Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 27. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6210 19. Wahlperiode 30.11.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Omid Nouripour, Margarete Bause, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/5494 – Menschenrechtslage in Saudi-Arabien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hat eine längst überfällige Debatte über die Lage politischer Freiheiten und Menschenrechte in Saudi-Arabien ausgelöst. Die Reformen der vom saudischen Kronprinz Mohammad bin Salman verkündeten „Vision 2030“ zielen auf eine gesellschaftliche Liberalisierung und wirtschaftliche Öffnung des Landes. Dennoch bleibt die Menschenrechtslage im Land schlecht. Teilweise hat der Druck auf Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler sogar zugenommen. Seit der Ernennung Mohammad bin Salmans zum Kronprinzen ist zu beobachten, dass die saudischen Behörden verschärft gegen kritische Stimmen vorgehen. Das zeigt sich nicht zuletzt exemplarisch an den Fällen der Aktivistinnen und Aktivisten, die einen der zentralen Reformschritte durchgesetzt hatten: die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen. Viele von ihnen wurden inhaftiert; einer Frauenrechtlerin droht nun die Todesstrafe. Die Unterdrückung von friedlichem Engagement zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte erscheint systematisch. Gegen nahezu alle Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, Kritikerinnen und Kritiker im Land – darunter Geistliche, Journalistinnen und Journalisten, Akademikerinnen und Akademiker – wird massiv vorgegangen. Insbesondere Journalistinnen und Journalisten , die über Themen wie Korruption und Frauenrechte berichtet haben, wurden zur Zielscheibe der Verhaftungswelle (www.amnesty.de/informieren/aktuell/ saudi-arabien-fall-khashoggi-tuerkei-muss-un-untersuchung-fordern). Gleichzeitig ist Saudi-Arabien Mitglied im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Saudi-Arabien hat unter anderem das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes und dessen erstes und zweites Fakultativprotokoll ratifiziert. Diesen Verpflichtungen steht das kriegerische Handeln Saudi-Arabiens im Jemenkrieg diametral entgegen . Durch die Angriffe der Staatenkoalition, der Saudi-Arabien angehört, wurden bereits tausende Zivilisten getötet. Von den Luftschlägen gegen Schulen, Krankenhäuser und Wohnviertel waren insbesondere Kinder betroffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6210 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutschland und Saudi-Arabien unterhalten nach Aussagen des Bundesaußenministers Heiko Maas eine „starke strategische Verbindung“ und würden in den kommenden Monaten eine „neue Phase enger Kooperation“ beginnen (www. zeit.de/news/2018-09/26/deutschland-und-saudi-arabien-beenden-diplomatischekrise -180926-99-129075). Diese Kooperation muss nach Auffassung der Fragesteller auch einen verbindlichen Dialog über Menschenrechtsfragen beinhalten. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien seit der Ernennung Mohammad bin Salmans zum Kronprinzen ? Mit der Ernennung von Mohamed bin Salman zum Kronprinzen begann eine gewisse gesellschaftliche Öffnung. Vor allem für Frauen gingen damit Verbesserungen bei der sozialen und wirtschaftlichen Teilhabe einher, so unter anderem Lockerungen des Vormundschaftsrechts für Frauen, Aufhebung des Fahrverbots zum 24. Juni 2018. Eine vollständige Abschaffung des Vormundschaftssystems steht allerdings weiterhin aus. Prominente Frauenrechtlerinnen und -rechtler sitzen weiterhin in Haft. Darüber hinaus wird auf die Antworten zu den Fragen 6, 13, 19, 20, 22 und 26 verwiesen. 2. Inwiefern hat die Bundesregierung die Entwicklung der Menschenrechte in den vergangenen Monaten gegenüber der Regierung Saudi-Arabiens thematisiert , und wie waren die Reaktionen darauf? Die Bundesregierung thematisiert in ihren Gesprächen mit der saudi-arabischen Regierung regelmäßig die Entwicklung der Menschenrechte im Land. Zuletzt hat die Bundesregierung beim Staatenüberprüfungsverfahren des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen („Universal Periodic Review“, UPR), dem sich Saudi-Arabien am 5. November 2018 unterzogen hat, zahlreiche Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage gegenüber Saudi-Arabien ausgesprochen , insbesondere zur Todesstrafe, zur Freilassung von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, zur Reform des Kafala-Systems, zum Schutz von Zivilisten im Jemen-Konflikt und zur Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen (VN). Saudi-Arabien muss bis März 2019 zu diesen Empfehlungen Stellung nehmen und sie entweder akzeptieren oder zur Kenntnis nehmen. 