Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 27. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6174 19. Wahlperiode 29.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Anke Domscheit-Berg, Cornelia Möhring, Dr. Petra Sitte, weiter Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/5743 – Digitale Gewalt gegen Frauen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die stetig zunehmende Digitalisierung fast aller Lebensbereiche bringt es mit sich, dass auch häusliche Gewalt sowie andere Formen der Gewalt gegen Frauen neue, digitale Ausprägungsformen erfahren. Der Begriff „digitale Gewalt“ bezeichnet alle Formen von Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel oder digitaler Medien bedienen, sowie Gewalt, die im digitalen Raum stattfindet, also bspw. im Rahmen von Online-Portalen oder sozialen Plattformen. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe / Frauen gegen Gewalt e. V. (bff) geht „davon aus, dass digitale Gewalt nicht getrennt von ‚analoger Gewalt‘ funktioniert, sondern meist eine Fortsetzung oder Ergänzung von Gewaltverhältnissen und -dynamiken darstellt“, also als eine Form häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt gesehen werden sollte. Dabei gibt es Angriffe einerseits im öffentlichen digitalen Raum und andererseits im sozialen Nahfeld. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Angelegenheiten zählt zu den Formen digitaler Gewalt (www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/digitale-gewalt.html) etwa den Ausschluss aus (Messenger-)Gruppen, Beleidigungen und Beschimpfungen, Bloßstellen und Anschwärzen, „Doxing“ (das Veröffentlichen von personenbezogenen Daten im Netz), Cyber-Stalking (bis hin zur Installierung von Spy-Apps, Kameras oder anderen Aufnahmegeräten in privaten Räumen oder auf Geräten), Nötigung und Erpressung (dazu zählt auch „Revenge Porn“, also bspw. das Erpressen mit der Drohung, intime Bilder zu veröffentlichen), das Verbreiten von Gerüchten und Diffamierungen, Identitätsmissbrauch und -diebstahl sowie die offene Androhung von Gewalt. Weitere Formen sind bildbasierte sexualisierte Gewalt, etwa das Filmen von Vergewaltigungen und das Veröffentlichen dieser Aufnahmen, Bildmontagen mit pornografischen Inhalten und das Hochladen dieser Montagen auf Datingund Sex-Websites, das Veröffentlichen von Kontaktdaten auf Dating-Websites oder das Zusenden von pornografischen Inhalten und sexualisierten Bedrohungen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6174 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Über das Ausmaß der digitalen Gewalt ist viel zu wenig bekannt. Es gibt nur wenige Studien, die sich mit digitaler Gewalt oder einzelnen ihrer Phänomene befassen. Amnesty International hat im November 2017 die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, bei der je 500 Frauen zwischen 18 und 55 Jahren in sechs EU-Staaten, Neuseeland und den USA zu digitaler Gewalt im Internet oder durch soziale Medien befragt wurden. Knapp ein Viertel (23 Prozent) hatte digitale Gewalt erlebt, von diesen fühlten sich 41 Prozent in der Folge auch in ihrer physischen Sicherheit bedroht. 55 Prozent erlebten Panikattacken oder Angstzustände (www.amnesty.org/en/latest/news/2017/11/amnesty-revealsalarming -impact-of-online-abuse-against-women/). Der bff hat 2017 eine Umfrage unter Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen zu ihren Erfahrungen mit digitaler Gewalt in der Beratungstätigkeit durchgeführt, an der sich 60 Beratungsstellen beteiligten. Ein Großteil der Beratungsstellen gab an, dass die Beratungsanfragen zum Thema „digitale Gewalt“ in den letzten drei Jahren angestiegen sind. Vor allem bei Stalking werde mittlerweile in „nahezu allen Fällen das Internet oder digitale Medien dazu genutzt, Stalking-Handlungen auszuüben “ (bff: Fachberatungsstellen und die Digitalisierung geschlechtsspezifischer Gewalt, Oktober 