Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 29. Januar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/575 19. Wahlperiode 30.01.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/424 – Deutsch-türkisches Sozialversicherungsabkommen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Vom rechten Rand des politischen Spektrums kommt seit Jahren immer wieder die Aussage, das 1964 abgeschlossene deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen würde die gesetzliche Krankenversicherung und damit die Beitragszahlenden stark belasten (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/streit-ueberkrankenversicherung -anti-tuerkische-petition-nervt-den-bundestag-a-742967.html). Bundestagsabgeordneten der fragestellenden Fraktion erreichen häufig Fragen von Bürgerinnen und Bürgern, ob dies korrekt sei. 1. Wie hoch ist die Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen (bitte für die vergangenen fünf Jahre angeben)? Die Abrechnung der Kosten in Bezug auf die Türkei erfolgt durch kalenderjährlich zu vereinbarende Monatspauschalbeträge je in der Türkei wohnenden Rentner und Rentnerinnen einschließlich ihrer Familienangehörigen bzw. je Allgemeinversicherten mit in der Türkei wohnenden Familienangehörigen. In beiden Fällen geschieht dies unabhängig von der Zahl der anspruchsberechtigten Familienangehörigen . Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) ergeben sich für die Jahre 2012 bis 2016 folgende Abrechnungsdaten: Für das letzte vollständige Abrechnungsjahr 2012 wurden rd. 7 Mio. Euro für die in der Türkei wohnenden Familienangehörigen von Allgemeinversicherten entrichtet . Für das Abrechnungsjahr 2013 wurden insgesamt Vorschüsse in Höhe von rd. 7,3 Mio. Euro, für das Abrechnungsjahr 2014 in Höhe von rd. 8,1 Mio. Euro, für das Abrechnungsjahr 2015 in Höhe von rd. 5,9 Mio. Euro und für das Jahr 2016 in Höhe von rd. 4,4 Mio. Euro entrichtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/575 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bei den Rentnern und Rentnerinnen und ihrer Familienangehörigen wurden rd. 8,3 Mio. Euro für das letzte vollständige Abrechnungsjahr 2012 gezahlt. Für das Abrechnungsjahr 2013 wurden Vorschüsse in Höhe von rd. 2,8 Mio. Euro, für das Abrechnungsjahr 2014 in Höhe von rd. 11,1 Mio. Euro, für das Abrechnungsjahr 2015 in Höhe von rd. 9,6 Mio. Euro und für das Jahr 2016 in Höhe von rd. 7,9 Mio. Euro entrichtet. Für das Jahr 2017 ist noch keine Abrechnung erfolgt. 2. Welchen Anteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung der entsprechenden Jahre macht dies aus? 3. Um wie viele Prozentpunkte könnte der Beitragssatz sinken, wenn bei einer Kündigung dieses Abkommens die Ausgaben um diese Summe gesenkt werden könnten und die Einsparungen vollständig zur Beitragssenkung verwendet würden? 4. Wie hoch wären rechnerisch die Einsparungen für eine Versicherte bzw. einen Versich4erten mit 1 000 Euro, 2 000 Euro, 3 000 Euro bzw. 4 000 Euro beitragspflichtigem Monatseinkommen? Die Fragen 2 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Der Anteil der gegenüber der Türkei zu leistenden Erstattungsbeträge macht noch nicht einmal 0,006 Prozent der gesamten Leistungsausgaben der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung aus und stellt somit keine beitragssatzrelevante Größe dar. Es wird zudem auf die Antwort zu Frage 6 hinsichtlich der für Deutschland nachteiligen Folgen einer möglichen Kündigung des Abkommens verwiesen. 5. Wie viele türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger leben in der Bundesrepublik Deutschland, und wie viele nehmen das Sozialversicherungsabkommen für ihre in der Republik Türkei lebenden Familienangehörigen in Anspruch? Wie viele in der Republik Türkei lebende Familienangehörige sind so versichert ? Gemäß Ausländerstatistik des Statistischen Bundesamtes wohnten zum Stichtag 31. Dezember 2016 insgesamt 1 492 580 Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft in Deutschland. Die Staatsbürgerschaft wird im Rahmen der Abrechnung nicht erfasst. Ungefähr 10 100 Allgemeinversicherte haben in der Türkei wohnende Familienangehörige , und ungefähr 19 200 in Deutschland versicherte Rentner und Rentnerinnen wohnen in der Türkei. Da der Monatspauschbetrag für eine komplette Familie entrichtet wird, liegen keine Informationen vor, wie viele Familienangehörige über eine deutsche Krankenversicherung abgesichert sind. 6. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Vorteile für die Bundesrepublik Deutschland und die hier lebenden Menschen ohne Familienangehörige in der Republik Türkei aus diesem Abkommen, die bei einer Kündigung wegfallen würden (bitte darstellen)? Mit dem Abkommen werden die Beziehungen zwischen den beiden Staaten im Bereich der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung umfassend geregelt. Im Rahmen des Abkommens werden die beiderseitigen Staatsangehörigen gleichbe- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/575 handelt, und der soziale Schutz der Versicherten sowie der Rentner und Rentnerinnen beider Staaten wird auch für den Fall, dass diese sich im anderen Staat aufhalten, sichergestellt und koordiniert. Eine Kündigung des deutsch-türkischen Abkommens führte zu einem vertragslosen Zustand, der auch für die deutsche Seite wesentliche Nachteile nach sich ziehen würde. In die Türkei von ihren Arbeitgebern entsandte deutsche Arbeitnehmer würden der dortigen Versicherungspflicht unterliegen mit der Folge, dass die betroffenen deutschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber doppelte Beitragslasten (in Deutschland und in der Türkei) tragen müssten. Für entsandte deutsche Arbeitnehmer einschließlich ihrer Familienangehörigen sowie dort sich vorübergehend aufhaltende deutsche Touristen, Rentnerinnen und Rentner oder Studierende würde der Versicherungsschutz in der deutschen Kranken- bzw. Unfallversicherung nicht mehr bestehen, so dass sie beispielsweise im Falle der Erkrankung nicht mehr aushilfsweise medizinische Leistungen durch den Krankenversicherungsträger am Aufenthaltsort erhalten könnten. Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung sieht das Abkommen die Zusammenrechnung von deutschen und türkischen Versicherungszeiten zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente sowie grundsätzlich die volle Zahlung von Renten in den jeweils anderen Vertragsstaat vor. Das deutsch-türkische Abkommen sichert, dass die Versicherten ihre durch Beitragszahlung begründeten wohl erworbenen Rechte ungeschmälert erhalten, egal, ob sie in Deutschland oder in der Türkei wohnen. 7. Wie viele deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nehmen das Sozialversicherungsabkommen jährlich in Anspruch, wie viele davon leben im Rentenalter in der Türkei, und wie viele davon sind deutsche Touristen? Die Staatsbürgerschaft wird im Rahmen der Abrechnung nicht erfasst. Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 8. Ist es richtig, dass in der Türkei lebende Familienangehörige nicht sämtlich, automatisch und kostenfrei mitversichert sind, sondern das Krankenkassenmitglied zuvor eine Familienversicherung zu höheren Beiträgen abschließen muss (bitte ausführen)? Die Familienversicherung von in der Türkei wohnenden Familienangehörigen ist genauso wie die von in Deutschland wohnenden Familienangehörigen kostenfrei. Der Leistungskatalog richtet sich allerdings nach den türkischen Rechtsvorschriften , wodurch für die Familie ggf. höhere Selbstbeteiligungen als bei in Deutschland wohnenden Familienangehörigen entstehen können. Zudem besteht kein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung, da diese nicht vom Abkommen erfasst ist. 9. Inwiefern handelt es sich aus der Sicht der Bundesregierung bei dem deutsch-türkischen Abkommen um eine internationale Besonderheit? Die Regelungen dieses Sozialversicherungsabkommens entsprechen internationalem Standard, wie er bereits seit vielen Jahrzehnten üblich ist. Solche Regelungen finden Anwendung in der allgemeinen Praxis sowohl des zwischenstaatlichen (bilaterale Sozialversicherungsabkommen) als auch des überstaatlichen Sozialversicherungsrechts (EU-Regelungen über Soziale Sicherheit VO (EG) Nr. 883/2004). Sie beinhalten unter anderem, dass der Versicherungsschutz sich Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/575 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode in aller Regel nicht nur auf den in Deutschland wohnenden Arbeitnehmer beschränkt , sondern zusätzlich auch die nicht erwerbstätigen Familienangehörigen, die im Herkunftsland des Versicherten wohnhaft geblieben sind, einbezieht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333