Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/5953 19. Wahlperiode 22.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bettina Stark-Watzinger, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/5561 – Folgen des Brexits hinsichtlich finanzieller Risiken bei grenzüberschreitenden Finanzgeschäften (insbesondere Euro-Clearing) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Durch den Brexit wird Großbritannien die EU Ende März 2019 verlassen. Die Bank of England (britische Notenbank) hat am 9. Oktober 2018 die bislang stärkste Warnung hinsichtlich finanzieller Risiken bei grenzüberschreitenden Finanzgeschäften ausgesprochen. Sie fordert die EU auf, sich besser für einen ungeordneten Brexit abzusichern. Großbritannien sei bei der Absicherung solcher Risiken bereits deutlich vorangekommen, während die EU bislang die Risiken kaum angegangen sei, so die britische Notenbank (vgl.: www.ft.com/content/ 7a318a42-cb9f-11e8-b276-b9069bde0956 oder www.handelsblatt.com/finanzen/ geldpolitik/ungeordneter-austritt-bank-of-england-warnt-eu-vor-brexit-risiken/ 23164848.html). Bei Derivaten im Volumen von ca. 46 Billionen Euro (41 Billionen Pfund) bestehen Risiken mit unklarer Rechtslage. Auch der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Felix Hufeld warnt, ein harter Brexit könnte in Hunderttausende von Verträgen eingreifen (vgl.: www.handelsblatt.com/ finanzen/banken-versicherungen/brexit-countdown-bei-euro-clearing-noch- 2018-koennten-billionenschwere-derivatekontrakte-gekuendigt-werden/23134744. html). Insbesondere das Euro-Clearing steht im Mittelpunkt der Debatte. Euro- Clearing findet bisher größtenteils in London statt. Beim Euro-Clearing geht es um die Abwicklung auf Euro lautender Zinsderivate. Clearinghäuser garantieren das Handelsgeschäft, indem sie einspringen, sollte zwischen Käufer und Verkäufer ein Vertragspartner ausfallen. Mit dem Ausscheiden Großbritanniens hätten die europäischen Aufsichtsorgane kaum noch Kontrolle über diesen wichtigen Markt. Nach Ansicht der Fragesteller sollte das Euro-Clearing in die EU verlagert werden. Frankfurt bringt alle Voraussetzungen als Standort mit, das Euro-Clearing durchzuführen. Die Bundesregierung hat in der Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP (Bundestagsdrucksache 19/4896 „Stärkung und Weiterentwicklung des Finanzplatzes Frankfurt“) dargelegt, dass die Verlagerung des Euro-Clearings Gegenstand laufender Verhandlungen auf europäischer Ebene Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5953 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sei. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat gesagt, man „denke konstruktiv “ bei diesem Thema mit. Aus Sicht der Fragesteller ist aber weiterhin unklar, was dies konkret für den Finanzmarkt bedeutet. Aufgrund des hohen Volumens der Derivatekontrakte, der großen Unsicherheit durch den Brexit und den starken Warnungen, bspw. der britischen Notenbank, besteht aus Sicht der Fragesteller, eine gewisse Notwendigkeit, die Marktteilnehmer zeitnah und umfassend über die weiteren Pläne zu informieren. 1. Wie schätzt die Bundesregierung die Warnung der britischen Notenbank mit Blick auf die unklare Rechtslage bei lang laufenden Verträgen ein? Teilt die Bundesregierung die Äußerungen der britischen Notenbank? Kommt die Bundesregierung bei eigenen Rechnungen bzw. Überlegungen auf einen ähnlich hohen Betrag, bei dem Risiken durch die unklare Rechtslage bestehen? 2. Ist die Bundesregierung der Auffassung der britischen Notenbank, dass Großbritannien die Risiken bislang besser abgesichert hat als die EU? Sofern ja, weshalb konnten auf europäischer Ebene die Risiken bislang nicht besser adressiert werden? Wie wurden auf europäischer Ebene bislang die Risiken adressiert, und was muss noch unternommen werden? 