2017, S. 8.). Bereits 2014 kam die Europäische Grundrechteagentur zu dem Ergebnis, dass ein Zehntel aller Mädchen und Frauen über 15 Jahren eine Form von digitaler Gewalt erfahren haben (http://fra.europa. eu/en/publication/2014/violence-against-women-eu-wide-survey-main-resultsreport , S. 95). Dabei sind jüngere Frauen und Mädchen viel stärker betroffen, und es ist davon auszugehen, dass mit der stetigen Zunahme der digitalen Kommunikation diese Zahlen seitdem gestiegen sind und weiter steigen. Mädchen wie Jungen sind vom sog. Cybergrooming betroffen, der Vorbereitung und späteren Durchführung sexuellen Missbrauchs durch Kontaktaufnahme über soziale Netzwerke, Chaträume oder Online-Spiele (https://beauftragter-missbrauch. de/praevention/sexuelle-gewalt-mittels-digitaler-medien/cybergrooming/). Aussagekräftige Studien über Formen und Ausmaß digitaler Gewalt gegen Frauen in Deutschland, die Aussagen darüber zulassen, wie viele Frauen tatsächlich von welchen Formen digitaler Gewalt betroffen sind und wie groß der Anteil der Betroffenen in Deutschland ist, fehlen bislang. Deutschland hat das im Februar in Kraft getretene Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – auch bekannt als „Istanbul-Konvention“ – ratifiziert und sich damit verpflichtet, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen“. In Artikel 11 des Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsparteien u. a., „in regelmäßigen Abständen einschlägige genau aufgeschlüsselte statistische Daten über Fälle von allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu sammeln“, Forschung zu fördern und Studien durchzuführen. Darüber hinaus sieht das Übereinkommen finanzielle Mittel, Unterstützung nichtstaatlicher Organisationen, Aus- und Fortbildung von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen sowie Schutz und Beratung für Betroffene vor. Für viele der bekannten Phänomene gibt es keine klare gesetzliche Regelung, insbesondere nicht für Fälle, bei denen es zu Häufungen von Übergriffen gegen eine Person durch einen Täter (seltener: eine Täterin) kommt, die der digitalen Gewalt zuzurechnen sind. Die einzelnen Taten jeweils für sich betrachtet werden kaum verfolgt oder Ermittlungen bald eingestellt. Zwar gibt es Straftatbestände wie Beleidigung (§ 185 des Strafgesetzbuchs –StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Nachstellung /Stalking (§ 238 StGB). „Doch diese Straftatbestände werden bislang nicht zur Bekämpfung digitaler Gewalt mobilisiert. Ein Grund dürfte sein, dass digitale Gewalt verharmlost und ihre strafrechtliche Relevanz nicht erkannt wird: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6174 „nur Worte“. Zudem wird oft bestritten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Norm vorliegen“ (Ulrike Lembke: Kollektive Rechtsmobilisierung gegen digitale Gewalt, E-Paper der Heinrich-Böll-Stiftung, Dezember 2017, S. 9). 1. Wie definiert die Bundesregierung digitale Gewalt, und welche besonderen Ausprägungen hat nach Einschätzung der Bundesregierung die digitale Gewalt gegen Frauen? Eine allgemeingültige Definition des Begriffs „digitale Gewalt“ gibt es derzeit nicht. Oft werden unter diesem Begriff mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel , insbesondere über soziale Medien, über Mobiltelefonie oder sonstige Kommunikationswege im Internet umgesetzte Handlungsweisen wie verschiedene Formen von Diffamierung, Herabsetzung, Belästigung, Bedrängung, Bedrohung , Nachstellung und Nötigung zusammengefasst. Diese haben mitunter schwere Folgen für die Betroffenen und deren Lebensgestaltung . Eine Darstellung relevanter Erscheinungsformen digitaler Gewalt gegen Frauen hat der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bff e. V. auf seiner Website zusammengetragen, s. www.frauen-gegengewalt .de/de/digitale-gewalt-anzeichenmerkmale.html. 2. Welche digitalen Formen von Gewalt gegen Frauen fallen nach Ansicht der Bundesregierung in den Geltungsbereich der Istanbul-Konvention? Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt findet nach Artikel 2 der Konvention Anwendung auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich der häuslichen Gewalt. Als Gewalt gegen Frauen versteht die Konvention „alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen“. Das Übereinkommen enthält jedoch keine eigene Definition von „digitaler Gewalt“. Handlungen wie insbesondere psychische Gewalt und Nachstellung, die als Gewalt gegen Frauen im Sinne der Konvention zu verstehen sind, fallen auch dann unter den Geltungsbereich der Konvention, wenn sie mit Hilfe elektronischer Hilfsmittel und damit im digitalen Raum erfolgen. 3. Ist digitale Gewalt gegen Frauen nach Meinung der Bundesregierung dem Phänomen Cybercrime zuzuordnen? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, sind die entsprechenden zuständigen Stellen bei Polizei und Justiz auch für die in der Vorbemerkung der Fragesteller aufgeführten oder weiteren Formen digitaler Gewalt gegen Frauen zuständig? Da es sich bei digitaler Gewalt nicht um Straftaten handelt, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten, sind sie nicht dem Phänomen Cybercrime im engeren Sinne zuzuordnen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6174 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie werden die in der Vorbemerkung der Fragesteller aufgeführten oder weitere genannten Formen digitaler Gewalt nach Kenntnis der Bundesregierung statistisch durch die Polizei und/oder andere Behörden erfasst (bitte getrennt nach Straftat und, soweit erfasst, nach Geschlechtern aufführen)? Der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes liegt ein unter teils strafrechtlichen, teils kriminologischen Aspekten aufgebauter Straftatenkatalog zugrunde. Daher werden die in der Kleinen Anfrage beschriebenen Phänomene der digitalen Gewalt bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen unter dem jeweils vorliegenden Straftatbestand erfasst. Spielte das Internet eine wesentliche Rolle bei der Tatverwirklichung, wird auch dies erfasst. Aussagen, ob es sich bei diesen Fällen um die in der Einleitung aufgeführten oder weiteren Formen digitaler Gewalt handelt, sind auf dieser Grundlage aber nicht möglich. 5. Wie oft wurden Formen digitaler Gewalt nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den vergangenen fünf Jahren angezeigt, und wie oft kam es zu Verurteilungen (bitte getrennt nach Straftat und, soweit erfasst, nach Geschlechtern aufführen)? Die Statistiken der Justiz, insbesondere die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Statistiken Staatsanwaltschaften, Strafgerichte und Strafverfolgung, liefern weder Hinweise auf über die Tatbestandsmerkmale hinausgehende Tatattribute (hier: digitale Gewalt) noch auf Opferattribute (hier: Geschlecht des Opfers ). Der Bundesregierung liegen daher aus dem Bereich der Justiz keine Erkenntnisse zu der Fragestellung vor. 6. Wie viele Fälle digitaler Gewalt gab es nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den vergangenen fünf Jahren (bitte nach Art der Gewalt und, soweit erfasst, nach Geschlechtern getrennt aufführen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 7. Wie viele Betroffene von digitaler Gewalt gab es nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den vergangenen fünf Jahren (Mehrfachbetroffene bitte extra kennzeichnen und, soweit erfasst, getrennt nach Geschlechtern aufführen )? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 8. Ist das Thema „digitale Gewalt gegen Frauen“ nach Kenntnis der Bundesregierung Teil der Aus- und Weiterbildung der Polizei in Deutschland? Wenn nein, ist es geplant und wie? Ja, das Thema „digitale Gewalt gegen Frauen“ wird im Rahmen des Bachelor Studienganges „Kriminalvollzugsdienst im BKA“ berücksichtigt. 