3. Wie viele politische Gefangene gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Saudi-Arabien? Die Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse zur Anzahl der politischen Gefangenen in Saudi-Arabien. 4. Wie viele neue Gefängnisse wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren in Saudi-Arabien errichtet? Laut Angaben des saudi-arabischen Innenministeriums gibt es in Saudi-Arabien 15 Gefängnisse. Keines davon ist in den letzten zehn Jahren errichtet worden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6210 5. Wie schätzt die Bundesregierung das Ausmaß an Folter in saudischen Gefängnissen ein, insbesondere vor dem Hintergrund der Ratifizierung des UN- Übereinkommens gegen Folter durch Saudi-Arabien? Die Bundesregierung verfolgt die Berichterstattung von Menschenrechtsorganisationen aufmerksam, hat aber keine eigenen Kenntnisse über die Anwendung von Folter in saudi-arabischen Gefängnissen. 6. Inwiefern geht die Bundesregierung davon aus, dass die 18 in Saudi-Arabien verhafteten Verdächtigen im Fall des ermordeten Journalisten Kashoggi ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erhalten? Das saudi-arabische Grundgesetz geht vom Primat der Scharia gegenüber den Menschenrechten aus. Menschenrechtsnormen werden nur anerkannt, soweit sie Scharia-konform gehandhabt werden können. a) Hat die Bundesregierung Grund zur Annahme, dass die 18 im Fall Kashoggi verhafteten Verdächtigen, während ihrer Inhaftierung Opfer erniedrigender Behandlung oder Folter werden? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. b) Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Identität der 18 verhafteten Verdächtigen und ihrer Verwicklung in die Ermordung Kashoggis? Die Bundesregierung kennt die Identität der inzwischen 21 von saudi-arabischen Behörden im Fall des ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi Verhafteten nicht. Ihre Namen wurden auch in der Erklärung der saudi-arabischen Generalstaatsanwaltschaft vom 15. November 2018 nicht veröffentlicht. c) Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob Geständnisse, die in Strafverfahren vor saudi-arabischen Gerichten als Beweismittel verwendet werden, unter Folter oder erniedrigender Behandlung entstanden sind? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Zustand der verurteilten Teilnehmer von Protestaktionen und Aktivisten Ali al-Nimr, Abdullah al-Zaher und Dawood al-Marhoon? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über den Zustand von Ali al-Nimr, Abdullah al-Zaher und Dawood al-Marhoon. 8. Inwiefern sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit deutsche Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger in Saudi-Arabien inhaftiert? Wenn ja, wie viele, welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über deren Zustand und besteht diplomatische Betreuung? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind keine deutschen Staatsangehörigen in Saudi-Arabien in Haft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6210 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wie viele Fälle des so genannten Verschwindenlassens gab es in Saudi-Arabien in den Jahren 2017 und 2018 nach Kenntnis der Bundesregierung? Die Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse über Fälle des sogenannten Verschwindenlassens in Saudi-Arabien in den Jahren 2017 und 2018. 10. Wie viele in Saudi-Arabien Inhaftierte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wie im Fall der Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul (www. washingtonpost.com/world/middle_east/the-high-price-of-feminism-inthenew -saudi-arabia/2018/05/20/99d6dfde-5c3f-11e8-b656-236c6214ef01_ story.html?utm_term=.6426b0a24bfa) aus dem Ausland gegen ihren Willen nach Saudi-Arabien gebracht? Der Bundesregierung sind zwei Fälle bekannt: Loujain al-Hathloul und ihr Ehemann . 