3. Wurden auf europäischer Ebene über diese Risiken gesprochen, und wenn ja, wie hat sich die Bundesregierung bei diesen Diskussionen positioniert? Die Fragen 1 bis 3 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung überwacht laufend die mit dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) verbundenen Risiken bei grenzüberschreitenden Finanzgeschäften, einschließlich der auf den Euro lautenden Geschäfte, die über Clearinghäuser/CCPs abgewickelt werden (sog. Euro-Clearing). Hinsichtlich des Volumens von Geschäften deutscher Clearingmitglieder mit CCPs mit Sitz in Großbritannien, deren Laufzeit über den 29. März 2019 hinausgeht, wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. Risiken bestehen in diesem Zusammenhang aus Sicht der Bundesregierung vor allem dann, wenn Großbritannien ohne Austrittsvereinbarung aus der EU ausscheidet . In diesem Fall wäre Großbritannien als Drittstaat anzusehen. Dies hätte sowohl Auswirkungen auf das CCP-Clearing als auch auf die Durchführung von sonstigen Finanzgeschäften durch Unternehmen mit Sitz in Großbritannien. Würde Großbritannien zum Drittstaat, dürften dort ansässige CCPs Dienstleistungen für Clearingteilnehmer und Handelsplätze mit Sitz in der EU nur noch dann anbieten, wenn sie durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) anerkannt würden. Ohne eine solche Anerkennung wären CCPs mit Sitz in Großbritannien gezwungen, ihre Geschäfte mit Clearingteilnehmern und Handelsplätzen in der EU einzustellen, und EU-Marktteilnehmer könnten diese CCPs nicht mehr zur Erfüllung ihrer EU-Clearingpflichten nutzen. Da die Anerkennung von CCPs mit Sitz in Drittstaaten nur durch die ESMA auf Grundlage einer Äquivalenzentscheidung der Europäischen Kommission erfolgen kann, können die mit dem Fehlen einer Anerkennung verbundenen Risiken aus Sicht der Bundesregierung nur auf der europäischen Ebene sachgerecht adressiert werden. Die Europäische Kommission hat am 13. November 2018 angekündigt , dass sie im Fall eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU ohne Austrittsvereinbarung zeitlich befristete und von Bedingungen abhängige Äquiva- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/5953 lenzentscheidungen treffen wird, um Störungen im Bereich des CCP-Clearings von Derivaten zu vermeiden (https://ec.europa.eu/info/publications/communicationpreparing -withdrawal-united-kingdom-european-union-30-march-2019-contingencyaction -plan-13-11-2018_en). Außerhalb des Bereichs des CCP-Clearing richtet sich die Möglichkeit zur Durchführung von grenzüberschreitenden Finanzgeschäften durch Banken, Finanzdienstleistungsunternehmen und Versicherungen mit Sitz in einem Drittstaat dagegen grundsätzlich nach dem Recht der Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund werden derzeit zusätzliche gesetzliche Befugnisse geprüft, soweit dies zur Vermeidung von Nachteilen für die Funktionsfähigkeit oder die Stabilität der Finanzmärkte oder zur Wahrung der Interessen der Versicherungsnehmer erforderlich ist. Die mit dem Brexit verbundenen Risiken im Finanzmarktbereich sind auch Gegenstand einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Bank of England und der Europäischen Zentralbank (EZB). 4. Wie sieht die konkrete Strategie der Bundesregierung aus, das Euro-Clearing weiterzuentwickeln? Plant die Bundesregierung, die Öffentlichkeit zeitnah zu informieren? Wenn nein, wie werden Finanzinstitute informiert, die den Risiken ausgesetzt sind? Welchen Zeitraum peilt die Bundesregierung an? 5. Geht die Bundesregierung davon aus, dass es beim Thema Euro-Clearing Übergangslösungen geben wird? War dies Gegenstand von Verhandlungen? Setzt sich die Bundesregierung für solche Übergangslösungen auf europäischer Ebene ein? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung begrüßt die derzeit zu beobachtende Verlagerung von Teilen des Clearing von Euroderivaten auf das Clearinghaus der Deutschen Börse AG. Der Finanzplatz Frankfurt am Main verfügt über eine ausgezeichnete Infrastruktur mit zentraler Bedeutung in Kontinentaleuropa und ist deshalb hervorragend positioniert, um Clearingdienstleistungen zu übernehmen. Im Übrigen schließt der Bund Verträge zur Optimierung der Zinsstruktur und zur Begrenzung von Zinsänderungsrisiken – für sich und bundesunmittelbare Anstalten des öffentlichen Rechts – sowie Geschäfte im Rahmen des Liquiditätsmanagements zurzeit ausschließlich über die Eurex Clearing, das Clearinghaus der Deutschen Börse AG, ab. Ermächtigungen zur Durchführung dieser Aktivitäten finden sich in § 2 des Haushaltsgesetzes. Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen das Euro-Derivateclearing zukünftig außerhalb der EU stattfinden darf, ist Gegenstand laufender Verhandlungen zum Kommissionsvorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde sowie der Verordnung hinsichtlich der für die Zulassung von zentralen Gegenparteien anwendbaren Verfahren und zuständigen Behörden und der Anforderungen für die Anerkennung zentraler Gegenparteien aus Drittstaaten. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hat in dieser Hinsicht große Relevanz, da derzeit der überwiegende Teil des Euro-Clearing in London stattfindet, mithin künftig außerhalb der EU. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/5953 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission sieht vor diesem Hintergrund vor, dass systemrelevante CCPs mit Sitz außerhalb der EU den wesentlichen Anforderungen des EU-Aufsichtsrechts und der Kontrolle durch EU-Behörden unterworfen werden. Darüber hinaus sieht der Vorschlag vor, dass die Europäische Kommission auf gemeinsame Empfehlung von ESMA und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Verlagerung des Clearing von auf Euro lautenden Finanzinstrumenten in die Europäische Union verlangen kann, wenn dies zum Schutz der Finanzstabilität in der EU erforderlich ist. Im Hinblick auf Risiken, die aus einer fehlenden Anerkennung von CCPs mit Sitz in Großbritannien resultieren, und den möglichen Bedarf für eine Übergangsregelung , wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen. 6. Wenn es nicht zu Übergangslösungen kommt, wie will die Bundesregierung die mittlerweile sehr knappe Zeit bis zum Brexit nutzen, die Risiken anzugehen ? Geht die Bundesregierung davon aus, dass es schon in diesen Jahr zu Kündigungen kommen kann (vgl. www.handelsblatt.com/finanzen/bankenversicherungen /brexit-countdown-bei-euro-clearing-noch-2018-koenntenbillionenschwere -derivatekontrakte-gekuendigt-werden/23134744.html oder www.ft.com/content/7a318a42-cb9f-11e8-b276-b9069bde0956)? Auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 wird verwiesen. 7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob das London Clearing House (LCH) schon deutsche Kunden informiert hat? 8. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Verträge mit deutschen Instituten schon gekündigt worden sind oder es ein Schreiben gab, dass noch im Jahr 2018 Verträge gekündigt werden? Die Fragen 7 und 8 werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung ist bekannt, dass LCH einzelne Clearingmitglieder über Handlungsoptionen im Falle eines Brexit ohne Austrittsvereinbarung informiert hat. 9. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Verträge deutscher Institute betroffen sind? Auf der Grundlage von Daten nach Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (EMIR) kann das Geschäft deutscher Clearingmitglieder mit CCPs mit Sitz in Großbritannien ausgewertet werden. Aufgrund dieser Zahlen ergibt sich, dass am Stichtag 7. November 2018 185 675 Derivatekontrakte offen waren, deren Laufzeit über den 29. März 2019 hinausging. Davon lauten 84 923 Kontrakte oder 45,74 Prozent auf Euro. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/5953 10. Ist der Bundesregierung bekannt, welches Volumen bei deutschen Instituten betroffen ist? Auf der Grundlage der Daten nach Artikel 9 EMIR zum Stichtag 7. November 2018 haben die in der Antwort zu Frage 9 bezeichneten Verträge deutscher Clearingmitglieder mit CCPs mit Sitz in Großbritannien einen Marktwert von 294 Mrd. Euro. Für auf Euro lautende Kontrakte ergibt sich ein Marktwert von 178 Mrd. Euro. Dies entspricht 60,68 Prozent des Gesamtmarktwerts der Verträge deutscher Clearingmitglieder mit CCPs mit Sitz in Großbritannien. Bei der Angabe zum Marktwert handelt es sich um eine Bruttobetrachtung, d. h. Nettingeffekte werden nicht wiedergegeben. 11. Plant die Bundesregierung, die in dieser Anfrage aufgeworfenen finanziellen Risiken hinsichtlich des Brexits in dem Gesetzespaket, das am 12. Dezember im Bundeskabinett beschlossen werden soll, zu adressieren (vgl.: http:// edition.faz.net/faz-edition/politik/2018-10-18/27e7ed37ec160a9001e5deeea 33a4104/?GEPC=s5)? Sofern ja, welche Probleme sollen adressiert werden, und welche konkreten Lösungsvorschläge stellt sich die Bundesregierung vor? Ja, auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 wird hingewiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333