Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 18. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6666 19. Wahlperiode 20.12.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6253 – Neue Züchtungsmethoden V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 25. Juli 2018 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Frage, wie die neuen Züchtungsverfahren in der Pflanzenzüchtung, insbesondere CRISPR/Cas, im Rahmen des europäischen Gentechnikrecht einzuordnen sind. Dabei stellte er fest, dass alle Mutagenese-Verfahren als Gentechnik im Sinne des Gentechnikrechts der EU, genauer der Freisetzungsrichtlinie (Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates), einzustufen sind. Hierbei handelt es sich sowohl um die klassischen Züchtungsverfahren, bei denen chemische Substanzen oder radioaktive Bestrahlung zur Veränderung eines Genoms einer Pflanzensorte eingesetzt werden, als auch um die neuen Genome-Editing-Verfahren . Eine Ausnahme gelte indes für die genannten klassischen Mutagenese- Verfahren. Das Gericht beschreibt die Anwendung dieser klassischen Verfahren als sicher, den Mitgliedstaaten stehe es jedoch frei, „derartige gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (...) den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.“ Das Urteil des EuGH beeinflusst somit die Forschung und weitere Entwicklung innovativer durch Genome Editing gezüchteter Sorten in der Pflanzenzüchtung sowie die daraus hervorgehende Kennzeichnung von Lebensmitteln mit dem Label „Ohne Gentechnik“ oder die Bezeichnung einer Region als „Gentechnikfreie Region“. 1. Wie positioniert sich die Bundesregierung nach dem Urteil des EuGH und der damit einhergehenden Einordnung von klassischen Mutagenese-Verfahren als GVO zur Notwendigkeit einer Novellierung des bestehenden Gentechnikrechts ? Unter „klassischen Mutagenese-Verfahren“ ist die Anwendung herkömmlicher Methoden der Zufallsmutagenese durch chemische Substanzen oder ionisierende Bestrahlung zu verstehen. Diese unterfallen zwar dem Begriff der genetisch veränderten Organismen (GVO) der Richtlinie 2001/18/EG, sind aber nach Artikel 3 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6666 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Absatz 1 in Verbindung mit Anhang I B der Richtlinie 2001/18/EG von der Anwendung des Gentechnikrechts ausgenommen. Dies hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 25. Juli 2018 bestätigt. Auch nach nationalem Recht ist im Ergebnis die klassische Mutagenese vom Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes ausgenommen. 2. Wird die Bundesregierung infolge des Urteils auch die beschriebenen klassischen Mutagenese-Verfahren in der Pflanzenzucht der Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) unterwerfen? Die Bundesregierung sieht für nationale Regelungen insoweit keine Notwendigkeit . 3. Falls nein, werden gesonderte Verpflichtungen für den Anbau von gentechnisch veränderten Sorten aus klassischen Mutagenese-Verfahren und deren Erzeugnisse angestrebt? Die Bundesregierung sieht für nationale Regelungen insoweit keine Notwendigkeit . 4. Welche negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit sieht die Bundesregierung durch den Anbau von Sorten, die auf klassischen Mutagenese- Verfahren beruhen? Die Umweltauswirkungen von Sorten, die mit klassischer Mutagenese gezüchtet wurden, werden nicht systematisch erfasst (siehe auch Antwort zu Frage 5). Anhaltspunkte im Hinblick auf mögliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit durch Sorten, die mittels klassischer Mutagenese gezüchtet wurden, liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorgaben nach anderen Rechtsvorschriften , wie etwa zur guten fachlichen Praxis nach Pflanzenschutzrecht, gelten auch für Sorten der klassischen Mutagenese. 