Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 23. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6096 19. Wahlperiode 28.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sandra Weeser, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/5556 – Grenzüberschreitender Stromhandel und drohende Strompreiszonen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit dem „Clean Energy Package“ hat die Europäische Kommission 2016 ein umfassendes energiepolitisches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Dazu zählt eine Neufassung der Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung, mit der der Wettbewerb auf den Stromgroßhandelsmärkten und der grenzüberschreitende Stromhandel gestärkt werden sollen. Die Übertragungsnetzbetreiber sollen künftig verpflichtet werden, ein Mindestvolumen der grenzüberschreitenden Stromleitungen (Interkonnektoren) für den grenzüberschreitenden Stromhandel bereitzustellen. Bisher dienen die Interkonnektoren oftmals einem anderen Zweck: Weil die in Deutschland zur Verfügung stehenden Übertragungsnetze in vielen Fällen nicht ausreichen, um beispielsweise den im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu transportieren, wird der Strom über die Grenzkuppelstellen und die Netze von Nachbarländern wie Polen, Tschechien oder Österreich umgeleitet. Von dort aus wird der Strom dann wieder in den Süden Deutschlands eingeleitet . Auf diese Weise kann das Problem der Netzengpässe teilweise umgangen und hohe Kosten für Eingriffe in das Netzmanagement (Redispatch) vermieden werden. Diese sogenannten Ringflüsse belasten allerdings die Stromnetze der Nachbarstaaten. Dem Vernehmen nach sollen bis 2025 schrittweise 75 Prozent der Interkonnektoren -Kapazität ausschließlich für den Stromhandel zur Verfügung gestellt werden. Deutschland müsste dann zum einen – trotz bereits bestehender Netzengpässe – beispielsweise auch dänischen Windstrom aufnehmen, was den Abtransport nach Süden noch schwieriger gestalten würde. Zum anderen wird mit der „Reservierung“ der Interkonnektoren für den Handel auch die Umleitung des Stroms nach Süddeutschland über die Nachbarländer schwierig. Beide Aspekte dürften also absehbar zu massiven Mehrkosten beim Redispatch führen , da der Ausbau der dringend benötigten Übertragungsnetze noch weit über 2025 hinaus andauern wird. Als Reaktion auf die Netzengpässe behält sich die EU-Kommission vor, eigenmächtig bestehende Strompreiszonen aufzuspalten. So soll Druck auf die Staaten ausgeübt werden, die Netze schneller auszubauen. Deutschland könnte zum Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6096 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Beispiel von einer Aufteilung in eine nördliche und eine südliche Preiszone betroffen sein. Verbraucher und Wirtschaft in Süddeutschland müssten dann mit deutlich höheren Strompreisen als in Norddeutschland rechnen. 1. Wie ist der aktuelle Verhandlungsstand bei der Elektrizitätsbinnenmarkt- Verordnung, insbesondere im Hinblick auf die geforderte Öffnung der Grenzkuppelstellen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und die künftige Kompetenzverteilung beim Zuschnitt von Strompreiszonen? Die Strommarkt-Verordnung ist aktuell Gegenstand der Trilogverhandlungen zwischen Rat der EU, dem EU-Parlament und der EU-Kommission. Bei einzelnen Fragen ist die Verhandlung bereits weit fortgeschritten. Dazu gehört auch die Frage, wer künftig über den Zuschnitt von Stromgebotszonen entscheiden soll. Hier haben sich sowohl der Rat als auch das Parlament bereits wie folgt positioniert : Die Mitgliedstaaten dürfen selbst entscheiden, wie sie interne Engpässe beheben. Sie dürfen wählen, ob sie ihre Gebotszonen neu zuschneiden oder einen konkreten Maßnahmenplan vorlegen, um Engpässe zu beheben. Als Zielwert sollen 75 Prozent der Interkonnektorenkapazität dem grenzüberschreitenden Handel zur Verfügung gestellt werden. Der Kommissionsentwurf hatte hier Vorgaben vorgesehen, die einen 100-prozentigen Zielwert bedeutet hätten . Mitgliedstaaten, die einen Maßnahmenplan aufstellen, erhalten eine Übergangsregelung . Sie müssen den Zielwert von 75 Prozent erst Ende 2025 erreichen. Bis dahin steigt der Prozentsatz linear an („phase-in“). Nach dem Kommissionsvorschlag hätten die 100-Prozent-Vorgaben bereits 2020 erfüllt werden müssen. Rat und Parlament begrenzen außerdem die Entscheidungskompetenz der EU- Kommission zu Gebotszonen: Nur wenn ein Mitgliedstaat von den Regeln für Stromhandel abweicht, also insbesondere dem Zielwert oder dem linearen Pfad, kann die Kommission Maßnahmen vorschlagen und als letzte Konsequenz die Gebotszonen neu zuschneiden. Länder, die sich an die Stromhandelsvorgaben halten, dürfen alleine über ihre Gebotszonen entscheiden. Deutschland behält danach die Entscheidung selbst in der Hand. Solange Deutschland die Regeln zum grenzüberschreitenden Stromhandel einhält, kann die Kommission Deutschland nicht in zwei Gebotszonen teilen. 