11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Lage der inhaftierten Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler Loujain al-Hathloul, Samar Badawi, Nassima al-Sadah, Aziza al-Yousef, Eman al-Nafjan, Mohammed al-Rabea und Ibrahim al-Modaimeegh, und inwiefern hat sie ihr Schicksal bilateral oder im Rahmen der EU oder VN gegenüber der saudischen Regierung thematisiert ? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über die Lage der genannten Aktivistinnen und Aktivisten vor. Auf die am 8. August 2018 durchgeführte Demarche der Botschafter der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bei Außenminister Al Jubeir in dieser Sache gab es bislang keine der Bundesregierung bekannten Reaktionen seitens der saudi-arabischen Behörden. Die Bundesregierung setzt sich in ihren Gesprächen mit der saudi-arabischen Regierung auch für Einzelfälle wie die genannten Frauenrechtlerinnen und -rechtler ein. Zuletzt sprach der deutsche Botschafter in Riad diese Menschenrechtsfälle am 21. November 2018 gegenüber dem Präsidenten der „Saudi Human Rights Commission“, Dr. Al Aiban, an. 12. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung der UN-Arbeitsgruppe „Willkürliche Inhaftierung“ vom 12. Oktober 2018 nach Freilassung aller derzeit inhaftierten weiblichen Menschenrechtsverteidigerinnen (www.ohchr.org/ EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23719&LangID=E)? Die Bundesregierung unterstützt die Forderung nach Freilassung aller derzeit inhaftierten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger. Beim Staatenüberprüfungsverfahren UPR, dem sich Saudi-Arabien am 5. November 2018 unterzogen hat, hat die Bundesregierung unter anderem die Empfehlung ausgesprochen, unverzüglich alle Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger freizulassen. 13. Inwiefern werden in Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung Frauenrechte missachtet? Nach Einschätzung der Bundesregierung unterliegen Frauen in Saudi-Arabien weiterhin erheblichen rechtlichen Einschränkungen, trotz Verbesserungen bei der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Teilhabe in den letzten zwei Jahren wie Lockerungen des Vormundschaftsrechts und Öffnung von Berufsfeldern für Frauen, der Aufhebung des Fahrverbots zum 24. Juni 2018 sowie der erstmaligen Teilnahme an Kommunalwahlen 2016. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6210 14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Rechtsstaatlichkeit von Strafverfahren in Saudi-Arabien, wie unter anderem über den Zugang zu rechtlicher Vertretung und Beratung für Beschuldigte, der Verhängung von Einzelhaft während angeordneter Untersuchungshaft und den Garantien eines fairen Verfahrens? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 15. Inwiefern beschäftigt sich die deutsche Botschaft in Riad programmatisch mit der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien? Beobachtet die deutsche Botschaft in Riad politisch motivierte Strafverfahren in Saudi-Arabien? Schult das Auswärtige Amt das Personal der deutschen Botschaft in Saudi- Arabien hinsichtlich der menschenrechtlichen Lage vor Ort? Gibt es eine Kontaktstelle für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger an der deutschen Botschaft? Die Berichterstattung über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gehört zu den Grundaufgaben der Deutschen Botschaft Riad. Sie beobachtet politisch motivierte Strafverfahren in Saudi-Arabien sowohl bilateral als auch in Abstimmung mit europäischen und internationalen Partnern aufmerksam, auch im Rahmen von Prozessbeobachtungen. Das Auswärtige Amt schult das Personal der Botschaft hinsichtlich der menschenrechtlichen Lage vor Ort. Es gibt zudem eine Kontaktstelle für saudi-arabische Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger an der Deutschen Botschaft. 16. Inwiefern hat die Bundesregierung die drohende Hinrichtung der schiitischen Frauenrechtlerin Israa al-Ghomgham bilateral oder im Rahmen der EU oder VN gegenüber der saudischen Regierung thematisiert? Die Bundesregierung und die EU haben den in der Fragestellung genannten Einzelfall mehrfach im Rahmen von hochrangigen Gesprächen thematisiert, zuletzt am 21. November 2018 seitens des deutschen Botschafters in Riad gegenüber dem Präsidenten der „Saudi Human Rights Commission“, Dr. Al Aiban. 