Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 12. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5814 19. Wahlperiode 16.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Steffi Lemke, Harald Ebner, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/5022 – Vogeljagd im Wattenmeer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer ist ein bedeutender aber auch sensibler Lebensraum für zahlreiche Arten. Eine besondere Bedeutung nimmt dieses Gebiet für Zugvogelarten ein, die auf störungsfreie Rastplätze und den Nahrungsreichtum der Watten und Salzwiesen angewiesen sind, um die Reise bis ins südliche Afrika bewältigen zu können. Mehr als 10 Millionen Wat- und Wasservögel ziehen jährlich durch das Gebiet. Doch im Gegensatz zur Gesetzgebung in Schleswig-Holstein, ist im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer die Bejagung von Zugvögeln auf den bewohnten Inseln an zehn Tagen pro Jahr selbst in den Ruhezonen erlaubt. Die Nationalparkverwaltung fordert, die wegen ihrer Trophäen beliebte Waldschnepfenjagd zu verbieten sowie den Einsatz von Jagdhunden und Falken einzuschränken. Doch nun hat das niedersächsische Landwirtschaftsministerium die Neuverpachtung von Jagdbezirken auf den ostfriesischen Inseln vorgenommen (www.noz.de/deutschland-welt/ niedersachsen/artikel/1510826/krach-um-vogeljagd-im-wattenmeer-1). Damit werden nicht nur weiterhin Vögel in den Ruhezonen getötet, sondern vor allem erheblich gestört, einschließlich der geschützten, nichtbejagdbaren Arten. Die Erteilung von Pachtverträgen für die Jagd im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer befindet sich damit aus Sicht der Fragesteller im Widerspruch mit den Zielen eines Nationalparks, insbesondere mit denen des Weltnaturerbes. Dabei geht es nicht nur um die Jagd auf bestimmte Vogelarten selbst, sondern vor allem auch die Jagd auf andere Tierarten, wie beispielsweise Kaninchen, die Störungen in den Ruhezonen verursachen. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Bedeutung des Nationalparks Wattenmeer und insbesondere der streng geschützten Bereiche für den Schutz der Zugvögel? Die Bundesregierung misst den Nationalparken im Wattenmeer mit ihren streng geschützten Bereichen zum Schutz der Zugvögel eine sehr hohe Bedeutung bei. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5814 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung der Störungen auf geschützte Zugvogelarten durch die nach niedersächsischem Landesrecht erlaubten Jagden in den geschützten Zonen des Wattenmeers im Zusammenhang mit den Verpflichtungen, die sich durch den Status des Weltnaturerbes ergeben? Der Status als Weltnaturerbe schließt eine nachhaltige Jagd als zulässige Nutzung zwar nicht aus. Die Jagd in Schutzgebieten hat sich allerdings am jeweiligen Schutzzweck zu orientieren und kann u. a. aus Gründen des Prädatorenmanagements , wie dem Schutz von Bodenbrütern, des Managements invasiver Arten und zur Tierseuchenprävention/-bekämpfung notwendig sein. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 3. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu den Störwirkungen, etwa durch Jäger, Schüsse oder Hunde, auf die geschützten Vogelarten und deren Populationsentwicklung in den entsprechenden Gebieten des Wattenmeers vor? Es ist bekannt, dass Störungen geschützte Vogelarten und deren Populationsentwicklung beeinträchtigen können. Die Störwirkungen können von einer Beunruhigung der Vögel und Vergrämung von bestimmten, von den Vögeln in Anspruch genommenen Nahrungsflächen über erhöhte Fluchtdistanzen und einer mangelnden Fitness der Vögel bis hin zu schlechterer Reproduktion reichen (vgl. Hötker, H., Schrader, S., Schwemmer, S., Oberdieck, N. & Blew, J. (2010): „Status, threats and conservation of birds in the German Wadden Sea“. – Technical Report. – NABU, Berlin, 112 S.). § 8 des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) regelt den Umgang mit diesen Konflikten. 4. Wird die Zahl der Falkner und die Häufigkeit ihrer Aufenthalte im Nationalpark , um ihre Falken zu trainieren, nach Kenntnis der Bundesregierung erfasst , und welche Zahlen ergeben sich diesbezüglich für die letzten fünf Jahre (bitte nach Gebiet und Jahren aufschlüsseln)? Wenn nein, warum nicht? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 5. Werden die Zahl und die Häufigkeit des Einsatzes von Jagdhunden im Nationalpark nach Kenntnis der Bundesregierung erfasst, und welche Zahlen ergeben sich für die letzte Pachtvertragsperiode (bitte nach Gebiet und Jahren aufschlüsseln)? Wenn nein, warum nicht? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 6. Sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit darin, die Jagdstatistiken der unteren Jagdbehörden aus den betroffenen Landkreisen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mindestens auf Landesebene zu sammeln, um einen Überblick zu erhalten, wie viele Vögel der jagdbaren Arten tatsächlich in den Pachtgebieten jährlich gejagt werden? Wenn nein, warum nicht? Das Bundesjagdgesetz überlässt es den Ländern, Regelungen zur Jagdstatistik bei Vogelarten zu erlassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5814 7. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Jagdstatistiken der unteren Jagdbehörden aus den betroffenen Landkreisen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mindestens auf Landesebene gesammelt und im Hinblick auf die verschiedenen Arten ausgewertet werden? Wenn nein, warum nicht? Das Bundesjagdgesetz überlässt es den Ländern, Regelungen zur Jagdstatistik bei Vogelarten zu erlassen. 