Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 26. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6186 19. Wahlperiode 28.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/5701 – Fragen zum Crowdworking und der Gig-Economy V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Plattformbasierte Arbeit hat in den vergangenen Jahren einen prominenten Platz im öffentlichen Diskurs eingenommen. Das Phänomen der Plattformökonomie wird meist in einem Atemzug mit dem digitalen Wandel der Arbeitswelt genannt . „Crowdworking“-Plattformen vermitteln in der Regel ortsunabhängige Dienstleistungen. Ortsabhängige vermittelte Dienstleistungsarbeit hingegen wird in der Fachliteratur eher als „Gigworking“ bezeichnet (vgl. Schmidt, Florian , 2016: Arbeitsmärkte in der Plattformökonomie – Zur Funktionsweise und Herausforderungen von Crowdwork und Gigwork, Berlin, http://library.fes.de/ pdf-files/wiso/12826.pdf). Neu ist, dass eine App oder eine Webseite den klassischen Betrieb ersetzen. Der sozial- und arbeitsrechtliche Status der Beschäftigungsverhältnisse im Crowdworking und in der Gig-Economy ist zum Teil unklar oder bewegt sich in rechtlichen Grauzonen – zum Beispiel, wenn formal Selbstständige wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Privatpersonen wie Gewerbetreibende tätig werden (vgl. www.igmetall.de/docs_2017_06_09_CrowdworkingKonferenz_Statement_ Waas_8ce9cba0f860d746cfcda3147953df791995c664.pdf und www.europarl. europa.eu/news/de/press-room/20170609IPR77014/sharing-economy-parlamentfordert -klare-eu-richtlinien). Jobs im Crowd- und Gigworking werden immer wieder als prekär beschrieben (vgl. www.zeit.de/arbeit/2018-01/crowdwork-selbststaendigkeit-digitale-arbeitarbeitsbedingungen -interview und www.welt.de/newsticker/news1/article 175916337/Gewerkschaften-Moderne-Sklaverei-DGB-warnt-vor-Folgen-der- Digitalisierung-fuer-Arbeitswelt.html). Hieraus kann sich ein zwingender Regulierungsbedarf für den Gesetzgeber ableiten. Um die Auswirkungen von Crowdworking und der Gig-Ökonomie auf den Arbeitsmarkt zu fassen und die entsprechende Tragweite abzuschätzen, ist ausreichend belastbares Datenmaterial notwendig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6186 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Crowdworking bezeichnet über digitale Plattformen vermittelte Erwerbsarbeit, die sich vor allem darin auszeichnet, dass Aufträge oftmals in kleinere Aufgaben zerlegt und an eine Menge unbekannter Akteure (die Crowd) vergeben werden. Crowdworking kann sehr unterschiedliche Tätigkeiten umfassen. Diese reichen von Kleinstaufgaben (sogenannten Microtasks), die geringe Qualifikation erfordern und nur kleine Beträge erwirtschaften, bis hin zu komplexen Programmiertätigkeiten , die Expertenwissen erfordern und hoch vergütet werden. Von Gigworking spricht man bei der Vermittlung von lokal zu erbringenden Dienstleistungen über Online-Plattformen (wie z. B. Reinigungsarbeiten, Kurierfahrten, handwerkliche Tätigkeiten). Eine Bewertung von Crowd- oder Gigworking fällt dementsprechend unterschiedlich aus, je nachdem welcher Bereich betrachtet wird. Eine valide Basis zur Reichweite der existierenden Formen von Crowdoder Gigworking und zur Bewertung ihrer jeweiligen Geschäftsmodelle existiert derzeit nicht. 