9. Ist das Thema „digitale Gewalt gegen Frauen“ nach Kenntnis der Bundesregierung Teil der juristischen Aus- und Weiterbildung in Deutschland? Wenn nein, ist es geplant und wie? Für die konkrete Ausgestaltung der Juristenausbildung sind die Länder zuständig. Das Bundesrecht gibt hierfür lediglich einen allgemeinen Rahmen vor. Danach gehören die „Kernbereiche des Strafrechts“ zum Pflichtkanon. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6174 Auch für die Fortbildung der ganz überwiegend in den Ländern tätigen Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sind in erster Linie die Länder zuständig. Dort bestehen vielfältige Fortbildungsangebote auch zu den in der Anfrage genannten Straftaten. Die Deutsche Richterakademie – eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene, überregionale Fortbildungseinrichtung für Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus ganz Deutschland – bietet darüber hinaus regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen zu der komplexen Materie des Opferschutzes an. Dazu gehört auch die Thematik „Gewalt gegen Frauen“ in allen Ausprägungen. Diese Tagungen verfolgen vielfach interdisziplinäre Ansätze. Alle Fortbildungsangebote werden regelmäßig den aktuellen Entwicklungen angepasst. 10. Plant die Bundesregierung zur besseren Bekämpfung digitaler Gewalt eine Anpassung des Strafrechts, so wie es etwa in Österreich durch die Einführung eines Straftatbestands „Cybermobbing“ geschehen ist? Mobbing und Cybermobbing ist aus der Sicht der Bundesregierung ein ernstliches Problem, auf das die Gesellschaft entschlossen reagieren muss. Ein eigenständiger Straftatbestand des Cybermobbings würde aber aus Sicht der Bundesregierung angesichts der Heterogenität der zu erfassenden Lebenssachverhalte große Probleme aufwerfen. Die Lebenssachverhalte sind zu komplex und facettenreich, um sie alle unter einen einzigen eigenständigen Straftatbestand des Mobbing bzw. Cybermobbing zu fassen. Die verschiedenen nach aktueller Gesetzeslage in Frage kommenden Straftatbestände (u. a. §§ 185, 186, 187, 201a, 238, 240, 241 StGB; bei entsprechend schweren Folgen auch § 223 StGB – Körperverletzung) erlauben eine weitaus flexiblere und situationsgerechtere Reaktion auf Mobbing – je nach Erscheinungsform und Schwere –, als es ein einzelner Straftatbestand könnte. Deshalb wird derzeit kein Handlungsbedarf zur Schaffung weiterer Straftatbestände in Bezug auf Mobbing gesehen. 11. Ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das für „Information und Sensibilisierung der Bürger für das Thema, IT- und Internet -Sicherheit“ sowie für „Warnung vor Schadprogrammen“ zuständig ist, auch für die verschiedenen Phänomene der digitalen Gewalt zuständig? Wenn nein, gibt es Überlegungen, dies zu ändern? 12. Gibt es Beratungsangebote des BSI für Betroffene und/oder für Beratungsstellen im Bereich „Gewalt gegen Frauen“ speziell zu den Themen Spy-Apps oder Manipulation von Geräten oder Software, die das Ziel oder jedenfalls die Funktion haben, Opfer auszuspionieren? Die Fragen 11 und 12 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Das BSI hat die gesetzliche Aufgabe, die Sicherheit der Informationstechnik zu fördern (§ 3 Absatz 1 Satz 1 BSIG). Die von den Fragestellern dargestellten Ausprägungen digitaler Gewalt wie Cyber-Mobbing, Cyber-Stalking oder andere, auch strafrechtlich relevante Verhaltensweisen beruhen in aller Regel nicht auf der Ausnutzung von Sicherheitslücken in informationstechnischen Produkten und Diensten oder der Umgehung von Sicherheitsvorkehrungen. Fragen, die nicht die Sicherheit in der Informationstechnik betreffen, unterfallen nicht der Zuständigkeit des BSI. Überlegungen, dies zu ändern, bestehen seitens der Bundesregierung derzeit nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6174 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Das BSI betrachtet Fragen der Sicherheit in der