2. Wieviel Prozent der Interkonnektorenkapazitäten zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern werden heute für den grenzüberschreitenden Stromhandel zur Verfügung gestellt? 3. Wie wird sich dieser Anteil bis 2025 voraussichtlich entwickeln? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Bei den zur Verfügung gestellten Handelskapazitäten gibt es in Deutschland von Grenze zu Grenze große Unterschiede. Es gibt sowohl Grenzen, an denen bereits heute der Zielbenchmark der Strom-Verordnung (75 Prozent) erreicht wird, als auch Grenzen, an denen er noch nicht erreicht wird. An den Grenzen in der CWE- Region (Österreich, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Schweiz, Belgien) wurden kürzlich Mindestvorgaben für die verfügbaren Handelskapazitäten vereinbart . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6096 Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet hat sich in einem Kartellrechtlichen Verfahren gegenüber der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission dazu zu verpflichtet , die Handelskapazitäten an der deutsch-dänischen Grenze bis auf ca. 75 Prozent der technisch verfügbaren Interkonnektorenkapazität zu erhöhen. Die neuen Vorgaben in der Strommarkt-Verordnung haben zum Ziel, die für den Handel verfügbaren Handelskapazitäten einheitlich an allen Grenzen in Europa schrittweise bis 2025 auf mindestens 75 Prozent der technisch verfügbaren Interkonnektoren -Kapazität zu steigern. 4. Was verhindert aus Sicht der Bundesregierung, dass mehr Interkonnektoren- Kapazitäten für den grenzüberschreitenden Stromhandel genutzt werden, und was plant die Bundesregierung, um diesen Missstand zu beheben? 5. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das deutsche Stromnetz den nach einer Öffnung der Interkonnektoren zusätzlich einzuspeisenden Strom aufnehmen bzw. übertragen kann, und wenn ja, wie? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Derzeit berücksichtigen die Übertragungsnetzbetreiber interne Engpässe und Ringflüsse vollständig bei der Berechnung der Stromhandelskapazitäten. Dies kann dazu führen, dass die Handelskapazitäten geringer ausfallen, als sie es ohne Netzengpässe in Deutschland tun würden. Die neuen Anforderungen in der Strommarkt-Verordnung stellen sicher, dass diese Berücksichtigung interner Netzengpässe bei der Berechnung der grenzüberschreitenden Handelskapazität schrittweise abgesenkt wird. Die Bundesregierung hat die Beschleunigung des Netzausbaus und die bessere Nutzung des Bestandsnetzes zu einer ihrer prioritären Aufgaben gemacht. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat zu diesem Zweck einen Aktionsplan Stromnetz vorgelegt, der derzeit weiter konkretisiert wird. Engpässe, die durch den Netzausbau nicht bzw. nicht rechtzeitig behoben werden können, müssen durch Redispatchmaßnahmen behoben werden. Die Strommarkt- Verordnung sieht dazu vor, dass dafür auch der Zugang zum grenzüberschreitenden Redispatch verbessert werden muss. 6. Wie wirkt sich die zunehmende Bereitstellung der Interkonnektoren für den Stromhandel nach Ansicht der Bundesregierung auf den Redispatch-Bedarf in Deutschland bis 2025 aus? 7. Von welcher Entwicklung der Redispatch-Kosten bis 2025 geht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund aus? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Die Entwicklung der Redispatchkosten hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie insbesondere der Entwicklung des Kraftwerkparks in Deutschland, aber auch im Ausland, der Entwicklung der Netze und der Entwicklung neuer Netzbetriebskonzepte sowie dem Wetter. Darüber hinaus sind gegenwärtig Detailfragen der Berechnung der 75 Prozent der Interkonnektorenkapazität noch in der Diskussion . Vor diesem Hintergrund ist eine seriöse Abschätzung des zusätzlichen Redispatchbedarfs oder der Kosten derzeit nicht möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6096 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Entscheidend für eine Begrenzung der Kosten ist, dass der Netzausbau vorankommt und dass Maßnahmen zur besseren Auslastung des Bestandsnetzes und zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Redispatch umgesetzt werden. Die Bundesregierung setzt sich in den Verhandlungen mit Nachdruck dafür ein, dass der 75-Prozent-Zielwert sachgerecht definiert wird und die Kosten so gering wie möglich bleiben. 