormalities in zebrafish embryos.“, in der ein Zusammenhang zwischen der Hormonkombination und Missbildungen bei Zebrafischembryonen hergestellt wurde. Diese Arbeit wurde bereits im Bericht der britischen Expertenkommission diskutiert, da die damals noch nicht publizierten Daten der Kommission zur Verfügung gestellt wurden (s. HPTWG- Bericht vom Oktober 2017, Kapitel 5.1.3.2). Am 24. Mai 2018 veranlasste das Vereinigte Königreich bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Durchführung eines Bewertungs-Verfahrens nach Artikel 5 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 726/2004, um die Relevanz der Ergebnisse dieser Publikation zu klären. Der wissenschaftliche Ausschuss (CHMP) der EMA kommt am 18. Oktober 2018 zu dem Schluss, dass die Studie nicht geeignet sei, einen teratogenen Effekt von NA und EE zu zeigen. Es bestehe weiterhin Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5738 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode keine Evidenz, dass die Kombination aus NA/EE fötale Missbildungen in nichtreproduktiven Geweben verursache. Insgesamt bleiben damit die Einschätzungen sowohl der HPTWG als auch des BfArM aus früheren Stellungnahmen bestehen, dass die vorhandenen Daten keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Anwendung eines hormonellen Schwangerschaftstests wie z. B. Primodos® bzw. Duogynon® während der Frühschwangerschaft und unerwünschten Effekten wie Fehlgeburt, Totgeburt oder angeborenen Missbildungen erkennen lassen. Die Bundesregierung schließt sich dieser wissenschaftlich geleiteten Einschätzung an: Vor dem Hintergrund der dargestellten Daten- und Faktenlage kann ein Zusammenhang zwischen den o. g. hormonellen Schwangerschaftstests während der Frühschwangerschaft und unerwünschten Effekten wie Fehlgeburt, Totgeburt oder angeborenen Missbildungen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, erscheint jedoch unwahrscheinlich. Insofern sieht die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung, weitere, aufwändige Untersuchungen alter Aktenbestände durchzuführen oder in Überlegungen zu einem Entschädigungsfonds oder Entschädigungszahlungen an mutmaßlich Duogynon®/Primodos®-geschädigte Patientinnen oder Patienten einzutreten. Großbritannien hat im Frühjahr 2018 eine weitere unabhängige Untersuchungskommission zur Nutzung u. a. von Primodos® unter Leitung von Baroness Julia Cumberlege eingesetzt. Ein Bericht dieser Kommission mit entsprechenden Empfehlungen soll voraussichtlich 2019 erstellt werden. Die von der britischen Premierministerin Theresa May eingeleitete, weitere Untersuchung wird die Bundesregierung weiter aufmerksam begleiten. Akten des Duogynon®-Ermittlungsverfahrens von 1980 (Landesarchiv Berlin) 1. In welchem Zeit- und Arbeitsumfang hat das BfArM den Aktenbestand des Duogynon®-Ermittlungsverfahrens von 1980 im Landesarchiv Berlin geprüft ? 2. In Hinblick auf welche Fragen hat das BfArM den o. g. Aktenbestand geprüft? 3. Welche konkreten Akten hat das BfArM gesichtet (bitte Aktennummer angeben )? 4. Wurden alle Akten gesichtet, die die britische Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines & Healthcare Products Regulatory Agency) im Zuge des britischen Untersuchungsverfahrens online veröffentlicht hat (https://mhra. filecamp.com/public/files/2rbs-ceca8bra)? 5. Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass Vertreter des BfArM bei ihrem Besuch im Landesarchiv Berlin angeblich keinerlei belastende Unterlagen im Fall Duogynon® finden konnten (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 18. März 2016, Bundestagsdrucksache 18/7927), während zeitgleich u. a. die ARD-Fernsehdokumentation „Der vertuschte Skandal“ von Christian Stücken (2016) zahlreiche Belege für eine fehlende Neutralität der zuständigen BGA-Beamten fand und die Erkenntnisse aus den genannten Akten maßgeblich dazu beitrugen, dass das britische Unterhaus eine Untersuchungskommission zu Duogynon® bzw. Primodos® eingesetzt hat? Die Fragen 1 bis 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im Juni 2013 hat eine Mitarbeiterin des BfArM aus dem Bereich der Präklinik /Reproduktionstoxikologie drei Tage im Landesarchiv in Berlin recherchiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5738 Die Unterlagen im Landesarchiv in Berlin wurden von der Mitarbeiterin des BfArM hinsichtlich reproduktionstoxikologischer Studien gesichtet. Bei der Recherche ergab sich, dass die reproduktionstoxikologischen Studien dem BfArM bereits bekannt waren. Weitere Recherchen wurden daraufhin nicht durchgeführt; eine komplette Sichtung der Akten im Landesarchiv Berlin ist nicht erfolgt. 