Informationstechnik und mögliche Risiken und Folgen ganzheitlich und nicht speziell in seinen Auswirkungen auf Frauen und Mädchen. Das BSI stellt u. a. mit der auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ausgerichteten Informationsplattform „BSI-für-Bürger“ umfangreiche Informationen und Empfehlungen für einen sicheren Umgang mit Informationstechnologie zur Verfügung, etwa zum Schutz vor Identitätsdiebstahl und -missbrauch oder zur Erzeugung sicherer Passwörter. Das BSI bietet jedoch keine speziell auf das Thema „Gewalt gegen Frauen“ ausgerichteten Beratungsangebote an. 13. Welche sonstigen Anbieter von Beratungsleistungen für Betroffene digitaler Gewalt sind der Bundesregierung bekannt, und in welcher Weise werden sie mit öffentlichen Mitteln gefördert (bitte einzeln aufschlüsseln)? Die Hilfe für Opfer von Straftaten ist nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich Aufgabe der Länder. Spezielle Anbieter von Beratungsleistungen für Betroffene von digitaler Gewalt sind dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vor diesem Hintergrund nicht bekannt und werden auch nicht mit Mitteln des BMJV gefördert. Grundsätzlich gibt es für Opfer von Straftaten – auch für von digitaler Gewalt Betroffene – zahlreiche Opferhilfeeinrichtungen, die viele Unterstützungsmöglichkeiten anbieten. Hierzu zählt beispielsweise die psychosoziale Betreuung und Beratung, die Vermittlung zu weitergehenden Hilfs- und Beratungsangeboten, Krisenintervention, Begleitung zu Gerichts-, Behörden-, Anwalts- und Arztterminen , Psychosoziale Prozessbegleitung, Unterstützung bei der Stellung von Anträgen und Informationen über finanzielle Hilfen und Ansprüche, z. B. nach dem Opferentschädigungsgesetz. Die meisten Opferhilfeeinrichtungen stehen dabei allen Opfern von Gewalttaten ohne Einschränkung auf einen bestimmten Hintergrund der Tat offen. Einen bundesweiten Überblick über passende und ortsnahe Angebote der Opferhilfe bietet die Onlinedatenbank für Betroffene von Straftaten, welche im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von der Kriminologischen Zentralstelle erstellt worden ist: www.odabs.org/index. Auch viele der bestehenden Frauenberatungsstellen und weiteren Unterstützungsangebote bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen bieten Beratung für Frauen und Mädchen, die von digitaler Gewalt betroffen sind. Das beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) angesiedelte Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen berät zu allen Formen der Gewalt. Der Jahresbericht 2017 weist Beratungen zum Themenfeld Digitale Gewalt aus. So waren 0,33 Prozent der 23 978 Beratungen mit erweiterter Dokumentation dieser Gewaltform zugeordnet. Die Mittel für das Hilfetelefon werden aus dem Kapitel des BAFzA (1713) finanziert . Im Jahr 2018 betrug der Soll-Ansatz 8 497 TEuro. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert außerdem das Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“ des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff). Das Projekt fokussiert sich mit seinen Maßnahmen auf die Qualifizierung des Frauenunterstützungssystems und schwerpunktmäßig auf den Schutz von Frauen und Mädchen als Betroffene. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Digitalisierung von Gewalt in persönlichen Beziehungen, wenn der Angreifer der Betroffenen persönlich bekannt ist, und zwischen Angriffen im öffentlichen digitalen Raum, in dem Täter Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/6174 anonym agieren. Für die unterschiedlichen Angriffsformen bedarf es unterschiedlicher Konzepte zur Unterstützung. Der Projektträger Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) plant dazu Maßnahmen in folgenden Bereichen: 1. Informationen zu Belästigung, Nötigung, Stalking im digitalen sozialen Nahraum 2. Informationen zu Belästigung, Nötigung, Diskriminierung im öffentlichen