8. Wie bewertet die Bundesregierung die gesamtwirtschaftlichen Kosten einer Öffnung der Grenzkuppelstellen im Verhältnis zu den Kosten einer Aufspaltung Deutschlands in eine oder mehrere Strompreiszonen? 12. Wie würde sich aus Sicht der Bundesregierung eine Zuschneidung Deutschlands in Strompreiszonen auf Strompreise und den Netzausbau auswirken? Die Fragen 8 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hält die einheitliche deutsche Gebotszone insgesamt für ein hohes Gut. Sie ist wichtig für einen liquiden Markt, hohe Handelsvolumina und entsprechend hohen Wettbewerb, für die kosteneffiziente Integration von Erneuerbaren Energien, die kosteneffiziente Gewährleistung der Versorgungssicherheit und für einheitliche Investitionsbedingungen im Wirtschaftsstandort Deutschland . Eine Teilung Deutschlands in mehrere Stromgebotszonen würde in erster Linie zu neuen innerstaatlichen Handelshemmnissen, weniger Handel und zu unterschiedlichen Großhandelspreisen für Strom in Deutschland führen. Nach mehreren Studien der Bundesregierung ist der richtige Mix aus zentraler und dezentraler Erzeugung und insbesondere ein weiträumiger Stromhandel mit ausreichenden Netzkapazitäten die kostengünstigste Option für die sicherere und bezahlbare Umsetzung der Energiewende. Befürworter kleiner Preiszonen führen teilweise das Argument an, dass ein Gebotszonensplit ökonomische Anreize für den Netzausbau setzte. Die Bundesregierung hat aber erhebliche Zweifel, dass durch einen Gebotszonensplit schneller mehr Netzausbauvorhaben realisiert würden, weil wesentliche Gründe für den verzögerten Netzausbau nicht in den fehlenden ökonomischen Anreizen liegen. Außerdem sendet ein Gebotszonensplit keine eindeutigen ökonomischen Anreize für den Netzausbau, da es Gewinner und Verlierer unterschiedlicher Strompreise in Deutschland gibt. Bei der Gesamtbewertung ist aus Sicht der Bundesregierung zentral, dass die Redispatchkosten nur einen sehr kleinen Anteil der Gesamtkosten des Stromsystems ausmachen. Insofern wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Engpassmanagement im Stromnetz – Auswirkungen auf Verbraucher und Klimaschutz auf Bundestagsdrucksache 19/3338 verwiesen, nach der die Redispatch- und Einspeisemanagementkosten ca. 2 Prozent der Gesamtstromsystemkosten ausmachen . Ein umfangreicher Stromhandel wird immer auch mit einem Mindestmaß an Redispatch einhergehen, da es nicht effizient ist, das Netz für die letzte Kilowattstunde auszubauen. 9. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Netzausbau bis 2025 so weit voranschreiten wird, dass er den künftig nur noch eingeschränkt möglichen Ringfluss durch Nachbarstaaten kompensieren kann? Laut dem Monitoring des Netzausbaus durch die Bundesnetzagentur liegt die geplante Inbetriebnahme der meisten Netzausbauvorhaben nach dem Bundesbedarfsplangesetz und dem Energieleitungsausbaugesetz vor Ende 2025. Es ist eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6096 hohe Priorität der Bundesregierung, den Netzausbau schneller voranzubringen. Darüber hinaus liegt ein Schlüssel zur Lösung der Engpassprobleme auch in der verbesserten Nutzung des Bestandsnetzes. Hier gilt es, Potentiale zur Optimierung schnellstmöglich zu erschließen. Ringflüsse können darüber hinaus durch gezielte Maßnahmen wie Phasenschieber an kritischen Grenzübergängen begrenzt werden. Verbleibende Probleme können auch durch Redispatchmaßnahmen gelöst werden. 10. Wie wahrscheinlich ist es aus Sicht der Bundesregierung, dass Deutschland in den kommenden Jahren von einer Aufteilung in Strompreiszonen durch die Europäische Kommission betroffen sein könnte? 11. Mit welcher geographischen Zuschneidung von Strompreiszonen wäre nach Ansicht oder Kenntnis der Bundesregierung in diesem Falle zu rechnen? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Nach der Position von Rat und Parlament behält Deutschland die Entscheidung selbst in der Hand. Solange Deutschland den 75-Prozent-Benchmark einhält, kann die Kommission Deutschland nicht in zwei Gebotszonen teilen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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