17. Wie ausgeprägt ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM, Female Genital Mutilation) in Saudi- Arabien, und inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung von Regierungsseite Bestrebungen, dagegen vorzugehen? Die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung ist in Saudi-Arabien nach Kenntnis der Bundesregierung nicht verbreitet. Einzelfälle können jedoch nicht ausgeschlossen werden. 18. Inwiefern kriminalisiert Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung LSBTTI? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen in Saudi-Arabien gesetzlich verboten und werden strafrechtlich verfolgt. Die Verhängung der Todesstrafe oder körperliche Strafen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Saudi-Arabien für einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6210 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Inwiefern sind in Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung die Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt? Das Recht auf freie Meinungsfreiheit einschließlich der Pressefreiheit ist in Saudi-Arabien weiterhin stark eingeschränkt. So kann gemäß dem im November 2017 erlassenen neuen Antiterrorismusgesetz jede regierungskritische Meinungsäußerung , auch in den sozialen Medien, als terroristischer Akt bewertet und entsprechend hart bestraft werden. 20. Inwiefern sind in Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt? Die Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit sind in Saudi-Arabien stark eingeschränkt. Jede Art von Demonstration ist nach der dortigen offiziellen Auslegung islamischen Rechts streng verboten. Kritik kann nur über traditionelle Kanäle der Beratung direkt und vertraulich an den Regenten gerichtet werden – ohne Befassung der Öffentlichkeit. Der Großmufti und weitere Angehörige des Rates der Obersten Islamischen Gelehrten haben diese Position mehrmals und wiederholt deutlich gemacht. 21. Inwiefern sind in Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt? Im Rahmen des eingeleiteten Modernisierungskurses der saudi-arabischen Regierung sind bei der Freiheit der Kunst und Wissenschaft gewisse Fortschritte zu verzeichnen. Staatliche Kontrolle und ein schmaler Grat zur (strafbewehrten) Regierungskritik bleiben jedoch bestehen. 22. Inwiefern ist in Saudi-Arabien nach Einschätzung der Bundesregierung die Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt? Nach dem saudi-arabischen Grundgesetz ist der Islam Staatsreligion. Blasphemie und Abfall vom Islam können mit dem Tod bestraft werden. Andere Religionen dürfen nicht öffentlich praktiziert, religiöse Symbole nicht offen getragen und deren Schriften oder Symbole nicht nach Saudi-Arabien eingeführt werden. Der Großmufti bestätigte mehrfach, dass es in Saudi-Arabien keine christlichen Kirchen geben dürfe. Jüngste Fortschritte beim interreligiösen Dialog, der von der Staatsspitze getragen wird, hatten bisher keine innenpolitische Änderung der Rechtslage zur Folge. 23. Wie schätzt die Bundesregierung die Lage der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien ein? Auf welche Weise sind Schiitinnen und Schiiten in Saudi-Arabien nach Kenntnis der Bundesregierung von gesonderter Repression betroffen? Angehörige der schiitischen Minderheit, die überwiegend in der Ostprovinz leben , werden gesellschaftspolitisch und wirtschaftlich systematisch benachteiligt. Sie werden in der Regel nicht zu hohen Regierungsämtern zugelassen, sind auch in niedrigeren Laufbahnen unterrepräsentiert und haben Schwierigkeiten bei der Studienzulassung sowie auf dem Arbeitsmarkt. Die Ausübung schiitischer Rituale ist eingeschränkt und nur in bestimmten Regionen toleriert. Schiiten dürfen in Städten, in denen sie die Mehrheit bilden, zwar neue Moscheen, aber in der Regel keine neuen Gemeindezentren bauen, sie erhalten allerdings keine Mittel seitens des Ministeriums für islamische Angelegenheiten. Im Sommer 2017 kam es im Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/6210 Massoura-Viertel der Stadt Awamiyah zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen saudi-arabischen Sicherheitskräften und Angehörigen der schiitischen Minderheit. 