Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 29. November 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6242 19. Wahlperiode 03.12.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Neumann, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/5721 – Versorgungssicherheit mit Elektrizität V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Diskussion über politische Eingriffe in den Strommarkt und die mögliche Stilllegung von Kohlekraftwerken, wo es nicht nur um Strom, sondern auch um Wärme bzw. Kälte geht, spielt der Aspekt der Versorgungssicherheit eine wesentliche Rolle. Eine hohe Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme bzw. Kälte ist ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge und unerlässlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland. In der politischen Debatte werden oftmals jedoch unterschiedliche Definitionen verwendet, was mit Versorgungssicherheit gemeint ist und wer dafür verantwortlich ist. 1. Welche Definitionen von Versorgungssicherheit sind der Bundesregierung bekannt? Generell ist Versorgungssicherheit gewährleistet, wenn mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Nachfrage mit den verfügbaren Betriebsmitteln aus Bereitstellung und Verteilung durch ein Angebot in gleicher Höhe gedeckt werden kann. Insofern umfasst Versorgungssicherheit diverse Aspekte. Zentrale Themen bei Elektrizität sind die Verfügbarkeit von Primärenergieträgern zur Stromerzeugung , der Stromerzeuger selbst, der Netze und die Deckung der Nachfrage am Strommarkt. Für die sichere Verfügbarkeit von Primärenergieträgern sind der Bundesregierung keine eigenständigen Definitionen bekannt. Im Stromnetz ist – etwas vereinfacht – die Sicherheit gegeben, wenn das sog. (n-1)-Prinzip erfüllt ist, d. h. bei Ausfall eines beliebig gewählten Betriebsmittels können die Netze weiter stabil betrieben werden. Für den Strommarkt haben sich in Europa bestimmte Indikatoren zur Bewertung der Versorgungssicherheit etabliert. Versorgungssicherheit ist dann gegeben, wenn die Indikatoren bestimmte Wert einhalten (vgl. die Antwort zu Frage 2). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6242 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Welche Definition von Versorgungssicherheit legt die Bundesregierung ihren energiepolitischen Bewertungen und Entscheidungen zugrunde? Die Bundesregierung hat diese Entscheidung noch nicht getroffen. 3. Wer trägt nach Ansicht der Bundesregierung die Verantwortung für Versorgungssicherheit mit Elektrizität? 4. Wer ist zuständig für die Überwachung und Einhaltung der Versorgungssicherheit ? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind alle Energieversorgungsunternehmen zu einer möglichst sicheren leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität verpflichtet. Für den sicheren Netzbetrieb sind die Netzbetreiber zuständig; sie werden hierbei von der Bundesnetzagentur überwacht. Die konventionellen Primärenergieträger zur Stromerzeugung (Kohle, Gas, Uran) werden an liquiden Energiemärkten oder über bilaterale Langfristverträge gehandelt . Für den Handel von Strom an den Strommärkten sind auch die Marktakteure zuständig. Sowohl die Verfügbarkeit von Primärenergieträgern, als auch das Funktionieren der Strommärkte monitort das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. 5. Wann wird die Bundesregierung den Monitoring-Bericht 2018 nach § 51 des Energie-Wirtschaftsgesetzes (EnWG) vorlegen, und warum wurde er bislang nicht veröffentlicht? Die Veröffentlichung des Monitoring-Berichtes 2018 wird zeitnah erfolgen. Eine wichtige und notwendige Grundlage für diesen Bericht ist ein externes Gutachten mit dem Titel „Definition und Monitoring der Versorgungssicherheit an den europäischen Strommärkten von 2017 bis 2019“. Die Fertigstellung dieses Gutachtens hat sich verzögert. 