Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6523 19. Wahlperiode 14.12.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6207 – Schwächen der Finanzmarktregulierung bei neuen Technologien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (bdb) Andreas Krautscheid führte im Interview mit der „Börsen-Zeitung“ am 10. November 2018 („Regulierung ist immer langsamer als Technologie“) zu den disruptiven Wirkungen der Digitalisierung in der Bankenbranche näher aus. So gäbe es heutzutage in vielen Banken Chief Digital Officers (CDO), die die Digitalstrategie steuerten. Im Hinblick auf die Regulierung bzw. die Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erklärte Krautscheid, dass es der BaFin schwerfalle, schon im Laufe einer Produktentwicklung verbindliche Bewertungen abzugeben. Jede Zeitverzögerung berge aber die Gefahr, dass „ein FinTech [dann] ziemlich schnell am Ende“ sein könne. Bislang werde allenfalls [das] Endprodukt durch die Aufsicht begutachtet; die BaFin auf Basis von Einzelerlaubnissen arbeite, dies für die Branche jedoch kaum Rechtssicherheit schaffe; die BaFin bei Plattformökonomien bislang lediglich den Bankbereich innerhalb dieser Ökonomie betrachte. Krautscheid betonte, „im Zuge des digitalen Wandels wird sich Banking immer mehr in solchen Ökosystemen und auf Plattformen abspielen“; der digitale Wandel die Institute mehr fordere als die Niedrigzinsen oder die Regulierung. 1. Wie viele der in der Europäischen Union ansässigen Finanzinstitute verfügen nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung über einen Chief Digital Officer? 2. Wie viele der in der Europäischen Union ansässigen, systemrelevanten Finanzinstitute verfügen nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung über einen Chief Digital Officer? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6523 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Wie viele der in Deutschland ansässigen Finanzinstitute verfügen nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung über einen Chief Digital Officer? 4. Wie viele der in Deutschland ansässigen, systemrelevanten Finanzinstitute verfügen nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung über einen Chief Digital Officer? Die Fragen 1 bis 4 werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung ist bekannt, dass Finanzinstitute zur Planung und Steuerung der Digitalen Transformation über die Einführung eines Chief Digital Officer nachdenken oder diese Position bereits besetzt haben. Die großen und systemrelevanten Finanzinstitute unterliegen gem. der „Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank “ der Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Zahlen zur Anzahl der Chief Digital Officer vor. Die Einrichtung eines Chief Digital Officer und die Verortung dieser Funktion innerhalb eines Instituts ist eine geschäftspolitische Entscheidung jedes einzelnen Instituts. Aufsichtsrechtliche Meldepflichten bestehen hierfür nicht. Im Übrigen handelt es sich bei dem Begriff „Chief Digital Officer“ um eine informelle Bezeichnung ohne rechtliche Bedeutung. 5. Welche Gründe erschweren es aus Sicht der Bundesregierung, bei FinTechs (Start-up-Unternehmen, die neue Lösungen im Finanzbereich anbieten) schon im Laufe einer Produktentwicklung eine verlässliche Bewertung seitens der Aufsichtsbehörden abgeben zu können? 6. Hat die Bundesregierung dafür Verständnis, dass es aus Sicht der FinTechs ein Bedürfnis dafür gibt, möglichst frühzeitig eine Rechtssicherheit darüber zu erhalten, wie das der Aufsicht vorgestellte Geschäftsmodell durch diese beurteilt wird? 7. Welche Verbesserungen könnten aus Sicht der Bundesregierung hierbei sowohl auf Seiten der FinTechs als auch auf Aufsichtsseite wünschenswert sein? Die Fragen 5 bis 7 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung hat Verständnis dafür, dass alle Marktteilnehmer möglichst frühzeitig Rechtssicherheit über das der Aufsicht vorgestellte Geschäftsmodell erlangen möchten. Allerdings setzt die aufsichtsrechtliche Bewertung eines Geschäftsmodells einen verlässlich feststellbaren Sachverhalt voraus. Bei neuen Geschäftsmodellen zeigen sich häufig Änderungen und Anpassungen im Verlauf des Verfahrens, wodurch eine abschließende Bewertung erschwert wird. Vor diesem Hintergrund bietet die BaFin besonders auf FinTechs zugeschnittene Orientierungshilfen an, um die Marktteilnehmer in die Lage zu versetzen, Entscheidungen zur Aufnahme von Geschäften bereits frühzeitig zu