Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 30. Januar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/645 19. Wahlperiode 06.02.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Marc Bernhard, Tino Chrupalla, Dr. Heiko Heßenkemper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/429 – Know-how-Abfluss aus Deutschland durch internationale Firmenübernahmen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut einem Artikel in der „FAZ“ vom 30. November 2017 wurden im ersten Halbjahr 2017 113 deutsche Unternehmen im Bereich Industrie 4.0 von ausländischen Investoren übernommen, wohingegen lediglich 82 deutsche Unternehmen Firmen im Ausland zugekauft haben (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ diginomics/industrie-4-0-das-ausland-kauft-deutschlands-digitale-industrie-1531 6733.html). Die „FAZ“ beruft sich dabei auf eine Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young GmbH (EY) zum Transaktionsmarkt Industrie 4.0 in den Jahren von 2014 bis 2017 (EY, PE4.0 – Potential and challenges in the context of digitalization and Industry 4.0, November 2017). Deutschland steht damit nach den USA (196 Übernahmen aus dem Ausland) im besonderen Fokus internationaler Investoren, gefolgt von Großbritannien (72) und Kanada (48). Trotz der deutlich höheren Anzahl an Übernahmen gelingt es den USA dennoch, insgesamt zu einem „positiven Saldo“ aus Ver- und Aufkäufen von 438 zu kommen , gefolgt von Japan (199) und China (147). Demgegenüber ergibt sich für kein anderes Land der Welt ein dermaßen hoher „negativer Saldo“ von 142 Transaktionen wie für Deutschland. Berücksichtigt man ferner, dass lediglich 20 Prozent der Transaktionen durch Finanzinvestoren getätigt werden, ist davon auszugehen, dass es bei den 80 Prozent der Transaktionen , die durch konkurrierende Wettbewerber im Bereich Industrie 4.0 durchgeführt werden, insbesondere um den Erwerb von deutschem Know-how in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Produktion geht. Es drohe daher die Gefahr eines massiven Know-how-Abflusses aus Deutschland , da gerade die innovativen deutschen Mittelständler und Systemanbieter über die entscheidenden Schlüsseltechnologien für Industrie-4.0-Anwendungen verfügten (FAZ, Nr. 278, S. 19, www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/ industrie-4-0-das-ausland-kauft-deutschlands-digitale-industrie-15316733.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/645 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fraktion der AfD im Deutschen Bundestag, dass durch Firmenübernahmen aus dem Ausland zunehmend Know-how aus Deutschland abfließt? Deutschland ist eine offene Volkswirtschaft. Die Bundesregierung begrüßt ausländische Investitionen, die mit deutschem und europäischem Recht vereinbar sind. In vielen Fällen sichern und schaffen sie Arbeitsplätze. Unternehmensübernahmen sind Bestandteil des wirtschaftlichen Austauschprozesses und als solche nicht notwendigerweise mit einem Abfluss von Know-how verbunden. Werden im Zuge eines Unternehmenserwerbs wirtschaftlich relevante Informationen übermittelt, so geschieht dies grundsätzlich in der Verantwortung der beteiligten Unternehmen. 2. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, dass internationale Transaktionen, wie sie oben im Bereich Industrie 4.0 geschildert wurden, auch in anderen volkswirtschaftlich und strategisch bedeutenden Industriezweigen vollzogen wurden oder geplant sind, z. B. in der Luft- und Raumfahrtindustrie , der Rüstungsindustrie, der chemischen oder der optischen Industrie ? Die Bundesregierung beobachtet seit einiger Zeit eine Zunahme ausländischer Direktinvestitionen in inländische Schlüsseltechnologieunternehmen. 3. Gibt es für die Bundesregierung strategische Industriezweige und Branchen, in denen Unternehmensverkäufe in das Ausland als problematisch anzusehen sind oder verhindert werden müssen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Ziel der Bundesregierung ist in allen Industriezweigen und Branchen die Wahrung von Sicherheitsinteressen und die Gewährleistung fairer und transparenter Markt- und Wettbewerbsbedingungen . 4. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, dass die Übernahmen deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren nicht nur betriebswirtschaftlichen Motiven entspringen, sondern auch staatlich mit dem Ziel politischer Einflussnahme betrieben werden, z. B. durch Staatsfonds, Industriepolitik , z. B. die Strategie „Made in China 2025“, oder Kreditförderbanken ? Die Motivation für einen geplanten Erwerb kann vielfältig sein und ist statistisch nicht erfassbar. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der beabsichtigten politischen Einflussnahme bei internationalen Transaktionen? 6. Plant die Bundesregierung, Unternehmenskäufe mit staatlicher Finanzierung aus dem Ausland zu untersagen? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat ein hohes Interesse an ausländischen, an marktwirtschaftlichen Bedingungen orientierten Investitionen. Direktinvestitionen ausländischer Erwerber in inländische Unternehmen können nach geltendem Außenwirtschaftsrecht geprüft und als Ultima Ratio auch untersagt werden, sofern dies zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen oder zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist. Die diesbezügliche Relevanz einer ausländischen staatlichen Finanzierung ist Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/645 im konkreten Einzelfall zu prüfen. Mit der Änderung der Außenwirtschaftsverordnung im Juli 2017 hat die Bundesregierung diesen Ansatz konsequent weiterverfolgt . Die Bundesregierung setzt sich zudem auf europäischer Ebene für die Schaffung eines Rechtsrahmens für mitgliedstaatliche Investitionsprüfungen ein. 7. Inwieweit führt die Bundesregierung den negativen Transaktionssaldo Deutschlands auf nicht WTO-konforme Investitionsbeschränkungen in Ländern mit deutlich positivem Transaktionssaldo zurück? Der Saldo der deutschen Direktinvestitionen war in den Jahren 2004 bis 2016 positiv. Im Jahr 2016 lag der Saldo bei knapp +23 Mrd. Euro. Für das Jahr 2017 liegen Werte bis November vor; von Januar bis November 2017 betrug der Saldo der Direktinvestitionen knapp +46 Mrd. Euro. Ein positiver Saldo der Direktinvestitionen zeigt an, dass mehr inländische Direktinvestitionen im Ausland stattfinden als ausländische Direktinvestitionen im Inland. 8. Wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund das seit 2005 bestehende bilaterale Investitionsschutzabkommen mit China? Der deutsch-chinesische Investitionsförderungs- und schutzvertrag vom 1. Dezember 2003 (im Folgenden: „IFV“) schützt Investitionen, die von den Investoren eines Vertragsstaates im Territorium des jeweils anderen Vertragsstaates getätigt wurden, gegen grob rechtsstaatswidrige Eingriffe des Gastgeberstaates, wie z. B. Enteignungen oder Diskriminierungen. Der Schutz des Vertrages gilt dabei nur für bereits getätigte Investitionen. Der IFV gewährt keinen Anspruch darauf, eine Investition in einem der Vertragsstaaten durchzuführen. Die Bundesregierung begrüßt daher die laufenden Verhandlungen zwischen der EU und China über ein Investitionsabkommen, das auch Marktzugangsfragen betrifft. 9. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, eine Behörde nach dem Vorbild des US Committee on Foreign Investment zu gründen, das Übernahmen deutscher Firmen durch ausländische Investoren untersagen kann? Ein vergleichbares Instrument wurde bereits 2004 und 2008 schrittweise eingeführt . Das geltende Außenwirtschaftsrecht ermächtigt die Bundesregierung, Direktinvestitionen unionsfremder Erwerber in inländische Unternehmen zu prüfen und erforderlichenfalls zu untersagen. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen . 10. Wie bewertet die Bundesregierung das US-amerikanische Regulierungsregime CFIUS, das auch auf deutsche oder europäische Unternehmen, wie etwa im Fall Aixtron, Auswirkungen haben kann? Die Investitionsprüfung durch das Committee on Foreign Investments in the United States (CFIUS) erfolgt nach Einschätzung der Bundesregierung sehr effizient und ähnelt in vielen Teilaspekten der Investitionsprüfung nach deutschem Außenwirtschaftsrecht . Insbesondere sollen beide Prüfverfahren ausschließlich der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/645 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Hält die Bundesregierung den Entwurf einer Verordnung der EU-Kommission zum Verbot von Firmenübernahmen im Bereich Kritische Infrastrukturen vom September 2017 auch für anwendbar auf den Bereich strategischer Industriezweige? Gegenstand des Verordnungsentwurfs der Europäischen Kommission vom September 2017 ist ein Ordnungsrahmen für Investitionsprüfungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Generelle Verbote von Firmenübernahmen im Bereich kritischer Infrastrukturen sind nicht vorgesehen. 12. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, analog zu gesetzlichen Regelungen in anderen Ländern, eine Anteilsregelung zu schaffen, die zumindest eine knappe Mehrheitsbeteiligung von 51 Prozent in deutschem Besitz gewährleisten würde? Die Bundesregierung weist darauf hin, dass Vorschriften zur Beschränkung von Anteilserwerben mit dem Grundgesetz vereinbar sein müssen, insbesondere mit den darin verankerten Grundrechten. Weiterhin gelten die Vorschriften des Unionsrechts , insbesondere zur Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit. Darüber hinaus sind völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten zu beachten . Die Bundesregierung hat daher erhebliche Zweifel, ob eine Regelung, die Ausländern den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an inländischen Unternehmen generell untersagt, mit vorstehenden Anforderungen vereinbar wäre. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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