Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6180 19. Wahlperiode 29.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/5766 – Einhaltung des Fiskalvertrags durch Italien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der nationale haushaltspolitische Rahmen der EU-Mitgliedstaaten wird insbesondere durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) sowie den Fiskalvertrag (SKS-Vertrag) abgebildet. Als Reaktion auf die europäische Staatsschuldenkrise ist 2012 der Fiskalvertrag von allen EU-Staaten außer dem Vereinigten Königreich und der Tschechischen Republik unterzeichnet worden. Der Vertrag soll die Umsetzung einer Schuldenbremse in nationales Recht gewährleisten und so die einzelnen Länder zusätzlich zu nachhaltigem Haushalten verpflichten. Demgemäß darf das mittelfristige Haushaltsziel eines Signatarstaats kein strukturelles Defizit von mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorweisen, solange die Schuldenquote nicht erheblich unter 60 Prozent liegt. Die Europäische Kommission überwacht die ordnungsgemäße Umsetzung der im Fiskalvertrag verankerten Schuldenbremse in die nationalen Rechtsordnungen . Vertragsstaaten, die ihr mittelfristiges Ziel erheblich überschreiten, müssen Korrekturmaßnahmen ergreifen. Der Fiskalvertrag und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sind eng gekoppelt. Wer Hilfen aus dem ESM in Anspruch nehmen will, muss den Fiskalvertrag ratifiziert und innerhalb eines Jahres nach seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2013 die Schuldenregel in autonomes nationales Recht umgesetzt haben . Die italienische Regierung hat einen Haushaltsplan für 2019 vorgelegt, der nicht in Einklang mit diesen europäischen Stabilitätskriterien zu sein scheint. So plant Italien im nächsten Jahr ein strukturelles Haushaltsdefizit von 1,7 Prozent des BIP. Die italienische Regierung hat, trotz Kritik der Europäischen Kommission, angekündigt, keinen neuen Haushaltsentwurf vorzulegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6180 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Umsetzung des Fiskalvertrags in die nationale Gesetzgebung der Vertragsstaaten? a) Gibt es Staaten, die aus Sicht der Bundesregierung bis jetzt die Umsetzung in nationales Recht nicht vertragskonform bewerkstelligt haben? Haben sich die Bedenken, die die Bundesregierung im März 2017 zu Belgien , Griechenland, Luxemburg und Spanien geäußert hat (s. Handelsblatt vom 10. März 2017), mittlerweile erledigt? b) Erwägt die Bundesregierung eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Artikel 8 Absatz 1 des SKS-Vertrags, falls die Umsetzung bis jetzt unzureichend ist? Der Vertrag über die Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschaftsund Währungsunion (Fiskalvertrag) überträgt in Artikel 8 der Europäischen Kommission die Aufgabe, einen Bericht über die Bestimmungen vorzulegen, die die Vertragsstaaten zur Umsetzung der in Artikel 3 Fiskalvertrag vorgesehenen Pflichten (fiskalpolitischer Pakt) erlassen haben. Die Europäische Kommission hat hierzu am 22. Februar 2017 einen ersten Bericht vorgelegt (siehe https://ec.europa. eu/info/sites/info/files/c20171201_en.pdf). Diesem Bericht lässt sich entnehmen, dass in 18 Vertragsstaaten die Umsetzung des fiskalpolitischen Pakts in Übereinstimmung mit Artikel 3 Fiskalvertrag erfolgt ist und in vier Staaten – Belgien, Griechenland, Luxemburg und Spanien – dies nur vorbehaltlich der Umsetzung bestimmter angekündigter Maßnahmen gilt. Griechenland, Luxemburg und Spanien haben inzwischen mitgeteilt, dass die jeweils erforderlichen Maßnahmen umgesetzt worden sind. Vertreter der belgischen Regierung hatten zuletzt mitgeteilt , dass die noch ausstehenden Maßnahmen bald abgeschlossen würden. Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission einen aktualisierten Umsetzungsbericht vorlegen wird, sobald Belgien den Abschluss seiner Maßnahmen mitteilt. Der dann abschließende Umsetzungsbericht der Europäischen Kommission bildet die Grundlage für die Bewertung, ob der Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Artikel 8 Fiskalvertrag mit der Angelegenheit befasst wird. Kommt die Europäische Kommission in ihrem abschließenden Umsetzungsbericht zu dem Ergebnis, dass ein Vertragsstaat Artikel 3 Fiskalvertrag nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, werden gemäß dem Protokoll über die Unterzeichnung des Fiskalvertrags die Vertragsstaaten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des abschließenden Umsetzungsberichts den Dreiervorsitz des Rates der Europäischen Union führen, Klage beim Gerichtshof erheben. 