24. Wie werden Bahais nach Kenntnis der Bundesregierung in Saudi-Arabien behandelt? Wie werden Bahais in den saudischen Religionsschulen eingestuft? In den Religionsschulen in Saudi-Arabien wird der Islam wahabitischer Prägung gelehrt. Der Glauben der Bahai wird als Ketzerei betrachtet. Darüber hinaus verfügt die Bundesregierung über keine eigenen Kenntnisse zur Behandlung der Bahai in Saudi-Arabien. 25. Inwiefern arbeitet die Bundesregierung mit der saudischen Regierung bei der Terrorismusbekämpfung zusammen, und welche Terrorismusdefinition legt sie dabei zugrunde? Die Bundesregierung arbeitet mit der Regierung des Königreichs Saudi-Arabien bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus in multilateralen Organisationen wie den VN, dem „Global Counterterrorism Forum“ (GCTF) und anderen zusammen. Bei Vorliegen der rechtlichen Rahmenbedingungen findet im Einzelfall auch eine anlassbezogene bilaterale Zusammenarbeit statt. Die Bundesregierung orientiert sich dabei strikt an rechtsstaatlichen Prinzipien. 26. Welche Rolle spielt nach Einschätzung der Bundesregierung das im Oktober 2017 verabschiedete Anti-Terror-Gesetz (vgl. www.amnesty.org/en/countries/ middle-east-and-north-africa/saudi-arabia/report-saudi-arabia/) für die Unterdrückung der saudischen Opposition oder Zivilgesellschaft? Auf der Grundlage des im November 2017 erlassenen neuen saudi-arabischen Antiterrorismus-Gesetzes kann jede regierungskritische Meinungsäußerung, auch in den sozialen Medien, als terroristischer Akt bewertet und entsprechend hart bestraft werden. Auch Wirtschaftsdelikte können unter den äußerst weit gefassten Terrorismusbegriff fallen. Gerichtsverfahren, Freiheitsentzug und Haftbedingungen nach dem Antiterrorismus-Gesetz entsprechen nicht dem deutschen Rechtsstaatsverständnis . 27. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Dienstleistungen und Lieferungen deutscher Firmen, die zur Kontrolle und Unterdrückung von Oppositionellen sowie Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern in Saudi-Arabien genutzt werden können, etwa im Bereich der Sicherheits- und Überwachungstechnik? Die Ausfuhr von Überwachungstechnik unterliegt der Exportkontrolle, bei der die Beachtung der Menschrechte im Empfängerland eine hervorgehobene Rolle spielt. Der Bundesregierung liegen darüber hinaus keine eigenen Erkenntnisse vor. 28. Wie ist der Stand der Sicherheitskooperation zwischen Deutschland und Saudi-Arabien? Seit 1986 hat die Bundesrepublik Deutschland einen Verteidigungsattaché in Riad und Saudi-Arabien seinerseits einen Verteidigungsattaché in der Bundesrepublik Deutschland akkreditiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6210 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Aufgrund der am 30. April 2017 geschlossenen „Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und dem Verteidigungsministerium des Königreichs Saudi-Arabien über die Ausbildung saudischen militärischen Personals in Einrichtungen der Bundeswehr“ (Bundesgesetzblatt 2018 II S. 193) befinden sich in Absprache mit dem Auswärtigen Amt derzeit sieben saudi-arabischen Kadetten zur Ausbildung in Deutschland (Sprachausbildung , anschließend Offizierausbildung und Studium). Für die Zusammenarbeit im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern , für Bau und Heimat wird hinsichtlich einer Unterstützung Saudi-Arabiens im Rahmen polizeilicher Aufbauhilfe auf die Antworten der Bundesregierung zu den quartalsweise gestellten Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. zu Polizei - und Zolleinsätzen im Ausland verwiesen, im Sinne der Fragestellung zuletzt auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 19/115. Es wird weiterhin auf die Antworten der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic auf Bundestagsdrucksache 19/5440 verwiesen. 29. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung einer britischen Initiative zum vorzeitigen Ausschluss Saudi-Arabiens aus dem UN-Menschenrechtsrat vor Ablauf dessen regulärer Mitgliedschaft zum Jahresende 2019 (www. independent.co.uk/news/world/middle-east/saudi-arabia-human-rightscouncil -un-yemen-lawyers-shrouded-in-secrecy-a8188511.html)? Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, dass ein Ausschluss Saudi-Arabiens aus dem Menschenrechtsrat der VN zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in der Region beitragen würde. 30. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Verantwortlichkeit Saudi-Arabiens für den fehlenden Zugang humanitärer Helfer im Jemen, auf deren Hilfe die Zivilbevölkerung und am dringendsten Kinder angewiesen sind? Nach Angaben von in Jemen aktiven internationalen humanitären Hilfsorganisationen erfolgen in Jemen Luftangriffe durch die von Saudi-Arabien geführte Arabische Koalition in unmittelbarer Nähe von humanitären Projektstandorten, Bürogebäuden , Gästehäusern und Fluglandeplätzen der VN. Darüber hinaus ist nach Angaben der Hilfsorganisationen durch die anhaltenden Kampfhandlungen derzeit auch die für die Versorgung der Bevölkerung mit kommerziellen und humanitären Gütern entscheidende Hauptverbindungsroute zwischen Hodeidah und Sana’a nicht nutzbar. 31. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob Saudi-Arabien für Luftschläge gegen zivile Einrichtungen wie Schulen Entschädigungen für Betroffene gewährt? Im Fall eines am 9. August 2018 im Rahmen der Kampfhandlungen in Jemen durch Saudi-Arabien geführten Luftangriffes gegen einen Bus kamen auch zahlreiche Zivilisten ums Leben, vorrangig Kinder. Am 1. September 2018 wurden den betroffenen Opferfamilien auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse der von der Arabischen Koalition eingerichteten „Gemeinsamen Gruppe zur Vorfallauswertung “ („Joint Incident Assessment Team“, JIAT) Ausgleichsansprüche bestätigt und deren Umsetzung den Streitkräften Saudi-Arabiens zur Auflage gemacht . Nach Kenntnis der Bundesregierung sind in diesem Fall Zahlungen erfolgt , deren Höhe aber unbekannt ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/6210 32. Inwiefern werden nach Einschätzung der Bundesregierung durch Saudi-Arabien die Kinderrechte im In- und Ausland geachtet? Der Shura-Rat hat ein Jugendschutzgesetz („Juvenile Law“) beschlossen, das am 30. Juli 2018 vom saudi-arabischen Kabinett gebilligt wurde und nach seiner Veröffentlichung am 1. August 2018 in Kraft getreten ist. Es definiert als Jugendliche Personen zwischen sieben und 18 Jahren. Dieses Gesetz setzt der Strafverfolgung bei Jugendlichen unter 18 Jahren gewisse Grenzen. So wird beispielsweise die Untersuchungshaft im Regelfall auf fünf Tage begrenzt. Außerdem werden die Rechte der Eltern festgeschrieben und gestärkt. Nach Einschätzung der Bunderegierung ist dieses Gesetz allerdings kein Durchbruch in Bezug auf das Strafmündigkeitsalters im saudi-arabischen Strafrecht. Die Nationale Menschenrechtskommission Saudi-Arabiens bestätigte die Einschätzung , dass das Jugendschutzgesetz gegenüber dem Schariarecht nur nachrangig Anwendung findet, insbesondere im Fall von schweren Verbrechen. In Fällen von bestimmten Verbrechenstatbeständen des saudi-arabischen Rechts findet das Jugendschutzgesetz keine Anwendung; der zuständige Schariarichter kann in richterlichem Ermessen über die „Reife“ und damit auch die Strafmündigkeit des Jugendlichen bestimmen. Somit kann weiterhin auch die Todesstrafe gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige verhängt werden. 33. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Rekrutierung von Kindersoldaten im Jemenkrieg durch das saudische Militär? 34. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Verfolgung von Kindern durch Militärgerichte aufgrund des Vorwurfs der Zugehörigkeit zu einer paramilitärischen Gruppe oder dem Vorwurf der Desertion? Die Fragen 33 und 34 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 35. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Bemühungen in Saudi-Arabien, das Kafala-System und den dadurch florierenden modernen „Sklavenhandel “ zu reformieren oder abzuschaffen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dahingehend vor, dass Saudi- Arabien derzeit beabsichtigt, das Kafala-System zu reformieren oder abzuschaffen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333