1. Wie viele Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit Crowdworking, und wie haben sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte alle verfügbaren Daten angeben)? Amtliche Daten zur Nutzung von Crowdworking durch Unternehmen liegen der Bundesregierung nicht vor. Für Erkenntnisse zur Nutzung externer Crowdworking -Plattformen in ausgewählten Wirtschaftsbereichen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/8353, die Antwort zu den Fragen 43 bis 54 auf Bundestagsdrucksache 18/10762 und den Forschungsbericht 473 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) verwiesen. Nach einer repräsentativen Unternehmensbefragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im dritten Quartal 2016 im Wirtschaftszweig Informationswirtschaft und der Branche des Verarbeitenden Gewerbes nutzten 3,2 Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft Crowdworking und 1,2 Prozent der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe. Im Vergleich zum Jahr 2014 zeigen sich innerhalb einzelner Bereiche der Informationswirtschaft nur geringfügige Veränderungen bei der Nutzung. Die Bekanntheit von Crowdworking ist in den Bereichen seit dem Jahr 2014 deutlich gestiegen. Auch eine Unternehmensbefragung des Verbandes Bitkom aus dem Jahr 2016 kommt zu vergleichbaren Größenordnungen zur Nutzung von Crowdworking. 2. Wie viele der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Unternehmen sind der Gig-Economy zuzurechnen, und wie haben sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte alle verfügbaren Daten angeben)? Entsprechende Zahlen liegen der Bundesregierung nicht vor, da eine solche Abgrenzung nicht nach Wirtschaftszweigen oder sonstigen Klassifikationen vorgenommen werden kann. Auch der Grad der Digitalisierung ist hierfür nicht entscheidend , vielmehr eine Einordnung des jeweilig vorwiegenden Geschäftsmodells . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6186 3. Wie hat sich die Zahl der Solo-Selbständigen in den letzten 20 Jahren entwickelt ? Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Mikrozensus stieg die Zahl der Solo-Selbstständigen seit dem Jahr 1998 von 1,8 Millionen bis auf knapp 2,5 Millionen im Jahr 2012 an und sank seitdem bis auf 2,3 Millionen im Jahr 2017. * Im Haupterwerb ohne mithelfende Familienangehörige. Quelle: Mikrozensus, Statistisches Bundesamt (Destatis), 2018. 4. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland aktuell als Crowd- beziehungsweise als Gigworker tätig , und wie haben sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte alle verfügbaren Daten für beide Arbeitsformen separat angeben; bitte soweit möglich nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? Es gibt bislang nur wenige Studien zum Ausmaß von Plattformarbeit in Deutschland . Diese basieren zudem größtenteils auf einer nur eingeschränkt repräsentativen Datenlage. Eine Entwicklung kann deshalb nicht dargestellt werden. Zu der Frage, wie viele Personen derzeit als Crowd- oder Gigworker tätig sind, liegen der Bundesregierung keine belastbaren Ergebnisse vor. Der aktuell vorliegende , durch das BMAS geförderte erste Bericht des „Crowdworking Monitors“ liefert indikative Ergebnisse auf Basis einer großen Stichprobe von Internetnutzern , die bislang vorliegende Schätzungen zum Ausmaß plattformvermittelter Tätigkeiten auf europäischer Ebene zu bestätigen scheinen. Den nur eingeschränkt repräsentativen Befragungsergebnissen zufolge sind bis zu fünf Prozent der wahlberechtigten deutschen Bevölkerung auf so genannten Gig-, Click- oder Crowdworking -Plattformen aktiv. In diesem Anteil eingeschlossen sind u. a. sowohl Erwerbstätige , für die das Angebot von Tätigkeiten auf Plattformen nur einen weiteren Marktzugang oder Vertriebsweg darstellt, als auch Personen oberhalb des Erwerbsalters von 64 Jahren. Insgesamt darunter Solo-Selbstständige 1998 3.594 1.789 1999 3.594 1.786 2000 3.643 1.842 2001 3.632 1.821 2002 3.654 1.858 2003 3.744 1.960 2004 3.852 2.076 2005 4.080 2.292 2006 4.131 2.317 2007 4.160 2.323 2008 4.143 2.306 2009 4.215 2.356 2010 4.259 2.383 2011 4.295 2.444 2012 4.315 2.456 2013 4.239 2.373 2014 4.192 2.344 2015 4.161 2.304 2016 4.142 2.314 2017 4.095 2.280 Jahr 1.000 