5. Welche Sorten sind der Bundesregierung bekannt, die vom Bundessortenamt zugelassen sind und auf klassisch induzierten Mutagenesen beruhen? Die Bekanntgabe der zugrunde liegenden Züchtungsmethode ist im Zusammenhang mit der saatgutrechtlichen Sortenzulassung nicht vorgeschrieben und wird auch nicht erfasst. Deshalb gibt es keine offiziellen Zahlen der mittels klassischer Mutagenese gezüchteten Sorten. Nach Auskunft des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e. V. verfügen auch die Pflanzenzüchtungsunternehmen selbst über keine entsprechenden Zahlen. Die einzigen verfügbaren Zahlen enthält die gemeinsame „Mutant Variety Database” der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations – FAO) und der Internationalen Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency – IAEA). Allerdings handelt es sich dabei um auf freiwilliger Basis zusammengetragene Zahlen, die insofern nicht vollständig sein müssen. Danach gibt es für Deutschland 171 Einträge (seit 1950). Keine der in dieser FAO/IAEA-Datenbank für Deutschland gelisteten Sorten verfügt heute noch über eine amtliche Sortenzulassung beim Bundessortenamt. Nach Schätzungen handelt es sich weltweit um über 3 000 durch klassische Mutagenese veränderte Sorten, die teilweise seit vielen Jahren angebaut werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6666 6. Wie und bis zu welchem Datum sollen die Konsequenzen in Bezug auf Kenntlichmachung von GVO aus Mutagenese-Verfahren aus dem EuGH- Urteil flächendeckend umgesetzt werden? Nach dem Urteil des EuGH fallen GVO der gezielten Mutagenese nicht unter die Ausnahmeregelung nach Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang I B der Richtlinie 2001/18/EG. Folglich sind entsprechende Produkte zulassungs- und kennzeichnungspflichtig nach der Richtlinie 2001/18/EG bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003. Eine Übergangsfrist besteht nicht. Hingegen fallen Produkte der klassischen Mutagenese unter die Ausnahmeregelung nach Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang I B der Richtlinie 2001/18/EG und daher gelten die Zulassungs- und Kennzeichnungsanforderungen für solche Produkte nicht. 7. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Überwachung von Produkten mit GVO aus klassischen Mutagenese-Verfahren sicherzustellen? Die Überwachung von Produkten der klassischen Mutagenese findet je nach Art des Produktes nach einschlägigem Fachrecht wie z. B. dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht statt. 8. Gehen die Risiken des Anbaus von Sorten, die aus Genome-Editing-Verfahren erzeugt wurden, über die der klassischen Mutagenese-Verfahren hinaus? Nach dem Urteil des EuGH sind mit Genome Editing-Verfahren erzeugte Pflanzen jeweils einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Hinsichtlich umfangreicherer Veränderungen des Genoms mittels Genome Editing nimmt die Bundesregierung zur Kenntnis, dass die Risiken von Sorten aus Genome Editing-Verfahren im Verhältnis zu solchen, die durch klassische Mutagenese erzeugt wurden, fachlich kontrovers diskutiert werden. 9. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung nachträglich zu identifizieren , welche der beiden Methoden (klassische Mutation oder Genome Editing ) im Züchtungsprozess einer Sorte angewendet wurde? Mit neuen Mutagenese-Verfahren gezüchtete Pflanzen oder daraus hergestellte Lebensmittel und Futtermittel dürfen nach dem EuGH-Urteil vom 25. Juli 2018 in der EU nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine gentechnikrechtliche Zulassung haben. Zulassungsvoraussetzung ist u. a. ein validiertes Nachweis- und Identifizierungsverfahren (siehe auch Antwort zu den Fragen 12 und 14). Bei einer Sortenanmeldung ist vom Züchter anzugeben, ob es sich bei der Pflanze um einen GVO handelt. 10. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen, welche durch klassische Verfahren hergestellt wurden , dem Verbraucher als GVO kenntlich zu machen? Die Bundesregierung sieht hierfür keine Notwendigkeit. 11. Wie soll der Herstellungsprozess überwacht werden, wenn davon auszugehen ist, dass keine entsprechenden Nachweisverfahren existieren? Mit neuen Mutagenese-Verfahren gezüchtete Pflanzen oder daraus hergestellte Lebensmittel und Futtermittel dürfen nach dem EuGH-Urteil vom 25. Juli 2018 in der EU nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine gentechnikrechtliche Zulassung haben. Zulassungsvoraussetzung ist u. a. ein validiertes Nachweis- und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6666 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Identifizierungsverfahren (siehe auch Antwort zu Frage 14). Sofern keine Nachweisverfahren für Organismen, die mit neuen Züchtungstechniken entwickelt wurden, verfügbar sind, kann eine Dokumentenkontrolle beim Züchter Aufschluss über den Herstellungsprozess geben. Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, den Herstellungsprozess bei Lebens- und Futtermitteln gentechnikrechtlich zu überwachen, wenn diese mit Hilfe von Organismen hergestellt werden, die mit klassischer Mutagenese verändert wurden. 12. Wie sollen Importe für die Lebens- und Futtermittelnutzung hinsichtlich des Herstellungsprozesses überwacht werden, und kann unterschieden werden, ob die Produkte mittels klassischer Mutagenese oder Genome-Editing-Verfahren hergestellt wurden? Mit neuen Mutagenese-Verfahren hergestellte Produkte dürfen nur dann in die EU importiert werden, wenn insbesondere eine Zulassung nach EU-Gentechnikrecht vorliegt und die Produkte entsprechend als GVO gekennzeichnet sind. Herausforderungen dürfte es bei der Nachweisbarkeit mittels Analysen im Labor geben. Die Bundesregierung nimmt zur Kenntnis, dass diskutiert wird, ob und wie es künftig möglich sein wird, eine labortechnische Nachweismethode für mit Genome Editing erzeugte Organismen zu entwickeln, die das EU-Referenzlabor für genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (EURL) validieren könnte. Derzeit werden mögliche Probleme und Lösungsansätze im Netzwerk der EU-Referenzlabore und in der Bund/Länder – Arbeitsgemeinschaft (LAG) diskutiert . 13. Sieht die Bundesregierung bei Lebensmitteln aus Pflanzensorten, die im Ursprung auf induzierte traditionelle Mutationen zurückgehen, das Siegel „Ohne Gentechnik“ gerechtfertigt, wenn der Anteil dieser Sorten oberhalb der 0,9-prozentigen Kennzeichnungsschwelle im Lebensmittel liegt? Die Auslegung und der Vollzug der Rechtsvorschriften zur „Ohne Gentechnik“- Kennzeichnung nach dem EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz fallen in die Zuständigkeit der Überwachungsbehörden der Länder. 14. Werden Möglichkeiten gesehen, die Schwellenwerte (z. B. 0,1 Prozent technische Nachweisgrenze bei Futtermitteln oder 0,9 Prozent für zugelassene GVO in Lebensmitteln) auch ohne Nachweisverfahren für derartige GVO und Abgrenzungsmöglichkeiten von induzierten Mutationen im Vergleich zu natürlich vorkommenden Mutationen zu kontrollieren? Die genannten Werte gelten nur für zugelassene gentechnisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (Verordnung (EG) Nr. 1829/2003) bzw. für Futtermittel, die die Anforderungen nach Verordnung (EU) Nr. 619/2011 erfüllen. Für beide Fälle gilt, dass entsprechend diesen Verordnungen ein validiertes Nachweisverfahren und entsprechendes Referenzmaterial vorliegen müssen. In diesem Fall wäre gewährleistet, dass spezifische Nachweis- und Identifizierungsverfahren für diese Produkte verfügbar wären. Die Möglichkeit eines Nachweises von GVO ohne Zulassung in der EU ist abhängig davon, ob bzw. welche Informationen zu den spezifischen Veränderungen im GVO vorliegen (siehe Antwort zu Frage 12). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6666 15. Wird das Siegel „Gentechnikfreie Region“ weiterhin als angemessene Bezeichnung betrachtet, auch wenn in der entsprechenden Region Pflanzensorten angebaut werden, die aus klassischer Mutagenese hervorgegangen sind? Ob Gruppierungen von Wirtschaftsteilnehmern, Gemeinden, Landkreise oder Bundesländer ein Gebiet als „Gentechnikfreie Region“ bezeichnen und wie dabei der Begriff „Gentechnikfreie Region“ im Einzelnen definiert wird, also ob er sich z. B. auf den Anbau von Pflanzen bezieht, liegt in der Eigenverantwortung der Beteiligten. Die Bundesregierung ist im Rahmen von Initiativen zu „Gentechnikfreien Regionen“ nicht tätig. 16. Hält die Bundesregierung eine Anpassung der EU-Rechtsvorschriften in Bezug auf den Anbau von gentechnisch veränderten Sorten, welche durch klassische Mutationen entstanden sind, für notwendig? Das EuGH-Urteil vom 25. Juli 2018 hat festgestellt, dass die Mitgliedstaaten den Anbau von Pflanzen, die mit klassischer Mutagenese erzeugt wurden, den Anforderungen des nationalen Gentechnikrechts oder anderen Verpflichtungen unterwerfen können. Die Bundesregierung prüft, welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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