8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Symbolwirkung von einer Erneuerung der niedersächsischen Pachtverträge für die Jagd auf bestimmte Vogelarten auf internationaler Ebene angesichts der Tatsache, dass sich im Rahmen der auch vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit finanzierten Flyway-Initiative von Deutschland aus in Ländern entlang der afrikanischen Westküste für Jagdverbote in Schutzgebieten eingesetzt wird? Da der Bundesregierung die Pachtverträge nicht bekannt sind, kann hierzu keine Einschätzung getroffen werden. Entsprechend des trilateralen Wattenmeerplans 20101 und des Berichts über den Erhaltungszustand des Welterbegebietes 2016 an die UNESCO2 ist es das gemeinsame Ziel der Partner der Trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit , Deutschland, Dänemark und die Niederlande, die noch bestehenden Jagdaktivitäten schrittweise einzustellen, um mögliche negative Auswirkungen auf die im Schutzgebiet brütenden und rastenden Zugvogelarten zu verringern und mit den Schutzzielen des Weltnaturerbes Wattenmeer in Einklang zu bringen. Diejenigen Tätigkeiten, die sich nachteilig auswirken, sind daher zeitlich und örtlich geregelt bzw. nach einzelstaatlichem Recht verboten (ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen). Angesichts des Störungspotenzials und möglicher negativer Auswirkungen auf den Bestand bestimmter Zugvogelarten wird ein möglichst umfassender Ausschluss der Jagd in den Schutzzonen des Welterbegebietes Wattenmeer sowie den relevanten Rast- und Brutstätten auf dem ostatlantischen Zugvogelweg angestrebt. Wo es für den Schutzzweck des Nationalparks wesentlich ist, z. B. in den Ruhezonen, ist die Jagd erheblich eingeschränkt . 9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass viele der nun erneuerten Pachtgebiete landeseigen sind und dass nach § 26 des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) Behörden, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Entscheidungen über die Nutzung der landeseigenen Flächen und die Einräumung von Nutzungsrechten treffen, hierbei den Schutzzweck des Gesetzes in besonderem Maße berücksichtigen sollen, und sieht sie in diesem Zusammenhang einen Widerspruch? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor, es ist Aufgabe der zuständigen Landesbehörden, die Umsetzung der Regelungen des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer (NWattNPG) zu vollziehen. 1 www.nationalpark-wattenmeer.de/sites/default/files/media/pdf/wattenmeerplan-2010.pdf 2 www.waddensea-secretariat.org/sites/default/files/downloads/soc-report_wadden_sea_2016_18-11-2016.pdf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5814 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Inwieweit sieht die Bundesregierung sich in der Pflicht, die Einhaltung internationaler Nationalparkbestimmungen durch die Bundesländer sicherzustellen ? Die internationalen Kriterien der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) für Nationalparke (Kategorie II) treffen keine Festlegungen zur Vogeljagd . Die schutzgebietsbezogenen Regelungen des Artikels 4 der Europäischen Vogelschutzrichtlinie sehen kein generelles Jagdverbot vor. Ebenso wenig sehen die Regelungen des Artikels 6 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie), die nach Maßgabe des Artikels 7 dieser Richtlinie auch auf EU-Vogelschutzgebiete zur Anwendung kommen, ein solch generelles Verbot vor. Die §§ 33 bis 36 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sind einschlägig. 11. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Niedersachsen durch eine Änderung im Gesetz zum Nationalpark die Jagd in Ruhezonen grundsätzlich ausschließt? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass § 8 NWattNPG mit den Anforderungen des § 24 BNatSchG und § 20 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) nicht vereinbar ist. 12. Wird sich die Bundesregierung bei der Niedersächsischen Landesregierung dafür einsetzen, dass die Pachtverträge zukünftig nicht verlängert werden? Wenn nein, warum nicht? Die Regelungen zur Vogeljagd in Niedersachsen im Rahmen der geltenden jagdund naturschutzrechtlichen Bestimmungen sind Sache der zuständigen Landesbehörden . 13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Bedeutung eines kompletten Verbots der Jagd in den Ruhezonen im Nationalpark vor dem Hintergrund, dass die Zugvögel auch durch weitere Faktoren wie Plastik und Lichtverschmutzung bedroht werden? Es ist Aufgabe des Landes, die Belastungsfaktoren der schutzbedürftigen Vogelarten festzustellen, zu bewerten und – soweit nötig – sein Schutzregime entsprechend weiterzuentwickeln. 14. Sieht die Bundesregierung erhöhten Handlungsbedarf zum Schutz der Zugvögel durch die Evaluation im Jahr 2014 im Rahmen der Flyway-Initiative, die zeigte, dass je stärker eine Zugvogelpopulation vom Wattenmeer abhängig ist, desto weniger erfolgreich deren Schutz zu sein schien (www.waddenseasecretariat .org/management/projects/wadden-sea-flyway-initiative-wsfi)? Wenn nein, warum nicht? Eines der Kriterien für die Anerkennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe durch die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) ist seine Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt. Ganz wesentlich dabei ist seine Funktion als Drehscheibe sowie als Rast- und Brutstätte für den ostatlantischen Zugvogelweg, der von der Arktis bis ins südliche Afrika reicht. Der im Jahr 2017 veröffentlichte Qualitätszustandsbericht für das Wattenmeer (http://qsr.waddensea-worldheritage.org) weist darauf hin, dass Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5814 trotz der zu verzeichnenden Rückgänge im Wattenmeer immer noch große Teile der Zugvogelpopulationen des ostatlantischen Zugweges in diesem Gebiet zu finden sind. Die Bundesregierung ist sich dieser großen internationalen Verantwortung bewusst und hat deshalb die Stärkung und Weiterentwicklung der Wadden Sea Flyway Initative (WSFI) zu einem der Schwerpunkte ihrer von den Jahren 2018 bis 2022 dauernden Präsidentschaft der Trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit (www.bmu.de/PU485) mit den Niederlanden und Dänemark gemacht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333