Selbstständige* Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6186 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Ergebnisse einer nahezu zeitgleich erschienenen Studie des Joint Research Centers der Europäischen Kommission „Platform Workers in Europe“ (Pesole et. al. 2018) liegen in einer vergleichbaren Größenordnung. Andere ebenfalls nur eingeschränkt repräsentative Studien schätzen das Ausmaß von Crowdworking in Deutschland geringer (bis zu einem Prozent d. Erwerbsbev., Bonin-Rinne 2017) aber auch deutlich höher ein (12 Prozent nach Huws et al. 2017). Lediglich indikativ kann aus dem Crowdworking Monitor Nr. 1 Folgendes abgeleitet werden: Ein knappes Drittel der plattformvermittelt Tätigen bearbeitet Aufgaben , die nur offline zu erledigen sind, ein knappes Fünftel arbeitet nur online, die große Mehrheit erledigt offenbar Tätigkeiten, die eine Mischung aus online und offline zu erbringenden Tätigkeiten erfordern. Auch zur Frage, wie sich Plattformarbeit auf die Geschlechter verteilt, liegen der Bundesregierung keine belastbaren Ergebnisse vor. Die vorliegenden Studien geben Hinweise darauf, dass Crowdworker tendenziell eher jünger und männlich sind. Insgesamt besteht weiterer Forschungsbedarf. 5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Erwerbsstatus von Crowdworkern und Gigworkern in der Bundesrepublik Deutschland (bitte alle verfügbaren Daten angeben und, soweit möglich, differenziert aufschlüsseln )? Die Wahl des Geschäftsmodells, über das Crowd- oder Gigworker in einen Wertschöpfungsprozess eingebunden werden, lässt keinen Rückschluss auf deren Erwerbsformen zu. So können innerhalb eines Geschäftsmodells alle Erwerbsformen vertreten sein. Zu den Anteilen der einzelnen Erwerbsformen liegen keine belastbaren repräsentativen Daten vor (s. Vorbemerkung der Bundesregierung). Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/8353 und die Antwort zu den Fragen 43 bis 54 auf Bundestagsdrucksache 18/10762 verwiesen. 6. Wie vielen Personen in der Bundesrepublik Deutschland dient Crowdworking nach Kenntnis der Bundesregierung als Haupteinnahmequelle? Wie vielen Gigworkern dient ihre ausgeübte Tätigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung als Haupteinnahmequelle? 7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Vergütungsstruktur von Crowdworking- und Gig-Economy-Plattformen in der Bundesrepublik Deutschland (bitte alle verfügbaren Daten angeben)? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/8353, die Antwort zu den Fragen 43 bis 54 auf Bundestagsdrucksache 18/10762 sowie auf den Forschungsbericht 462 des BMAS und den Crowdworking Monitor Nr. 1 und weitere Studien wie „Platform Workers in Europe“ (2018) der EU-Kommission verwiesen. Die Haupterkenntnis der bislang vorliegenden Studien ist, dass der Großteil von Crowdworkern entsprechende Tätigkeiten lediglich als Nebenverdienst ausübt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6186 8. Wie lange waren Crowdworker in der Bundesrepublik Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung im Durchschnitt auf den Crowdworking- Plattformen aktiv? 9. Wie lange waren Gigworker in der Bundesrepublik Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung im Durchschnitt für die Gig-Economy-Unternehmen tätig? Die Fragen 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Aus der amtlichen Statistik liegen der Bundesregierung hierzu keine Daten vor. Erste indikative, nicht repräsentative Ergebnisse liefert der Crowdworking Monitor Nr. 1, dem die nachfolgende Tabelle entnommen ist. Bei der Frage nach der Tätigkeitsdauer wurde zwischen Gig- und Crowdworking-Plattformen nicht unterschieden . Dauer der Tätigkeiten (kumuliert) nach Geschlecht in % Tätigkeitsdauer < 5 min <15 min < 1St. < 4 St. < 10 St. < 1 Woche