6. Welche Methoden der Leistungsbilanzierung verwendet die Bundesregierung ? Mit dem Strommarktgesetz aus dem Jahr 2016 wurde ein wahrscheinlichkeitsbasiertes und grenzüberschreitendes Verfahren nach dem Stand der Wissenschaft vorgeschrieben. 7. Inwiefern werden bei den Kennzahlen zu Versorgungsunterbrechungen auch kurze Ausfälle und Spannungsunterbrechungen mit einer Dauer von unter drei Minuten berücksichtigt? Der SAIDI („System Average Interruption Duration Index“) erfasst Versorgungsunterbrechungen mit einer Dauer von mehr als drei Minuten. Er gibt die durchschnittliche Unterbrechungsdauer je angeschlossenen Letztverbraucher innerhalb eines Kalenderjahres an. Kürzere Versorgungsunterbrechungen mit einer Dauer von unter drei Minuten werden nicht in einer Kennzahl angegeben, aber größtenteils in der Störungsstatistik des Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE erfasst. Hierzu gehören auch kurzzeitige Spannungseinbrüche, die durch atmosphärische Einwirkungen entstehen können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6242 8. Inwiefern sollte die Leistungsabsicherung aus Sicht der Bundesregierung künftig national bzw. europäisch gewährleistet werden? In europäischen gekoppelten Märkten kann Versorgungssicherheit grundsätzlich nur europäisch gewährleistet werden. Deshalb sieht das Monitoring der Versorgungssicherheit nach § 51 EnWG vor, dass das heutige und künftige Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf den europäischen Strommärkten mit Auswirkungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Teil des Elektrizitätsbinnenmarktes zu berücksichtigen ist. 9. Welche Rolle spielt Deutschland im europäischen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger, auch unter dem Aspekt zukünftiger Versorgungssicherheit ? Deutschland stellt sein Stromerzeugungssystem Schritt für Schritt auf erneuerbare Energien um. Durch die zunehmende Kopplung und Integration der europäischen Strommärkte stehen dabei alle Erzeugungsanlagen, erneuerbar wie konventionell , im Wettbewerb zueinander. Damit wird gewährleistet, dass die Stromerzeugung europaweit so kosteneffizient wie möglich gestaltet wird. Der grenzüberschreitende , gegenseitige Stromaustausch trägt dabei auch zur Erhöhung von Versorgungssicherheit bei. So kann Deutschland in Zeiten hoher Erneuerbare- Energien-Erzeugung Strom in die Nachbarländer exportieren, was zu einer höheren Auslastung der Anlagen beiträgt. Gleichzeitig kann Deutschland in Zeiten mit niedriger Erneuerbare-Energien-Erzeugung Strom aus dem europäischen Ausland importieren, der damit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland leistet. 10. Welche Änderungen der rechtlichen Vorgaben zur Versorgungssicherheit erwartet die Bundesregierung durch die Novelle der EU-Strommarkt-Verordnung ? Die Bundesregierung erwartet durch die Novelle der EU-Strommarkt-Verordnung mehr Klarheit in Bezug auf die verlässliche Bereitstellung der Übertragungskapazitäten für den grenzüberschreitenden Stromhandel. Mit diesen Regelungen sowie entsprechenden Anpassungen in der Strommarkt-Richtlinie wird sichergestellt , dass die Mitgliedstaaten den grenzüberschreitenden Stromhandel nicht zum Schutz ihrer eigenen Stromsysteme einschränken können. Die neue Risikovorsorge -Verordnung regelt zusätzlich, dass Versorgungssicherheit grundsätzlich marktbasiert gewährleistet werden muss, auch in Zeiten von Versorgungsknappheit . Ausnahmen sind nur in eng begrenztem Rahmen und als Ultima Ratio zulässig. Darüber hinaus enthält die EU-Strommarkt-Verordnung konkrete Vorgaben für die Ausführung von Versorgungssicherheitsberichten, sowohl auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene. Danach muss jeder Bericht u. a. einen wahrscheinlichkeitsbasierten Ansatz anwenden und den grenzüberschreitenden Stromaustausch berücksichtigen. Damit soll sichergestellt werden, dass EU-Mitgliedstaaten den Beitrag des europäischen Strommarktes zur Versorgungssicherheit angemessen