2. Unterstützt die Bundesregierung eine Überführung des Fiskalvertrags in den Rechtsrahmen der EU? Wie bewertet sie den Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission vom 6. Dezember 2017 (COM(2017) 824 final), insbesondere dessen Anliegen, das von der Europäischen Kommission bei der Anwendung des Stabilitätsund Wachstumspakts entwickelte Maß an Flexibilität in den Fiskalpakt zu übernehmen? Die Bundesregierung befürwortet weiterhin den in Artikel 16 Fiskalvertrag vorgesehenen Überführungsauftrag. Danach sollen auf der Grundlage einer Bewertung der Erfahrungen mit der Umsetzung des Fiskalvertrags die notwendigen Schritte mit dem Ziel unternommen werden, den Inhalt dieses Vertrags in den Rechtsrahmen der Europäischen Union zu überführen. Die Europäische Kommission hat hierzu am 6. Dezember 2017 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Der Richtlinienvorschlag sieht jedoch keine eins-zu-eins Überführung des Inhalts des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6180 Fiskalvertrags vor, sondern weicht von dessen Vorgaben ab. In der Sitzung des ECOFIN-Rats und der Eurogruppe am 22./23. Januar 2018 erfolgte eine erste Orientierungsdebatte über die am 6. Dezember 2017 von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion . Der Richtlinienvorschlag wird aus Sicht des ECOFIN-Rats derzeit nicht prioritär verfolgt. 3. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung das strukturelle bzw. konjunkturelle Haushaltsdefizit in Italien in den letzten fünf Jahren (bitte nach Jahren aufschlüsseln und absolut wie relativ zum BIP angeben)? Der Begriff „konjunktureller Finanzierungssaldo“ wird hier als nominaler, das heißt nicht konjunkturbereinigter Finanzierungssaldo interpretiert. Dies entspricht der Unterscheidung zwischen strukturellem und nominalem Finanzierungssaldo im Europäischen Haushaltsüberwachungsverfahren. Die Werte für den strukturellen Finanzierungssaldo werden in Relation zum Potenzial-BIP ausgewiesen . Absolute Größen werden für diesen Wert nicht ausgewiesen. 2013 2014 2015 2016 2017 Nominaler Finanzierungssaldo in % des BIP -2,9 -3,0 -2,6 -2,5 -2,4 Nominaler Finanzierungssaldo in Mrd. Euro -46,9 -49,3 -43,2 -42,9 -41,1 Struktureller Finanzierungssaldo in % des Potenzial-BIP -0,6 -0,8 -0,5 -1,5 -1,8 Quelle: Ameco-Datenbank der Europäischen Kommission 4. Hat Italien nach Auffassung der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren gegen den Fiskalpakt verstoßen? Wenn ja, hat sich die Bundesregierung für Bußgeldzahlungen Italiens eingesetzt ? Wenn nein, warum nicht? Dem von der Europäischen Kommission am 22. Februar 2017 vorgelegten Umsetzungsbericht lässt sich entnehmen, dass die von Italien verabschiedeten Regelungen zur Umsetzung des fiskalpolitischen Pakts in Übereinstimmung mit Artikel 3 Fiskalvertrag stehen (siehe auch Antwort zu Frage 1). Der Fiskalvertrag sieht – anders als der Stabilitäts- und Wachstumspakt – keine eigenständigen Überwachungsverfahren und Sanktionsmechanismen auf supranationaler Ebene vor, die die Vereinbarkeit der gesamtstaatlichen Haushalte der Vertragsstaaten mit den Vorgaben des Fiskalvertrags betreffen. Gegenüber dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht der Fiskalvertrag rechtlich anspruchsvollere Vorgaben für das mittelfristige Haushaltsziel (Medium Term Objective, MTO) vor. Das MTO ist der strukturelle Finanzierungssaldo, den ein Mitgliedstaat im Rahmen des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten muss. Für Vertragsstaaten mit einem Schuldenstand von mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sieht Artikel 3 Fiskalvertrag eine Untergrenze für das MTO von -0,5 Prozent des BIP vor. Das MTO für Italien liegt aktuell bei 0,0 Prozent des BIP. Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, müssen ihren strukturellen Finanzierungssaldo jährlich bis zum Erreichen des MTO zurückführen. Die Europäische Kommission stellte in den Phasen, in denen Italien im präventiven Arm des Stabilitäts- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6180 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode und Wachstumspakts überwacht wurde, bislang keine signifikante Abweichung von den entsprechenden Vorgaben und dem entsprechenden Anpassungspfad hin zum MTO fest. Voraussetzungen für etwaige Sanktionen im Rahmen des Stabilitäts - und Wachstumspakts sind damit bislang nicht gegeben. 