Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5757 19. Wahlperiode 13.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Herbrand, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/5298 – Tarifanpassungen im Einkommensteuerrecht V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2012 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zum Abbau der kalten Progression – Bundestagsdrucksachen 17/8683, 17/9201 – die folgende Entschließung unter Buchstabe b der Beschlussempfehlung auf Bundestagsdrucksache 17/9201 angenommen: „Die Bundesregierung wird beauftragt, beginnend mit der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, alle zwei Jahre jeweils zusammen mit dem Existenzminimumbericht einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs (Steuerprogressionsbericht) vorzulegen. Die Entscheidung über Änderungen im Tarifverlauf obliegt dem Deutschen Bundestag.“ Die Freien Demokraten wollen die bevorstehende Veröffentlichung des Dritten Steuerprogressionsberichts nutzen, um diesen im Kontext von europäischen Entwicklungen zu betrachten. 1. Hält die Bundesregierung den gegenwärtigen Grundfreibetrag in Höhe von 9 000 Euro (§ 32a Absatz 1 Nummer 1 EStG) für angemessen? 2. Hält die Bundesregierung den gegenwärtigen Einkommensteuertarifeckwert bei 13 996 Euro (§ 32a Absatz 1 Nummer 2 EStG) für angemessen? 3. Hält die Bundesregierung den gegenwärtigen Einkommensteuertarifeckwert bei 54 949 Euro (§ 32a Absatz 1 Nummer 3 EStG) für angemessen? Die Fragen 1 bis 3 werden im Zusammenhang beantwortet. Der gegenwärtig geltende Einkommensteuertarif ist aus Sicht der Bundesregierung angemessen. Er wird insgesamt über die Tarifeckwerte mit den jeweiligen Grenzsteuersätzen beschrieben. Diese sind das Ergebnis einer langjährigen gestalterischen Tätigkeit des Gesetzgebers. Die einzelnen Eckwerte wirken dabei nicht isoliert, sondern nur in der Gesamtheit der Tarifstruktur. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5757 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Der gegenwärtige steuerliche Grundfreibetrag von 9 000 Euro basiert auf den Ergebnissen des 11. Existenzminimumberichts zum sächlichen Existenzminimum eines Erwachsenen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/10220). Mit dem von der Bundesregierung eingebrachten und vom Deutschen Bundestag am 8. November 2018 in der 2./3. Lesung beschlossenen Gesetz zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz ; vgl. Bundestagsdrucksache 19/4723) wird der Grundfreibetrag entsprechend den Ergebnissen des 12. Existenzminimumberichts ab dem Veranlagungszeitraum 2019 auf 9 168 Euro und ab 2020 auf 9 408 Euro erhöht. Darüber hinaus sieht das vom Deutschen Bundestag beschlossene Familienentlastungsgesetz auf Grundlage der Ergebnisse des 3. Steuerprogressionsberichts vor, zum Ausgleich der Effekte der kalten Progression die übrigen Tarifeckwerte in den Jahren 2019 und 2020 um die Inflationsrate des jeweiligen Vorjahres zu verschieben. Somit wird der gegenwärtige Tarifeckwert von 13 996 Euro auf 14 254 Euro ab 2019 und 14 532 Euro ab 2020 angepasst. Der gegenwärtige Tarifeckwert von 54 949 Euro wird auf 55 960 Euro ab 2019 und 57 051 Euro ab 2020 erhöht. 4. Plant die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode Änderungen beim Einkommensteuertarif, die über die Anpassungen durch das Familienentlastungsgesetz hinausgehen? Über weitere Anpassungen des Einkommensteuertarifs ab dem Jahr 2021 wird auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des 13. Existenzminimumberichts und 4. Steuerprogressionsberichts zu entscheiden sein. 5. In welchen Ländern der EU oder der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung inflationsbedingte automatische Tarifanpassungen im Einkommensteuerrecht ? Nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgen in den Staaten Belgien, Chile, Dänemark, Finnland, Frankreich, Kanada, Niederlande, Mexiko, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien, USA und Vereinigtes Königreich inflationsbedingte automatische Tarifanpassungen im Einkommensteuerrecht. 