berücksichtigen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6242 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Inwiefern werden Netzengpässe bei der Bereitstellung gesicherter Leistung berücksichtigt? Netzengpässe spielen beim Monitoring der Versorgungssicherheit am einheitlichen deutschen Strommarkt an den Grenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten eine Rolle. Die Entwicklung im europäischen Strombinnenmarkt wird also unter Berücksichtigung der grenzüberschreitenden Austauschkapazitäten analysiert. Die Herausforderungen innerdeutscher Netzrestriktionen werden in eigenständigen Prozessen (Systemanalysen zur Netzreserve und Netzentwicklungsplan) untersucht und bewältigt. 12. Welche Entwicklung der gesicherten Kraftwerkskapazitäten in Deutschland (auch unter dem Aspekt der Pariser Klimaziele) erwartet die Bundesregierung bis 2030? 13. Wie wird dabei die Verfügbarkeit der verschiedenen Erzeugungsarten angesetzt (bitte nach Kraftwerksarten aufschlüsseln)? Die Fragen 12 und 13 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung erstellt hierzu keine Prognosen. 14. Wie soll der mögliche Wegfall von Kohlekraftwerken kompensiert werden? Der Strommarkt in Europa und Deutschland ist derzeit von deutlichen Überkapazitäten geprägt. Zudem erfolgt eine fortschreitende Integration des europäischen Strommarktes, ein weiterer Ausbau der Netze und damit eine bessere Nutzung des Stromaustausches und der Verteilung. Diese Maßnahmen und die genannten Überkapazitäten führen dazu, dass der europäische Strommarkt in 2030 mit deutlich weniger konventionellen Kraftwerken in unverändert hohem Maße die Versorgungssicherheit gewährleisten kann. Darüber hinaus können Wärmesenken in Deutschland über neue Gas-KWK-Anlagen bedient werden, wenn KWK-Anlagen auf Basis von Kohle wegfallen. Die Umstellung von mit Kohle auf mit Gas betriebenen KWK-Anlagen ist eine bereits heute über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz geförderte Maßnahme. 15. Inwiefern wird die Versorgung mit Wärme und Prozessdampf, die bei thermischen Kraftwerken neben elektrischem Strom anfällt, bei der Versorgungssicherheit mit Elektrizität berücksichtigt? KWK-Anlagen und ihre technischen Restriktionen durch die Versorgung mit Wärme und Prozessdampf werden vollständig in den Modellen zur Bewertung der Entwicklung des Stromsystems berücksichtigt. 16. Welche Entwicklung der Spitzenlast in Deutschland erwartet die Bundesregierung bis 2030? 17. Wie wird dabei die Flexibilisierung der Nachfrage, etwa durch Demand- Side-Management in der Industrie, berücksichtigt? Die Fragen 16 und 17 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung erstellt hierzu keine Prognosen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6242 18. Welche Überlegungen gibt es seitens der Bundesregierung, Lastspitzen mittels regulatorischer Eingriffe abzusenken? Zu unterscheiden sind Belange des Netzbetriebs und des Strommarktgeschehens. Aus Sicht des Netzbetriebs ist es sinnvoll, Lastspitzen zu vermeiden, um den Netzausbau auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen. Dazu dienen entsprechende Instrumente insbesondere im Regime der Netzentgelte, mit den betrieblich oder prozessual vermeidbare Lastspitzen durch Anpassung der Netzentgelte verhindert werden. Diese Instrumente sind ggf. auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Marktseitig sorgt die freie Preisbildung am Strommarkt für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. In Zeiten von Lastspitzen ist Strom je nach Stromangebot ggf. teurer, was auf der Nachfrageseite unmittelbar Anreize für Lastverschiebungen oder Peak Shaving setzt. Andererseits gewährleisten die Preisspitzen, dass sich Flexibilitätsoptionen auf der Erzeugungsseite zur Deckung der Spitzenlast refinanzieren können. Regulatorische Eingriffe sind demnach nicht angezeigt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333