5. Verstößt Italien nach Ansicht der Bundesregierung mit dem vorgelegten Haushaltsplan, sofern er unverändert Gesetzeskraft erlangt, gegen den Fiskalpakt (bitte begründen)? a) Glaubt die Bundesregierung, dass noch eine Änderung des Haushaltsplans seitens der italienischen Regierung erfolgt? b) Welche Bußgeldzahlungen hält die Bundesregierung für angemessen, sollte Italien keinen neuen Entwurf vorlegen? c) Welche weiteren Sanktionen wären möglich bzw. werden von der Bundesregierung unterstützt? d) Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Bundesbank hinsichtlich einer „Zwangsanleihe“ für italienische Schulden (www.n-tv.de/ wirtschaft/Buerger-sollen-fuer-Italiens-Schulden-haften-article20692025. html)? Die Einschätzung zur Konformität der von Italien vorgelegten Übersichten über die Haushaltsplanung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt obliegt der Europäischen Kommission. Die materiell-rechtlichen Vorgaben des Fiskalvertrags – wie etwa die Untergrenze für das MTO von -0,5 Prozent des BIP – knüpfen unmittelbar an den Stabilitäts- und Wachstumspakt an. Die Europäische Kommission hatte in ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2018 bei dem von Italien vorgelegten Haushaltsplan 2019 einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die Empfehlung festgestellt, die der Rat am 13. Juli 2018 an Italien gerichtet hatte. Dabei stellte die Europäische Kommission unter anderem fest, dass Italien die Anforderung nach Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 nicht erfüllt, da die makroökonomischen Prognosen, auf denen der Haushaltsplan 2019 beruht, nicht von einer unabhängigen Einrichtung befürwortet wurden. Auf der Grundlage des Haushaltsplans 2019 deuteten nach der Europäischen Kommission zudem sowohl Ausgabenrichtwert als auch der strukturelle Saldo auf das Risiko einer erheblichen Abweichung von den Vorgaben des präventiven Arms des Stabilitäts - und Wachstumspakts hin. So prognostiziere Italien für 2019 eine Verschlechterung des strukturellen Saldos um 0,8 Prozent des BIP, während der Rat eine strukturelle Verbesserung um 0,6 Prozent des BIP empfahl. Am 13. November 2018 hat Italien eine überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung erstellt und an die Europäische Kommission übermittelt. In ihrem Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union kommt die Europäische Kommission am 21. November 2018 zu dem Schluss, dass ihre Analyse nahelege, dass das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/1997 als nicht erfüllt angesehen werden sollte und ein Defizitverfahren auf Grundlage des Schuldenstandes daher angebracht sei. Die Neubewertung sei notwendig, da die Haushaltsplanung Italiens für 2019 eine wesentliche Änderung der von der Kommission im Mai analysierten relevanten Faktoren bedeutet. Im Rahmen des Verfahrens der Vorlage und der Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung sind keine Sanktionen geregelt. Sanktionen sind erst nach weiteren Verfahrensschritten im präventiven bzw. korrektiven Arm des Stabilitäts - und Wachstumspakts vorgesehen. Der Fiskalvertrag sieht diesbezüglich keine Sanktionen vor (siehe Antwort zu Frage 4). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6180 Der von einem Mitarbeiter der Bundesbank unterbreitete Vorschlag ist der Bundesregierung nur aus Presseberichten bekannt. Eine Position der Bundesregierung gibt es zu dem Vorschlag nicht. 6. Welche Konsequenzen für Reformen der Wirtschafts- und Währungsunion, insbesondere des SWP und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), zieht die Bundesregierung daraus, dass die Regierung eines EU-Mitgliedstaats anscheinend bewusst gegen den Fiskalpakt zu verstoßen plant? Die Diskussionen und Verhandlungen zur Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion konzentrieren sich der Erklärung des Eurogipfels vom 29. Juni 2018 folgend vor allem auf die Bankenunion und die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts wird derzeit in den Europäischen Gremien nicht diskutiert. Aus Sicht der Bundesregierung ist entscheidend, dass insbesondere die Elemente zur Reform des ESM (Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds, Verbesserung des Rahmens zur Förderung der Schuldentragfähigkeit, Beitrag des ESM zur Krisenprävention , stärkere Rolle des ESM im Bereich des Krisenmanagements, effektivere Gestaltung der vorsorglichen Instrumente) ein Gesamtpaket bleiben, das bezüglich des Verhältnisses zwischen Risikoreduktion und Risikoteilung ausgewogen bleibt und die Rechte der nationalen Parlamente wahrt. 7. Welche Konsequenzen hat ein Verstoß gegen den Fiskalpakt für die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines ESM-Hilfsprogramms nach Auffassung der Bundesregierung? a) Welche Rolle spielt es dabei, ob ein mögliches Programmland den Verstoß absichtlich oder zumindest vorsätzlich herbeigeführt hat? b) Wie ist die Position der Bundesregierung hinsichtlich der Weiterentwicklung des ESM? Wie hat sich die Position der Bundesregierung auf Grund der Haushaltsvorschläge in Italien geändert? Der ESM-Vertrag hält in Erwägungsgrund Nr. 5 ausdrücklich fest, dass der ESM- Vertrag und der Fiskalvertrag sich gegenseitig ergänzen und die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen von ESM-Programmen von der Ratifizierung des Fiskalvertrags und der Erfüllung der in Artikel 3 Fiskalvertrag genannten Pflichten abhängt. Zur Position der Bundesregierung hinsichtlich der Weiterentwicklung des ESM wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333