6. Wie bewertet die Bundesregierung eine automatische jährliche Anpassung des Einkommensteertarifs an das Preisniveau? Die Bundesregierung hält eine vollständig automatische Anpassung (Indexierung ) steuerlicher Größen für nicht zielführend. Zum einen würde dem Parlament damit ein Teil seiner Budgethoheit eingeschränkt werden, zum anderen sprechen stabilitätspolitische Überlegungen dagegen, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Ausbreitung von Indexierungsregelungen innerhalb des Steuerrechts und in andere Rechtsbereiche mit dem Risiko einer Stärkung von Inflationstendenzen. Darüber hinaus können diskretionäre Anpassungen steuerlicher Größen grundlegenden wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Zielsetzungen Rechnung tragen. Für den Einkommensteuertarif hat die Bundesregierung bereits seit einigen Jahren daher ein bewährtes Verfahren zum Ausgleich der Effekte der kalten Progression etabliert. Gemäß Beschluss des Deutschen Bundestages vom 29. März 2012 wurde die Bundesregierung beauftragt, alle zwei Jahre einen Bericht über die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5757 Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs vorzulegen . Danach obliegt es dem Gesetzgeber, über eine Tarifanpassung zum Ausgleich der Effekte der kalten Progression zu entscheiden. Auf der Grundlage der Ergebnisse des 1. und 2. Steuerprogressionsberichts (vgl. Bundestagsdrucksachen 18/3894 und 18/10221) wurden zum Ausgleich der kalten Progression der vergangenen vier Jahre neben einer Erhöhung des Grundfreibetrags die übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs um die jeweiligen Inflationsraten nach rechts verschoben. Der Entwurf des Familienentlastungsgesetzes sieht auf Grundlage der Ergebnisse des 12. Existenzminimumberichts und 3. Steuerprogressionsberichts vor, auch die Effekte der kalten Progression der Jahre 2018 bzw. 2019 durch Anpassungen der entsprechenden Tarifeckwerte ab dem Veranlagungszeitraum 2019 bzw. 2020 auszugleichen. 7. In welchen Ländern der EU oder der OECD umfassen diese inflationsbedingten automatischen Tarifanpassungen im Einkommensteuerrecht nach Kenntnis der Bundesregierung auch Freibeträge, Freigrenzen oder sonstige Pauschbeträge außerhalb des Einkommensteuertarifs? In den Staaten Dänemark, Frankreich, Mexiko, Schweiz, Slowenien, Spanien und USA umfassen diese Tarifanpassungen auch Freibeträge, Freigrenzen oder sonstige Pauschbeträge. 8. In welchen Ländern der EU oder der OECD gab es in den letzten Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung einkommensteuerrechtliche Änderungen zum Ausgleich der kalten Progression? In mehreren Staaten der EU oder der OECD gab es in den letzten Jahren einkommensteuerliche Änderungen hinsichtlich des Tarifs, der Freibeträge, Freigrenzen oder sonstigen Pauschbeträge. Zu der Frage, inwieweit diese Änderungen zum Ausgleich der kalten Progression erfolgten, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 9. In welchen Ländern der EU oder der OECD beruhen Tarifanpassungen im Einkommensteuerrecht nach Kenntnis der Bundesregierung auf wiederkehrende Berichte (z. B. Deutschland: Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs – Steuerprogressionsbericht)? 10. In welchen Ländern der EU oder der OECD umfassen diese – auf wiederkehrenden Berichten beruhenden – Tarifanpassungen im Einkommensteuerrecht nach Kenntnis der Bundesregierung auch Freibeträge, Freigrenzen oder sonstige Pauschbeträge? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 11. Wann erscheint der Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs (Dritter Steuerprogressionsbericht)? Der 3. Steuerprogressionsbericht wurde am 31. Oktober 2018 vom Bundeskabinett beschlossen und wurde an den Deutschen Bundestag mit Schreiben vom 1. November 2018 zur Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache zugeleitet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5757 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Wird der Dritte Steuerprogressionsbericht Auswirkungen auf aktuelle oder künftige Gesetzesvorhaben der Bundesregierung entfalten? Die Ergebnisse des 3. Steuerprogressionsberichts sind in das vom Deutschen Bundestag beschlossene Familienentlastungsgesetz eingeflossen. 13. Wird der Dritte Steuerprogressionsbericht bereits die beabsichtigten Effekte aus der Einkommensteuertarifänderung durch das Familienentlastungsgesetz berücksichtigen? Ja. Im 3. Steuerprogressionsbericht werden Ausführungen zur geplanten Änderung des Einkommensteuertarifs durch das Familienentlastungsgesetz enthalten sein. 14. Aus welchem Grund wurde der Dritte Steuerprogressionsbericht nicht bereits vor Beginn der parlamentarischen Beratungen zum Familienentlastungsgesetz vorgelegt? Grundlage der Berechnungen zum Ausmaß der Effekte der kalten Progression ist die Preisentwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte des aktuellen und des kommenden Jahres, die von der Bundesregierung erst am 11. Oktober 2018 im Rahmen der Herbstprojektion veröffentlicht wurde. Diese notwendigen Daten lagen zu Beginn der parlamentarischen Beratungen noch nicht vor. 15. Plant die Bundesregierung, die kalte Progression aus den Jahren vor dem Ersten Steuerprogressionsbericht auszugleichen? Dafür gibt es keine Planungen. Seit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 29. März 2012, alle zwei Jahre einen Steuerprogressionsbericht vorzulegen, berichtet die Bundesregierung grundsätzlich über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuer für das laufende und folgende Jahr (siehe hierzu auch Antwort zu Frage 6). In längerfristiger Betrachtung zeigt sich, dass aufgrund der in der Vergangenheit umgesetzten steuerlichen Entlastungen und Tarifanpassungen die volkswirtschaftliche Steuerquote über die letzten fünf Jahrzehnte weitgehend stabil gehalten werden konnte. 16. Stimmt die Bundesregierung zu, dass neben den Anpassungen des Einkommensteuertarifs auch Freibeträge, Freigrenzen und Pauschalen anzupassen sind, um die Effekte aus der kalten Progression ausgleichen zu können? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 17. Inwieweit ergibt sich nach Vorlage des Herbstgutachtens 2018 nach Ansicht der Bundesregierung die Notwendigkeit, weitere Anpassungen am Einkommensteuertarif neben jenen, die bereits durch das Familienentlastungsgesetz vorgesehen sind, vorzunehmen? Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, weitere Anpassungen am Einkommensteuertarif vorzunehmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5757 18. Wird die Bundesregierung bereits im Vorgriff zu dem Abschluss des parlamentarischen Verfahrens zum Familienentlastungsgesetz geänderte Programmablaufpläne für die Berechnung der Lohnsteuer 2019 veröffentlichen? Die Bundesregierung beabsichtigt, Programmablaufpläne 2019 auf der Basis der Zahlenwerte des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Familienentlastungsgesetzes bekannt zu machen. Sollten sich hier nach Bekanntmachung noch Änderungen im Gesetzgebungsverfahren ergeben, wäre es gleichwohl zulässig, wenn die Arbeitgeber die Lohnsteuer auf Basis der bekannt gemachten Programmablaufpläne berechnen. Ändern sich die maßgeblichen Zahlenwerte, werden geänderte Programmablaufpläne mit Verfahrenshinweisen zur Korrektur des bereits vorgenommenen Lohnsteuerabzugs bekannt gemacht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333