digitalen Raum 3. Qualifizierung des Unterstützungssystems 4. Stärkung der Rechtssicherheit 5. Stärkung von Vernetzung, Qualifikation der Fachöffentlichkeit, verstärkte Kommunikation über digitale Gewalt Laufzeit: 2. Januar 2017 bis 31. Dezember 2018, dafür insgesamt bewilligte Bundesmittel : 236 454 Euro. Eine Fortsetzung des Projektes mit neuen Inhalten und Schwerpunkten ist geplant für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021, insgesamt bewilligte Bundesmittel: 444 199 Euro. Das BMFSFJ fördert durch Zuwendungen zudem die „ Nummer gegen Kummer“ und „jugend.support Online Jugendhilfeangebot“. Ein weiteres Angebot bietet der Träger jugendschutz.net: Unter www.hass-imnetz .info/hass-im-netz-melden/ und www.jugendschutz.net/hotline/ können Hassinhalte gemeldet werden, um sie von jugendschutz.net auf jugendmedienschutzrechtliche Verstöße überprüfen zu lassen. Bei Vorliegen von Verstößen werden Maßnahmen zur Entfernung der entsprechenden Inhalte ergriffen. Das Modellprojekt des Trägers jugendschutz.net wird im Rahmen einer Zuwendung durch den Bund gefördert. Es wird im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ im Programmbereich I, „Förderung von Modellprojekten zur Stärkung des Engagements im Netz – gegen Hass im Netz“ seit dem 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2019 gefördert. Die Fördersumme in 2017 betrug 1 095 624,99 Euro. Für das Haushaltsjahr 2018 ist eine valide Angabe von aufgewandten Bundesmitteln erst nach Abschluss des Haushaltsjahres möglich. 14. a) Wie sollen, wie von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD beschlossen, die Online-Beratungsangebote für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, ausgebaut, besser beworben und erweitert werden? Zur Umsetzung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag „Wir wollen das bundesweite Hilfetelefon für von Gewalt betroffene Frauen ausbauen, besser bewerben und die Online-Beratungsangebote erweitern“ ist das BMFSFJ mit dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben im Austausch. Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen startete im November 2018 seine neue Öffentlichkeitskampagne zur Bekanntmachung und -haltung seines telefonischen und Online-Beratungsangebotes. Das hierfür zur Verfügung stehende Budget soll erhöht werden. Die Ergebnisse der angelaufenen Evaluation des Hilfetelefons sollen weitere Erkenntnisse dazu liefern, in welcher Weise weitere Angebote ausgebaut werden und wie Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit die Zielgruppen des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6174 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Hilfetelefons (gewaltbetroffene Frauen, Fachpersonen, soziales Umfeld Betroffener ) noch besser erreichen können. Die Ergebnisse werden im Herbst 2019 vorliegen . b) Plant die Bundesregierung, bereits existierende Unterstützungsangebote für betroffene Frauen vor Ort auch dabei zu unterstützen, ihr Online-Beratungsangebot sowie weitere Angebote zum Thema „digitale Gewalt“ auszubauen? Wenn ja, in welcher Form? Die Bereitstellung von Unterstützungsangeboten für gewaltbetroffene Frauen ist in erster Linie Aufgabe der Länder und Kommunen. Um Länder und Kommunen bei der Aufgabe des bedarfsgerechten Ausbaus und der Weiterentwicklung des Hilfesystems zu unterstützen, ist ein Bundesförderprogramm geplant, das 2019 beginnen soll. In diesem Rahmen könnten ggf. auch innovative Ansätze zur Weiterentwicklung von Onlineberatungsangeboten oder zur Unterstützung von Betroffenen digitaler Gewalt gefördert werden. Die nähere Ausgestaltung des Bundesförderprogramms wird auch ein Thema des Runden Tisches „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ von Bund, Ländern und Kommunen sein, der im September 2018 seine Arbeit aufgenommen hat. Siehe im Übrigen Antwort zu Frage 13. 15. Was ist der Bundesregierung über Ausmaß und Formen des Cybergroomings bekannt? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden sexuelle Missbrauchstaten oft im Schatten der Anonymität des Netzes angebahnt. Täter geben sich selbst als Kinder aus. In Chats und Computerspielen nehmen sie Kontakt mit Kindern auf, schicken Bilder und versuchen, sich zu verabreden. Verlässliche Zahlen zum Ausmaß des Cybergroomings liegen der Bundesregierung nicht vor. 16. Was plant die Bundesregierung konkret, um – wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigt – gegen Cybergrooming vorzugehen ? Entsprechend der Zielbestimmung des Koalitionsvertrages, Kinder und Jugendliche wirksam vor schweren Beeinträchtigungen über digitale Medien zu schützen, ist die Bekämpfung von Cybergrooming auch ein Thema des Kinder- und Jugendmedienschutzes . Cybergrooming stellt aus Sicht des Kinder- und Jugendmedienschutzes ein wesentliches Interaktionsrisiko bei der Nutzung digitaler Medien dar, das im Rahmen der Modernisierung des Jugendschutzgesetzes berücksichtigt werden soll. Es sollen auch die Fälle strafrechtlich erfasst werden, in denen der Täter lediglich glaubt, mit einem Kind zu kommunizieren, tatsächlich aber mit einem Erwachsenen Kontakt hat, zum Beispiel mit einem Polizeibeamten oder einem Elternteil. Damit setzt sich die Bundesregierung für eine effektive Strafverfolgung pädokrimineller Täter sowie einen besseren Schutz von Kindern in der digitalen Lebenswelt ein. Das BMJV erarbeitet derzeit einen entsprechenden Regelungsvorschlag. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/6174 17. Plant die Bundesregierung eigene Studien oder die Förderung von Studien und Projekten zu Umfang, Formen und Hintergründen der digitalen Gewalt sowie zu Umfang und Effektivität der strafrechtlichen Verfolgung digitaler Gewalt? Wenn ja, welche? Durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des BMFSFJ wird der Träger jugendschutz.net gefördert, der ein kontinuierliches Monitoring rechtsextremer und islamistischer Propaganda im Internet aus der Perspektive des Jugendmedienschutzes betreibt. In beiden Phänomenbereichen spielt der Aspekt „Gender“ eine nicht zu vernachlässigende Rolle, was die zielgruppengerechte Aufbereitung und Ansprache von Mädchen und jungen Frauen, aber auch die abwertenden, diskriminierenden und frauenfeindlichen Aspekte der Propaganda betrifft. Beispielsweise gibt das Themenpapier „Dschihadisten werben um Mädchen und junge Frauen“ (veröffentlicht Oktober 2017) einen Überblick zu Anwerbestrategien und vermittelten Rollenbilder islamistischer Propaganda. Im Rahmen des kontinuierlichen Monitorings rechtsextremer Angebote im Web konnte häufig beobachtet werden, wie Hasskommentare Gewalt gegen Frauen legitimieren bzw. diese verharmlosen. Beispielsweise wird über Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind und sich zivilgesellschaftlich gegen Rechtsextremismus oder in der Flüchtlingshilfe engagieren, in verächtlichmachender Weise behauptet, es habe die richtigen getroffen. Auch lässt sich immer wieder beobachten, wie engagierte Frauen gezielt Opfer rechtsextremer Hasskampagnen werden: Die Verbreitung diffamierender Bilder und Falschbehauptungen sowie eine Fülle an Hasskommentaren, die (sexualisierte) Gewalt legitimieren, sind die Folge. Derzeit plant jugendschutz.net eine Schwerpunktrecherche zum Thema "Rechtsextreme Geschlechter- und Rollenbilder", wobei auch der Themenkomplex Online -Hass gegen Frauen aufgegriffen und in der systematischen Recherche berücksichtigt werden soll. Neben dem Identifikationsangebot, das rechtsextreme Vorstellungen von Geschlechtsidentitäten darstellen, ist der Hass auf abweichende Vorstellungen und Personen, die diese vertreten, die Kehrseite, quasi das Negativ rechtsextremer Zuschreibungen . Die Veröffentlichung der Erkenntnisse wird für das erste Quartal 2019 angestrebt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333