treffen. So informiert die BaFin im Rahmen der einfachen, kostenlosen Verwaltungsauskunft über die aufsichtsrechtliche Relevanz und Einschätzung eines Geschäftsmodells. Um Marktteilnehmern weitere Hilfestellungen zu leisten, veröffentlicht die BaFin seit geraumer Zeit Auslegungshilfen, Merkblätter und vertiefende Fachartikel zu ausgewählten Themen, gerade auch im Kontext innovativer Finanztechnologien. Die Merkblätter decken bspw. die Erlaubnispflicht einschließlich Bereichsausnahmen nach dem KWG, KAGB und ZAG komplett ab und behandeln auch Fragen der Prospektpflicht nach WpPG und VermAnlG. Darin werden auch Fragen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6523 zur Erlaubnispflicht abgehandelt und den Unternehmen eine aufwandsarme Selbsteinschätzung ermöglicht. In ihrem Internetauftritt hält die BaFin ein umfangreiches Informationsangebot zu den für diese Unternehmen relevanten Themen bereit. Zusätzlich kann über ein eigens eingerichtetes digitales Kontaktformular das Geschäftsvorhaben geschildert werden. Diese Rubrik auf der Internetseite wird weiter ausgebaut, um dem Informationsinteresse der Branche Rechnung zu tragen. 8. Welche Gründe erschweren es aus Sicht der Bundesregierung, zumindest für einzelne Bereiche über die bisherige Praxis der Einzelerlaubnisse hinauszugehen und für bestimmte, kohärente Sektoren einheitliche Standards zu setzen bzw. zu verlangen? Die Entwicklung und Bekanntgabe einheitlicher Standards setzt einen hinreichenden Erfahrungsschatz im Zuge der Entwicklung der Verwaltungspraxis voraus. Diesen kommuniziert die BaFin transparent für den Markt im Rahmen von Auslegungs - und Hinweisschreiben. So ist die BaFin z. B. im Bereich der aufsichtlichen Behandlungen von Kryptowährungen und Token mit ihrem Hinweisschreiben „Aufsichtsrechtliche Einordnung von sogenannten Initial Coin Offererings (ICOs) zugrunde liegenden Token bzw. Kryptowährungen als Finanzinstrumente im Bereich der Wertpapieraufsicht“ vom 20. Februar 2018 (www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/Merkblatt/WA/dl_hinweisschreiben_einordnung_ICOs.html) verfahren. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 5 bis 7 verwiesen. 9. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen Ländern im Hinblick auf FinTechs eine über die Praxis der Einzelerlaubnisse hinausgehende, einheitliche (re) Standardsetzung? Wenn ja, in welchen Ländern existiert eine solche Entwicklung oder auch Tendenz? Wie beurteilt die Bundesregierung dies? Der Bundesregierung sind keine Länder bekannt, in denen die Erlaubniserteilung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden nicht auf der Prüfung des konkreten Geschäftsplans im Einzelfall abstellt. 10. Welche Maßnahmen wären aus Sicht der Bundesregierung geeignet, eine erhöhte Rechtssicherheit für in der Gründung befindliche FinTechs zu begründen , um deren Erfolgschancen am Markt zu erhöhen bzw. zu erleichtern? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 5 bis 8 verwiesen. 11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Ansicht des bdb-Hauptgeschäftsführers, bei Plattformökonomien ausschließlich den Bankbereich aufsichtsseitig zu betrachten, könne auch aus Sicht der Finanzmarktstabilität zu kurz gegriffen sein? Zunächst ist festzuhalten, dass im Sinne einer technologieneutralen und prinzipienorientierten Finanzmarktregulierung ein Geschäft bzw. Geschäftsmodell der Finanzmarktregulierung unterfällt – unabhängig davon, von wem dieses angeboten wird. Wenn ein technologiebasierter Plattformanbieter erlaubnispflichtige Geschäfte anbietet, benötigt er ebenso eine Erlaubnis wie ein Institut, das sein Geschäftsmodell auf ein Plattformkonzept umstellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6523 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Auch aus Sicht der Bundesregierung werfen Plattformökonomien neue Fragestellungen und Herausforderungen für die Finanzaufsicht auf. Etwaige Auswirkungen von Plattformökonomien auf den Finanzmarkt werden durch verschiedene internationale, europäische und nationale Institutionen analysiert. Die BaFin hat die Frage, ob durch sich verändernde Marktstrukturen neue Risiken für das Finanzsystem entstehen, in ihrer Studie „Big Data trifft auf künstliche Intelligenz“ behandelt und untersucht diese Fragestellung auch unter Berücksichtigung der Rückmeldungen aus der dazu durchgeführten Konsultation. Abschließende Ergebnisse hierzu liegen allerdings noch nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333