6. Ist nach Ansicht der Bundesregierung das BGA seiner Verantwortung als unabhängige Arzneimittel-Aufsichtsbehörde im Fall Duogynon® zu jeder Zeit vollumfänglich nachgekommen – auch und vor allem nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) am 1. Januar 1978? a) Falls ja, wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund den in der Korrespondenz zwischen der Schering AG und dem BGA dokumentierten Sachverhalt, wonach leitende Mitarbeiter des BGA sich bemühten , Entscheidungen im Sinne Scherings herbeizuführen und sich nach Rücksprache mit der Führung der Schering AG sogar noch 1978 aktiv dafür einsetzten, einen Beschluss zum Entzug der Marktzulassung für Duogynon® zu verhindern, indem Studien, die auf eine teratogene Wirkung des Medikaments hindeuteten, vorsätzlich aus dem innerbehördlichen Prüfungsverfahren ausgeschlossen wurden (vgl. interne Korrespondenz der Schering AG, Landesarchiv Berlin, Bestand B Rep. 058, Nummer 13199, insbes. S. 108 ff.; Originaldokumente auch online abrufbar auf den Seiten der MHRA)? b) Falls ja, wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die dokumentierte Äußerung des zuständigen Referatsleiters, der das BGA und sich selbst angesichts kritischer Medienberichterstattung bezüglich Duogynon® im März 1978 als „Advokaten der Firma Schering“ bezeichnete (vgl. ebd., S. 117)? Die Bundesregierung geht nach vorliegender Aktenlage im BfArM und im Bundesministerium für Gesundheit weiterhin davon aus, dass das ehemalige Bundesgesundheitsamt (BGA) in seiner Gesamtheit seiner Verantwortung als unabhängige Arzneimittelüberwachungsbehörde im Rahmen seiner Möglichkeiten und vor dem Hintergrund der damaligen, kontrovers geführten wissenschaftlichen Diskussion zu einer möglichen Teratogenität der Wirkstoffe von Duogynon ®/Primodos® nachgekommen ist. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 7. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Duogynon® als illegales Mittel zum Schwangerschaftsabbruch genutzt wurde (LAB B Rep. 058, Nummer 13223, S. 48-51, 123; Nr. 13200, S. 232, 234), die Plausibilität der Annahme einer nicht fruchtschädigenden Wirkung? Belastbare Erkenntnisse zur Nutzung des Arzneimittels Duogynon® als Mittel zum Abbruch von Schwangerschaften liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Änderung des Arzneimittelnamens von Duogynon® zu Cumorit® oder die Aufforderung an Schering zur Sicherstellung geeigneter Arztinformationen zur Vermeidung der missbräuchlichen Anwendung dienten aber nach Angaben des BfArM dem Ziel, die missbräuchliche Anwendung zum Zweck des Schwangerschaftsabbruchs zu vermeiden. Eine ggf. vorhandene abortive Wirkung eines Arzneimittels muss nicht mit einer fruchtschädigenden Wirkung einhergehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5738 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den in den aufgeführten Akten enthaltenen Hinweisen auf die mangelnde Neutralität der damals zuständigen Beamten des BGA und beteiligter Wissenschaftler, und inwieweit hat sie zur Aufklärung des Sachverhalts eine interne Untersuchung eingeleitet? Falls nicht, wieso nicht? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 und die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Laufendes Untersuchungsverfahren der britischen Arzneimittelbehörde MHRA 9. Inwieweit verfolgt die Bundesregierung die Arbeit der Untersuchungskommission in Großbritannien, und fordert sie proaktiv Berichte an, um neue Erkenntnisse zu gewinnen? Die Bundesregierung hat die Arbeit der HPTWG in der Vergangenheit über die deutsche Botschaft in London aufmerksam verfolgt. Hinsichtlich der derzeit laufenden Untersuchung wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Die Botschaft in London ist im ständigen Kontakt mit dem Department of Health and Social Care und wird entsprechende Ergebnisse weiterleiten. 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bislang durch die beobachtende Teilnahme des BfArM an Beratungen der britischen Expertenkommission gewonnen, und liegen ihr hierzu Berichte vor? Falls ja, welchen Inhalt haben diese, und zu welchem Fazit gelangen sie? Das BfArM hat als Beobachter (Observer-Status) an den Sitzungen und Beratungen der HPTWG teilgenommen; etwaige Schlussfolgerungen oder Empfehlungen der HPTWG wurden unter Ausschluss der geladenen Experten und Beobachter erstellt. Die HPTWG hat die Teilnehmer zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit über die Unterlagen, die Korrespondenz und den Verlauf der fachlich-wissenschaftlichen Diskussionen verpflichtet. Insofern liegen der Bundesregierung auch keine entsprechenden Berichte vor. Hinsichtlich der zentralen Aussagen, der wissenschaftlichen Bewertung und der Schlussfolgerungen wird auf den in der Vorbemerkung der Bundesregierung erwähnten Abschlussbericht der HPTWG verwiesen. 11. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass der Leiter des Pharmakovigilanz - und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie an der Berliner Charité, Prof. Dr. Christof Schaefer, auf dessen Bewertungen sich die Position des BfArM nahezu ausschließlich stützt, wegen Interessenskonflikten aus der britischen Expertenkommission ausgeschlossen wurde (vgl. Protokoll der Sitzung der britischen Expertengruppe vom 25. April 2016, online unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/ system/uploads/attachment_data/file/667482/Minutes-declaration-of-interestsredacted .pdf)? Herr Prof. Schaefer hat sich auf Bitten der HPTWG zu einem frühen Zeitpunkt aus den Beratungen dieses Gremiums zurückgezogen; das Ergebnis der Untersuchung ist in der Vorbemerkung der Bundesregierung dargestellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/5738 Darüber hinaus ist es nicht zutreffend, dass sich das BfArM in seiner Bewertung „nahezu ausschließlich“ auf die Bewertung von Herrn Prof. Schaefer stützt. Die Einschätzung des BfArM stützt sich maßgeblich auf die Ergebnisse der HPTWG, die zu analogen Einschätzungen im Hinblick auf das teratogene Risiko gelangt und durch den Ausschluss von Herrn Prof. Schaefer unabhängig von diesem zu ihren Schlussfolgerungen gekommen ist. 12. Sieht die Bundesregierung angesichts dieses Umstandes Anlass dazu, ihre bisherige Haltung zu revidieren, wonach es keinen Grund zur Annahme einer Befangenheit von Prof. Schaefer gebe, obwohl dieser parallel zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®)“ im Jahr 2012 Zuwendungen der Bayer Pharma AG erhielt (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 18. März 2016, Bundestagsdrucksache 18/7927)? a) Falls ja, wird sie beim BfArM eine unabhängige Neubewertung zur teratogenen Wirkung von Duogynon® in Auftrag geben? b) Falls nein, aus welchen Gründen kommt die Bundesregierung hinsichtlich der möglichen Befangenheit von Prof. Schaefer zu einem anderen Schluss als die britische Expertenkommission? Die Bundesregierung geht nach den vorliegenden Informationen weiterhin davon aus, dass es keine belastbaren Indizien für eine Befangenheit des Herrn Prof. Schaefer in dieser Angelegenheit gibt. Vor dem Hintergrund der in der Vorbemerkung der Bundesregierung dargestellten Datenlage ist die Beauftragung einer weiteren Neubewertung zur teratogenen Wirkung von Duogynon®/Primodos® derzeit nicht erforderlich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Studienlage zum Zusammenhang zwischen der Verwendung von Duogynon® und erhöhten Fehlbildungsrisiken 13. Sieht die Bundesregierung ein Problem darin, dass die 2012 erschienene Studie von Prof. Schaefer nicht zwischen den beiden Applikationsformen von Duogynon® unterscheidet, obwohl die jeweilige Wirkstoffkombination nicht die gleiche ist (0,02 mg Ethinylestradiol und 10 mg Norethisteronazetat oral gegenüber 3 mg Estradiolbenzoat und 50 mg Progesteron intramuskulär)? Falls nein, warum nicht? Eine ausführliche Erörterung des potentiellen Risikos der Bestandteile der oralen Darreichungsform NA und EE findet sich sowohl in der genannten Studie als auch im Abschlussbericht der HPTWG. Beide Autorengruppen sehen aus den in ihren Publikationen beschriebenen Gründen keinen Beleg für eine teratogene Wirkung der letztgenannten Wirkstoffe. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5738 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Hält die Bundesregierung die Daten, die der 2012 erschienenen Studie von Prof. Schaefer zugrunde liegen (teilweise nicht mehr als Geschlecht und Art der Fehlbildung) in Hinblick auf ein valides Untersuchungsergebnis für ausreichend (Antwort bitte begründen)? 15. Sieht die Bundesregierung die Aussagekraft der 2012 erschienen Studie von Prof. Schaefer dadurch infrage gestellt, dass der Verfasser Duogynon® bereits 2011 in dem von ihm herausgegebenen Band „Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit“ für unbedenklich erklärte (S. 406-407)? Die Fragen 14 und 15 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es gehört zum Standard wissenschaftlichen Arbeitens, auf etwaige Unzulänglichkeiten der einer Analyse zugrunde liegenden Daten hinzuweisen und diese zu diskutieren . Eine Bewertung kann nur unter Abwägung der gegebenen Limitationen erfolgen. Eine Auswertung von Fallmeldungen zu lange zurückliegenden Ereignissen ist aufgrund der enormen Limitationen solcher Daten methodisch mit Schwierigkeiten verbunden. Vor dem Hintergrund der hier insofern limitierten Datengrundlage kommen die Autoren der in den Fragen 14 und 15 genannten Studie zu dem Ergebnis, dass bei den bei deutschen Behörden vorliegenden Fällen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Anwendung von Duogynon® und Fehlbildungen nicht belegt, aber auch nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, eine wissenschaftliche Bewertung des in der Frage 15 angesprochenen Lehrbuchs vorzunehmen. 16. Sieht die Bundesregierung durch die Studie von Brown et al. (2018) einen begründeten Verdacht zur Annahme einer teratogenen Wirkung von Duogynon® auch beim Menschen gegeben? Falls nein, welchen weiteren Forschungsbedarf sieht sie, und in welcher Form wird sie weitere Forschung zu dieser Frage unterstützen? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Der CHMP sieht vor dem Hintergrund der veröffentlichten Ergebnisse der Studie keine neuen Bedenken oder klinischen Implikationen hinsichtlich der Wirkstoffe NA und EE auf menschliche Schwangerschaften. Übereinstimmend wird auch kein Bedarf an weiteren Studien an Säugetierarten gesehen. Vor diesem Hintergrund wird zu der Thematik derzeit kein weiterer Forschungsbedarf gesehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/5738 Duogynon® und Contergan® 17. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Rechtsprechung des Landgerichts Aachen im Contergan®-Verfahren von 1970 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) am 1. Januar 1978 maßgeblich für die von Herstellern und Behörden zu treffenden Maßnahmen zur Gewährleistung der Verbraucher- und Arzneimittelsicherheit war? a) Falls ja, wie beurteilt sie den Weitervertrieb von Duogynon® durch die Schering AG, auch noch als deren Rechtsabteilung 1975 ein Bericht der britischen Gesundheitsbehörden vorlag, wonach vorläufige Untersuchungen ein rechnerisches Risiko von 5:1 ergeben hatten, nach der Einnahme von Duogynon® in der Frühschwangerschaft ein fehlgebildetes Kind zu gebären (vgl. interne Korrespondenz der Schering AG, LAB B Rep. 058, Nummer 13198, S. 21)? b) Falls nein, warum nicht? Bei dem Einstellungsbeschluss des Landgericht Aachen vom 18. Dezember 1970 handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung in einem strafrechtlichen Verfahren . Die hier aufgrund der zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls festgestellten Handlungsverpflichtungen können nicht ohne weiteres auf andere Fallkonstellationen übertragen werden. Die Bundesregierung nimmt nicht wertend zu firmeninternen Abwägungs- und Entscheidungsprozessen der Schering AG in Bezug auf mögliche teratogene Risiken ihres Arzneimittels Duogynon® im Jahre 1975 Stellung. 18. Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des oben genannten Beschlusses des LG Aachen im Fall Contergan® das Verhalten des BGA hinsichtlich der Gewährleistung einer ausreichenden Verbraucher- und Arzneimittelsicherheit im Fall Duogynon® nach 1970? Zu der Thematik Duogynon® befand sich das damalige BGA in wissenschaftlichem Austausch mit den Fachkreisen und dem pharmazeutischen Unternehmer. Das BGA bemühte sich um Klärung der zum damaligen Zeitpunkt wissenschaftlich kontrovers diskutierten Sachverhalte und darum, gemäß dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse angemessene Schlussfolgerungen zu ziehen ; auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/7769 „Untersuchungen eines Zusammenhangs des Arzneimittels Duogynon® mit schweren Missbildungen und Erwägungen zu Schadensersatzregelungen“, wird verwiesen. Zudem wird darauf hingewiesen. dass sich Maßnahmen zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit – damals wie heute – an der Evidenz für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Anwendung eines Arzneimittels und aufgetretenen unerwünschten Wirkungen orientieren. Da nach der Bewertung der historischen Ereignisse ein solcher Zusammenhang nicht gestützt wird, sind Versäumnisse auf Seiten des BGA nicht erkennbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5738 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Ist aus Sicht der Bundesregierung eine Entschädigung der Geschädigten nur möglich, sofern ein naturwissenschaftlicher Kausalitätsbeweis zur teratogenen Wirkung von Duogynon® geführt würde? a) Falls ja, wie begründet die Bundesregierung diesen Maßstab im Fall Duogynon®, wenn im Fall Contergan® ab dem Jahr 1972 eine Entschädigung der Opfer im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Conterganstiftung für behinderte Menschen stattfand, jedoch erst im Jahr 2018 naturwissenschaftlich nachgewiesen werden konnte, worauf die Teratogenität des Wirkstoffs Thalidomid beruht (vgl. „Contergan: Ursache für Fehlbildungen gefunden“, Ärzteblatt online vom 3. August 2018, unter www. aerzteblatt.e/nachrichten/96889/Contergan-Ursache-fuer-Fehlbildungengefunden )? b) Falls nein, welche Bedingungen müssen aus Sicht der Bundesregierung erfüllt werden, um von einer für eine Entschädigung hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen angeborenen Entwicklungsanomalien und der mütterlichen Duogynon®-Exposition in der frühen Schwangerschaft auszugehen? Im Hinblick auf Contergan®/Thalidomid stellte das Landgericht Aachen am 18. Dezember 1970 den Strafprozess wegen geringer Schuld der Angeklagten und fehlenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein. In seinem Einstellungsbeschluss stellte das Gericht unter Würdigung der Gesamtheit der vorliegenden Erkenntnisse die Kausalität, d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs, zwischen der Contergan-/Thalidomideinnahme und Nervenschäden sowie Missbildungen fest, u. a. begründet durch das Vorliegen eines eigenständigen morphologischen Missbildungssyndroms und die „epidemische Häufung“ während der Zeit und in Gebieten des Thalidomid-Vertriebs. Im Gegensatz hierzu gibt es bei Duogynon® keine ausreichende Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der Anwendung der o. g. hormonellen Schwangerschaftstests während der Frühschwangerschaft und unerwünschten Ereignissen wie Fehlgeburt, Totgeburt oder angeborenen Missbildungen. Bis ins Jahr 1961 existierte in Deutschland keine umfassende und einheitliche gesetzliche Regelung für den Verkehr mit Arzneimitteln. Erst am 1. August 1961 trat das Arzneimittelgesetz in Kraft. Eine vorherige Überprüfung des Arzneimittels auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vor der Arzneimittelanmeldung beim BGA war hierin jedoch nicht vorgeschrieben. Maßgeblich unter dem Eindruck des Contergan-Falles trat am 1. Januar 1978 eine Neufassung des Arzneimittelgesetzes in Kraft, die eine Zulassungspflicht für Arzneimittel begründete und erstmals auch eine Nichtverschuldenshaftung des Herstellers für Arzneimittelschäden unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 84 ff. des Arzneimittelgesetzes enthielt. Die Leistungen für die contergangeschädigten Menschen leiteten sich daher noch nicht aus einem arzneimittelrechtlich verankerten Schadensersatzanspruch ab, sondern stell(t)en eine aus sozialen Gründen gewährte Entschädigung öffentlich-rechtlicher Art dar, die allerdings im Hinblick auf die – wie oben ausgeführt – gerichtlich festgestellte Kausalität gewährt wurde. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 42, 263 ff.) hat hierzu festgestellt, dass sich die aus der Contergan®-Katastrophe ergebenden Verpflichtungen gegenüber den Geschädigten aus der Überführung der verfassungsrechtlich geschützten Ansprüche auf die Stiftung und auch aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben. Der Gesetzgeber hat im Contergan®-Fall diesen Schadensbereich aus dem privatautonomen Regelungsbereich herausgenommen und die Lösung der „sicherlich schwierigen Aufgaben“ zu einer staatlichen Angelegenheit gemacht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/5738 20. Ist die Bundesregierung bereit, mit den Duogynon®-Geschädigten und der Bayer Pharma AG Gespräche zu führen, mit dem Ziel, die Geschehnisse aufzuklären (beispielsweise in Form eines „Runden Tisches“), und wird sie sich für solche Gespräche einsetzen? Falls nein, warum nicht? Vor dem Hintergrund des dargestellten Sachstands in der Vorbemerkung der Bundesregierung erscheinen derzeit weitere Gespräche zu dieser Thematik nicht angezeigt. Die Untersuchungen der in Großbritannien eingesetzten unabhängigen Untersuchungskommission wird die Bundesregierung weiter aufmerksam begleiten . Verbot von Duogynon® im Ausland 21. In welchen Ländern haben die zuständigen Arzneimittelbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung wann und warum Import- und Vertriebsverbote für Duogynon® bzw. Primodos® verhängt? Systematisch erfasste, verifizierte Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu dieser Frage nicht vor. Es liegt ein Schreiben der Schering AG vom 9. August 1978 an das BGA vor, in dem in Anlage VII eine Aufstellung zur „Duogynon®- Situation im Ausland“ übermittelt wurde. Über Wahrheitsgehalt und Tragfähigkeit dieses Schreibens sind der Bundesregierung keine Aussagen möglich. Land Zeitpunkt Darreichungsform Import-/Vertriebsverbote Begründungen Singapur 15. April 1978 hormonale Schwangerschaftstests , oral oder parenteral Verkaufsverbot „wegen möglicher Missbildungen“ Sri Lanka Juni 1975 sämtliche hormonale Schwangerschaftstests Import- und Verkaufsverbot „wegen möglicher Nebenwirkungen“ Neuseeland Juni 1975 Orale Darreichungsform Behördliche Forderung der „Zurückziehung“ (vom Markt) „wegen möglicher Nebenwirkungen und anderer Methoden für den Schwangerschaftstest “ Australien seit 1976 Orale bzw. parenterale Darreichungsform Keine weiteren Importgenehmigungen „Missbildungsverdacht bzw. Virilisierungserscheinungen bei weiblichen Föten (orale Form)“ Finnland seit Mai 1971 Orale Darreichungsform Keine Verlängerung der Verkaufsgenehmigung „andere zuverlässige Laboratoriumtests vorhanden“ Schweden seit 1. Februar 1975 Orale Darreichungsform „aus dem Handel gezogen “ „keine Notwendigkeit für die Anwendung als Schwangerschaftstest “ Quelle: Schreiben der Schering AG vom 9. August 1978 an das BGA, Anlage VII Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5738 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 22. Sofern Import- und Vertriebsverbote mit (frucht-)schädigender Wirkung oder Gesundheitsgefahren begründet wurden, wie reagierte das BGA darauf und welche Maßnahmen veranlasste es? Konkrete Maßnahmen des BGA, die sich nachweislich direkt auf das o. g. Schreiben der Schering AG zurückführen lassen, sind dem BfArM, rund 40 Jahre nach diesen Ereignissen, nicht bekannt. Da es sich aber um ein Schreiben der Schering AG aus August 1978 handelt, werden die vorgelegten Informationen in den laufenden Meinungsbildungsprozess des BGA zu dem Arzneimittel Duogynon® eingeflossen sein. So wurden seitens des BGA im Jahr 1978 verschiedene Maßnahmen , u. a. die Durchführung eines Fachgesprächs am 10. und 11. Oktober 1978 zu der Frage, ob die Anwendung von Hormonen in der Frühschwangerschaft mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko verbunden sei, veranlasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333